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Medien und Medienanalyse

Bazooka mit eingebauter Ladehemmung

Die EZB nennt es „OMT“, die Medien „Bazooka“ – doch was EZB-Chef Mario Draghi gestern der Öffentlichkeit als geldpolitische Maßnahme zur Eindämmung der Eurokrise präsentierte, ist bestenfalls eine Spritzpistole. Auch wenn der mittlerweile komplett isolierte Bundesbank-Chef Jens Weidmann öffentlichkeitswirksam als einziger Vertreter des EZB-Rates gegen das OMT-Programm stimmte, trägt dieses doch deutlich seine Handschrift. Umso mehr erstaunt der Katzenjammer der weidmanntreuen konservativen Leitartikler. Was übrigbleibt, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der jedoch nicht ausreichen wird, um die Eurozone wieder in ruhige Gewässer zu manövrieren. Von Jens Berger

Bundespräsident Gauck in Rostock – Pastorales Pathos genügt nicht, um die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen

„Bundespräsident Joachim Gauck hat eine sehr gute Rede gehalten. Er hat in Rostock-Lichtenhagen eindringliche Worte gefunden. Worte des Entsetzens über den Mob, der voller Lust nicht nur Häuser, sondern Mitbürger brennen sehen wollte. Worte des Entsetzens aber auch über den Staat, über die Institutionen des Staates, die den Mob damals gewähren ließen. Er sprach auch nicht nur über die Vergangenheit“ schreibt Arno Widmann in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau und fügt ein persönliches Schuldbekenntnis an, dass er nicht selbst nach Rostock fuhr und Hilfe organisierte. Liest man die Rede, so wirkt sie sehr allgemein gehalten und ziemlich pastoral, meint Orlando Pascheit

Wie Papageien-Journalismus funktioniert und wie das IAB seine eigenen Studien zu politischen Propagandazwecken missbraucht

„Alterung der Bevölkerung hat sich kaum auf die Arbeitslosigkeit ausgewirkt“ lautet die Überschrift einer jüngst veröffentlichten Studie aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) [PDF – 944 KB]. Das eigentlich neue und interessante Ergebnis der Studie ist, dass die Alterung der erwerbsfähigen Bevölkerung auch in Zukunft „nur einen geringen Effekt auf die gesamte Arbeitslosenquote haben“ dürfte.
Dieser Befund widerspricht nämlich fundamental der von der Politik ständig ausgegebenen und von den Medien nachgeplapperten Behauptung, die demografische Entwicklung und dabei vor allem die Alterung der Bevölkerung werde die Arbeitslosenzahlen deutlich sinken lassen.
„Alterung der Bevölkerung wirkt sich kaum auf die Arbeitslosigkeit aus“ hätten also die Schlagzeilen aufgrund dieser Studie lauten müssen, doch die allermeisten Medien fallen auf die politisch motivierte, schönfärberische Pressemitteilung des IAB herein und machen daraus eine Jubelmeldung über die Verdoppelung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer.
Man müsste also sogar von Papagei-Papageien-Journalismus sprechen. Von Wolfgang Lieb.

Hofberichterstattung im Sommerloch – Der Bundespräsident als der „ständige Vertreter der Politik gegenüber der Bevölkerung“

Dass es Sommer geworden ist, merkt man nicht am Wetter, sondern am öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland. Die „Sommerinterviews“ müssen wieder einmal das Sommerloch stopfen. Die Rundfunkanstalten überbieten sich geradezu: Gabriel in der ARD, Gauck im ZDF. Die Erfahrung zeigt, wenn es nicht gerade gegen die Linkspartei geht, dann geraten die „Sommerinterviews“ zur reinen Hofberichterstattung. Passend dazu hat Bettina Schausten das Interview mit dem Bundespräsidenten auch im Schloss Bellevue geführt. Von Wolfgang Lieb.

Darf man Begriffe benutzen, die bisher der Beschreibung der Verhältnisse in der Nazizeit vorbehalten waren?

Robert Misik hat für einen Kommentar in der TAZ („Kollegen, ihr habt versagt!“) den Begriff „Gleichschaltung“ zur Beschreibung der Mediensituation in Deutschland benutzt. Es ist begrüßenswert, dass endlich auch ein Journalist einen passenden Begriff, der üblicherweise der Beschreibung der Verhältnisse im Deutschland der Naziherrschaft vorbehalten ist, benutzt. Normalerweise ist die Erinnerung an Nazimethoden dann, wenn man die Verhältnisse von heute beschreiben will, tabu. Man darf nicht von „Methoden wie bei Goebbels“ und eben auch nicht von „Gleichschaltung“, und im Blick auf Sarrazin und andere Politiker und Publizisten auch nicht von „Rassismus“ oder von „Volksverhetzung“ sprechen, u.a.m… Die Tabuisierung wirkt wie ein Schutz für jene die sich dergleichen Methoden bedienen. Albrecht Müller.

Jakob Augstein – der Sowohl-als-auch-Kolumnist.

Auf die Kommentierung seiner Kolumne („Was Merkel jetzt machen muss“) vom 26. Juni hat Augstein mit einem Offenen Brief geantwortet. Wenn Sie genügend Zeit zur Verfügung haben, dann lesen Sie bitte beides nacheinander. Man lernt dabei einiges über einen Publizisten, der als fortschrittlich gilt und links genannt wird, in verschiedenen Medien diese Rolle spielt und dann mit dabei gewonnener hoher Glaubwürdigkeit überraschend andere Parolen verbreitet. Und wenn er dabei ertappt wird, dann wird er persönlich wie in dem Offenen Brief an mich. Von Albrecht Müller

Es steht schlecht um Deutschlands kritisches Bürgertum – Jakob Augstein liefert mal wieder den Beweis

Man sollte die Bedeutung der Kolumnen des Freitag-Herausgebers bei SpiegelOnline nicht überbewerten. Aber zum einen laufen diese Kolumnen unter der Überschrift „Im Zweifel links“ und bilden damit einen Orientierungspunkt für linksliberale SpiegelOnline-Leserrinnen und -Leser, zum andern gewinne ich aus Gesprächen und Äußerungen anderer den Eindruck, dass zum Beispiel die in der neuen Kolumne „Was Merkel jetzt machen muss“ erkennbare unkritische Bewunderung für Angela Merkel weitere Kreise zieht, auch im Bereich des ehedem kritischen Bürgertums und gegen jede Vernunft. Albrecht Müller.

Die „Sponsoren“ von „BILD für alle!“

Die NachDenkSeiten hatten bereits im April darauf hingewiesen, dass die am Samstag verteilte „Gratisausgabe“ der BILD kein Geschenk des Springer-Verlags ist. Einem Imageprospekt [PDF – 520 KB] für potentielle Werbekunden zufolge, verlangte der Springer-Verlag für eine Seite Werbung den stolzen Preis von vier Millionen Euro. Insgesamt dürfte die BILD mit ihrer „Gratisausgabe“ mehr als dreißig Millionen Euro Werbeeinnahmen realisiert haben. Von Jens Berger

„Wahlempfehlung“ der FTD belegt die Ahnungslosigkeit der Redaktion

Mit Recht wurde auf den NachdenkSeiten darüber nachgedacht, was die „Wahlempfehlung“ der Financial Times Deutschland erstens für die politische Kultur, Abteilung Massenmedien, bedeutet und zweitens für den griechischen Wahlkampf bedeuten und bewirken sollte.
Was die erste Frage betrifft, so kann man nur einigermaßen fassungslos konstatieren, wie ein geachtetes Presseorgan alles tut, um seinen Ruf zu verspielen.
Kein Mensch, der eine Ahnung von Griechenland hat, kann davon ausgehen, dass die Wahlempfehlung einer deutschen Zeitung die Wirkung hat, die griechischen Wähler im Sinne der formulierten Aussage zu überzeugen. Von Niels Kadritzke

Kuschelige Kontrolleure – Die Gremien der ARD verweigern ihre Aufsichtspflicht

„Beischläfer“, so nennen Juristen, wenn sie unter sich sind, die ehrenamtlichen Beisitzer, also die Schöffen. Diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung leitet sich aus der Erfahrung ab, dass die wenigsten Schöffen ihr Recht darauf wahrnehmen, aktiv in ein Gerichtsverfahren einzugreifen, um z.B. Fragen an die Zeugen zu stellen. Es gilt als ausgemacht, dass ein erfahrener Richter keine Probleme damit hat, seine Beisitzer so zu beeinflussen, dass sie seinem Vorschlag für ein Urteil zustimmen. Die Meisten schaffen es sogar, die Schöffen glauben zu machen, sie hätten aus eigenem Antrieb auch kein anderes Urteil gefällt.
Genau so ist es mit den Kontrollgremien der ARD. Von Max Morlok

Henri-Nannen-Preis für BILD? Weiß die Jury, was für ein übles Kampagnen-Journal sie damit ehren würde?

Antje Vollmer hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass die Bild-Zeitung im Rennen um den Henri-Nannen-Preis ist. Siehe hier . Man muss diese Absicht so deuten, dass inzwischen die Mehrheit der Medien Kampagnenjournalismus betreibt wie die Bild-Zeitung auch. Und dass deshalb die Verleihung eines Preises, der mit dem Namen eines ehrenwerten Publizisten verknüpft ist, allen hilft, der Bild-Zeitung zur Aufbesserung ihres Renommees und den ähnlich agierenden Medien, weil dann ihr Abrutschen in gezielte und gekaufte Agitation nicht mehr mit dem Geruch des Negativen versehen ist. Die Mitglieder der Jury sollten sich vielleicht noch einmal einen kleinen Ausschnitt aus Kampagnen anschauen, die bei BILD in den letzten Jahren gelaufen sind. Albrecht Müller.

Studie über BILD – Vom guten zum bösen Wulff

Unter dem Titel „BILD und Wulff – ziemlich beste Partner“ ist heute die jüngste Fallstudie der Otto Brenner Stiftung (OBS) erschienen. Der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Arlt und der Publizist Wolfgang Storz haben in akribischer Kleinarbeit die letzten fünf Jahre der BILD-Berichterstattung über Christian Wulff ausgewertet. Ihre Studie könnte endlich eine Antwort auf die häufig gestellte Frage geben, warum die BILD-Zeitung ihren ehemaligen Darling wie eine heiße Kartoffel fallengelassen hat. Das Timing der Veröffentlichung könnte kaum besser sein. Am Donnerstag entscheidet die Jury des Henri-Nannen-Preises über die diesjährigen Auszeichnungen. Zu den Nominierten gehört ausgerechnet die Wulff-Berichterstattung der BILD. Von Jens Berger

Nein zur Aktion „BILD für ALLE“

Der Axel-Springer-Verlag plant pünktlich zu seinem 60. Geburtstag am 23. Juni alle 41 Millionen deutschen Haushalte mit einem kostenlosen Exemplar seines Boulevard-Flaggschiffs BILD-Zeitung zu beglücken. Freilich hat auch der Springer-Verlag nichts zu verschenken, die Kosten für die gigantische PR-Aktion tragen indirekt die Kunden der Werbetreibenden, die „BILD für ALLE“ finanzieren. Im Netz regt sich bereits heftiger Widerstand und auch die NachDenkSeiten rufen ihre Leser dazu auf, sich Springers durchsichtigem PR-Coup zu widersetzen. Von Jens Berger.