Kategorie:
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus

Wir schaffen das … nicht

Alleine im Monat September sind je nach Quelle zwischen 170.000 und 270.000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Die ersten Flüchtlingstrecks aus der Tagesschau haben nun die provisorischen Sammelunterkünfte erreicht. Vielerorts melden die Kommunen bereits, dass die Aufnahmekapazitäten nun erschöpft seien. Liest man die zahlreichen Wasserstandsmeldungen vor Ort, bekommt man sehr schnell den Eindruck, dass Politik und Gesellschaft das Problem massiv unterschätzt haben. Eine Herkulesaufgabe lässt sich nun einmal nicht aussitzen. Die Utopie vom „Wir schaffen das“ zerplatzt schon jetzt wie eine Seifenblase. Doch was wir momentan erleben, ist erst die Ouvertüre. Wo Lösungen nötig wären, stehen noch nicht einmal Antworten, sondern nur offene Fragen. Von Jens Berger

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Fluten, Wellen, Ströme …

In welchen Begriffen reden wir über Flüchtlinge? Welche Bilder und Metaphern verwenden die Medien? Was sagt das über uns selber aus? Welche politisch-gesellschaftlichen Umstände begünstigen Integrationsbemühungen, welche behindern sie eher? Was droht uns, wenn Integration misslingt? Götz Eisenberg versucht diesen Fragen nachzugehen.

#BILDnotwelcome – Wie Deutschlands Hetzblatt aus dem Flüchtlingselend Kapital schlagen will

#BILDnotwelcome

Es gibt Ideen, die sind so grotesk, dass man sich langsam ernsthaft fragt, ob die Welt um einen herum nun völlig durchgedreht ist. Die Idee, dass ausgerechnet Springers Hetzblatt BILD eine Solidaritätskampagne für Flüchtlinge veranstaltet, gehört zweifelsohne dazu. An diesem Wochenende sollten, so der ebenso groteske, wie geniale, Plan der BILD, sämtlich Fußballklubs der ersten und zweiten Bundesliga mit Aufnähern auf dem Trikots auflaufen, auf denen neben dem „WIR HELFEN“ Slogan auch noch das Logo der BILD und des Sponsors Hermes prangen – eine Werbekampagne für BILD, bei der das Flüchtlingselend Mittel zum Zweck ist. Offenbar hat BILD diesmal jedoch den Bogen überspannt. Angefangen mit dem FC St. Pauli haben sich aktuell bereits sechs Zweitligisten öffentlich geweigert, an der BILD-Werbekampagne teilzunehmen und auch die großen Erstligaklubs sehen sich einem massiven Fanprotest ausgesetzt. Gut so! Seltsamerweise verliert jedoch niemand ein kritisches Wort über die Verantwortlichen dieser unsäglichen Aktion: Den Profifußballverband DFL. Von Jens Berger

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Den Schalter einfach umgelegt: Von Volksverhetzung auf Willkommenskultur. – Eine gelungene Machtdemonstration der Meinungsführer.

Anfang der 1990er Jahre tobte in D. eine Asyldebatte. Als MdB mit Sympathien für die Bewahrung des Asylrechts wurde ich eines Tages von einer Anruferin aus heiterem Himmel übel beschimpft. Das war offensichtlich die Reaktion auf eine Sendung des Bayerischen Rundfunks gegen Asylbewerber – mit Filmaufnahmen von einer gegen einen bayerischen Schlagbaum anstürmenden Menge von Ausländern. Der Bayerische Ministerpräsident Streibl hatte sich zur gleichen Zeit so aggressiv geäußert, dass ich mich zu einer Anzeige wegen Volksverhetzung genötigt sah. Jetzt ist alles anders. Jetzt haben die Meinungsführer umgeschaltet, noch nicht alle Bayerischen, aber insgesamt schon. Jetzt sind wir bewundernswert gastfreundlich. Der NachDenkSeiten-Leser Joachim Schappert findet das bemerkenswert. Albrecht Müller

Wiederholt sich die Geschichte rassistischer Ausgrenzung und Gewalt? Von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen führt eine Linie nach Heidenau

Die jüngsten, teilweise von der NPD angemeldeten Demonstrationen und Gewaltaktionen organisierter Neonazis vor den Flüchtlingsunterkünften in Berlin-Hellersdorf und Heidenau bei Dresden erinnerten stark an die pogromartigen Übergriffe im ebenfalls sächsischen Hoyerswerda (September 1991) und in Rostock-Lichtenhagen (August 1992). Dort griffen rassistisch motivierte Jugendliche und teils zugereiste Rechtsextremisten die Anlaufstellen für Asylbewerber und die Unterkünfte vietnamesischer Vertragsarbeiter unter dem Beifall vieler Anwohner mit Molotowcocktails an. Bei den tagelangen Ausschreitungen wurde zwar wie durch ein Wunder niemand getötet, aber Todesangst unter Migranten und Medienvertretern erzeugt, die in einem brennenden Wohnheim eingeschlossen wurden, als sie darüber berichten wollten, und nur mit viel Glück den Flammen entkamen. Von Christoph Butterwegge.

Regierung im Blindflug – Ein Zwischenruf von Willy Wimmer

Jetzt gibt es also wieder „Protokollstrecken“. Anders kann man die Besuche und ihre Abfolge aus der Staats-und Regierungsspitze in Duisburg-Maxloh, Heidenau und Wilmersdorf nicht bezeichnen. Fein ausgesuchte Volksrepräsentanten, vermutlich vorformulierte Ansichten, gesäuberte Straßen, Bereitschaftspolizei die Menge. So fährt man in ein Aufstandsgebiet. Im Übrigen kennt man diese Protokollstrecken noch von Erich. So weit ist es gekommen.

Von „faulen Griechen“ und „fleißigen Deutschen“

Rainer Schreiber

Was steckt eigentlich hinter dem Denken vom „Wir“ und „den Anderen“, das aktuell unter anderem in der Rede von „faulen Griechen“ und „fleißigen Deutschen“ kumuliert? Eine Art “fiktiver Kollektividentität“, die stets anfällig für Feindbildprojektionen ist, meint der Soziologe und Publizist Rainer Schreiber im Gespräch mit Jens Wernicke.

Perlen im Internet: von Münkler bis Freital

Das Projekt Münklerwatch, von Studierenden des Professors der Humboldt-Universität Berlin ins Leben gerufen, hat medial für Aufmerksamkeit für ein Phänomen gesorgt, das sich seit geraumer Zeit im Internet breitmacht. Die Namen wechseln und die Plattformen auch. Manche sogenannte Watchblogs sind online für alle einsehbar, andere existieren nur als Facebook- oder gar „geschlossene“ Facebook-Seite.

NSU-Watch, AfD-Watch und auch Endstation Rechts widmen sich etwa dem sogenannten Rechtsextremismus. Nürnberg 2.0 ist hingegen ein Beispiel aus dem Bereich rechtsextremer Projekte, das Wissenschaftler und Zeitkritiker diffamiert und deren persönliche Daten zu veröffentlichen sucht – ein Erkennungsmerkmal vor allem rechtsgesinnter Blogs bzw. sogenannter „Pranger“. Und auch eine sogenannte Nachdenkseiten-Watch überprüft stets und ständig – im Sinne einer Art Gesinnungs- oder Gedankenpolizei, wie Albrecht Müller derlei Agieren seit einiger Zeit benennt – die politische Ausrichtung der auf NachDenkSeiten.de verbreiteten linkssozialdemokratischen Gesellschaftskritik. Eine Kolumne von Sabine Schiffer.

Pegida ist ein Spiegel deutscher Verhältnisse

Andreas Peglau


Wer oder was ist eigentlich PEGIDA? Und was sagt uns dieses Phänomen über die Zustände im Land? Die Mehrheit der Demonstranten wird offenbar entweder als „unsägliche Rassisten“ und ggf. sogar Faschisten oder aber „die kleinen Leute“ mit diffusen Ängsten, Sorgen und Nöten wahrgenommen. Pädagogischer Umgang soll dann in beiden Fällen helfen. Man verspricht also entweder, die Demonstranten ernst zu nehmen – oder aber distanziert sich von allem und jedem, das auch nur entfernt nach ihnen riecht. Die erziehen wollenden Leistungsträger entstammen dabei jedoch eben jenen Kreisen, die weit überwiegend der Ideologie einer ökonomisierten Gesellschaft verpflichtet sind und denen daher eine elitär motivierte Menschenfeindlichkeit entspringt. Über den beide Phänomene einenden „Ruck“ gen Menschenfeindlichkeit im Lande sprach Jens Wernicke mit Andreas Peglau, der als Psychoanalytiker zum europäischen „Rechtsrucks” arbeitet und publiziert.

Notizen aus Amerika

In seinem aktuellen Artikel für die NachDenkSeiten regt Norman Birnbaum an, große Teile der US-Außen- und Sicherheitspolitik als innenpolitisch motiviert anzusehen.
Er analysiert treffend, wie die aktuellen Unruhen im Land auf den Niedergang des sozialen Zusammenhalts zurückzuführen sind, und erläutert, wie es dazu kommen konnte und welche Maßnahmen angezeigt wären, um das Übel an der Wurzel zu packen.
Seine Beobachtungen der aktuellen politischen Lage und des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes lassen ihn aber wenig hoffen, dass auf nationaler Ebene substantielle Fortschritte erzielt werden können.
Carsten Weikamp hat den Text aus dem Englischen übersetzt.
[PDF – 70KB] siehe hier.

Die Antisemitismus-Kampagne gegen links

Wolfgang Gehrcke

Auf Erhebungen und Widerstand reagieren die Medien stets mit Spaltungs- und Diskreditierungsversuchen wider die politische Opposition. Da ist, so wird behauptet, die Friedensbewegung dann mal eben „Querfront“, besteht der Blockupy-Protest aus einem Haufen gefährlicher „Radikaler“ und „Extremisten“ und wird ein zu Gentrifizierung forschender Wissenschaftler zum „Terroristen“. Und da ist eine Anti-NATO-Position eben „antiamerikanisch“ und friedenspolitisches Engagement durch „Antisemitismus“ bestimmt. Und überhaupt sind viele linke Kritiken an den bestehenden Verhältnissen eigentlich antisemitisch konnotiert. Jens Wernicke sprach hierzu mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke, der in einem aktuellen Buch eine Rufmordkampagne vermittels des Antisemitismus-Vorwurfes konstatiert.

Der Rassist in uns

Seit dem 11. September 2001 ist „der Islam“ zur weltweiten Bedrohung avanciert. Seither steht jeder Moslem unter Generalverdacht, und denkt, wer das Wort Terrorist hört, in aller Regel umgehend an einen bärtigen Turban-Träger und nicht etwa mehr an die ETA, RAF oder IRA. Dass hierdurch inzwischen ein antimuslimischer Rassismus zu gesellschaftlicher Hegemonie gelangen konnte, wird kaum je thematisiert. Wie auch, dient derselbe den Mächtigen im Land doch zur Revitalisierung nationaler Identität, zur Legitimation von Grundrechteabbau, zur Ablenkung von sozialen Verwerfungen sowie als Projektionsfläche für die Wut und Ohnmacht im Volk? Zum alltäglichen Rassismus und dessen gesellschaftlicher Funktion sprach Jens Wernicke daher mit Iman Attia, die zu diesen Fragen seit Langem forscht und lehrt.

Gauck: “Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz” – ein Widerspruch in sich

Nach der Nachkriegsdebatte um die deutsche („Kollektiv“-) „Schuld“ am Holocaust, die zuerst Bundespräsident Theodor Heuss in eine „Kollektivscham“ und später Richard von Weizsäcker in eine „Kollektivhaftung“ umdeuteten, will sich nun Gauck mit dem umstrittenen Begriff der „deutschen Identität“ zu der Ausschwitz gehöre, in die Geschichtsbücher eintragen lassen.
„Aus dem Erinnern ergibt sich ein Auftrag“, sagt Gauck zum Schluss seiner Gedenkrede. Erinnert er sich denn gar nicht, dass schon der Rückgriff auf eine sogenannte „nationale Identität“ den Keim der Ab- und der Ausgrenzung in sich trägt, die ja der Anfang von Fremdenfeindlichkeit meist verbunden mit Rassismus sind? Wer eine „nationale Identität“ postuliert – und das noch ohne konkrete Definition – widerspricht sich selbst, wenn er ein paar Sätze später fordert, dass „wir uns jeder Art von Ausgrenzung und Gewalt entgegenstellen“. Von Wolfgang Lieb.

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Ohne Angst verschieden sein können

Zum 70. Jahrestag an dem Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit wurde.

Solange die wöchentlichen Pegida-Aufmärsche stattfinden, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Das Verheerendste an der gegenwärtigen Entwicklung ist aber, dass sich im Schlagschatten von Pegida und weit über diese hinaus eine Diskussion entwickelt, die eine Definition sozialer Zugehörigkeit vornimmt, die festlegt, wer „zu uns gehört“ und wer nicht. Die Lage derer, die aus dem eigenen sozialen und moralischen Bezugssystems ausgeschlossen werden, ist prekär. Von Götz Eisenberg.