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Ideologiekritik

Wenn Theorie und Realität einfach nicht zusammenfinden wollen

Europa ächzt unter dem Joch der Austeritätspolitik. Sowohl Spanien als auch Portugal mussten in den letzten Tagen melden, dass sie „trotz größter Sparanstrengungen“ ihr Defizitziel deutlich verfehlt haben. Hier muss die Frage gestattet sein, ob diese Länder ihr Defizitziel nun „trotz“ oder doch wohl eher „wegen“ der „größten Sparanstrengungen“ verfehlt haben. Der vor allem von deutscher Seite propagierte Ansatz, ein Land durch Budgetkürzungen und neoliberale Reformen fit für die Zukunft zu machen und dabei dann auch gleich die Staatsfinanzen zu sanieren, mag in der marktliberalen Theorie funktionieren. In der Praxis funktioniert dieser Ansatz jedoch nicht, was sich mittlerweile eigentlich herumgesprochen haben sollte. Mit jedem Tag, an dem die Politik an ihren ideologischen Scheuklappen festhält, forciert sie die Krise und verhindert deren Beendigung. Von Jens Berger

Quotensturm im Genderwasserglas

Es kommt selten vor, dass die im Bund regierenden Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP in einem Punkt derart über Kreuz liegen, dass es innerhalb der Koalition eine offene Rebellion gibt, der Fraktionszwang in Frage gestellt wird und die FDP in einem „Brandbrief“ (Zitat: BILD) die Kanzlerin auffordert, ein schrödersches Basta! zum Besten zu geben. Doch wer nun denkt, es ginge bei diesem Streit um bedeutende Dinge wie die Zukunft Europas, die gesetzliche Rente oder den boomenden Niedriglohnsektor, der irrt gewaltig. Die Herren und Damen Koalitionäre zoffen sich stattdessen lieber bis aufs Blut um die Frage, ob Deutschlands börsennotierte Unternehmen genug Frauen in ihren Aufsichtsräten haben. Dies ist nicht nur ein Luxusproblem, sondern auch ein Elitenproblem, das an der Lebenswirklichkeit von 99,9% der Menschen komplett vorbeigeht und noch nicht einmal viel mit Gleichberechtigung zu tun hat. Ein Kommentar von Jens Berger.

„Wachstumswahn, Wachstumszwang, Postwachstumsgesellschaft – eine irrelevante und in die Irre leitende Debatte“

Am 21. August hatten wir auf den Hambacher Disput zu „Wachstum 2.0“ mit Angelika Zahrnt contra Albrecht Müller und Meinhard Miegel contra Heiner Flassbeck hingewiesen. Die Veranstaltung auf dem seit 1832 als Ort demokratischen Streits berühmten Hambacher Schloss fand – auch dank des Interesses von Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten – reges Interesse. Es folgt unten mein Beitrag im Disput mit Angelika Zahrnt, der Ehrenvorsitzenden des BUND. – Nachwirkender Gesamteindruck: Es ist bemerkenswert, in welch weitem Maße es dem Neoliberalen Meinhard Miegel gelungen ist, sich und seiner Partei, der Union, ein grünes und fortschrittliches Mäntelchen umzuhängen. Beim Hambacher Disput fand das seinen augenfälligen Niederschlag in der sichtbaren Verbrüderung („Verschwisterung“) der BUND-Ehrenvorsitzenden und einer anwesenden Landtagsabgeordneten der Grünen mit Meinhard Miegel. Auf diesen erstaunlichen PR Erfolg Miegels und der Union hatte ich im April 2011 schon einmal hingewiesen. Albrecht Müller.

30 Jahre Lambsdorff-Papier

Am 9. September 1982 – also gestern vor 30 Jahren – hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – den „Scheidebrief“ für die damalige sozialliberale Koalition – veröffentlicht. Seit dieser Zeit wird Politik – manchmal mehr, manchmal weniger – nach dieser Rezeptur gemacht. Und dennoch hat sich die Staatsschuld vervielfacht, im Vergleich zu anderen EU-Staaten hatte Deutschland im letzten Jahrzehnt vor der Finanzkrise ein sehr niedriges Wachstum, stellte der Sachverständigenrat fest [PDF – 3.9 MB], und die Arbeitslosigkeit liegt erheblich höher als damals – die Löhne stagnierten und der Niedriglohnsektor breitet sich aus.
Das Handelsblatt bejubelt heute das Lambsdorff-Papier. Wir verweisen auf unsere Beiträge auf den NachDenkSeiten aus Anlass zurückliegender Jahrestage. Neues ist ohnehin nicht hinzuzufügen. Von Wolfgang Lieb.

Turbo-Abi fällt durch

Die wichtigsten Ergebnisse der 2. JAKO-O Bildungsstudie im Überblick
Im Auftrag von JAKO-O hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Januar 2012 bundesweit 3.000 Eltern in Deutschland mit Kindern im Alter bis zu 16 Jahren zu den Themen Bildung, Schule, Lehrer und der eigenen Erziehungsleistung sowie zu aktuellen Themen der bildungspolitischen Diskussion befragt.
Hier die wichtigsten Ergebnisse. (WL)

Agenda 2020: Das Schüren von Ängsten als Mittel, die Agenda 2010 voranzutreiben

Nachdem die verelendende Schock-Therapie für die südeuropäischen Länder inzwischen die Hoheit an den Stammtischen gewonnen hat, wird nun die Angst vor den „zwei- bis dreistelligen Milliardenlasten, die auf den deutschen Steuerzahler zukommen“ geschürt und nicht nur von den Griechen sondern auch von den Deutschen verlangt, „die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen“ um „endlich für eine nachhaltige Sanierung der eigenen Staatsfinanzen zu sorgen“, um „Staat und Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen“. Die Haftung der Steuerzahler für das Versagen der Politik und der Finanzwirtschaft wird von den Propaganda-Bataillonen der Konservativen unter den Teppich gekehrt und zur Rettung aus der Krise „ein reformpolitischer Neustart“, eine „Agenda 2020“ gefordert. Von Wolfgang Lieb.

Hambacher Disput zu „Wachstum“ mit Angelika Zahrnt contra Albrecht Müller und Meinhard Miegel contra Heiner Flassbeck

Disputiert wird auf Einladung der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Stiftung Hambacher Schloss über „Wachstum 2.0 – Glück und Wohlstand (nur) ohne Wachstum?“

Zeit und Ort: Samstag, 25. August 2012, 10:00 – 14:00 h, Hambacher Schloss, Neustadt a.d. Weinstraße, Ortsteil Hambach. Näheres siehe hier. Albrecht Müller.

Nostalgisch produktiver Rückblick auf eine Tomi Ungerer-Kampagne für Willy Brandt und die SPD

In diesen Tagen genau vor 40 Jahren begann der Wahlkampf für die Bundestagswahl vom 19. November 1972. Eines der ersten Elemente des Wahlkampfes der SPD war eine Kampagne mit Motiven des Cartoonisten Tomi Ungerer. Wir dokumentieren Anzeigen und Poster dieser Kampagne für jene unter unseren Leserinnen/n, die Tomi Ungerer schätzen, die sich für die jüngere Geschichte interessieren oder auch für Sozialdemokratinnen/en mit einem Sinn für bessere Zeiten oder für jene, parteiübergreifend, die etwas für Wahlkämpfe lernen wollen. Albrecht Müller.

Vergesst die Inflation!

Es gibt Ängste, die sind unausrottbar. Im nationalen Bewusstsein der Deutschen scheint die Urangst vor der Hyperinflation der Jahre 1922 und 1923 allgegenwärtig. Wen wundert es da, dass Politiker oder Kommentatoren nur allzu gerne das Schreckgespenst „Inflation“ beschwören, um ihren politischen Positionen emotionalen Nachdruck zu verleihen? In den letzten Wochen hatte diese Geisterbeschwörung wieder einmal Hochkonjunktur, ging es doch darum, Stimmung gegen verschiedene Vorschläge zu machen, mit denen die EZB aktiver in den Kampf gegen die Eurokrise einbezogen werden sollte. Doch die Angst vor einer bevorstehenden Inflation ist irrational und lenkt nur ab, wenn es darum geht, erfolgreiche Lösungswege aus der Eurokrise zu finden. Von Jens Berger.

Hofberichterstattung im Sommerloch – Der Bundespräsident als der „ständige Vertreter der Politik gegenüber der Bevölkerung“

Dass es Sommer geworden ist, merkt man nicht am Wetter, sondern am öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland. Die „Sommerinterviews“ müssen wieder einmal das Sommerloch stopfen. Die Rundfunkanstalten überbieten sich geradezu: Gabriel in der ARD, Gauck im ZDF. Die Erfahrung zeigt, wenn es nicht gerade gegen die Linkspartei geht, dann geraten die „Sommerinterviews“ zur reinen Hofberichterstattung. Passend dazu hat Bettina Schausten das Interview mit dem Bundespräsidenten auch im Schloss Bellevue geführt. Von Wolfgang Lieb.

Merkels „Zukunftsdialog“ – Ein Lehrstück für die „Post-Basisdemokratie“

Um dem weitverbreiteten, durch massive Proteste und dem Aufkommen der Piratenpartei zum Ausdruck gekommenen Verlangen nach mehr Bürgerbeteiligung nachzugeben, ließ die Kanzlerin einen „Dialog über Deutschlands Zukunft“ inszenieren. Noch bevor irgendwelche Ergebnisse des „Expertendialogs“, des „Bürgerdialogs und des „Online-Dialogs“ vorliegen, ist nun ein von Angela Merkel herausgegebenes Buch erschienen, das beweisen soll, dass die Kanzlerin mit „Bürgern ins Gespräch gekommen“ ist. Die ganze Inszenierung ist ein Lehrstück für eine „Post-Basisdemokratie“. Von Wolfgang Lieb.

Sehenswerter Film Catastroika mit deutschen Untertiteln

Es sei ein „Lehrfilm der Extraklasse“, schreibt ein NDS-Nutzer. So ist es. Bitte weitersagen, weiter mailen. Laden Sie Ihre Freunde und Nachbarn ein, um diesen Film zusammen anzuschauen und darüber zu diskutieren. Die Krise in Griechenland wird eingeordnet in eine Skizze des Wirkens der neoliberalen Strategen von Chile über Russland und die DDR bis nach Griechenland. Auf der Linie des Grundgedankens von Naomi Kleins Schock-Strategie, dass solche Umbrüche genutzt oder sogar inszeniert werden, um billig an Schnäppchen aus öffentlichem Eigentum zu kommen – bis zu „Griechenlands komplettem Ausverkauf“, wie es zu Beginn des Films in einem Untertitel heißt. Albrecht Müller.

Selbstmord als die dauerhafte Lösung hausgemachter Probleme

Wenn man Politik in ein Bild fassen will, wird die Wirklichkeit immer überzeichnet, doch wenn ich diesen Versuch machen müsste, so fiele mir für den politischen Kurs von Angela Merkel und der Bundesregierung gegenüber den europäischen Nachbarländern folgendes Bild ein:
Angela Merkel ist aus der Beletage im obersten Stockwerk eines lichterloh brennenden europäischen Hauses gesprungen und ruft im freien Fall allen Bewohnern der unteren Stockwerke zu: Springt mir nach, sonst verbrennt ihr elendlich, wie ihr seht geht es mir bis jetzt im Vergleich zu euch gut. Statt den Brand zu bekämpfen und die Brandstifter in Haftung zu nehmen, wählt unsere Kanzlerin den Sprung in den Abgrund, gerade so, als ob ein Selbstmord eine dauerhafte Lösung der hausgemachten Probleme wäre. Von Wolfgang Lieb.

„Für einen Pakt aller Demokraten gegen Finanz-Zyniker und Spekulanten“ –Text der Dresdner Rede

Am 5. Mai 12 habe ich zum Dresdner Frühjahrsgespräch eingeführt. Hier folgt der schriftliche Entwurf der Rede. Teile der Rede und die Diskussion waren zeitweise nachzuhören und zu sehen. Leider nicht in guter technischer Qualität. Informationen bietet und Links bietet die Internetseite zu den Dresdner Frühjahrsgesprächen. Hier also der Text der Rede, der natürlich vom gesprochenen Wort abweicht. Von Albrecht Müller