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Parteien und Verbände

Rechtsruck und geringe Wahlbeteiligung – eine Bedrohung für Europa

Bis auf CSU und FDP waren bei den Europawahlen am Wahlabend mal wieder alle Sieger. In der Begeisterung über die Wahlergebnisse ging völlig unter, dass diese Wahl alles andere als eine Begeisterung der Deutschen für das Europäische Parlament und für die Europäische Union erkennen lässt. Geradezu eine Bedrohung für den europäischen Gedanken ist das Abschneiden der europakritischen oder europafeindlichen Parteien innerhalb der EU-28. Auch in Deutschland ist die AfD mit einem Ergebnis von 7,1% erfolgreichste Partei, noch dramatischer ist der Rechtsruck in anderen Ländern. Jede Fünfte Stimme in Europa ging an Nazis, Rechtsextreme, Rechtspopulisten oder Europakritiker. Nimmt man noch die geringe Wahlbeteiligung hinzu, so müsste das Europawahlergebnis für alle europäisch Gesinnten und für alle Demokraten ein schrilles Warnsignal sein. Doch das Einzige was am Wahlabend offenbar interessierte, war die Frage, ob nun Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz oder womöglich jemand anderes Präsident der Europäischen Kommission werden wird. Welche Schlussfolgerungen aus dem Rechtsruck und aus der Wahlabstinenz für die künftige Europapolitik zu ziehen wären, spielte in all den Stellungnahmen, Interviews und Analysen keine Rolle und das ist die wirkliche Bedrohung für eine politische Union in Europa. Von Wolfgang Lieb

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EU-Wahlkampf als innergriechische Machtfrage

In keinem anderen EU-Land sind die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) so stark mit einer innenpolitisch-nationalen Bedeutung aufgeladen wie in Griechenland. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Europawahl fällt mit dem zweiten Durchgang der Kommunalwahlen zusammen, die über die lokale Selbstverwaltung in 350 Städten bzw. Gemeinden und in den 13 Regionen Griechenland befinden. Noch bedeutsamer ist, dass die drei Wahlvorgänge (von denen der erste Wahlgang auf kommunaler Ebene schon am letzten Sonntag stattgefunden hat) wegen der Fragilität der politischen Verhältnisse im Allgemeinen und der stets gefährdeten parlamentarischen Mehrheit der Koalition aus Nea Dimokratia und Pasok zu einem Crashtest für die „Haltbarkeit“ der Regierung Samaras geworden sind. Von Niels Kadritzke

Europa – mehr Demokratie wagen!

Seit gestern sind die rund 375 Millionen Wahlberechtigten in der EU aufgerufen, ein neues EU-Parlament zu wählen. Viel zu wenige werden diesem Ruf folgen und wenn am Sonntagabend die Ergebnisse veröffentlicht sind, wird der Katzenjammer der etablierten Politik groß sein. Die Heuchelei kennt keine Grenzen. Wer jahrelang die Demokratie mit Füßen getreten und Europa für seine eigenen Interessen missbraucht hat, braucht sich nicht darüber zu wundern, wenn die Bürger sich vom politischen Europa abwenden. Doch diese Entwicklung ist fatal. Nur mit einem Mehr an Demokratie kann das europäische Projekt noch gerettet werden. Von Jens Berger

Kann man Steinmeier trauen?

Ist Steinmeier der Vermittler in der Ukraine und im Konflikt mit Russland, als der er erscheint? Wie ist er gesellschaftspolitisch einzuordnen? Der pure Neoliberale? Oder wenigstens ein bisschen vom früherem sozialdemokratischen Geist geprägt? Diese Fragen stellen sich angesichts der Macht und des Einflusses des deutschen Außenministers. Ich will versuchen, sachlich abzuwägen, und möchte anregen, dass Sie diese Fragen im Blick behalten, wenn Sie weiter verfolgen, was Steinmeier tut und sagt. Ich persönlich komme leider zum Schluss: Man kann ihm nicht trauen. Warum? Von Albrecht Müller

Keine Alternative für Deutschland

Bei den Europawahlen kann sich die Alternative für Deutschland (AfD) Hoffnungen auf einen Einzug ins Europäische Parlament machen. Das ist gefährlich. Wirtschafts- und finanzpolitisch denkt die AfD marktradikal: Der Spitzensteuersatz soll gesenkt, der Staat auf ein Minimum reduziert werden. Leidtragende wären die Arbeitnehmer. Von Jens Berger.

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1. Mai 2014: Gute Arbeit. Soziales Europa – Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Tag der Arbeit

Europas Krise ist längst nicht ausgestanden. Niedrige Wachstumsraten, hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, und zunehmende Armut – die Folgen der rigorosen Sparpolitik sind verheerend. Diese Politik muss ebenso gestoppt werden wie der Abbau von sozialen Errungenschaften und Arbeitnehmerrechten.

Europa braucht eine Investitionsoffensive. Nur so können die europäischen Volkswirtschaften innovativer werden und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Denn es geht darum, den Menschen eine Lebens- und Arbeitsperspektive und Millionen Europäern Zuversicht zu geben. Wir wollen für die Menschen in Deutschland und Europa gute Arbeit, ein sicheres Auskommen und ein Leben in Würde!

Wir wollen:

  • einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro – Würde kennt keine Ausnahmen
  • eine Rente, die zum Leben reicht und die Lebensleistung würdigt
  • Investitionen in Bildung und Ausbildung
  • Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Leiharbeitnehmern und der Vergabe von Werkverträgen
  • eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben
  • dass Schluss ist mit der Diskriminierung von Frauen – auch in der Bezahlung
  • ein Investitionsprogramm für ein sozial gerechtes Europa und die Modernisierung der Wirtschaft
  • die bessere Finanzierung eines handlungsfähigen Staates durch die großen Vermögen

Quelle 1: DGB
Quelle 2: Geschichte des 1. Mai: Vom Kampftag zum Feiertag

ver.di gelingt es auch im “Aufschwung” nicht, Verteilungsspielraum auszuschöpfen: Eine Faustregel für kommende Tarifverhandlungen

Gestern früh meldete der Deutschlandfunk unter der Überschrift “Einigung im Tarifstreit: Drucker bekommen mehr Geld”, dass die rund 150.000 Beschäftigten der Druckindustrie mehr Geld erhalten. ver.di und der Bundesverband Druck und Medien hätten sich in der Nacht auf einen neuen Flächentarifvertrag geeinigt. Danach sollen die Löhne ab Mai um drei und im April nächsten Jahres noch einmal um ein Prozent steigen. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 27 Monate. Damit hat Verdi innerhalb kürzester Zeit bereits das zweite Mal in Folge den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum (Produktivitätsentwicklung plus Inflationsziel der Europäischen Zentralbank) nicht ausgeschöpft. Und das, obwohl sich Deutschland doch im “Aufschwung” befindet, wie der Bundeswirtschaftsminister gleichfalls gestern wieder betont hat: Ein “Aufschwung auf breitem Fundament”, “die Einkommen der privaten Haushalte nehmen kräftig zu“, so Gabriel. Von Thorsten Hild [*]

Wie Bedrohlich ist der Enthüllungsskandal über die Nähe der Nea Dimokratia zu den Neonazis für die Regierung Samaras und wie reagieren die europäischen Partner?

Auch Griechenland hat jetzt einen Enthüllungs-Skandal, der die Grundfesten der Regierung erschüttert. Das Gespräch, das der langjährige Samaras-Vertraute Takis Baltakos mit einem amtierenden Chef der Neonazis führte, ist nicht einfach eine „pikante“ Affäre am Rande, die durch den Ausschluss des düpierten Abgeordneten aus der Nea Dimokratia-Fraktion beigelegt wäre. Dieser Skandal kann vielmehr – zumal wenn es zu weiteren, von der Chrysi Avgi (ChA) schon angekündigten Enthüllungen kommt – eine katalytische Wirkung für die griechische Innenpolitik entwickeln und vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlicher machen. Zudem wird er ganz sicher die Erfolgsaussichten einer strafrechtlichen Verfolgung der griechischen Neonazis beeinträchtigen. Die Affäre Baltakos dürfte und müsste aber auch Folgen für die Einschätzung der Regierung Samaras und der Nea Dimokratia bei den europäischen Freunden und Verbündeten haben. Von Niels Kadritzke

Disput zwischen Rudolf Hickel und Albrecht Müller über die politische Einschätzung des Mindestlohns

Am 31. März erschien auf den NachDenkSeiten ein Beitrag von Rudolf Hickel unter der Überschrift „Flächendeckende Mindestlöhne: Epochenwandel auf den Arbeitsmärkten – Sieg der Vernunft über neoklassisches Marktversagen“ mit einer kritischen Anmerkung von Wolfgang Lieb. Zu Hickels Artikel schrieb Albrecht Müller einen weiteren kritischen Kommentar mit dem Titel „Das ist ein Gefälligkeitsartikel für SPD und Gewerkschaften“. Diese Kritik erwidert nun Rudolf Hickel. Wir wollen unseren Leserinnen und Lesern diesen Disput nicht vorenthalten und stellen Rudolf Hickels Antwort mit einer Replik von Albrecht Müller ein.

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Kommentar A.M. zum Mindestlohnartikel von R. Hickel: Das ist ein Gefälligkeitsartikel für SPD und Gewerkschaften.

Wolfgang Lieb hat am Schluss des gestern eingestellten Artikels von Rudolf Hickel über flächendeckende Mindestlöhne schon eine kritische Anmerkung gemacht. Diese teile ich, gehe aber ein Stück darüber hinaus: Bei kritischer Betrachtung kann man die flächendeckende Einführung der vorgesehenen Mindestlöhne von 8,50 € im Jahre 2017 nicht als „Epochenwandel“, als „gesellschaftliches Megaprojekt“ und als „Sieg der Vernunft über neoklassisches Marktversagen“ werten. Hier versucht einer, nämlich Rudolf Hickel, die sozialdemokratische Seite der Großen Koalition und die Große Koalition als Ganzes heraus zu hauen, und damit auch den Gewerkschaftsführungen einen Dienst zu erweisen. ‚Wenn schon der „linke“ Hickel die Mindestlohnregelung gut findet, dann sollten auch Gewerkschafter ihren Widerstand einstellen und die Große Koalition feiern’, so die unterschwellige Botschaft. Albrecht Müller.

„Ökumenische Sozialinitiative“: Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott!

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz haben am letzten Freitag eine „Ökumenische Sozialinitiative“ [PDF – 1.0 MB] ergriffen. Mit 10 Thesen wollen Erzbischof Robert Zollitsch und der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider eine breite gesellschaftliche Debatte für eine erneuerte Wirtschafts- und Sozialordnung auf der Suche nach einer „gesellschaftlichen Verbindung von Freiheit und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert“ anstoßen.
Allzu kräftige „Impulse“ dürften von dieser Initiative jedoch kaum ausgehen, denn offenbar haben die beiden Kirchenleitungen ihren Frieden mit den neoliberalen Reformen geschlossen. Die Beschreibung der ökonomischen und sozialen Lage unterscheidet sich kaum von den beschönigenden Darstellungen der Bundesregierung und die Anstöße, die von dem Papier ausgehen könnten, finden sich mit ähnlichem Ton und Inhalt auch in den letzten Wahlprogrammen von SPD und CDU. Zu Recht urteilt Friedhelm Hengsbach: Das Papier „ist eine Ohrfeige gegenüber dem gemeinsamen Sozialwort vor 17 Jahren und es ist auch eine Ohrfeige für das, was Papst Franziskus vor zwei Monaten in seinem Schreiben vorgetragen hat. Es ist gleichsam der Spiegel der Großen Koalition bei den großen Kirchen.
Von Wolfgang Lieb.

Urteil zur Drei-Prozent-Sperrklausel – Eine höchstrichterliche Abwertung der Europawahl

Das Bundesverfassungsgericht kippt die Sperrklausel mit der widersprüchlichen Begründung, dass das Demokratieprinzip Vorrang habe, solange das Europäische Parlament keinen hinreichenden demokratischen Einfluss habe. Im Kern ging es bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungskonformität der Drei-Prozent-Klausel um eine Abwägung

  • einerseits zwischen der Wahlrechtsgleichheit – also die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Gleichheit der Bürger – und der Chancengleichheit aller Parteien und
  • andererseits der Sicherung der Wahl einmal als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung des Volkes und zum anderen dem pragmatischen Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit eines Parlaments, also der Erschwerungen der Mehrheitsbildung bei einer großen Zahl von Vertretern kleiner Parteien.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dem Demokratieprinzip nach den derzeitigen Verhältnissen des Parlamentarismus in der Europäischen Union eindeutig den Vorrang vor einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments eingeräumt. Das Urteil ist letztlich eine höchstrichterliche Abwertung der im Mai stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament. Von Wolfgang Lieb.

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Warum wir Arbeitsrechte im Kontext des EU-US-Freihandelsabkommens anders diskutieren sollten

Pro- und Contra-Stimmen zum EU-US-Freihandelsabkommen (TTIP) haben häufig eine Gemeinsamkeit, wenn es um die Frage der Arbeitsrechte geht: Beide stellen die von den USA nicht unterzeichneten ILO-Kernarbeitsnormen in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Die einen sehen TTIP als Chance, die USA zur Unterschrift unter weitere Kernarbeitsnormen zu bewegen. Die anderen lehnen TTIP ab, gerade weil sie die Arbeitsstandards in den USA für viel zu niedrig halten, erkennbar an der Nichtunterzeichnung von sechs der acht Kernarbeitsnormen. Überzeugend sind beide Argumentationen nicht. Ein Gastartikel von Patrick Schreiner[*].

Sven Giegold und die grüne Verdrängungsmaschine

Sven Giegold, Europaparlamentarier der Grünen und für viele im linken Spektrum der Grünen immer noch ein Hoffnungsträger, hat in der ZEIT vergangene Woche ein schlimmes Stück geschrieben, in dem er Sahra Wagenknecht angreift, weil sie einer Spaltung Europas das Wort rede und dem Euro Schuld für Vorgänge gebe, die von der Wirtschaftspolitik zu verantworten seien. Was der Beitrag vor allem wieder einmal zeigt, ist die Tatsache, dass die Grünen kein wirtschaftspolitisches Konzept haben und sich davor drücken, eines zu entwickeln. Und er zeigt zudem, dass die Grünen nicht wahr haben wollen, erhebliche Mitschuld an der Eurokrise zu haben, weil Deutschlands Lohndumping mit ihrer Zustimmung geschehen ist. Von Heiner Flassbeck[*] und Friederike Spiecker

Volkswagen USA: Revolution von oben gescheitert

Die Automobilarbeiter-Gewerkschaft United Automobile Workers (UAW) hat die Abstimmung zur Anerkennung im Volkswagen Werk in Chattanooga, Tennessee laut offizieller Auszählung vom Freitag, 14. Februar 2014 mit 626 zu 712 Stimmen deutlich verloren.
Tatsächlich handelt es sich um eine demoralisierende Niederlage für die gesamte US-amerikanische Gewerkschaftsbewegung, die zudem deutlich macht, wie es um die demokratische Kultur in weiten Teilen der USA tatsächlich bestellt ist. Desinformation, Propaganda und teils bizarre Ängste spielten in der begleitenden Medienschlacht eine große Rolle – in der Form vergleichbar mit den hysterischen Kampagnen gegen Waffen-Beschränkung oder die allgemeine Krankenversicherung. Rechte Lobbyisten der Anti-Gewerkschafts-Organisation “Center for Workers Freedom” stellten zuletzt 13 Riesen-Werbetafeln in Tennessee auf, auf denen sie die VW-Gewerkschaftswahl sogar direkt mit Aspekten wie der Waffenfreiheit und dem in Tennessee bei der weißen Mehrheit relativ unbeliebten Präsidenten Obama verbanden. Die UAW wurde einmal als “United Obama Workers” verhöhnt, andererseits für den dramatischen Niedergang der Motor-Town Detroit in den letzten Jahrzehnten verantwortlich gemacht. Von Elmar Wigand [*]