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Ökonomie

CETA und TTIP als Gefahr für das europäische Sozialmodell

Seit das „Multilaterale Abkommen über Investitionen“ (MAI) kurz vor der Jahrtausendwende durch Aufklärungskampagnen globalisierungskritischer Organisationen und Massenproteste in mehreren Ländern zu Fall gebracht wurde, hat es immer wieder Anläufe zu einem die größten Wirtschaftsblöcke der Erde übergreifenden Vertrag gegeben, mit dem die transnationalen Konzerne das kapitalistische Weltsystem perpetuieren, ihre gesellschaftliche Vormachtstellung zementieren und unbotmäßige Regierungen disziplinieren wollen. Gewerkschaftliche, soziale, ökologische und verbraucherschutzpolitische Initiativen sollen ins Leere laufen, Kapitalverwertungsinteressen rechtlich absolut privilegiert sein. Letztlich geht es um die Errichtung eines globalen Herrschaftsregimes, das unternehmerischen Investitionsentscheidungen jedweder Art dauerhaft freie Bahn schafft und mögliche Einsprüche dagegen mittels juristischer Sperren blockiert. Unter dem Einfluss neoliberaler Kräfte und mächtiger Wirtschaftskreise, die auf der Grundlage eines „Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens“ (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) mit Kanada geheime Verhandlungen der EU mit den USA über eine „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) bzw. ein „Transatlantisches Freihandelsabkommen“ (Trans-Atlantic Free Trade Agreement, Tafta) vorantreiben, ist das europäische Sozialmodell etwa seit der Jahrtausendwende tiefgreifend verändert worden. Dem modernen „Turbokapitalismus“ (Edward Luttwak) inhärente Tendenzen zur sozialen Polarisierung, zur Prekarisierung und zur Pauperisierung treten dadurch stärker denn je zutage. Von Christoph Butterwegge

Armut und ihre verschiedenen Gesichter

Dass sich Armut auch in Deutschland immer mehr breit macht, können auch konservative Kreise inzwischen nicht mehr länger leugnen. Dennoch wird dieser Fakt immer wieder relativiert und kleingeredet. So wird dann argumentiert, dass in Deutschland ja kein Mensch hungern müsse, nur weil er arm sei. Den Armen ginge es im Vergleich zu anderen Ländern noch sehr gut, denn „unsere“ Armen seien ja nur „relativ arm“. Gelegentlich wird auch ein Vergleich zu früheren Zeiten gezogen: Menschen vor 50 Jahren hätten vor Freude in die Hände geklatscht, wenn sie all das gehabt hätten, was Arme in Deutschland heutzutage trotz ihrer Armut haben. Doch was ist dran an dieser These, dass Arme in Deutschland nur „gefühlt arm“ seien, sie sich quasi nur keinen Luxus leisten könnten? Bedeutet Armut hierzulande, ein bescheidenes, aber immer noch gutes Leben führen zu können? von Lutz Hausstein [*]

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Es ist der Binnenmarkt, Ihr Deppen

Der amerikanische Politikwissenschaftlicher und Publizist Robert Reich berichtet über die Besorgnis amerikanischer Spitzenmanager, dass die von ihren Unternehmen hergestellten Waren angesichts des Zerfalls der amerikanischen Mittelschicht zukünftig nicht mehr genug Käufer finden. Wie bitte? Noch einmal: Amerikanische Spitzenmanager zeigen sich besorgt über die Erosion der Einkommen der amerikanischen Mittelschicht, weil sie durch ein weiteres Anhalten dieser Entwicklung ihren heimischen Absatz in Gefahr sehen.
Der europäische Leser reibt sich gerührt die Augen. Der Binnenmarkt und Unternehmer, die gesamtwirtschaftlich denken können – es gibt sie noch. Von Erik Jochem

BlackRock und Co.: Das globalisierte Finanzkapital

Nur ein gutes Drittel der Anteile an den Dax-Unternehmen wird von Inländern gehalten. Ein weiteres Drittel gehört Personen und vor allem Finanzkonzernen aus den USA und Großbritannien, während das letzte Drittel sich auf den Rest der Welt verteilt. Die Spinne im Netz der Beteiligungen an den Dax-Unternehmen ist dabei ein Unternehmen, dessen Name wohl nur Insidern bekannt ist – BlackRock. BlackRock ist an jedem Dax-Konzern beteiligt, an 80 Prozent der Dax-Konzerne sogar mit 5 Prozent und mehr, bei mehr als der Hälfte der Dax-Konzerne ist BlackRock sogar der größte Anteilseigner. Doch wer ist BlackRock? Und was bedeutet dies für den Standort Deutschland und für die Vermögensverteilung? Von Jens Berger.

Schafft die Fifa ab! (3/3)

Im dritten Teil unserer Mini-Serie zur Fußball WM in Brasilien beschäftigen wir uns mit der heute beginnenden WM in Brasilien und werfen einen kleinen Ausblick in die Zukunft des internationalen Fußballs. Wie könnte eine bessere WM aussehen, die nicht nur der Fifa und den Sponsoren nutzt? Fußball ist schließlich etwas für Fans und nichts für Konsumenten. Und außerdem ist Fußball zu schön, um ihn korrupten Funktionären und profitgeilen Sportmanagern zu überlassen. Ist die Fifa überhaupt noch von innen heraus reformierbar?
Von Jens Berger.

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Auch Erbarmen geht nicht ohne Coca Cola – Nun engagiert sich der Getränkekonzern auch in der Armutsökonomie der „Tafeln“

Angesichts eines Werbeplakats im öffentlichen Raum stellt sich mir die Frage, ob es eher gut oder schlecht ist, wenn die eigenen Thesen von der Wirklichkeit überholt werden. Es handelt sich dabei um eine Anzeige von Coca Cola Deutschland in einer Zeitschrift, auf dem die Unterstützung der „Tafeln“ erklärt wird, zu denen der Konzern nun eine „stolze Partnerschaft“ aufgenommen hat.

Tafeln? Das sind doch die inzwischen als äußerst ambivalent eingeschätzten „Lebensmittelretter“, die bundesweit immer mehr arme Hartz-IV-Empfänger, Langzeitarbeitslose, Rentner und mancherorts sogar Studierende versorgen. Regelmäßig werden die Tafeln kritisiert, weil sie dazu beitragen, das Problem der Armut zu entpolitisieren. Armut, so der Kern der Kritik, entwickele sich durch die stetige Präsenz der Almosensysteme in diesem Land von einem politischen Skandal zu einer gesellschaftlich arrangierten Bedürftigkeit. Und innerhalb der sich immer weiter ausdifferenzierenden neuen Armutsarrangements lassen sich auch Gewinne erwirtschaften. Armutsökonomie bedeutet, dass Armut zur (ver)handelbaren Ware wird. Von Stefan Selke[*].

Gedanken zur aktuellen Debatte um die Zins- und Geldpolitik der EZB und zum seltsamen Zustand des Kapitalmarktes

Es wird uns ja einiges zugemutet in der aktuellen Debatte um die Zins- und Geldpolitik, und damit zugleich um die weitere und notwendige Wirtschaftspolitik in Europa. Ich formuliere dazu einige Gedanken, die als Anstöße zum Weiterdenken und richtigen Hinterfragen gedacht sind. Dabei muss auch einiges eher Grundlegendes zum Funktionieren eines Kapitalmarktes gesagt werden. Von Albrecht Müller

Bildung schützt vor Armut nicht und Armut behindert Bildung

Über Bildung wird seit jeher viel diskutiert. Mit der in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmenden sozialen Ungleichheit im Land haben solche Diskussionen weiter zugenommen. Meist wird hierbei der Anschein vermittelt, Bildung bedeute soziale Absicherung. Bildung schütze vor Armut. Bildung für alle – und schon ginge es allen gut. Dass es sich hierbei vor allem um eines, nämlich einen kleinbürgerlichen Irrglauben, eine Chimäre sozusagen handelt, ist Armuts- und Ungleichheitsforschern jedoch bekannt (1). Von Jens Wernicke

Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit? Wettbewerbsfähigkeit!

Kaum ein Begriff beherrschte die Medienlandschaft der vergangenen Jahre bis heute so stark wie „Wettbewerbsfähigkeit“. Inzwischen gibt es kaum mehr eine Rede, Talkshow oder ein Interview, in dem der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ mit einem mahnenden oder fordernden Unterton nicht enthalten ist. Bundeskanzler von Schröder bis Merkel, Wirtschaftsminister wechselnden Namens aus SPD, CSU und FDP, Arbeitsminister, Parteivorsitzende, Konzernchefs, sogar Gewerkschaftsbosse und Journalisten führen allerorten das Wort der Sicherung oder gar Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Mund. Doch nur selten war eine Begrifflichkeit so stark mit Mythen und falschen Assoziationen behaftet wie diese. Falsche Assoziationen, die das Verstehen und das Handeln grundlegend verzerren.
Von Lutz Hausstein[*]

Schwaches Wachstum und Deflationsgefahr im Euroraum – letzte Hoffnung EZB?

Nach den enttäuschenden (vorläufigen) Wachstumsraten des BIP in der Europäischen Währungsunion (EWU) im ersten Quartal 2014 [PDF – 148 KB] – das saisonbereinigte BIP stieg in der Eurozone insgesamt nur um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal – und dem erneut schwachen Anstieg der Preise (die jährliche Inflationsrate lag im April 2014 bei 0,7 Prozent und bei nur 0,5 Prozent im März [PDF – 119 KB]) dürfte auch notorischen Optimisten klar sein, dass von einer durchgreifenden Verbesserung der Lage in der Eurozone keine Rede sein kann.[1] Da die Inflationsrate im Euroraum inzwischen weit entfernt von der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von nahe 2 Prozent jährlich und schon seit mehreren Monaten im Bereich unter 1,0 Prozent liegt, den die EZB als „Gefahrenzone“ einstuft, da zudem in einigen Euroländern (Griechenland, Zypern, Portugal, Slowakei) das Preisniveau bereits fällt, erhöht sich der Druck auf die Zentralbank, über „unkonventionelle“ geldpolitische Maßnahmen nachzudenken, zumal auch die Aufwertung des Euro in den letzten eineinhalb Jahren Probleme bereitet.[2] Von Günther Grunert[*].

Die Verantwortung der von Merkel u.a.m. betriebenen Politik für die Erfolge der Rechtsextremen und für die erkennbare Abkehr von der EU wird erstaunlich selten thematisiert

Auch nur ein kleiner Rückblick auf die europäische und Weltwirtschaftsgeschichte müsste einem klarmachen: Wenn hohe Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not herrscht, wenn berufliche Perspektiven und soziale Sicherheit schwinden, dann ist es kein Wunder, dass die Menschen hilflos nach politischen Rettungsankern bei den Rechten suchen, die Schuld den Ausländern und Minderheiten zuschieben oder sich aus der politischen Beteiligung verabschieden. Es sei denn, die Verantwortlichen werden wie von der griechischen Linken richtig benannt.
Die Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Kräfte hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Volkswirtschaften Europas stagnieren und Arbeitslosigkeit in einzelnen Ländern geradezu explodiert. Wir haben anderen Völkern eine „Spar- und Reformpolitik“ aufgezwungen und die Europäische Kommission hat in ideologischer Verblendung dabei versagt, die Leistungsbilanzen und die Wettbewerbsfähigkeiten in Europa einigermaßen im Lot zu halten. Von Albrecht Müller

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Sind falsche Prognosen gut?

Am vergangenen Mittwoch haben die Nachdenkseiten, denen wir freundschaftlich verbunden sind, einen Kommentar von Wolfgang J. Koschnick „Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen und das ist auch ganz gut so“ abgedruckt, der sich kritisch mit „den Ökonomen“ und insbesondere mit den Prognosen „der Ökonomen“ auseinandersetzt. Die Kritik gipfelt in der Forderung, überhaupt keine Prognosen mehr zu machen, weil es einfach objektiv unmöglich sei, die Zukunft eines komplexen Systems wie der Wirtschaft vorherzusehen. Ich will mich auf diese Frage konzentrieren, aber nicht im Detail auf den Artikel eingehen. Denn dort geht so vieles durcheinander, dass man viele Seiten bräuchte, um das wieder auf die Reihe zu bekommen. Aber es gibt eine weit verbreitete Auffassung, wonach die Volkswirte einfach unfähig sind, gute Prognosen zu erstellen, und das zeige doch, dass das ganze Fach nichts wert sei. Das ist eine Sichtweise, die angesichts des vielfältigen Versagens der Ökonomen verständlich, gleichwohl aber viel zu pauschal ist. Von Heiner Flassbeck.

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Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen und das ist auch ganz gut so

Hellseher, Wahrsager, Kaffeesatzleser, Spökenkieker, Astrologen und Ökonomen haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Prognosen gehen meist in die Hose. Und wenn sie das ausnahmsweise einmal nicht tun, ist das reiner Zufall.
Man hat sich längst daran gewöhnt: Das Ritual findet alle paar Monate aufs Neue statt, und das Publikum wird nicht müde, sich das anzuhören. Irgendwelche Wirtschaftsweisen treten auf und verkünden: Die Konjunktur hat sich erholt, die Wirtschaft wächst, es geht bergauf.
Leider, leider aber hat sich inzwischen gezeigt, dass die Prognose vom letzten Quartal total daneben lag und nach unten korrigiert werden muss. Woran das lag? Nun ja, die Konjunktur hat sich nicht so positiv entwickelt wie erwartet. Von Wolfgang J. Koschnick.

Europa ist prima, aber die in Brüssel, Berlin u.a.m. herrschende Ideologie ist fürchterlich und ein Versager

Am 8. Mai hatte ich in Zagreb eine Diskussion mit interessanten Gästen der Friedrich Ebert Stiftung Zagreb. In Kroatien wie in anderen Staaten Europas kann man beobachten, dass die Idee von Europa und der Anspruch der Repräsentanten der Europäischen Union einerseits und die wirkliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Völker Europas andererseits meilenweit auseinander liegen. Brüssel hat in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik versagt. Der in Europa jetzt herrschende Geist ist nicht einmal von Solidarität geprägt. Man müsste diese Ideologie am kommenden Sonntag abwählen können. Albrecht Müller.

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Buchrezension: Über das Deutschland, das nur wenigen gehört

Wem gehört Deutschland? Dem größten Teil der Bevölkerung sicher nicht. Und trotzdem hat man Angst vor linker Politik. Ist das die Furcht davor, das Bisschen was man besitzt, auch noch aufgeben zu müssen? […]
Jens Berger beschreibt in seinem neuen Buch »Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen«, dass das gestörte Verhältnis zum Eigentum nicht von den Linken ausgeht, sondern von jenem »alternativlosen« System, das wir als die »freie Marktwirtschaft« kennen. Nach Lektüre des Buches wird klar: So viele Häuschen von Privatleuten werden die Kommunisten gar nicht enteignen können. Bei den Privatleuten gibt es ohnehin nicht viel zu holen. Nur im oberen Segment, bei den oberen 10 Prozent und speziell bei dem obersten 0,1 Prozent würde es sich lohnen. […]
Wem gehört also Deutschland? Den meisten Menschen in Deutschland eher nicht. Berger ist es gelungen, ein linksliberales Buch ohne Linksromantik zu schreiben, das diesen Umstand nicht nur anklagt, sondern Alternativen aufzeigt. Und alleine das ist in »alternativlosen Zeiten« wahrlich nicht wenig.

Den vollen Text können Sie im Neuen Deutschland lesen.

Jens Berger: Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen
Westend Verlag, 256 Seiten, 17,99 Euro ISBN: 978-3-86489-053-6