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Wettbewerbsfähigkeit

Eurokrise: Kleine Hoffnungszeichen beim Mainstream, kein Lernfortschritt bei Angela Merkel

Das diesjährige Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau am Bodensee in der vorletzten Augustwoche und insbesondere Angela Merkels dortige Eröffnungsrede haben in den deutschen Medien vergleichsweise wenig Beachtung gefunden.[1] Das ist einerseits nicht bedauerlich, da bislang – von wenigen Ausnahmen wie etwa Joseph Stiglitz oder Paul Krugman einmal abgesehen – zumeist konservative, neoklassisch resp. monetaristisch orientierte Ökonomen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten haben. Einen traurigen Höhepunkt bildete die nur als skandalös zu bezeichnende Nominierung von Eugene Fama (University of Chicago) im letzten Jahr. Zur Erinnerung: Nur wenige Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise wurde mit Fama ein Ökonom geehrt, dessen „Hypothese effizienter Märkte“ (efficient market hypothesis) besagt, dass Finanzkrisen unmöglich sind (siehe auch hier und hier).[2] Von Günther Grunert[*].

Die Verkehrung der Welt in mehreren Akten (2/3)

Karl-Heinz Klär am 12. April 2014 im Gespräch mit Kuno Rinke über den Finanzkapitalismus, die Krise der Europäischen Union und die Übertölpelung der jungen Generation. Grundlage des Gesprächs ist der Artikel „Die GroßeMittelKlasse“, den Karl-Heinz Klär am 7. Februar auf den NachDenkSeiten veröffentlicht hat. Aufgrund der Länge haben wir das Gespräch, das auch in der Zeitschrift „Politisches Lernen“ erschienen ist, in drei Folgen unterteilt. Der erste Teil erschien gestern, der dritte Teil wird morgen auf den NachDenkSeiten erscheinen. Von Jens Berger.

Wettbewerbsfähigkeit. Wettbewerbsfähigkeit? Wettbewerbsfähigkeit!

Kaum ein Begriff beherrschte die Medienlandschaft der vergangenen Jahre bis heute so stark wie „Wettbewerbsfähigkeit“. Inzwischen gibt es kaum mehr eine Rede, Talkshow oder ein Interview, in dem der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ mit einem mahnenden oder fordernden Unterton nicht enthalten ist. Bundeskanzler von Schröder bis Merkel, Wirtschaftsminister wechselnden Namens aus SPD, CSU und FDP, Arbeitsminister, Parteivorsitzende, Konzernchefs, sogar Gewerkschaftsbosse und Journalisten führen allerorten das Wort der Sicherung oder gar Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Mund. Doch nur selten war eine Begrifflichkeit so stark mit Mythen und falschen Assoziationen behaftet wie diese. Falsche Assoziationen, die das Verstehen und das Handeln grundlegend verzerren.
Von Lutz Hausstein[*]

Europa ist prima, aber die in Brüssel, Berlin u.a.m. herrschende Ideologie ist fürchterlich und ein Versager

Am 8. Mai hatte ich in Zagreb eine Diskussion mit interessanten Gästen der Friedrich Ebert Stiftung Zagreb. In Kroatien wie in anderen Staaten Europas kann man beobachten, dass die Idee von Europa und der Anspruch der Repräsentanten der Europäischen Union einerseits und die wirkliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Völker Europas andererseits meilenweit auseinander liegen. Brüssel hat in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik versagt. Der in Europa jetzt herrschende Geist ist nicht einmal von Solidarität geprägt. Man müsste diese Ideologie am kommenden Sonntag abwählen können. Albrecht Müller.

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Gabriels Energiewende: Nach Lohndumping Stromdumping

“Aber was vor einigen Jahren zu hohe Lohn- und Sozialkosten waren, sind heute die wachsenden Energie- und Rohstoffkosten”, so der Bundesminister für Wirtschaft und Energie und SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, am 13. März 2014. Und, so Gabriel weiter: “Die Strompreise in Deutschland sind doppelt so hoch wie in den USA. Wenn wir nicht mindestens unsere Industrie entlasten, droht uns eine Deindustrialisierung.” Das, so Gabriel, sei keine “plumpe Propaganda der Wirtschaft, sondern bittere Realität”. Es ist Gabriels “Realität”. Und es ist die “Realität” der „Energieintensiven Industrien“ [PDF – 65 KB], zu deren Büttel sich Gabriel gemacht hat. Er schadet damit nicht nur der Energiewende und dem sozialen Zusammenhalt in Deutschland und Europa. Er führt damit aller Voraussicht nach die SPD mit wehenden Fahnen in die nächste Etappe ihres Untergangs. Von Thorsten Hild

Zum Himmel stinkende Propaganda der INSM – Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos liefert dazu den Mist

Gezielt zum Tag der ersten Lesung der von der Bundesregierung vorgelegten Rentenreformen, also der „abschlagfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren“, der Erhöhung der Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, und der Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente meldet sich die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal wieder mit einer „Studie“ zu Wort: Das Rentenpaket und der Mindestlohn untergraben die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, so lautet die Alarmmeldung. Durch die Maßnahmen des Koalitionsvertrags sollen nach Berechnungen der Prognos AG im Auftrag der INSM bis 2030 die Arbeitskosten um 777 Milliarden Euro ansteigen. Ein einstmals renommiertes Wirtschaftsforschungsinstitut verspielt seinen Ruf. Von Wolfgang Lieb

Sind die Löhne in Griechenland immer noch zu hoch? Zur Diagnose von Hans-Werner Sinn

„Die Welt“ berichtete kürzlich von den Ergebnissen einer neuen Studie des europäischen Sachverständigenrats EEAG (European Economic Advisory Group), einer Gruppe von sechs Volkswirten aus fünf Ländern, darunter Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut. Die Untersuchung zur europäischen Wirtschaft bietet die üblichen Diagnosen und Vorschläge: In den Euro-Krisenländern sei ein „gewisser Grad an fiskalischer Austerität“ ebenso erforderlich wie eine Lohnflexibilität nach unten, Arbeitsmarktreformen könnten die Rezession verkürzen etc. (EEAG 2014, S. 7). Ein Gastartikel von Günther Grunert [*]

Die Instrumente des neoliberalen EU-Orchesters

Das geplante Freihandelsabkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) ist nur die Fortsetzung einer schon jahrzehntelang betriebenen, massiven Liberalisierungs-, Deregulierungs- und Privatisierungspolitik innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union sowie darüber hinaus. Inzwischen gibt es eine Vielzahl kaum noch überschaubarer innereuropäische, aber auch bilaterale oder regionale Verträge oder interkontinentale Verhandlungsansätze, die die Weichen für eine solche Politik längst gestellt haben – zumal innerhalb Europas. Wenn ein Abkommen scheiterte, gab es kurze Zeit später unter anderem Namen einen neuen Anlauf. Der Widerstand dagegen glich dem Kampf gegen eine Hydra, jenem schlangenähnlichen Unwesen, dem immer wieder neue Köpfe nachwachsen. Mit dem transatlantischen Abkommen TTIP soll diese neoliberale Politik nun auch jenseits der Europäischen Union abgesichert werden. Da die Bestrebungen der WTO, den grenzenlosen Freihandel weltweit einzuführen, nur teilweise erfolgreich waren, zielt das TTIP nun als weiterer Schritt auf eine weitgehende transatlantische Marktöffnung außerhalb der Europäischen Union, bilateral mit den USA. Dieses Abkommen ist jedoch – wie viele andere – gleichfalls nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer weltweiten grenzenlosen Bewegungsfreiheit für Investoren und zu Handelsfreiheit für internationale Konzerne, ohne steuernde Einflussmöglichkeiten demokratischer Gesetzgebung. Dank ihres gerade schon filzartigen Netzwerks an Lobbygremien innerhalb Europas und weltweit, sind Gewinner dieser Entwicklung die großen Konzerne. Verlierer sind die nur national oder regional orientierte Wirtschaft, die nationalen Parlamente und vor allem die Bürger, deren demokratische Rechte noch stärker durch internationale Vorgaben verbarrikadiert werden. Christine Wicht versucht das Dickicht der übernationalen Verträge ein wenig zu lüften, um einen Blick auf die Instrumente und die Partitur des neoliberalen EU-Orchesters freizumachen.

„Kroatien – oder wie die osteuropäischen Länder in eine tückische Falle geraten sind und niemand ihnen heraushilft“

Heiner Flassbeck hat eine Studie über die wirtschaftliche Lage in Kroatien und die notwendigen Schritte aus der Misere geschrieben. Weil Analyse und Empfehlungen auch auf andere Länder zutreffen und die wirtschaftliche Lage unzähliger Menschen miserabel ist und weil die politischen Entscheider nicht offen sind für die notwendigen Schritte, veröffentlichen wir das Flassbeck Gutachten in deutscher [PDF – 373 KB] und kroatischer [PDF – 659 KB] Sprache. Aus eigener Erfahrung und aus vielen Gesprächen mit Betroffenen weiß ich um den von Heiner Flassbeck beschriebenen Niedergang. Bei vielen betroffenen Menschen geht es schon um die nackte Existenz. Das Land hat vier Jahre Krise hinter sich und steht, wenn nichts geändert wird, wie andere südliche Länder Europas vor einer Deflation, vor weiter stagnierenden Löhnen, vor Arbeitslosigkeit und Depression. Junge gut ausgebildete Leute verlassen das Land. Das Papier von Flassbeck enthält nach der Analyse den Vorschlag, die Landeswährung KUNA abzuwerten, und dies mit einer expansiven Makropolitik zu begleiten. Albrecht Müller.

Hollandes “Pakt der Verantwortung” – Eine neue Runde des „Rattenrennens“ wird eröffnet

Mit „Rattenrennen“ bezeichnet man einen Wettbewerb, bei dem am Ende alle verlieren. Sei es gezwungenermaßen wie die Südeuropäer oder freiwillig wie jetzt die französische Regierung, alle rennen der deutschen Agenda-Politik hinterher. Am Ende des Rennens geht es allen Europäern schlechter und ein neuer Wettlauf um die Wettbewerbsfähigkeit wird beginnen. Glaubt Hollande tatsächlich, dass es die Deutschen tatenlos hinnehmen würden, wenn Frankreich oder auch andere europäische Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland verbesserten. Die Große Koalition in Deutschland würde mit Sicherheit ein neues Rennen um Lohnsenkungen, Sozialabbau und Unternehmenssteuersenkungen starten. Alle gleichzeitig können in Europa aber nicht wettbewerbsfähiger als die anderen sein. Von Wolfgang Lieb.

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Unternehmerlobby will die Hochschulen steuern – Zum offenen Brief der Vorsitzenden der Hochschulräte an die NRW-Landesregierung

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Vorsitzenden der Hochschulräte in NRW mehrheitlich die Hochschulen als durch den Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln gesteuerte „Unternehmen“, ja noch mehr als die verlängerten Werkbänke der Wirtschaft betrachten, dann liefert diesen Beleg ihr offener Brief an die Landesregierung [PDF – 78.5 KB].
Allein dieses Schreiben an die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und an die Wissenschaftsministerin Svenja Schulze müsste eigentlich alle, für die die Freiheit von Forschung und Lehre noch den im Grundgesetz verbürgten hohen Wert besitzt, von der Notwendigkeit der Novellierung des bisherigen sog. „Hochschul-„Freiheits“-Gesetz des früheren FDP-Innovationsministers Pinkwart überzeugen. Die „unternehmerische Hochschule“, wie sie die Mehrheit der Hochschulratsvorsitzenden anstrebt, hat nichts mehr mit dem Grundgedanken der Wissenschaftsfreiheit zu tun, wie ihn das Bundesverfassungsgericht postuliert hat. Den unterzeichnenden Hochschulratsvorsitzenden geht es nicht um die Wahrung einer autonomen Wissenschaft an den Hochschulen, ihnen geht es – wie sie selbst schreiben – um den „Schulterschluss der Hochschulen mit Industrie und Wirtschaft“. Von Wolfgang Lieb.

Wie DIW-Präsident Fratzscher den deutschen Exportüberschuss liquidieren will

Jetzt hat Marcel Fratzscher – nach längerer Abwartezeit – seine persönliche Meinung zum Problem der deutschen Exportüberschüsse publiziert. Diese seien ein Problem für Deutschland aber nicht für die Welt [PDF – 88.9 KB]. Es ist höchst aufschlussreich, diese Variante der Problembehandlung des neuen DIW-Präsidenten kurz näher zu zeigen.
Zunächst verwahrt sich Fratzscher gegen den Vorwurf, dass die deutschen Exportüberschüsse „eine Mitschuld“ an der europäischen Krise haben. „Dieser Vorwurf ist falsch.” “Die hohe Sparquote und die Exportüberschüsse haben Deutschlands Wohlstand verschlechtert, nicht verbessert.” Wodurch ist dann die europäische Finanzkrise eskaliert? Hier gelangt Fratzscher bereits “auf dünnes Eis”, denn er ignoriert die Meinung vieler anderer Makroökonomen, um die deutsche Interessenlage im Export “aus der Schusslinie” zu nehmen. Von Karl Mai.

Wie die Europäische Kommission die Verfahren zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte umsetzen wird – Gefahr ist im Verzug

Heiner Flassbeck weist auf flassbeck-economics.de darauf hin, dass die Kommission bei der Überprüfung der einzelnen Länder im Rahmen des Verfahrens zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte schwerwiegende Fehler macht und sich die Welt zurechtbiegt, wie es ihr passt. Das ist in der Öffentlichkeit bisher weitgehend unentdeckt geblieben. Wir bringen hier den vollständigen Text, der auf flassbeck-economics im Abonnement erschienen ist. Albrecht Müller.

Merkel in ihrem Lauf – die Großkoalitionäre wollen an Merkels Krisenpolitik festhalten

Wer im Koalitionsvertrag [PDF – 1 MB] von CDU/CSU und SPD nach den dringend nötigen Impulsen sucht, mit denen Deutschland die ökonomische, soziale und politische Dauerkrise in Europa bekämpfen könnte, sucht vergebens. Die Formulierungen der Themenfelder „Finanzen“ und „Europa“ lesen sich vielmehr wie ein Bekenntnis zur Krisenpolitik Angela Merkels. Kürzungspolitik (also Austeritätspolitik), neoliberale Reformen und die klare Bekenntnis zu einem durch den Fiskalpakt geknebelten und damit handlungsunfähigen Staat ziehen sich wie ein roter Faden durch das 185-seitige Papier. Man kann der SPD hier jedoch noch nicht einmal vorwerfen, dass ihre Handschrift nicht zu erkennen ist – im Gegenteil, die SPD steht vielmehr bereits seit Beginn der Eurokrise treu Seit´ an Seit´ mit der Kanzlerin. Realistisch betrachtet, erfüllt der Koalitionsvertrag bei den genannten zwei Themenfeldern somit die schlimmsten Befürchtungen. Von Jens Berger.