Gönnen Sie sich jeden Tag einen fernsehfreien Tag …

Gönnen Sie sich jeden Tag einen fernsehfreien Tag …

Gönnen Sie sich jeden Tag einen fernsehfreien Tag …

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Von Montag bis Sonntag. Es lohnt sich. Zum Verständnis dieser Empfehlung muss ich noch einmal ein bisschen aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erzählen – von einem Vorschlag und einer davon ausgelösten Debatte, die 47 Jahre zurückliegen. Lange her, aber immer noch aktuell. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im Spätherbst 1977 – damals war ich Leiter der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes – zogen wir uns wie jedes Jahr zu einer Klausur zurück, um vom Tagesgeschäft befreit darüber nachzudenken, was der Bundeskanzler im kommenden Jahr programmatisch propagieren sollte, was sachlich geboten wäre und womit er sich profilieren könnte. Wir hatten vorher schon einige Male unweit von Bonn in einem Hotel in der Eifel getagt. Das war aber steril, wenig anregend und vergleichsweise teuer.

Von privaten Ferien kannte ich einen Bauernhof im Schwarzwald.

Dort gab es in einem Nebengebäude Räume zum Übernachten und einen Raum zum Tagen.

Die Fragestellung für unsere Beratungen war jedes Mal die gleiche: Was wäre ein interessanter und wichtiger programmatischer Beitrag des Bundeskanzlers für die öffentliche Debatte? Werner Gessler, damals Mitarbeiter der Planungsabteilung, berichtete ziemlich am Anfang unserer Beratungen davon, was er über einen politischen Vorstoß und die folgende Debatte in Ungarn gelesen hatte. Dort erwäge man, einen fernsehfreien Tag einzuführen.

Das hielten wir für eine interessante Idee, wir debattierten darüber, auch über Details und haben dann diesen Vorschlag in unser Planungspapier für den Bundeskanzler aufgenommen.

Helmut Schmidt griff die Idee auf, er beriet darüber im Mai 1978 in einem kleinen Kreis, zu dem auch die Allensbacher Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann gehörte. Daraus folgte dann der Auftrag, einen Artikel für die Wochenzeitung Die Zeit zu entwerfen. Helmut Schmidt überarbeitete diesen Entwurf. Sein Text erschien dann am 26. Mai 1978 mit der – heute betulich wirkenden – Überschrift: „Plädoyer für einen fernsehfreien Tag. Ein Anstoß für mehr Miteinander in der Gesellschaft“. Helmut Schmidts ZEIT-Artikel siehe hier.

Der Artikel bestimmte über einige Zeit die öffentliche Debatte. Und er prägte und ergänzte das Image dieses Bundeskanzlers – jedenfalls insoweit, dass dem Imageelement des „Machers“ Helmut Schmidt noch Elemente des Nachdenkens über wichtige gesellschaftliche und familiäre Gewohnheiten, Tugenden und Untugenden hinzugefügt wurden.

Ich bin sicher nicht der Prototyp des deutschen Fernsehkonsumenten. Aber am 23. Mai 2025 – also vor drei Tagen – habe ich ausnahmsweise lange ferngesehen: Von 19:00 Uhr bis 23:00 Uhr, wechselnd zwischen ARD und ZDF. Und ich bin bei dieser Gelegenheit – noch einmal – zu einem begeisterten Anhänger des Helmut Schmidt’schen Vorschlags für einen fernsehfreien Tag geworden. Denn was an diesem Abend des Jahres 2025 an Mist und an langweiligem Quatsch, von Heute Show bis Böhmermann, in unsere Wohnstuben gesendet wurde, das hält der Mensch nicht aus, es sei denn, er will sich total belatschern und verbiegen lassen.

Viele nehmen das wohl hin. Das ist deprimierend. Ich ermuntere jedenfalls die Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten, sich der Gruppe anzuschließen, die auf Fernsehen verzichtet oder dieses auf ein Mindestmaß beschränkt.

Gönnen Sie sich jeden Tag einen fernsehfreien Tag … von Montag bis Sonntag.

Titelbild: Screenshot zeit.de