Archiv: Monat: September 2006

Manipulation des Monats – im Magazin FOCUS:

Das Statistische Bundesamt teilt mit:

Die kalenderbereinigte Wachstumsrate der Arbeitskosten für das erste Quartal 2006 gegenüber dem Vorjahr wurde gegenüber der ersten Veröffentlichung vom 8. Juni 2006 für Deutschland von 0,6% auf 0,5% korrigiert. Sie ist damit niedriger als in allen anderen EU-Mitgliedstaaten. Die Arbeitskosten sind im vergleichbaren Zeitraum im Euro-Währungsgebiet um 2,2% und in der Europäischen Union um 2,4% gestiegen. Frankreich (+ 3,9%) und das Vereinigte Königreich (+ 2,7%) verzeichneten deutlich höhere Wachstumsraten der Arbeitskosten. Die größte Steigerung der Arbeitskosten je geleistete Stunde wurde in Lettland mit einem Plus von 19,0% ermittelt.


Quelle: Statistisches Bundesamt (Hervorhebungen KR)

Für die Leser des Magazins FOCUS wurde daraus diese Botschaft aufbereitet:

Arbeit wird in Deutschland teurer. Die Kosten pro Arbeitsstunde sind im Frühjahr gestiegen. Vor allem die Bruttolöhne legten zu.


Quelle: FOCUS

 

Seltsame Vorstellungen von einem Aufschwung. Lassen Sie sich nicht hinters Licht führen.

Zur Zeit haben Meldungen darüber, der Aufschwung sei da, Hochkonjunktur. Typisch dafür die Berliner Zeitung (aber nicht nur), die gleich zwei Tage hintereinander feststellt, wir hätten kräftiges Wachstum, die Experten würden es auf 2% oder sogar etwas mehr, die OECD gar auf plus 2,2%, schätzen. „Nun ist der Aufschwung da.“, heißt es in einem Kommentar vom 7.9.. Und schon fordert der Vorsitzende des Sachverständigenrates Rürup ein zusätzliches Spar-Paket. Ähnliches fordern Mitglieder des Haushaltsausschusses. Dies alles zeigt, dass makroökonomisches Denken und Wissen nicht weit verbreitet ist. Wenn in einem einzigen Jahr einmal 2,2% Wachstum erreicht werden, dann ist es nie und nimmer ein Aufschwung.

Auch die Besten gleiten ab

Bettina Gaus halte ich für eine sehr ehrenwerte und ausgezeichnete Journalisten. Deshalb habe ich zunächst ihrem Kommentar in der heutigen taz über die außenpolitische Rede von Oskar Lafontaine eine gewisse Glaubwürdigkeit gegeben. Dann habe ich mich aber entschlossen, die Rede von Lafontaine zu lesen. Danach kann ich die meisten Urteile von Bettina Gaus nicht mehr nachvollziehen. Im Folgenden finden Sie den Kommentar von Bettina Gaus mit kleinen Bemerkungen von mir und dann die Rede von Lafontaine mit dann gefetteten Passagen, wenn sie mit dem Kommentar von Gaus etwas zu tun haben. Armes Deutschland, wenn sich auch noch die wenigen kritischen Journalisten an den Kommentaren der Regierenden orientieren.

Nachtrag zur Unterwanderung von gewerkschaftlichen Einrichtungen

Am 24.8. hatte ich mein Erstaunen darüber ausgedrückt, dass die wsi-Mitteilungen der Hans-Böckler-Stiftung ihre Spalten für einen Kommentar von Börsch-Supan geöffnet haben, ohne darüber zu informieren, dass dieser Mannheimer Professor in Diensten der Versicherungswirtschaft steht.
Mit mir haben sich eine Reihe anderer Beobachter des Zeitgeschehens gewundert – unter anderem Jürgen Voß, dessen Leserbrief wir wegen einer Information zu Börsch-Supans Argumenten, einem „Bolzen“, wie Voß das nennt, wiedergeben.

Dritter Nachtrag zu Becks Zielgruppe „Leistungsträger“

Die Dokumentation aus dem Wiesbadener Kurier zeigt eindrucksvoll, wie richtig unsere Feststellung zu dem Thema “Leistungsträger und Mittelschicht” ist:

Mittelschicht im Main-Taunus schrumpft langsam
Sozialbericht des Kreis-Caritasverbandes / Noch nie so viele Ratsuchende


Quelle: Wiesbadener Kurier vom 06.09.2006

Zwei kurze Vorabzitate:

  • Arbeitslosigkeit sei längst nicht mehr die Hauptursache für den Besuch im Sozialbüro. “Es kommen immer mehr Menschen, die von dem, was sie durch ihre Berufstätigkeit erwirtschaften, nicht mehr leben können…”
  • Die einzig positive Entwicklung sei, dass Arbeitssuche und Existenzsicherung kein Tabu-Thema mehr sei, “weil es alle Berufsgruppen und nicht mehr nur Geringverdiener trifft”…

Man kennt sich, man hilft sich, man lobt sich. Müller-Vogg und der Mittelstandspreis.

Hugo Müller-Vogg, der tägliche BILD-Kolumnist, erhält den diesjährigen Mittelstandspreis. Sein Laudator ist der frühere Regierungssprecher und ehemalige Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, Friedhelm Ost. So weit, so gut.
Interessant ist, dass Müller-Vogg in seiner Rede vor der Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater (BDV) im Mai 2006 unter der Überschrift „Abschied vom Versorgungsstaat“ das hohe Lied auf die „Eigentümerunternehmer, die Selbständigen und die Freiberufler“ und auf den Chef der Deutsche Vermögensberatung Aktiengesellschaft (DVAG), Reinfried Pohl, gesungen hat. Der „Mittelstandpreis“ ist also nahe liegend. Genauso wenig ist es Zufall, dass die Laudatio durch Friedhelm Ost gesungen wird, der seinerseits wiederum Generalbevollmächtigter der DVAG ist. Und Müller-Vogg revanchiert sich mit einem Buchtipp: „Reinhard Pohl, Ich habe Finanzgeschichte geschrieben“. So schließt sich ein Old-Boys-Network. Mit den wirklichen Interessen des Mittelstandes hat dieser Klüngel um den Mittelstandspreis allerdings kaum etwas zu tun.

So schlecht ging es unsere Wirtschaft mit den Konjunkturprogrammen in den 70er Jahren?

Das Wirtschaftswachstum in Deutschland hat sich im Verlauf der letzten dreieinhalb Jahrzehnte immer weiter verlangsamt. So stieg nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes das Bruttoinlandsprodukt für das frühere Bundesgebiet in der Zeit von 1970 bis 1980 um durchschnittlich 2,9% pro Jahr und im Zeitraum 1980 bis 1991 um durchschnittlich 2,6% pro Jahr. Seit der Wiedervereinigung fiel das durchschnittliche Wachstum der deutschen Wirtschaft deutlich niedriger aus und lag im Schnitt der letzten zehn Jahre nur noch bei 1,3% pro Jahr. Dies sind Ergebnisse der Rückrechnung der deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) für das frühere Bundesgebiet für die Jahre 1970 bis 1991, die am 5.9.06 vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden.

Sachverständigenrat will den Arbeitszwang erhöhen. Das Arbeitslosengeld II soll um 30% gekürzt werden.

Unsere Wirtschaftsweisen haben in ihrem im Auftrag der Bundesregierung erstellten Gutachten, mal wieder eine tolle arbeitsmarktökonomische Idee: Das Alg II, bisher als eine Sozialleistung zur Sicherung des Existenzminimums definiert, soll unter Umgehung des Grundgesetzes auf ein existenzbedrohendes Niveau von 240 Euro und außerdem die Einkommensgrenze für Mini-Jobs von 400 auf 200 Euro gesenkt werden. Zudem sollen Erwerbseinkommen bis zu 200 Euro künftig voll auf das Alg II angerechnet, sprich abgezogen werden. Der Hunger wird die Arbeitlosen und Mini-Jobber schon zur Arbeit um jeden Preis treiben. Mit den so eingesparten staatlichen „Transferleistungen“ sollen dann über ein Kombilohnmodell die Löhne der Arbeitgeber subventioniert werden.

Hamburger Appell, INSM, Stiftung Marktwirtschaft, Kronberger Kreis, CDU

Wirtschaftswissenschaftler werden immer mehr zum “Schulmeister” der Politik. Ein Leser der NachDenkSeiten hat eine winzige Ecke des Filzes zwischen Ökonomen, Propaganda-Agenturen, Stiftungen, Think-Tanks und der CDU gelüftet. Wir wollen Ihnen seinen sporadischen, keineswegs vollständigen Einblick in das Netz dieser Interessenverflechtungen nicht vorenthalten.

Zweiter Nachtrag zu Becks Treppenwitz

Uns erreichen Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Diese Erfahrung kommt in den Talkshows ohnehin zu kurz. Ein Grund mehr für uns, die Spalten dafür zu öffnen. Hier der Bericht eines anderen „Leistungsträgers“: