Kategorie:
Ökonomie

„Sicherheitsversprechen“ für wen? Ist es „sozialnostalgisch“, wenn man auf die zunehmende Schieflage bei Einkommen und Vermögen hinweist?

Die Primärverteilung des Volkseinkommens zwischen Kapital und Arbeit hatte sich in den Jahren ab 2000 rapide zugunsten der Gewinneinkommen verschoben. Die sekundäre Verteilung des Volkseinkommens durch Steuern und Abgaben hat diese einseitige Primärverteilung noch weiter polarisiert. Die unteren 50 Prozent der Haushalt verfügen über 4 Prozent des Vermögens. Die oberen 10 Prozent über 47 Prozent. Matthias Platzeck hat Recht: Es ist höchste Zeit „die Idee der sozialen Gerechtigkeit grundlegende zu erneuern“. Die Frage ist nur, wo man ansetzt: Bei den „Sicherheitsversprechen“ für die, die schon im Übermaß haben oder für die, die es am nötigsten haben. Karl Mai zeigt an Hand von konkreten Zahlen, wo der „soziale Zusammenhalt“ in unserer Gesellschaft zunehmend gefährdet ist.

Böckler Impuls 01/2006: Studie zu verdeckter Armut. Im toten Winkel des Sozialstaates. Mindestens 1,8 Millionen Bedürftige leben ohne staatliche Hilfe.

Die Dunkelziffer der Armut ist in Deutschland fast so hoch wie die erfasste Zahl. Hauptursachen sind Fehlinformation und Angst vor Stigmatisierung.
Die verdeckte Armut erreicht in Deutschland fast die Größenordnung der bekämpften. Auf drei Empfänger von Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt kommen nach einer Auswertung von Irene Becker und Richard Hauser „mindestens zwei, eher drei Berechtigte“, die sich nicht beim Amt melden.

Ökonomenwahn „Masterplan“ – eine Buchbesprechung

Zum neuen Jahr hat der INSM-Botschafter und VWL-Professor Ulrich van Suntum aus Münster ein Buch mit dem Titel “Masterplan Deutschland” veröffentlicht. Es beschreibt ein Gesamtkonzept für neoliberale Reformen und zeigt gewissermaßen die Blaupause auf, wohin die “Reform-Reise” gehen soll, nämlich insbesondere in eine volkswirtschaftliche Zukunft ohne Sozialversicherungen und mit nur noch minimaler staatlicher Daseinsvorsorge. Aus meiner Sicht erschreckend und ökonomisch kein Master-, sondern ein Desasterplan.

Unabhängige Rezensionen sind mir bisher nicht bekannt geworden. Ein Nutzer der NachDenkSeiten als sich die Mühe gemacht, eine Besprechung zu schreiben. In ihr sind die wesentlichen Vorschläge dieses Buches dargestellt und aus volkswirtschaftlicher Sicht kritisch analysiert und kommentiert. Wenn man das liest, dann ärgert man sich wirklich darüber, dass wir als Steuerzahler auch Ideologen wie van Suntum als Professoren bezahlen.

Mit Niedriglohn mehr Jobs, glaubt Sinn.

Die “Aktivierende Sozialhilfe” ist der Schlüssel zur Überwindung der Arbeitslosigkeit, weil sie mithilft, “die gesamte Lohnskala aufzufächern (…)”
Exakt. Das genau wollte Sinn immer schon erreichen. “… so daß die Arbeitslosigkeit in allen Segmenten des Arbeitsmarktes verschwindet.”
Das wird natürlich nicht geschehen, und dann wird Sinn noch viele verkrustete Strukturen entdecken, die er dafür verantwortlich machen kann. Wie immer ignoriert Sinn die makroökonomischen Probleme unseres Landes – den Ausfall der Binnennachfrage und damit ein massives Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt zulasten der Arbeitnehmer. Der Beitrag in der „Welt“ ist nur dann zur Lektüre zu empfehlen, wenn Sie mal wieder nachlesen wollen, wie diese Art von Ökonomen denkt.

Die neue Programmatik der SPD zielt auf die „linke Mitte“ – allerdings nur noch der oberen zwei Drittel der Gesellschaft. Für das untere Drittel bleibt allenfalls die Notfallhilfe.

Weil man nicht auf die nahe liegende Idee kommen darf, dass es an der praktischen Politik der SPD liegt, dass diese Partei von immer weniger Menschen als Hüterin der „sozialen Gerechtigkeit“ wahrgenommen wird, macht ihr Vorsitzender Platzeck nun umgekehrt den Versuch diesen sozialdemokratischen Kernbegriff der praktizierten Politik der SPD anzupassen. Nach dem Motto: Wenn wir schon unsere früheren programmatischen Vorstellungen von „sozialer Gerechtigkeit“ nicht mehr in praktische Politik umsetzen wollen, müssen wir wenigstens diesen Grundwert so umdeuten, dass er wieder mit unserem politischen Handeln einigermaßen zusammenpasst. Kurz: Man hat den Topf schon längst gewechselt und sucht nun den passenden Deckel.

So wird unseren Studierenden das angebotsorientierte Wirtschaftsdogma eingebläut

Hans-Werner Sinn predigt im „Diskussionsforum 2005“ seines ifo-Institutes seine ökonomische Weltsicht. Sebastian Gechert, ein Leser der NachDenkSeiten, der Volkswirtschaftsstudent ist, stellte uns seinen Disput mit „Deutschlands bestem Ökonomen“ (BILD) zur Verfügung. Ein lesenswertes Beispiel dafür, welcher Un-Sinn unseren Studierenden eingetrichtert wird.

Endlich sagt das einer: Alterung kein Problem

Der Economist argumentiert (leider auf Englisch, aber ganz gegensätzlich zu seiner normalen, früheren Argumentation), daß Alterung und Bevölkerungsrückgang, wie sie in vielen Ländern der Welt anstehen, kein Übel sind, sondern vermutlich sogar viele Probleme lösen helfen, und dass das zurückgehende Wirtschaftswachstum (lt. Economist auch kein Problem bei einer schrumpfenden Bevölkerung) vermutlich problemlos durch weitere Produktivitätszuwächse angehoben werden kann. Sehr interessanter Schwenk in der Argumentation.

Danke für den Hinweis an einen Freund der NDS!

Verteilungsbericht 2005 des DGB: Umverteilung nach oben verschärft Stagnation und Massenarbeitslosigkeit

Die Abteilung Wirtschaftspolitik des DGB hat im Dezember 2005 ihren Verteilungsbericht vorgelegt:
„Deutschlands Wirtschaft befindet sich noch immer in einer seit 2001 vorherrschenden Stagnation. Der private Konsum und die gesamte Binnennachfrage lahmen, die Reallöhne sinken. Die öffentliche Infrastruktur leidet unter mangelnden Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen.
Die zunehmende Schieflage der Verteilung zwischen Kapital und Arbeit, ist einerseits eine Auswirkung von Stagnation, Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau und steuerlicher Umverteilung nach oben. Andererseits wirkt die Polarisierung der Einkommen selbst als ein Hemmnis für wirtschaftliches Wachstum. Die leichte konjunkturelle Belebung im Herbst 2005 geht fast ausschließlich auf den nach wie vor wachsenden Export und Exportüberschuss zurück.“
Für den eiligen Leser haben wir die wichtigsten Ergebnisse des Verteilungsberichts knapp zusammengestellt.

Muss es so inhaltslos sein?

Anmerkungen zum Jahreswechsel-Brief der Bundeskanzlerin und einem Bundespräsidenten-Interview mit dem Stern:
Es ist nichts dagegen zu sagen, dass die Bundeskanzlerin zum Jahreswechsel zusätzlich zur Fernsehansprache auch noch einen Brief an uns schreibt, selbst wenn er wie im konkreten Fall uns Steuerzahler 2,95 Millionen Euro kostet. Aber dann erwarten wir auch, dass etwas drin steht, was über den jetzt schon erfolgten Nachdruck in den Zeitungen hinausreicht. Wenigstens irgend einen neuen und weiterführenden Gedanken. Das kann man von Merkels Brief leider nicht behaupten. Siehe unten. – Die neuesten Interview-Interventionen des Bundespräsidenten enthalten zwar ein bisschen was. Aber eher wieder Einseitiges zulasten der Arbeitnehmer und vor allem Unausgegorenes. Beiden Texten gemeinsam sind die Sprüche: Freiheit, gemeinsam sind wir stärker, Mut und Menschlichkeit, Bereitschaft für Veränderungen, usw.

Eine Strategie, die nicht versucht, den Arbeitnehmern wieder Arbeitsplatzalternativen zu verschaffen, ist keine linke Strategie.

Heute sitzen sie hoffnungslos am kürzeren Hebel. Das muss anders werden. Das wäre der Kern einer arbeitnehmernahen Strategie. In der FR vom 21.12. ist unter dem Titel „Eine linke Agenda – Reflexionen über eine Neuordnung der Alterssicherung, des Arbeitsmarkts und des Gesundheitswesen“ ein Vortrag von Josef Esser dokumentiert.
Vieles könnte ich ohne weiteres unterschreiben. Bei anderem wundere ich mich nur noch über die Naivität, denn diese „Linke“ arbeitet im Ergebnis dem „herrschenden Diskurs“ zu und kaschiert das Scheitern der Neoliberalen.

IMK hebt seine Wachstumsprognose für 2006 leicht von 1,4 auf 1,7 Prozent an – dennoch schlechte Aussichten für Beschäftigte und Arbeitslose

Peter Hohlfeld und Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sehen in ihrer jüngsten Prognose für das kommende Jahr eine zaghafte Aufschwungstendenz (wenn man bei 1,7% Wachstum überhaupt schon von „Aufschwung“ sprechen will). Dank einer aufwärtsgerichteten Weltwirtschaft und einer angesichts sinkender Lohnstückkosten sich weiter verbessernden Wettbewerbsfähigkeit, rechnet das IMK mit einer Zunahme der Ausfuhren um 7 ½ %. Entgegen der Absicht der neuen Regierung rege die Fiskalpolitik die Konjunktur nicht an.

„Der Big Bang steht noch bevor

OFFSHORING (I) Der Job-Export zerstört die Innovationskraft ganzer Volkswirtschaften“
Freitag 47, 25.11.05
Ein Hinweis mit einem längeren Kommentar: Der Beitrag von Wolfgang Müller im FREITAG ist ein gutes Beispiel dafür, zu welchen Fehlschlüssen es führen kann, pars pro toto zu nehmen (also vom Teil auf das Ganze zu schließen). (KR/AM)

Es gibt auch positive Nachrichten aus der Wirtschaft – allerdings aus Schweden, das so einen ganz anderen wirtschaftspolitischen Kurs steuert als Deutschland

Schwedens Kommunen- und Länderverbund (SKL) sagt nach einem Bericht des „Dagens Nyheter“ einen fortgesetzten Zuwachs in Schweden für das nächste Jahr voraus. In einer Prognose rechnet SKL mit einem Anwachsen des BNP um 2,5 % in diesem Jahr, 2006 mit 3,0 %, 2007 mit 2,4 %, 2008 mit 2,1 % und 2009 mit 2,0 %.
Es wird erwartet, dass die Arbeitslosigkeit von 5,8 % in diesem Jahr auf 5,0 % im Jahr 2006 fällt und bis zum Ende der Prognosezeit auf diesem Wert verbleibt.
Die Inflation, als KPI (Kerninflationsrate) gemessen, wird dieses Jahr 0,5 % betragen und steigt der Prognose entsprechend im nächsten Jahr auf 1,5 %. Danach soll sie erwartungsgemäß auf dem Zielniveau der Reichsbank bei 2,0 % liegen.

Quelle 1: DN.EKONOMI
Quelle 2: SKL