Die Privatisierung der Politik – Markt und Wettbewerb steuern die Bildung
Vortrag im Rahmen der 66. Pädagogischen Woche des GEW-Bezirksverbandes Lüneburg in Cuxhaven-Duhnen, am 5. November 2010. Von Wolfgang Lieb
Vortrag im Rahmen der 66. Pädagogischen Woche des GEW-Bezirksverbandes Lüneburg in Cuxhaven-Duhnen, am 5. November 2010. Von Wolfgang Lieb
Eine interessante Studie legten die beiden Soziologen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vor. Sie untersuchten die Gretchenfrage, ob die „unternehmerische Hochschule“ tatsächlich unternehmerisch erfolgreich ist.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Das Konzept der unternehmerischen Universität „mag geeignet sein, das Personalmangement an den Hochschulen zu verbessern und die Ressourcenverteilung transparenter zu gestalten. Doch angesichts der chronischen Unterfinanzierung des Hochschulsystems und aufgrund nicht intendierter Effekte für kollektive Arbeitsprozesse, die Innovation überhaupt erst ermöglichen, kann eine allzu nahtlose Umsetzung des Leitbildes der unternehmerischen Universität alte Innovationsblockaden verstärken oder ganz neue erzeugen.“ (S. 137) Von Wolfgang Lieb
Eine Powerpointpräsentation von Andrä Wolter [PDF – 870 KB] im dem Workshop „Bildung für alle?“ der Hans-Böckler Stiftung und der IG Metall Frankfurt, am 27./28. September 2010.
In diesem Jahr ist das Komitee zur Vergabe des durch die Schwedische Reichsbank 1968 gestifteten Preises für Ökonomik im Gedächtnis an Alfred Nobel seiner Linie in den letzten Jahren treu geblieben: Geehrt und damit gefördert wird die Grundlagenforschung zur Funktionsweise von Märkten unter allerdings realistischen Verhaltensannahmen und bei Berücksichtigung institutioneller Beziehungen. Die reine Marktlehre, die modellhaft auf die Preisbildung aus dem Zusammenspiel der von einander unabhängigen Nachfrage gegenüber dem Angebot setzt, ist nicht in der Lage, die Prozesse auf den heutigen Märkten zu erklären. Sind noch vor Jahren die Forschungsarbeiten zu ungleich verteilten Informationen (J.A. Stieglitz / George A. Ackerlof, geehrte 2001) belohnt worden, so geht es in diesem Jahr um Forscher mit dem Schwerpunkt: Akteure auf den Märkten befinden sich auf Suche nach der angemessenen Entscheidung und bringen dafür Kosten und Zeit auf. Wegen dieser Kritik der reinen Marktlehre lassen sich diese Theorien auch nicht als neoliberal abtun. Allerdings steht bei der Suche nach der Arbeitslosigkeit das Verhalten der Arbeitslosen bei der Suche nach einem Job im Vordergrund. Fehlverhalten der Arbeitgeber beispielsweise wegen zu geringer Ausbildungsangebote wird zu wenig thematisiert. Ausgeblendet wird vor allem der Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die eine aktive Finanzpolitik und expansive Lohnpolitik fordert. Dafür hatte Paul Krugman den Nobelpreis 2009 erhalten. Von Rudolf Hickel
Im Rahmen einer Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln prüft Thomas Horst, ob die Regelungen des nordrhein-westfälischen „Hochschulfreiheitsgesetzes“ über den Hochschulrat mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung vereinbar sind und gelangt im Ergebnis zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen. Die Arbeit erscheint im Verlag Dr. Kovač, Schriften zum Hochschulrecht, Band 1 Hamburg 2010, 228 Seiten, ISBN 978-3-8300-5197-8. Autor und Verlag haben uns dankenswerterweise erlaubt Auszüge vorab zu veröffentlichen. Das Ergebnis bestätigt meine Kritik, die ich in vielen Beiträgen auch in den NachDenkSeiten zum Ausdruck gebracht habe. Sie etwa „Hochschulfreiheit“ oder das Ende der Hochschulautonomie oder Die „neue Freiheit“ der NRW-Hochschulen – Freiheit für wen und wozu? oder „Hochschulfreiheitsgesetz“ in NRW – oder der Putsch von oben gegen ein öffentlich verantwortetes, demokratisches Hochschulwesen. Wolfgang Lieb
Eine geraffte Betrachtung über eine emanzipative Bildungspolitik und über die bildungspolitischen Forderungen nach „Chancengleichheit“ und „Chancengerechtigkeit“ von Jens Wernicke
Sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Landesverfassung NRW ergeben sich schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das nordrhein-westälische Hochschulgesetz. Ein Aufsatz, der die undemokratische, die Selbstverwaltung der Hochschule aushebelnde Praxis des Hochschulrats an einer Hochschule exemplarisch schildert und der zum Ergebnis kommt, dass die Befugnisse dieses Entscheidungsgremiums weder mit dem Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz noch mit Art. 16 Abs. 1 der Verfassung Nordrhein-Westfalens vereinbar sind. Von Marion Heinz und Thomas Horst.
Der Aufsatz erscheint demnächst in Christian Krijnen (Hg.): “Wahrheit oder Gewinn? Über die Ökonomisierung von Universität und Wissenschaft”. Der Verlag Königshausen & Neumann, GmbH hat uns freundlicherweise das Recht zu einem Vorabdruck eingeräumt.
Zu mehr Durchlässigkeit, Transparenz und Mobilität sollte der Bologna-Prozess führen, dafür wurde das gesamte deutsche Studiensystem mit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge umgebaut. Was von diesen Versprechen zu halten ist, zeigt ein Einblicke in den deutschen Studienalltag von S.H.
Die Pressemeldung des Bundesbildungsministeriums vom 8. September 2010 titelt: „Das Deutschlandstipendium kommt!“. Und das tut es denn auch: Wider alle Argumente und Kritik hat in Zeiten vermeintlich knapper Kassen der Bundesrat am 9. Juli diesen Jahres einem entsprechenden Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung unter der geänderten Voraussetzung zugestimmt, dass der Bund allein den gesamten öffentlichen Finanzierungsanteil übernimmt. Eine Kritik von Jens Wernicke
Die nachfolgenden Grafiken aus dem neuen OECD-Bildungsbericht sprechen eigentlich für sich und sagen mehr als tausend Worte. Deutschland nimmt bei fast allen Daten zur Finanzierung des Bildungsbereichs und bei allen Statistiken über die Bildungsbeteiligung und –erfolge vor allem im tertiären Bereich bestenfalls einen Platz im Mittelfeld, ja vielfach sogar am unteren Tabellenende der Rankings ein.
Und die Bundesregierung hat nichts Besseres zu tun, als sich zu loben: Deutschland liege als Zielland für ausländische Studierende an dritter Stelle in der Welt – ohne darauf hinzuweisen, dass dies auch daran liegt, dass an den meisten deutschen Universitäten noch keine Studiengebühren erhoben werden. In Deutschland sei der Anteil junger Menschen, die einen Hochschlussabschluss erworben haben, gestiegen – ohne darauf hinzuweisen, dass auch die anderen Länder zugelegt haben und wir immer noch im hinteren Mittelfeld liegen. Statt aber den großspurigen Ankündigungen über den Vorrang der Bildung Taten folgen zu lassen, wird angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels, nach ausländischen Fachkräften gerufen. Wolfgang Lieb
Ursula von der Leyens Plan, höhere Sozialleistungen für Kinder im Hartz-IV-Bezug nicht auszuzahlen, sondern ihnen Gutscheine, einen „Bildungspass“ bzw. eine Chipkarte auszuhändigen, findet über die parteipolitischen Lagergrenzen hinweg zahlreiche Anhänger/innen. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte das in der Gesellschaft weit verbreitete Vorurteil sein, eine vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 angemahnte Erhöhung des Regelsatzes komme bei vielen Kindern aus sog. Hartz-IV-Familien gar nicht an, weil die Eltern das Geld eher zur Befriedigung ihrer eigenen Konsumbedürfnisse ausgeben würden. Zwar mag es tatsächlich den einen oder anderen Vater geben, der sich eher den beinahe schon sprichwörtlichen Flachbildschirm kaufen würde, als das zusätzliche Geld seinen Kindern zugute kommen zu lassen. Mit den seltenen Ausnahmen „vergnügungssüchtiger“ Familienväter zu begründen, dass keine Erhöhung der Regelsätze stattfinden soll, womit alle übrigen Eltern und Kinder völlig schuldlos benachteiligt würden, wäre aber mehr als perfide. Dass auch Unternehmen staatliche Subventionen zweckentfremden, zeigt der jüngste Missbrauchsskandal beim Kurzarbeitergeld, hat bisher freilich bezeichnenderweise nie die Forderung nach sich gezogen, ihnen keine Subventionen mehr zu gewähren oder bloß noch Gutscheine auszuhändigen. Von Christoph Butterwegge
Lassen wir uns nichts vormachen, hinter dem mit viel öffentlichem Wirbel angekündigten „Bildungspaket für Kinder und Jugendliche“ stehen folgende Prämissen:
Aus diesen politisch selbst aufgestellten „Fallen“ will nun die Sozialministerin organisatorisch mit dem „Bildungspaket“ und technisch mit der „Bildungskarte“ entkommen. Eine Kapitulationserklärung der Bildungspolitik und ein schleichender Leitbildwechsel vom Sozial- in den Almosenstaat. Wolfgang Lieb
Ein Einordnungsversuch des Vorgangs in Hamburg, auch in Ergänzung der heutigen Hinweise, und unter B. eine Kritik am Tenor unserer Hinweise und zwei vertiefende Ergänzungen. Albrecht Müller.
Die neue Fokussierung auf Soft Skills macht Schüler erfolgreich – und dumm, sagt der Didaktiker Hans Peter Klein. Er wirft im FR-Interview vom 27. Juni 2010 einen kritischen Blick auf das Bildungssystem.
Nach Pisa sei das Bildungswesen auf ein sogenanntes output-orientiertes, also auf Kompetenzen basierendes System umgestellt worden – im Gegensatz zum früheren input-orientierten, wissensbasierten System. Das Wissen sei durch die neue Kompetenzorientierung zu 90 Prozent abgeschafft worden.
Der Konstanzer Psychologe und Bildungsforscher Georg Lind antwortet Klein auf seiner Website. Wir dokumentieren diese Kontroverse.
Am 19.05. hat der Bayerische Landtag die umstrittene Schülerdatenbank verabschiedet. Dem entsprechenden Gesetzentwurf [PDF – 511 KB] stimmten CSU und FDP zu; Freie Wähler, SPD und Grüne lehnten ihn ab. Die Einführung einer Schülerdatenbank wird von CSU und FDP mit folgender Begründung gerechtfertigt: „Das neue Verfahren soll schulübergreifende Verwaltungsabläufe vereinfachen, Berichtswege vereinheitlichen und damit übersichtlicher machen, die Bildungsplanung durch rascher verfügbare und valide Daten optimieren und die Schulstatistik modernisieren. “ Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte: „Wir schlagen einen Weg ein, der bundesweit beispielgebend ist“. Die Landeselternvereinigung bayerischer Gymnasien (LEV) behält sich eine Klage beim Verfassungsgericht vor und zieht alternativ ein Volksbegehren in Erwägung. Die Bildungsgewerkschaft GEW und die Landesschülervertretung protestieren ebenfalls gegen das Gesetz, ebenso Elternverbände und Elternbeiräte. Das Gesetz tritt am 1. Juni in Kraft, ein bayernweiter Betrieb des neuen Verfahrens soll zu diesem Zeitpunkt noch nicht umgesetzt werden. Nach Inkrafttreten der Rechtsgrundlage beginnen die notwendigen Vorbereitungsarbeiten an ausgewählten Testschulen, die zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sein sollen. Von Christine Wicht