Kategorie:
Ökonomie

„Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs“

Diesen Titel trägt der neueste Essay von John Kenneth Galbraith, in dem er viele Beispiele für den „Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft“ abhandelt. Der 97-jährige Galbraith, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler, kommt zu dem Schluss, „dass die wahren Verhältnisse auf keinem anderen Gebiet durch soziale oder auf Gewohnheit beruhende Präferenzen sowie materielle Individual- und Gruppeninteressen derart verschleiert werden wie in der Ökonomie und der Politik.“

Generelle Steuerentlastungen für Unternehmen taugen nicht als Investitionsanreize

Wie wenig sich die mehr als 60 Milliarden Euro Steuerentlastungen bei Ags und GmbHs in den letzten vier Jahren auf die Investitionsbereitschaft und wie positiv sie sich dagegen auf die Gewinne ausgewirkt haben, belegt ver.di in Wirtschaftspolitik-aktuell Nr. 8, 2005, mit einer Umsetzung der Daten des Statistischen Bundesamtes in eine Grafik.
Danach sind die Bruttoinvestitionen von 216 Milliarden Euro im Jahre 2000 auf 182 Milliarden Euro in 2002 gesunken und lagen 2004 bei 209 Milliarden Euro. In diesem Zeitraum sind die Gewinnsteuern von 27 Milliarden Euro auf einen Tiefststand von 9 Milliarden Euro in 2001 gesunken, um im Jahre 2004 etwa wieder etwa auf der Hälfte des Ausgangswerts, bei 14 Milliarden Euro, zu landen. Dafür sind die Gewinne in den letzten vier Jahren von 236 Milliarden Euro auf 281 Milliarden Euro gestiegen.

Fazit: Die Gewinne von heute sind eben nicht die Arbeitsplätze von morgen.

Quelle: wipo.verdi.de »

Interessante Wirtschaftsdaten 1992 bis 2004

Heiner Flassbeck empfiehlt zum Hinweis in den NachDenkSeiten „eine wunderbar einfache Statistik mit Graphiken über die relevanten Zusammenhänge in Deutschland von 1992 bis 2004“. Sie finden sie beim Statistischen Bundesamt unter diesem Link [PDF – 2.9 MB].

Der Economist lobt D.

Mit Verspätung (Pardon!) stelle ich einen Hinweis von Jan Robben ins Netz: Anders als die deutschen Politiker und Medien scheint jetzt sogar der britische “Economist”, eigentlich das Kampfblatt des Neoliberalismus (und von Neoklassikern wie Horst Siebert in seinen Lehrbüchern den Studenten wärmstens anempfohlen), begriffen zu haben, dass die bisherigen Analysen irgendwie schief gewesen sein müssen. Zumindest liest man in der neusten Ausgabe vom 19. Februar 2005 Töne, die zu der bisherigen Melodie überhaupt nicht passen wollen.

Für makroökonomisch Interessierte

… ein Hinweis auf einen wiederum interessanten Artikel von Heiner Flassbeck und ein Beitrag unseres Lesers Dr. Kai van de Loo zur jüngsten Diskussion über Kompetenz und Vernunft in der deutschen Wirtschaftspolitik. Es ist ein Kurzporträt des im Vorjahr erschienenen Buches “Orientierungshilfen für die Wirtschaftspolitik” von Prof. Claus Köhler.
Der Text ist übertitelt “Köhler rät zu Keynes und Konjunkturprogrammen”, was Köhlers Kernaussagen zur Beschäftigungspolitik auf den Punkt bringt. „Seine Analysen und Empfehlungen“, so Autor van de Loo, „stimmen im Wesentlichen mit den (makro-) ökonomischen Positionen überein, die von den NachDenkSeiten auch sonst so engagiert vertreten werden und liefern somit einen weiteren renommierten Kronzeugen.“

“Große Investitionsprogramme können nicht gefahren werden.”

Meint der DGB-Vorsitzende in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Wenn das so wäre, dann bliebe nur der moralische, aber weitgehend hilflose Appell an die Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist jedenfalls das Fazit aus dem Interview mit Michael Sommer. – Mein Fazit ist: Deutschland leidet unter Inkompetenz. Sie hat nicht nur die Opposition und die Regierung erfasst, sondern inzwischen auch die DGB-Spitze. Der DGB veranstaltete im letzten November eine große „Makrokonferenz“ in Berlin, er stattet den Keynesianer Horn mit einem Wirtschaftsforschungsinstitut aus. Aber was soll das Ganze, wenn dann der Vorsitzende bei weit über 5 Millionen registrierten Arbeitslosen erklärt, wir könnten keine Investitionsprogramme fahren, weil das Geld fehle? Dass das Geld Hans Eichel heute auch deshalb fehlt, weil wir die Konjunktur immer tiefer in den Keller reiten, diesen Zusammenhang will offenbar niemand zur Kenntnis nehmen.
Was von der Unfähigkeit der in Deutschland Verantwortlichen zu einer pragmatischen Politik der Konjunktursteuerung zu halten ist, dazu im folgenden mehrere Beiträge kompetenter Ökonomen.

Familienministerin Schmidt: Armut hängt nicht nur vom Geld ab. Haushaltskurse gegen Armut. Eintopf statt Fast Food.

Am Mittwoch den 2. März wird der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung im Kabinett behandelt. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird tiefer; nahezu jeder siebte Haushalt lebt in Armut. Der Anteil der von Armut betroffenen Haushalten ist seit 1998 von 12,1 auf 13,5% gestiegen. Dagegen verfügt ein Zehntel der reichen Haushalte über 47% (1998 waren es noch 45%) des Nettovermögens von 5 Billionen Euro.
Die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt kommentiert die zunehmende Armut in „Bild am Sonntag“ vom 27.2.05 vorab so: „Armut hängt nicht nur vom Geld ab“. Sie fordert von den „klugen Müttern“ Eintopf mit Saisongemüse statt Fast Food und plädiert für „Haushaltskurse“ damit Eltern und auch Kinder „mit ihrem Geld wirtschaften lernen“.

Wo bleibt die Reichtumsuhr?

T. S., ein Leser der NachDenkSeiten aus Erfurt, schickt mir einen Leserbrief, den die Thüringer Landeszeitung am 25.2.05 veröffentlichte. Er knüpft an der sogenannten „Schuldenuhr“ an und hinterfragt die gängige Argumentationslinie. Ein Stück Aufklärung. Danke.

Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter: „Manche von uns werden nicht so viel verdienen, wie sie in Deutschland zum überleben brauchen“

Auszug aus einem Interview der Magdeburger Volksstimme vom 17.2.05:

Walter:

… und wir müssen dringend erkennen, dass mit der Globalisierung auch Wettbewerb um Arbeitskosten entsteht. Deshalb müssen wir bei leicht vergleichbaren und ersetzbaren Arbeiten die Alternativangebote ernst nehmen.
Volksstimme: Das bedeutet (…) dass manche von uns – wegen des intensiven Wettbewerbs mit Mittel- und Osteuropa – nicht so viel verdienen werden, wie sie in Deutschland zum Überleben brauchen. Dann kann es sein, dass zwei oder drei Mitglieder einer Familie arbeiten müssen, damit es zum Leben reicht. Wir haben in Deutschland die Vorstellung entwickelt, es sei Pflicht eines Unternehmers, einem Beschäftigten einen Familienlohn zu zahlen. Das geht wirtschaftlich aber nicht.


Quelle: www.volksstimme.de

Anmerkung: Wirtschaftlich geht aber schon, dass die Deutsche Bank einen Gewinn von 2,5 Milliarden einfährt, 6000 Leute entlässt und der Bankchef Ackermann 11 Millionen Euro verdient. Hoffentlich reicht ihm das zum Leben.

Über 600.000 arbeitslose Jugendliche – Clement: „Jeder soll ein Beschäftigungsangebot bekommen“ – Da bleibt noch viel zu tun

Im letzten Sommer hat Wolfgang Clement bei Sabine Christiansen für Hartz IV geworben und wieder einmal eines seiner vollmundigen Versprechen abgegeben: „Jeder dieser (arbeitslosen) Jugendlichen wird ab 1. Januar einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz oder eine Qualifizierung oder sonstiges angeboten bekommen.“
Von Januar 2004 bis Januar 2005 ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen im Alter von unter 25 Jahren um 26,5% von einer halben Million auf 635.000 gestiegen. Nicht nur Clement hat mal wieder den Mund zu voll genommen.