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Innen- und Gesellschaftspolitik

Inside IS: 10 Tage im ‘Islamischen Staat’

Jürgen Todenhöfer

Der sogenannte „Islamische Staat“ ist das größte Terror-Phänomen unserer Zeit. Für die meisten scheint er aus dem Nichts gekommen zu sein. Doch ist dem wirklich so? Und wie gefährlich ist der ‘IS’? Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit dem Publizisten und ehemaligen Medienmanager Jürgen Todenhöfer.

Die Verwanzung der Kinderzimmer

Die Digitalisierung des Lebens schreitet voran und bringt ständig neue Überwachungstechniken hervor. Über das Spielzeug dringen diese nun bis in die Kinderzimmer vor und sammeln Daten über die Wünsche und Sehnsüchte der Kleinsten. Erste Eindrücke von Götz Eisenberg

Der Jazz trieb uns den Marschtritt aus dem Leib – Krieg und Nachkrieg im Werk von Dieter Wellershoff

Anlässlich des 70. Jahrestages des Zweiten Weltkriegsendes, der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft am 8. Mai 2015 werden wir wieder viele Beispiele einer salbungsvollen, abgehobenen Erinnerungsrhetorik erleben, wie sie bereits anlässlich des Gedenkens an das Entfachen des Ersten Weltkrieges und des Kriegsbeginns am 1. September 1939 zu vernehmen waren; gerade von denen, die heute geschichtsvergessen von einer neuen Verantwortung Deutschlands in der Welt fabulieren und dabei auch militärische Optionen nicht ausschließen. Es mutet seltsam an, mit welcher Selbstverständlichkeit in der Öffentlichkeit schon wieder Kriegsszenarien durchgespielt und damit die Errungenschaften der Entspannungspolitik mit dem Osten desavouiert werden.
In dieser Situation kann es hilfreich sein, die deutsche Nachkriegsliteratur noch einmal in Erinnerung zu rufen, spiegelt sie doch wie kein anderes Medium das nationale Debakel und die desaströse geistig-moralische Befindlichkeit der Bevölkerung in der „Stunde Null“ wider. Trümmer- und Kahlschlagsliteratur hat sie sich selbst genannt, womit sie zugleich auf die zerstörten deutschen Städte reflektierte wie auf das Erfordernis, mit literarischen Traditionen zu brechen und aus dem Nichts etwas Neues zu schaffen. Der Schriftsteller Dieter Wellershoff (Jahrgang 1925) hat als junger Mann diesen Krieg erlebt und überlebt, und es brauchte eine längere Zeit, bis er seine Erlebnisse verarbeiten konnte. Er war nicht einer der ersten, der darüber schrieb – dafür war er 1945 auch zu jung; aber kaum ein anderer unter den deutschen Literaten hat dann so viel für die Aufarbeitung dieser Erfahrungen und für die Aufklärung über das nationalsozialistische Regime geleistet wie er. Von Petra Frerichs

Zum ersten Kanzlerwechsel hat Günter Grass Beachtenswertes beigetragen

20 Jahre lang immer die gleiche Partei im Kanzleramt. Das hält eine Demokratie nicht aus. Also machte sich Günter Grass wie schon 1965 auch 1969 auf den Weg, an den verfestigten verknöcherten Zuständen etwas zu ändern. Ein krähender Hahn war damals das Symbol der sozialdemokratischen Wählerinitiative, deren Anführer und Impulsgeber Günter Grass war. Die Geschäftsstelle der SWI war in der Bonner Adenauerallee. Dort traf ich ihn zum ersten mal. Ein eindrucksvoller dynamischer Typ, eine politische Begabung. Meist und unentwegt war er unterwegs. Er warb in eindrucksvollen Reden für den Regierungswechsel. Er hat wesentlich dazu beigetragen, das liberale Bürgertum und wohl auch das konservative lesende Publikum für den politischen Wechsel aufzuschließen. Das gelang mit der Wahl Ende September 1969. Albrecht Müller

Weit über eine Million Opfer durch „Krieg gegen den Terror”

Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit: Es wird gelogen, verfälscht, verleumdet, stigmatisiert. Der Gegner wird dämonisiert, die eigenen Taten dagegen werden als „Verteidigung“ und Heldenhaftigkeit in Szene gesetzt. Eigene Gräuel und Kriegsverbrechen werden geleugnet und bagatellisiert. Dieses Allgemeingut der Kriegsgegner belegte nun einmal mehr eine am Freitag anlässlich des 12. Jahrestages des „Krieges gegen den Terror“ vorgestellte Studie der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Denn diese ergab: Die tatsächliche Zahl an Todesopfern, die der „Krieg gegen den Terror“ bereits kostete, ist fast 10-mal so wie bisher bekannt. Für die US-amerikanische IPPNW-Sektion unterstreichen die Ergebnisse dabei einmal mehr ein Ausmaß vom Westen gemachter Zerstörung, das weltweit Hass schüre, liefere überdies den Kontext, um den Aufstieg brutaler Kräfte wie beispielsweise des IS zu verstehen, die als Folge der US-Politik immer weiter gediehen. Jens Wernicke sprach mit Jens Wagner, dem Koordinator des Projekts, zum Studienbefund.

Sprechen wir doch mal über die Zuwanderung

Die SPD will es wissen. In ihrem neuen Entwurf für ein „Einwanderungsgesetz“ wollen die Sozialdemokraten auf eine Punktesystem und Quoten setzen – eine offensichtliche Anlehnung an das viel zitierte kanadische Modell. Damit will man dem demografischen Wandel trotzen und den vermeintlichen Fachkräftemangel entschärfen. Obgleich ein modernes Einwanderungsgesetz sicherlich notwendig ist, verfolgt die SPD dabei einen mehr als fragwürdigen Ansatz. Nach ihren Vorstellungen soll nicht die Gesellschaft, sondern die Wirtschaft bestimmen wer einwandern darf. Damit spielt man – wahrscheinlich ohne dies zu wollen – jedoch nur den Rechtspopulisten in die Hände. Heute ist es wichtiger denn je, das Thema „Einwanderung“ offen zu diskutieren. Denn wer die Debatte der Wirtschaft und den Rechten überlässt, braucht sich nicht zu wundern, wenn man Ende nichts Gescheites dabei herauskommt. Von Jens Berger.

Rezension: Henning Venske, „Es war mir ein Vergnügen“

Warum schreibt ein Satiriker und Kabarettist eine „Biographie“, sein Lebenswerk ist doch öffentlich? Das habe ich mich gefragt, als mir Henning Venskes über vierhundert Seiten starkes Buch mit dem Titel „Es war mir ein Vergnügen“ in die Hände kam. Ich hatte bestenfalls eine Sammlung von Texten aus früheren Veröffentlichungen oder Kabarettprogrammen erwartet, doch nach wenigen Seiten hat mich dieses Buch gefesselt. Was Hennig Venske bietet ist „Oral History“ im besten Sinne, nämlich erzählte deutsche Geschichte seit dem Ende der Nazizeit, der Flucht und der Not nach Kriegsende, des westdeutschen Kultur- und Theaterbetriebs der 60er und 70er Jahre bis hin zur zeitkritischen Satire und zum bissigen Kabarett heutiger Tage: Lebendige Erzählkunst eines Zeitzeugens nicht nur aus dem Blickwinkel des harten Überlebenskampfes eines Kulturschaffenden und Zeitkritikers, sondern von einem subversiven Idealisten, der mit Gelächter die Mächtigen zur Strecke bringen will.
Nicht viel jünger als Henning Venske habe ich mit seinen eindringlichen Erzählungen mein eigenes Erleben der gesellschaftlichen Veränderungen und der politischen Ereignisse Revue passieren lassen können. Aber ich habe das Buch auch meinen Kindern weiter empfohlen, weil sie darin konkreter als in jedem Geschichtsbuch und besser als ich mich erinnern könnte, die Nachkriegsgeschichte erzählt bekommen – politisch, wie auf den Feldern der Medien, des Theaters, der Satire und des Kabaretts. Von Wolfgang Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Rezension: Wolfgang Bittner: Südlich von mir. Gedichte

Wolfgang Bittner ist ein in den NachDenkSeiten immer wieder präsenter Autor. Erst kürzlich hat er das Sachbuch „Die Eroberung Europas durch die USA“ (2014) zu Hintergründen der Ukraine-Krise veröffentlicht (siehe Rezension vom 05.11.2014). Zwei Jahre zuvor erschien der politische Roman „Hellers allmähliche Heimkehr“ (siehe Rezension vom 28.03.2013). Dass Bittner auch Gedichte schreibt, spricht für seine publizistisch-literarische Vielseitigkeit. Und dass er in dem Lyrikband „Südlich von mir“ (2014) so ganz anders von Griechenland spricht, als wir es dieser Tage etwa durch die „Institutionen“ über uns ergehen lassen müssen, spendet etwas Trost in den finsteren Zeiten, in denen wir leben (frei nach B. Brecht). Von Petra Frerichs.

CIA Folterreport: Das Hohe Lied der Sicherheit oder die Insolvenz der „westlichen Werte“

Die hinter schwarzen Flecken verborgenen Namen und Daten in dem auf knapp 550 Seiten komprimierten Bericht sind allein deswegen erfreulich, weil sie dem Leser in einer Art intellektuellem „Waterboarding“ ein kurzes Atemholen in der Sammlung von Ungeheuerlichkeiten ermöglichen: Wir ahnten es, wir wussten es – aber in dieser Häufung ersticken wir an den unerträglichen, menschenverachtenden Folterpraktiken, die uns die „willigen Vollstrecker“ einer vorgeblichen Sicherheitshybris seit dem 09/11 im „Krieg gegen den Terror“ zumuten.
Wolfgang Neskovic, dem umtriebigen Streiter für das Recht, wie dem Westend Verlag ist es zu danken, dass sie in so kurzer Zeit nach der Veröffentlichung des Senats-Berichts am 09.12.2014 durch die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses Dianne Feinstein, uns eine Kärnerarbeit von 13 ÜbersetzerInnen vorlegen. Sie beginnt im Vorwort mit dem wertenden Befund: „Die Haft-bedingungen und die Anwendung erlaubter und unerlaubter Verhör- und Konditionierungs-verfahren waren grausam, unmenschlich und entwürdigend“ und endet in der verzweifelten Hoffnung, dass „die US-amerikanische Politik … nie wieder uneingeschränkte Internierung und gewaltsame Befragung zulassen wird“. Zur gleichen Zeit sind in Guantanamo heute immer noch 122 Gefangene uneingeschränkt interniert, an denen diese Hoffnung zerbricht, weil ihnen die Rechte als Kriegsgefangene vorenthalten werden. Von Albert Klütsch[*].

Nicht die Grenze, sondern die mangelnde Qualität von Satire ist das Problem!

Viel wurde in den vergangenen Wochen über Satire und ihre Grenzen geschrieben. Zuletzt auch von Mohssen Massarrat in einem Gastbeitrag auf den Nachdenkseiten. Vor allem Kurt Tucholsky musste seit Anfang Januar wiederholt für Zitate herhalten: Nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo schien sich jede noch so auflagenschwache Regionalzeitung genötigt zu fühlen, Tucholskys berühmten Text mit den einprägsamen Sätzen „Was darf die Satire? Alles!“* abzudrucken. Seitdem ist diese Aussage von unterschiedlichen Seiten kritisiert worden. Es hieß, man müsse neu über Grenzen von Satire nachdenken, auch in einer Demokratie. Nein, sagt Michael Feindler. Uns sollte jedoch bewusst sein, dass einiges, was da draußen als Satire herumgeistert, den Qualitätsmaßstäben eines Kurt Tucholsky nicht standhält.
(Hinweis: Durch ein unglückliches Versehen wurde vorgestern eine frühere Fassung von Mohssen Massarrat eingestellt. Im Anhang zu diesem Beitrag finden Sie seinen überarbeiteten Text. (WL))

Grenzen der Freiheit, auch der Satire. Offen bleibe die Frage, ob Satire grenzenlos frei sein darf, meint Mohssen Massarrat

Die Diskussion um die Morde von Paris ist durch die Anschläge in Dänemark neu aktualisiert. Mohssen Massarrat hält es für wichtig, über die Grenzen der Freiheit, auch der Satire, neu und anders nachzudenken. Wir geben seinen Beitrag als Denkanstoß weiter. Wolfgang Lieb hat dazu am Ende dieses Textes eine kommentierende Anmerkung gemacht. Albrecht Müller

Inszenierter Terrorismus

Dass mit Terrorwarnungen auch Politik betrieben wird, ist längst evident. Immer häufiger treiben solche Warnungen Menschen hinein in Verunsicherung und Angst oder dienen gar – wie zuletzt in Dresden sichtbar wurde – der Forcierung bzw. Flankierung weiteren Demokratieabbaus. Während die Bundesregierung zu derlei Fragen nur schweigt und nicht offenzulegen bereit ist, wie oft und aus welchen konkreten Gründen sowie mit welcher Strategie die Bevölkerung in den letzten Jahren jeweils „gewarnt“ und somit verängstigt worden ist, sprach Jens Wernicke mit Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker von der Universität Jena, die seit Langem zu den Wirkungen von derlei politischen Maßnahmen forschen und arbeiten.

Terroralarm

Fast jedes terroristische Attentat führt in Folge unmittelbar zu einem weiteren. Zu einem politischen nämlich, welches auf die Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger abzielt, um hierdurch – so wird behauptet – der terroristischen Gefahr besser begegnen zu können. Aber, mal ehrlich: Wenn die Totalüberwachung der Kommunikationswege wirklich vor Terror schützen würde und deswegen nun auch in Deutschland nötig wäre – warum genau hat sie mit diesem Anliegen in Frankreich dann soeben vollends versagt? Und wenn die Einschränkungen der Grundrechte für so genannte „Gefährder“ wirklich und ausschließlich weiteren Terror verhindern sollen – warum verbleibt der Begriff dann so nebulös und werden in Großbritannien inzwischen investigative Journalisten zum Teil als solche überwacht? Und: Schützt ein Bundeswehreinsatz im Inland, wie er nun erneut in die Diskussion gerät, wirklich dabei, Anschläge zu verhindern – und wenn ja, wie und wodurch eigentlich genau? Über die „Antiterror“-Gesetze im Land und ihre bisherigen wie zu erwartenden Wirkungen sprach Jens Wernicke mit Michael Csaszkóczy vom Bundesvorstand der Roten Hilfe.

Terrorismus – Gegen die grassierende Hysterie!

Und täglich grüßt das Murmeltier. Kaum kommen bei einem wahrscheinlich islamistisch motivierten Anschlag in einem westlichen Land nichtmuslimische Menschen ums Leben, ist die Aufregung mal wieder groß. Eine ganze Religionsgruppe wird unter Kollektivverdacht gestellt und die medial geschürten Ängste der Menschen werden instrumentalisiert, um von wichtigeren Themen abzulenken und die Grundrechte immer weiter einzuschränken. Ist die Debatte über islamistischen Terrorismus eine Phantomdebatte? Ja und nein. Dennoch sollten wir uns um andere Themen Sorgen machen und uns nicht von Pegida, BILD und CDU ins Bockshorn jagen lassen. Von Jens Berger

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.