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Schulden – Sparen

Schulden streichen – gut gemeint, aber nicht ausreichend und Konsequenzen nicht durchdacht

In den letzten Wochen sind wir oft auf Texte von Dritten mit dem Vorschlag zum Schuldenschnitt im Falle Griechenlands aufmerksam gemacht und aufgefordert worden, uns den Vorschlägen anzuschließen. Heiner Flassbeck, dem ich mich auch bei diesem Thema verbunden fühle, hat am 21.10. einen aufschlussreichen Text dazu geschrieben: „Schuldenstreichen – und was dann?“ Siehe unten. Albrecht Müller.

Albrecht Müllers Wochenrückblick: Nichtwissen oder Schockstrategie?

Auch in der zu Ende gehenden Woche gab es viele Anlässe und viele Gründe, den Kopf zu schütteln angesichts erkennbar unvernünftiger Äußerungen und Entscheidungen. Schäuble missachtet die Gefahren einer Rezession, er fordert Sparen und „Strukturreformen“, in Europa verschärft man die Regeln des so genannten Stabilitätspakts, obwohl sonnenklar ist, dass die ergänzende koordinierte Beschäftigungspolitik fehlt; und wenn jemand wie die saarländische Ministerpräsidentin die Vernunft der Schuldenbremse bezweifelt, dann wird sie mit massivem Druck zurückgepfiffen; usw. Es ist, als lebten wir in einem Irrenhaus. Ich selbst bin unsicher, ob wir von Dummheit regiert werden oder ob vermeintliche Interessen die Debatte und die politischen Entscheidungen leiten. – Zwei Leser und Freunde der NachDenkSeiten haben für sich entschieden. Albrecht Müller.

Auch wenn es fast sinnlos ist, einem „Ochs ins Horn zu pfetzen“, was bleibt uns anderes übrig.

So sieht es auch Heiner Flassbeck und schreibt an Wolfgang Schäuble einen Offenen Brief zu der vom Bundesfinanzminister anvisierten Austeritätspolitik. Gestern hatten wir auf die Torheit hingewiesen, die die erkennbar prozyklische Politik leitet. Fast ein hoffnungsloser Fall. Damit der Badener Schäuble versteht, wie man sein Verhalten werten muss, wähle ich in der Überschrift den ihm wie mir geläufigen badisch-kurpfälzischen Sprachgebrauch. Hier „pfetzt“ man einem Ochs ins Horn. Nutzen tut es selten. Aber man kann nie wissen. Vielleicht erreicht den BMF der Tonfall seiner Heimat. Albrecht Müller.

Warum Eurobonds?

Wie wir aus zahlreichen Zuschriften wissen, gibt es bei unseren Lesern ein großes Interesse am Thema Eurobonds. Zeit, sich dieses Thema einmal ausführlicher anzunehmen, zumal viele klassische Medien sich bei der Berichterstattung nicht eben mit Ruhm bekleckern und verschiedene Interessengruppen gezielt Desinformation streuen. Von Jens Berger

Griechische Zeitung berichtet über deutschen Plan B für Griechenland

Die Athener Zeitung Kathimerini hat in ihrer heutigen Ausgabe einen Artikel veröffentlicht, der Einzelheiten über einen angeblich in Berlin vorbereiteten Plan B für Griechenland enthält. Die Informationen sind ernst zu nehmen, weil die gewöhnlich gut unterrichtete Zeitung auch über gute Quellen in Berlin verfügt. Die Frage ist allerdings, ob es sich bei diesem Plan B, aus dessen Existenz auch der deutsche Finanzminister Schäuble kein Geheimnis macht, um ein in Berlin aktiv angestrebtes Szenario handelt, oder das Papier vielmehr eine Drohkulisse ist, die den Druck auf die griechische Regierung verstärken soll, das drakonische Sparprogramm rasch umzusetzen, das die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF als Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Rate (von 8 Mrd. Euro) aus ihrem Rettungsfonds sieht. Von Niels Kadritzke

Eurokrise in Zahlen (II) – Krisengewinnler Neoliberalismus

Während die Welt unter dem Joch der Spekulation an den Finanzmärkten leidet, konnte Deutschland seine finanzpolitische Situation in den letzten beiden Jahren merklich verbessern. Beleg dafür sind die deutlich gesunkenen Zinsen für Staatsanleihen, von denen nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder profitieren, die in den Turbulenzen der Finanzkrise als sicherer Hafen gelten. Anstatt diesen positiven Effekt dazu zu nutzen, zumindest im eigenen Lande die Krisenfolgen zu mildern, nutzt Deutschland die Gunst der Stunde, um ganz Europa auf den neoliberalen Kurs deutscher Schule zu zwingen. Die Folgen dieser Politik sind verheerend – auch für Deutschland. Von Jens Berger

Die Eurokrise in Zahlen (I) – Wie Musterschüler zu Problemkindern wurden

Mit steter Regelmäßigkeit behaupten die deutsche Regierung und viele deutsche Medien, dass die Eurokrise eine direkte Folge des finanzpolitischen Schlendrians einiger Eurostaaten sei. Eine unwahre Aussage wird jedoch nicht wahrer, wenn man sie regelmäßig wiederholt. Ein Blick auf die statistischen Daten der OECD reicht aus, um diese Aussage zu widerlegen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall – am Vorabend der Finanzkrise galten die heutigen Problemkinder noch als finanzpolitische Musterschüler. Von Jens Berger

Kritik an der Zinskritik

Die Folgen der Finanzkrise haben auch dazu geführt, dass Fundamentalkritik am Geldsystem immer populärer wird. Auch die NachDenkSeiten bekommen regelmäßig Mails von Lesern, die uns fragen, warum wir der Zinskritik auf unserer Plattform keinen Raum bieten. Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach: Wir halten die Zinskritik für einen Irrweg, der nur von den eigentlichen Problemen ablenkt. Von Jens Berger

Schock-Strategie für Europa

Was Angela Merkel und Nicolas Sarkozy gestern im Élysée-Palast der Öffentlichkeit präsentierten, ist kaum mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Anstatt die Spekulation gegen einzelne Eurostaaten mit der Einführung von Eurobonds zu beenden, wollen Merkel und Sarkozy die deutsche Schuldenbremse in der gesamten Eurozone verfassungsrechtlich verankern und die gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der vielzitierten Wirtschaftsregierung harmonisieren. Was sich Merkel unter einer Wirtschaftsregierung vorstellt, ist jedoch bereits hinlänglich bekannt – die neoliberale Schock-Strategie für Europa. Von Jens Berger

Hurra, wir sparen uns kaputt

Wie überall in Europa und den westlichen Industriestaaten bricht das Wachstum auch in Deutschland ein. Nur noch um 0,1 Prozentpunkte ist das BIP im Sommer gegenüber dem ersten Quartal 2011 gestiegen. Von wegen „Aufschwung XL“. Da in ganz Europa und in den westlichen Industrienationen nur noch massiv gespart wird, bricht nahezu überall das Wachstum ein. Das bringt logischerweise den deutschen Wachstumsmotor „Export“ ins Stottern. Trotz eines angeblich „robusten Arbeitsmarktes“ bremst eine schwache Binnennachfrage den „Aufschwung“. Da es in einer Art von Gehirnwäsche gelungen ist, die Banken- und Finanzkrise in eine „Staatsschuldenkrise“ umzudeuten, ist in den Regierungen eine Spar-Pandemie ausgebrochen. Während der letzte Wirtschaftseinbruch im Gefolge der Finanzkrise noch mit staatlichen Konjunkturprogrammen abgemildert werden konnte, werden jetzt, wo angeblich alles der „Staatsverschuldung“ geschuldet ist, mit einer knallharten Austeritätspolitik die Fehler der ersten Weltwirtschaftskrise wiederholt. Wenn kein Umdenken erfolgt, landen wir erneut in einer europa- oder gar weltweiten wirtschaftlichen Depression – mit kaum vorhersehbaren schlimmen Folgen. Wolfgang Lieb

Die griechische Krise und das Dilemma der Privatisierungen

Nebenbei bemerkt, flocht der Moderator im Frühprogramm des griechischen Staatssenders NET am letzten Dienstag ein, seit acht Monaten habe er kein Gehalt mehr bezogen. Das Mitleid der TV-Zuschauer dürfte sich in Grenzen gehalten haben. Im privaten Sektor sind ausbleibende Lohnzahlungen längst die Regel.
Die Kassenlage im staatlichen Fernsehen ist eines von vielen Anzeichen dafür, dass der griechische Staat die Grenze zur Zahlungsunfähigkeit bereits überschritten hat. Im öffentlichen Dienst insgesamt beträgt der Gehaltsrückstand durchschnittlich zwei Monate. Ähnlich sieht es bei den Rentenkassen aus: Bis die Rente bewilligt ist, vergehen im Durchschnitt 18 Monate, in denen nur eine Abschlagszahlung geleistet wird. Müsste man die vollen Renten von Anfang an auszahlen, wären einige Berufskassen bereits pleite. Und über die Summen, die der Staat dem privaten Sektor schuldet (z.B. Baufirmen und Krankenhaus-Lieferanten) gibt es nur Schätzungen, die gnädigste liegt bei 10 Mrd. Euro. Von Niels Kadritzke

Democracia Real Ya! – Die verlorene Generation empört sich

Europa steht ein heißer Sommer bevor. Aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung und die verheerende sozioökonomische Lage begehrt Spaniens Jugend auf. Seit dem 15. Mai demonstrieren in über 50 spanischen Städten hunderttausende Menschen auf den zentralen Plätzen. Madrids Puerta del Sol wird dabei immer mehr zum europäischen Pendant des Tahir-Platzes in Kairo – tausende meist junge Menschen campieren friedlich und werden von einer breiten Welle der Solidarität getragen. In dieser Woche ist die „Democracia Real Ya!“ (Echte Demokratie jetzt!) das Thema Nummer Eins in den sozialen Netzwerken, während die klassischen Medien es weitestgehend ignorieren und totschweigen. Sollte die Solidarisierungswelle anhalten, könnte dies der Funke sein, um europaweite Sozial- und Demokratieproteste auszulösen. Von Jens Berger

Guy Burgel: Strauss-Kahn war nicht der Retter Griechenlands

Inhalte eines am 18. Mai 2011 in der französischen Tageszeitung Le Monde erschienenen Artikels von Guy Burgel, Professor an der Pariser Universität Paris-Ouest-Nanterre-la Défense.
Originaltitel: „Non, M.Strauss-Kahn n’est pas le sauveur de la Grèce“.
Burgel ist Autor eines Buches über die Entwicklung Griechenlands im 20. Jahrhundert („Miracle athénien au XXe siècle, Verlag CNRS Editions 2002“). Übertragen von Gerhard Kilper

Griechenland – Schock ohne Therapie

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Griechen durch die ihnen von der der EU, der EZB und dem IWF auferlegte Schock-Strategie immer weniger in der Lage sind, ihre Schulden zu begleichen. Griechenland gleitet in eine „Rezessflation“ ab: das wirtschaftliche Wachstum bricht ein, die Inflation steigt, die Steuereinnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die Schulden zu bedienen, der Schuldenberg ist weiter gewachsen und die Verzinsung der Kredite steigt in schwindelnde Höhen. Die allgemein gehandelten Lösungsangebote, nämlich „Staatsinsolvenz“, Umschuldung oder ein Austritt aus dem Euro hätten katastrophale Folgen – keineswegs nur für Griechenland.
Kurzfristig müsste die Spekulation auf den Finanzmärkten durch Euro-Anleihen gestoppt werden. Wenn man die Europäische Union erhalten will, führt mittelfristig kein Weg an einer Minderung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion vorbei. Eine Umkehrung der Lohnstückkostenpfade wäre für die übergroße Mehrheit der Deutschen die weitaus erfreulichste Option. Wolfgang Lieb