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Wahlen

Sind die Reaktionen der SPD auf die gestrigen Wahlniederlagen nur ignorant oder schon arrogant?

Nach dem weitaus schlechtesten Wahlergebnis für die SPD bei einer bundesweiten Wahl kann man die Reaktionen ihrer Spitzenpolitiker über dieses Wählervotum eigentlich nur noch entweder als ignorant oder – schlimmer – als arrogant einstufen. Ignorant, weil offenbar nicht mehr zur Kenntnis genommen wird (oder werden darf), dass die weit überwiegende Mehrheit den “Agenda”-Kurs ablehnt. Arrogant, weil man offenbar nicht mehr bereit (oder ideologisch, zu borniert) ist, demokratische Voten, d.h. die Meinung der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.

Wie Demoskopen Wahlniederlagen schön reden und den politischen Blick auf die Wirklichkeit verzerren

Die CDU hat in Hamburg mit über zwanzig Prozent Zugewinn einen historisch einmalig hohen Sieg bei einer Landtagswahl feiern können. Für die SPD gab es das schlechteste Wahlergebnis nach dem Krieg im über vierzig Jahre “roten” Hamburg. Doch in der Spitze der SPD wird so getan, als sei das nichts Besonderes, als wären dramatische Wahlniederlagen die selbstverständlichste Folge einer richtigen Politik.
Zwar gestand man noch zu, dass diese Niederlage “keinen Rückenwind” (Müntefering) bringe, es sei nun aber auch “kein katastrophales Ergebnis” (Mirow), schließlich hätte man gemessen an früheren Umfragen sogar “aufgeholt” (Müntefering). Die Partei habe nach dem Führungswechsel in der Parteispitze “wacker gekämpft” (Scholz) und im übrigen sei die Bundespolitik für dieses Ergebnis “nicht letztlich entscheidend” (Müntefering) gewesen, sondern der Sieg habe “viel mit der Personalisierung auf Ole von Beust” (Scholz) zu tun.

Auch nach dem Verlust der Wahlen in Hamburg wird auf SPD-Seite falsch analysiert und falsch therapiert

Das Ergebnis ist bitter für die Hamburger Sozialdemokratie. Bitter und bedrückend für unser Land ist aber auch die Erfahrung vom Wahlabend. Die SPD und auch die Grünen bleiben bei der Fortsetzung ihrer so genannten Reformpolitik. Das ist nicht mehr zu begreifen, denn die SPD und die Grünen setzen damit eine Linie fort, die ihnen in Analyse und Therapie von den konservativen Parteien und ihren Hinterleuten vorgesagt worden ist.
Die SPD kommt bei ihren Analysen und Hoffnungen immer wieder auf das gleiche Bild zurück: die SPD habe darunter zu leiden, dass sie die seit der Kanzlerschaft Kohls liegen gebliebenen Reformen aufarbeiten müsse, diese Reformen seien noch nicht ausreichend vermittelt, das werde aber in der nächsten Zeit gelingen und dann werde alles wieder gut. Das ist eine total trügerische Hoffnung. Siehe dazu auch den Tagebucheintrag vom 10.2.2004. Den dortigen Anmerkungen zur Strategie ist fast nichts hinzuzufügen. Aktuell ist auch noch ein Beitrag mit dem Titel “Sozialdemokraten haben sich als gestaltende Kraft verabschiedet”, der schon am 27. Mai 2002 in der Frankfurter Rundschau abgedruckt war.

Politbarometer sieht SPD weiter im Tief: 28 Prozent zu 48 Prozent für CDU/CSU bei der “Sonntagsfrage”. Ist dieses Dauertief ein Rätsel?

Für Sozialdemokraten und wohl auch für die SPD-Führung ist die Tatsache, dass die SPD unter der 30 Prozent Marke hängen bleibt, bedrückend. Hat man doch zumindest bei der SPD-Spitze gehofft, die Durchsetzung des Reformpakets der Agenda 2010 würde sich auch in verbesserten Umfragewerten niederschlagen. Diese Hoffnung war eigentlich nicht verständlich. Das Verharren der SPD auf niedrigem Niveau ist erklärbar; nicht verständlich ist – ohne genaues Hinsehen – das hohe Niveau der CDU/CSU.