Kategorie:
Bildungspolitik

Besorgniserregende Statistische Daten zum Studium

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion der Grünen antwortete die Bundesregierung [PDF – 80 KB] dass die die Zahl der Studienanfänger in 2006 im Vergleich zu 2005 um 3,5 Prozent gesunken. Übergangsquote von Hochschulzugangsberechtigten auf die Hochschulen betrug 2004 81,8 Prozent und 2005 nur noch 71,2 Prozent. Derzeit sind nur 33 Prozent der neu eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert (d.h. von einer Qualitätssicherungsagentur anerkannt). Fast zwei Drittel der neuen BA/MA-Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Im Jahr 2005 gab bei insgesamt 356 076 Studienanfängern 85 412 (24 Prozent) Anfänger in Bachelorstudiengängen (1. Hochschulsemester). Der Anteil der männlichen Studierenden in den Masterstudiengängen ist im Vergleich zu ihrem Anteil in den Bachelorstudiengängen höher (von 53,6 auf 60 Prozent), während er bei den weiblichen Studierenden geringer ist (von 46,6 auf 40 Prozent).
Fazit: Im Gegensatz zu dem Ziel den Anteil der Studierenden pro Altersjahrgang zu erhöhen, sinkt die Zahl der Studienanfänger und die Übergangsquote der Hochschulzugangsberechtigten. Statt einer Öffnung der Hochschulen nehmen die Zulassungsbeschränkungen zu. Mehr männliche Studierende in höherqualifizierenden Studiengänge. Wolfgang Lieb.

Die Auflösung jedes demokratischen Anstandes

Nachtrag zur Meldung von 9:14 h über „Altersvorsorge macht Schule“. Gerade erreichte mich folgende Mail:

Heute kommen Versicherungsvertreter in die Schule meines Sohnes, um die Schüler über die verschiedenen Möglichkeiten und “Notwendigkeiten” von Versicherungen zu informieren. Dabei werden diese selbstlosen Menschen mit Sicherheit die Schüler “informieren”, wie wichtig (mit den gängigen Propagandaparolen) eine private Altersvorsorge sei. Jetzt bekommen die Schüler wahrscheinlich von Versicherungsvertretern gezeigt und erklärt, wie unser Staat zu funktionieren hat. Schöne Demokratie – Danke u.a. Bertelsmann. Mit freundlichen Grüssen, Uwe M.

Michael Hartmann: Die Exzellenzinitiative – ein Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik

Als im Januar 2004 die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder erstmals über ein Programm zur Schaffung von Eliteuniversitäten in Deutschland sprach, löste sie einen enormen Medienwirbel aus. Die Tatsache, dass ausgerechnet die Sozialdemokratie – auf dem Bildungssektor traditionell für das Prinzip der Chancengleichheit zuständig – den Begriff der Elite enttabuisierte, sorgte für größte Verwunderung. Die Reaktionen führten schnell zur offiziellen Umbenennung der geplanten Initiative. Sie hieß fortan „Exzellenzinitiative.“ Damit sollte signalisiert werden, dass es keinesfalls um die Privilegierung einzelner Universitäten, sondern um einen allgemeinen Leistungswettbewerb gehen solle. Alle Hochschulen hätten im Grundsatz die gleichen Chancen; jede Universität, die in der ersten Runde des Wettbewerbs verliere, könne in der zweiten zu den Gewinnern zählen, so die öffentlich immer wieder zu hörenden Äußerungen von den Befürwortern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Der Eliteforscher Michael Hartmann hat uns diesen Beitrag, der in der Zeitschrift für Sozialwissenschaft „Leviathan“ abgedruckt ist, zur Verfügung gestellt.

Die „AutoUni“, eine selbst ernannte private Elite-Hochschule macht dicht

„Die Wirtschaft will nun ihre ­Elite selbst ausbilden“, denn für „High-Potentials“ zeigten die staatlichen Hochschulen eine „deutlich sichtbare Schwachstelle“ so protzte der Gründungspräsident Walter Zimmerli der von VW inklusive einem Protzbau mit insgesamt 90 Millionen Euro gesponserten AutoUni.
Sie ernannte sich zu einer „global agierenden, international anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung…, die durch Forschung und Lehre anwendungsbezogenes Wissen auf höchstem Niveau“ vermittle.
Vier Jahre nach der Präsentation des hochgestochenen Konzepts im Herbst 2002 hat die AutoUni allerdings bis heute noch keinen Hochschulabschluss vergeben und kein nennenswertes Forschungsergebnis veröffentlicht, schreibt das manager-magazin.
Nach dem Hochmut, jetzt also der Fall: Die private Elite-Uni wird von VW weitgehend abgewickelt . Vielleicht brauchen die Unternehmen aber auch nur deshalb keine eigenen Unis mehr, weil die staatlichen Hochschulen ja inzwischen wie Unternehmen geführt werden sollen. Wolfgang Lieb.

Innovationsminister Pinkwart aus NRW macht den Bock zum Gärtner: Das Bertelsmann Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) soll die Umsetzung des „Hochschulfreiheitsgesetzes“ begleiten.

Das nordrhein-westfälische „Hochschulfreiheitsgesetz“ wurde nicht nur am Schreibtisch des CHE formuliert, nach seiner Verabschiedung soll es nun auch noch bei seiner Umsetzung von den gleichen „unabhängigen Experten“ begleitet werden, um damit eine „möglichst hohe Qualität bei der Umsetzung zu sichern“.
Nachdem sich also schon der Staat dem Einfluss dieser privaten Lobbyorganisation preisgegeben hat, sollen sich nun auch noch die Hochschulen selbst dem Regime des CHE unterordnen. Wolfgang Lieb.

Bertelsmann bestimmt die Qualität unserer Schulen

Unter dem Titel „SEIS macht Schule“ bietet die Bertelsmann Stiftung den Schulen ein Selbstevaluations- und Steuerungsinstrument an, das den „Entwicklungsprozess einer Schule zielgerichtet, effizient, systemisch und nachhaltig“ zu einer “Besseren Qualität in allen Schulen” führen soll.
An die Stelle der Urteilskraft von erfahrenen Pädagogen als Beratungslehrer oder der staatlichen Schulaufsicht oder der Willensbildung von Eltern, Schülern und Lehrer in Schulkonferenzen, steuert nunmehr Bertelsmann mit einer von ihr ausgearbeiteten Datenerhebung und mittels des Datenabgleichs die Qualität unserer Schulen. Wolfgang Lieb.

Nachtrag zur Phoenix-Runde „Wunschtraum Gerechtigkeit – Wird Bildung ein Privileg?“. Was ich eigentlich sagen wollte.

Talk-Shows im Fernsehen sind unbefriedigend, für die Zuschauer, aber manchmal noch mehr für die Teilnehmer. Man hat kaum je Gelegenheit einen Gedanken darzulegen oder zu begründen. Was überkommt, das sind Gedankenschnipsel, zugespitzte Worthülsen, ein unerkennbares Mosaik an Argumentationsmustern. Am 24. Oktober 2006 war ich Gast in einer solchen Runde und habe mir danach die Sendung selbst nochmals angesehen.
Das hat mich veranlasst, die einzelnen Aspekte, die ich dort ansprechen konnte, wenigstens kurz zu begründen und zu belegen.

Sozialpolitik aktuell: Neue Grafiken zur sozialen Lage

  1. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung wurde seit Mitte der 1990er Jahre drastisch zurückgefahren. Die jahresdurchschnittliche Zahl der TeilnehmerInnen reduzierte sich um ca. 80% von 560.000 im Jahr 1994 auf 116.000 im Jahr 2005. Analog hierzu ist ein starker Rückgang der Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für die Förderung der beruflichen Weiterbildung zu beobachten.
  2. In den alten Bundesländern zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der durchschnittlichen Rentenhöhe zwischen den Geschlechtern: Am Jahresende 2005 bezog gut die Hälfte (51,4%) der Frauen eine Rente unterhalb von 450 Euro. Bei den Männern lag der Anteil mit 17,1% wesentlich niedriger. Umgekehrt erreichte nur knapp ein Zehntel (9,3%) der Frauen eine Rentenhöhe von über 900 Euro, während der Großteil der Männer (59,5%) oberhalb dieser Grenze lag. In den neuen Bundesländern liegen die Rentenhöhen der Frauen zwar ebenfalls mehrheitlich unter denen der Männer, jedoch ist keine derart ausgeprägte Spreizung festzustellen. Renten unterhalb von 450 Euro beziehen 14,6% der Frauen und 2,6% der Männer.
  3. Der Vergleich der Steigerung der Gesundheitskosten im Vergleich zum BIP zeigt, dass es keine „Explosion“ der Kosten im Gesundheitswesen gegeben hat. 1996 betrugen den Gesundheitsausgaben 10,1% des BIP, 2004 lag der Anteil bei 10,6%.

Quelle: sozalpolitik-aktuell

Und wieder endet eine Woche mit erstaunlichen Vorgängen

  1. Edmund Stoiber (CSU) beklagt die Reformblockade durch die SPD.
  2. Die Bundesregierung und einige Landesregierungen fordern den Einstieg des Bundes bei der Airbus-Mutter EADS.
  3. Über 100 Millionen für Spitzenuniversitäten aus der so genannten Exzellenzinitiative sollen in den Süden fließen, nach München und nach Karlsruhe.

Studiengebühren: Feldversuch in England

Jugendliche aus armen Familien trauen sich kaum noch zu studieren. Die Angst vor einem Schuldenberg ist zu groß, zumal die Studiengebühren steigen und steigen. So überschreibt der SPIEGEL einen Beitrag über die Wirkung der vor 10 Jahren eingeführten Studiengebühren in England. Laut Statistik hätten Jugendliche mit bildungsfernem sozialem Hintergrund in Großbritannien die schlechtesten Karten. Viele müssen während des Studiums arbeite oder ihr Studium unterbrechen, um zu arbeiten, damit der Schuldenberg nicht zu hoch wird. Die Gebühren sind von umgerechnet 1.700 auf 3.000 Euro gestiegen und sollen ab Herbst auf 4.500 Euro weiter steigen.
Lediglich in Schottland ist die Zahl der Bewerber gestiegen. Schottische Studenten sind – bislang jedenfalls – von den Studiengebühren befreit.