Albrecht Müllers Wochenrückblick: Man kann wirklich aus Mist Marmelade machen.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Wir arbeiten jetzt fast acht Jahre für die NachDenkSeiten. Wenn man das Ergebnis dieser Aufklärungsarbeit mit Blick auf die zu Ende gehende Woche betrachtet, dann ist das wieder einmal ernüchternd. Public Relations und andere Propaganda sind offensichtlich stärker als die Versuche zur Aufklärung. PR bestimmt die Meinung zu Personen – Fall Ackermann; PR bestimmt vermutlich den Kanzlerkandidaten der SPD – Fall Steinbrück; PR macht aus Kriegen bewunderte Instrumente der Politik. Die meisten Zumutungen dieser Art wurden uns ausgerechnet am Antikriegstag präsentiert. Albrecht Müller.

Ackermann lässt sein Image von einer Heerschar von PR-Profis polieren

Am 1. September berichtete der „Stern“ über eine so genannte Diskussionsrunde mit Josef Ackermann im Foyer der Deutschen Bank Berlin. In diesem Beitrag wird beschrieben, dass es Josef Ackermann gelungen ist, mithilfe einer Heerschar von PR-Profis, angeführt vom ehemaligen Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Stefan Baron, die in Umfragen gemessene Ablehnung seiner Person durch 80 % der Deutschen praktisch umzudrehen. Nur noch 20 % sind es heute.
Wenn es nur um die Person Ackermann ginge, wäre diese durch Propaganda und Manipulation gemachte Meinung zu ertragen. Die massive PR im Umfeld der Deutschen Bank hat jedoch dazu geführt, dass diese Bank wie auch die von ihr repräsentierte Finanzpolitik fast makellos im öffentlichen Raum stehen. Es ist der Deutschen Bank zum Beispiel gelungen, den Eindruck zu verbreiten, sie sei ohne staatliche Hilfe durch die Finanzkrise gekommen. Richtig ist, dass die Deutsche Bank sowohl von den amerikanischen Steuerzahlern im Fall AIG als auch von den deutschen Steuerzahlern durch die Rettung der HRE wie auch vermutlich durch den Verkauf der Postbank unterstützt wurde und davon massiv profitiert hat.
Der Artikel des Stern zeigt im übrigen auch, wie primitiv Spitzenmanager wie Ackermann denken. Allen ernstes schlägt er vor, Berlin müsse schon deshalb den Flughafen ausbauen, damit Spitzenmanager wie Ackermann nach 20 h Flug auf dem Weg nach Berlin nicht in Frankfurt umsteigen müssen. Aus Sicht Ackermanns ein hinreichender Grund für ein solches Großprojekt.

Mit Propaganda werden Kanzlerkandidaten großer Parteien gemacht – konkret der SPD.

Wir haben in den NachDenkSeiten schon oft darauf hingewiesen, dass das Problem der SPD nicht nur darin besteht, dass sie bei Wahlen mit Konkurrenten zu tun hat, die vom Großteil der Medienkonzerne unterstützt werden – im Fall Angela Merkel ist das offensichtlich. Auch die innere Willensbildung der SPD ist über weite Strecken fremdbestimmt. (Siehe hier und hier zum Beispiel) Jetzt wird auch der Kanzlerkandidat der SPD von außen bestimmt.
Seit Monaten läuft die PR Kampagne für Peer Steinbrück. Dieser Kanzlerkandidat ist für die SPD ein Synonym dessen, was in der Überschrift „Mist“ genannt wird. Das ist nicht persönlich gemeint. Es soll nur ausdrücken, dass dieser Mann erstens für die SPD bisher nur Niederlagen eingefahren hat – 2009 als thematisch entscheidender Bundesfinanzminister und Partner von Frau Merkel, davor auch schon als nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Dort ist er schlicht abgewählt worden.- Steinbrück ist zweitens wesentlich dafür verantwortlich, dass die Finanzmärkte in Deutschland dereguliert worden sind. Er hat Hedgefonds und andere Spekulanten hierher eingeladen. – Steinbrück ist drittens zusammen mit Frau Merkel wesentlich dafür verantwortlich, dass auch nicht systemrelevante Banken mit Milliarden der Steuerzahler gerettet worden sind, speziell die HRE und die IKB. – Und Steinbrück hat viertens als Makroökonom völlig versagt. Er hat noch kurz vor dem notwendigen und schon zu spät kommenden Beschluss, Konjunkturpakete aufzulegen, gegen eine solche antizyklische Politik polemisiert.
Dass die Gegner der SPD einen solchen Versager gerne zum Kanzlerkandidaten ihrer Konkurrentin, der SPD, machen wollen, ist verständlich. Dass die SPD Führung dies nicht merkt, könnte erstaunen. Aber diese Leute denken so wie Steinbrück. Oder sie haben keine Ahnung von Wahlkämpfen. Oder sie wollen gar nicht gewinnen, weil es ihnen wie 2005 beim überraschenden Aufruf zu Neuwahlen mehr auf die Durchsetzung der neoliberalen Politik als auf den Wahlsieg einer linken Alternative zu Schwarz-Gelb ankommt. Oder sie orientieren sich schlicht an der gemachten Stimmung.
Ein Beispiel für diese Stimmungsmache ist der Beitrag vom 1. September vom als PR Journalist bekannten Veit Medick: „SPD-Linke redet Steinbrücks K-Hype klein“.
Medick hat sich schon mehrmals als Spezialist für die gesteuerte Willensbildung der SPD bewährt. Er war schon bei der Abwehr einer Linkskoalition unter Führung von Andrea Ypsilanti aktiv.
Übrigens: über Steinbrück finden Sie unendlich viel Material in den NachDenkSeiten, in den Kritischen Jahrbüchern und in meinem Buch „Meinungsmache“. (Ein Beispiel siehe hier) Nutzen Sie die Suchfunktion, wenn Sie mehr interessiert.
Bisher, das muss man neidlos anerkennen, war die vermutlich von großen Interessen aus Finanzwirtschaft und CDU nahen Verbänden gesteuerte PR für Steinbrück um vieles erfolgreicher als unsere Aufklärungsversuche. Ich begegne ständig Menschen, auch Freunden und so genannten Parteifreunden, die einräumen, die SPD könne man insgesamt vergessen, aber Steinbrück, der sei doch gut.
Was zu beweisen war: man kann heute aus Sch…. Marmelade machen, wenn man über die notwendige publizistische und finanzielle Unterstützung verfügt.

PR macht aus Kriegen bewunderte Instrumente der Politik

Nie wieder Krieg! Gewaltverzicht als entscheidendes Mittel zur Lösung von Konflikten! Bundeswehr und NATO dienen der Verteidigung! – Diese Einsichten sind wie weggeblasen. Sie sind auch durch massiven Einsatz von Mitteln der Propaganda getilgt. Wir haben dazu die eindrucksvolle PR-Arbeit des früheren Verteidigungsministers Scharping, des Nato- Sprechers Shea und das „Nie wieder Holocaust“ der Grünen und ihres Vormanns Fischer im Ohr. In der vergangenen Woche feierten die Kriegsbewunderer mal wieder ihren Sieg über die öffentliche Meinung in Deutschland:
Am 31. August 2011 erschien unter der Dachzeile „Libyen-Einsatz und Völkerrecht“ eine so genannte Analyse von Thomas Darnstädt bei Spiegel online mit dem Titel „Glückwunsch, Nato! Aber bitte leise jubeln“.
Im Artikel selbst kommt der Autor auf völkerrechtliche Bedenken zu sprechen. Aber das hat eher den Charakter von Zierrat für eine eindeutige Botschaft. Kriege sind ein Mittel der Politik.
Von ähnlicher Wirkung dürfte die Überschrift des Nachfolgerartikels vom 1. September bei Spiegel online sein: „Libyen-Konferenz in Paris – Westen zelebriert Sieg über Gaddafi“.

Nachträgliche Anmerkung am 3. September:

Der Libyenkrieg wird wie früher der Falkland Krieg von Margret Thatcher und der Irak Krieg von George W. Bush genutzt, um innen- und wahlpolitisch Punkte zu machen. Da werden Häuser und Städte zerstört und Menschen umgebracht mit dem vorgegebenen Ziel, Freiheitsbewegungen und die Demokratie zu stützen. Tatsächlich hat der Libyenkrieg sowohl für den französischen Präsidenten Sarkozy als auch für den britischen Premierminister Cameron zu aller erst die Funktion, von inneren Schwierigkeiten abzulenken. Die handelnden Personen sind erkennbar Zyniker und sie unterscheiden sich nur unwesentlich von schlimmen Vorbildern, die in der Geschichte immer wieder außerhalb ihrer Länder militärisch tätig wurden, um zuhause gefeiert zu werden.

PR und „die Märkte“

Propaganda hat im Zusammenspiel mit den „Märkten“ aus Musterschülern Problemkinder gemacht. Siehe dazu den Beitrag von Jens Berger. Dass die Bundeskanzlerin – siehe hier, ohne Scham und ohne in der Luft zerrissen zu werden, sagen kann, „die parlamentarische Mitbestimmung (solle) so gestaltet (werden), dass sie trotzdem auch marktkonform ist“, folgt aus der Dauerberieselung zum Thema „Die Märkte“. Was Investmentbanker so alles tun, was Spekulanten tun, was Hedgefonds anrichten – verschwindet hinter dem Paravent „Die Märkte“. Jeden Abend bei den Börsennachrichten und tagsüber immer wieder werden wir auf diese Linie getrimmt. Die Märkte werden als etwas Objektives dargestellt. Die PR ist ziemlich erfolgreich.

Es bleibt zum Schluss das Bekenntnis, auch nach einer solchen Woche und auch nach der immer wieder kommenden Erfahrung, wie mächtig PR ist und wie schwach die Versuche der Aufklärung sind, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als weiter zu machen. Wir danken unseren Leserinnen/n, die diesen Versuch immer wieder mit ermunternden Mails und praktischer Unterstützung und Förderung würdigen.

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