Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ausgetrickst – nun heißt es in Sachen Schulden Farbe bekennen
  2. Deutschland verliert seinen Glanz: Der steigende Trend zur Deindustrialisierung
  3. Harald Kujat: «Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen»
  4. „Kriegstüchtigkeit“ als Handlungsmaxime
  5. Deutschlands Umgang mit dem Nahostkonflikt gefährdet auch jüdisches Leben
  6. Im Vorwurf des Rassismus überlebt der Rassegedanke
  7. Achim Truger, der Sachverständigenrat und die Kapitaldeckung der Rente
  8. Tausend obdachlose Menschen erhalten eine Mietwohnung
  9. Fabio De Masi: Der Bundeskanzler und Benkos einstürzende Neubauten
  10. Die Macht der Woken: Warum die Öffentlich-Rechtlichen wie Erziehungsanstalten wirken

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ausgetrickst – nun heißt es in Sachen Schulden Farbe bekennen
    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss es eine Diskussion über die Schuldenbremse geben. Warum Schluss sein muss mit fiskalischen Tricks. Ein Kommentar.
    Wenn etwas diese Regierung mindestens so sehr auszeichnet wie ihre vier Vorgänger unter Angela Merkel, dann ist es der Versuch, bei allen wichtigen und strittigen Themen niemals eine sachlich fundierte Meinung zu vertreten. Man wendet lieber jeden, auch den billigsten Taschenspielertrick an, um diskussionslos über die Runden zu kommen. Bloß keine inhaltlichen Auseinandersetzungen führen, sondern so tun, als sei immer alles unter Kontrolle. […]
    Insofern ist es vielleicht ganz gut, dass das Verfassungsgericht den Haushaltstricksereien einen Riegel vorschiebt. Man wird merken, dass die Schuldenbremse in einer Situation, in der die Wirtschaft in großen Schwierigkeiten steckt, aber noch keine nationale Notlage zu konstatieren ist, den Staat in seiner Handlungsfähigkeit ohne jeden Grund einschränkt.
    Tritt die Notsituation schließlich ein, weil der Staat eine Wirtschaft, die von der Geldpolitik in eine Rezession gedrückt wird, nicht stabilisieren kann, wird der Schaden gewaltig sein. Der Staat leidet dann nicht nur unter seiner Unfähigkeit, Krisen rechtzeitig zu erkennen, er muss auch noch warten, bis eine wirkliche Notlage eingetreten ist, bevor er überhaupt zur Tat schreiten kann.
    Die Regierung ist dann wie eine Feuerwehr, die mit dem Löschen warten muss, bis das Haus vollständig abgebrannt ist, weil der Schaden sonst nicht groß genug sein könnte, um ihr Einschreiten zu rechtfertigen.
    Eine Regierung, die intellektuell auf der Höhe der Zeit ist, darf sich von einer inhaltlichen Diskussion auch durch Lobbyisten und neoklassisch ausgerichtete Ökonomen nicht beirren lassen. Es ist abenteuerlich, aber in Deutschland wissen selbst die Arbeitgeber so wenig von Wirtschaft, dass sie den Staat implizit davor warnen, die Gewinne der Unternehmen zu erhöhen.
    Quelle: Heiner Flassbeck auf Telepolis

    dazu: Das war es wohl für die Ampel
    SPD, Grüne und FDP bilden seit der Bundestagswahl 2021 eine Regierung. Das Bündnis beschreibt sich selbst als „Fortschrittskoalition“, weil vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen große Einigkeit herrscht. Sogar in Sachen Migration läuft die Koalition aus purer Not inzwischen stramm nach rechts. Auf dem wichtigsten Gebiet – der Staatsfinanzen – fehlt es aber an einer gemeinsamen Grundüberzeugung, weshalb man ein neues „fortschrittliches“ Finanzierungsinstrument erfand, um die Ampel überhaupt zum Leuchten zu bringen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dieser Weg verfassungswidrig ist. Damit dürfte die Ampel am Ende sein.
    Der Nachtragshaushalt 2021 mit der Konstruktion, 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen aus den Corona-Hilfen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), ehemals Energie- und Klimafonds (EKF), zu überführen, ist verfassungswidrig. Das Gesetz ist nichtig, urteilte das Gericht. Dabei war die Umwidmung nichtbeanspruchter Corona-Hilfen als Kapitalstock über mehrere Jahre zunächst ein cleverer Schachzug, um keine Antwort auf die Frage geben zu müssen, wie bei einem unbedingten Festhalten an der Schuldenbremse sowie einem Verbot von Steuererhöhungen, die öffentlichen Aufgaben weiter finanziert und darüber hinaus mehr Investitionen getätigt werden sollen. Der Schattenhaushalt, man kann ihn nach der Zeitenwende auch einfach Sondervermögen nennen, macht es möglich, da die Kreditermächtigungen erteilt worden waren, als die Schuldenbremse aufgrund der gezogenen Naturkatastrophenregel (Notsituation) nicht galt. Das führt nun auch dazu, dass der Finanzminister so tun kann, als halte er die Schuldenbremse wieder ein.
    Nun hat die Union in Karlsruhe gegen diese Art der Finanzpolitik erfolgreich geklagt. (…)
    Fakt ist, dass aus dem KTF Milliardenbeträge bereitgestellt werden sollten, etwa zur Förderung klimafreundlicherer Gebäude, für die Dekarbonisierung der Industrie, den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, die Förderung der E-Mobilität, die Sanierung der Bahn, die Senkung des Strompreises und die Subventionierung von Chipfabriken. Fällt die Möglichkeit nun weg, muss die Ampel einen Weg finden, diese Summen über den regulären Haushalt bereitzustellen, was angesichts des Tanzes um die heilige Kuh Schuldenbremse nun auf noch massivere Kürzungen hinausläuft, die viele in der Regierung und den Fraktionen nicht mittragen wollen. Steuererhöhungen bleiben aber ebenso tabu, wobei die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Gas schon beschlossen ist. Und ob die Regierung einfach wieder eine außergewöhnliche Notsituation feststellen und die Schuldenbremse damit aussetzen könnte, bleibt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zweifelhaft, was aber auch so am erbitterten Widerstand des Finanzministers und wohl auch des Kanzlers scheitern würde. Damit ist die Koalition im Prinzip am Ende.
    Quelle: TauBlog

    dazu auch: Klima- und Transformationsfonds: Bundesverfassungsgericht stellt Schuldenbremse infrage
    In Krisenzeiten wollten Christian Lindner und die Ampel unbedingt zur Einhaltung der Schuldenbremse zurück. Also blieben nur fiskalische Verrenkung und haushaltspolitische Trickserei. Dieses Spiel hat Karlsruhe nun gestoppt […]
    Der ideologisch motivierte Willen zur Einhaltung der Schuldenbremse, mit der sich die Ampel selber fesselt, ist der Grund für die fiskalischen Verrenkungen und Schattenhaushalte, die Karlsruhe der Ampel nun angekreidet hat. Weil man sich selber zum Sparen, ja Knausern zwingen will, obwohl die Investitionslücken immer weiter klaffen und die Herausforderungen immer größer wachsen, muss man tricksen und hantieren, wenn man doch mal einen Batzen Geld locker gemacht hat.
    Der Klima- und Transformationsfond KTF ist diese Wundertüte, aus der das klimapolitische Minimum finanziert werden muss, weil Lindner alle anderen Quellen versiegen lässt. Weswegen der KTF schon vor dem heutigen Urteil mehrfach überzeichnet war, wie Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) selber zugegeben hatte. Ist das ernst zu nehmende Politik? Nein, es ist die kreuzweise Selbstblockade, die nach zwei Jahren Ampel zu ihrem Modus Operandi geworden ist. Inzwischen hat Lindner eine Haushaltssperre für den KTF verfügt, weil nicht mehr klar ist, für welche Projekte eigentlich noch Geld da ist.
    Das Schlimmste, was die Ampel nun tun könnte, wäre der Versuch, das 60 Milliarden-Loch mit Einsparungen zu stopfen. Das hieße, vor den Zukunftsaufgaben zu kapitulieren, es hieße, angesichts der Herausforderung, die grüne Transformation anzugehen, die Segel zu streichen. Das Problem ist nur: Die meisten anderen möglichen Lösungen wird Christian Lindner ideologischer Austeritätsrigorismus verhindern. Einen Soli, der für den sozialen Ausgleich klimapolitischer Maßnahmen eingesetzt werden kann? „Steuererhöhungen sind ausgeschlossen“, wird es da tönen. Die Schuldenbremse reformieren? Leider weder mit der FDP noch mit CDU/ CSU zu machen.
    Die Ampel wird sich weiter wie Odysseus an den Mast binden, um sich die Versuchung zu versagen, die Zukunft auch fiskalisch anzugehen. Bedauerlicherweise bleibt so aber niemand mehr, der das Schiff auf Kurs halten könnte.
    Quelle: der Freitag

  2. Deutschland verliert seinen Glanz: Der steigende Trend zur Deindustrialisierung
    Deutschlands Deindustrialisierung beschleunigt, besonders im Maschinenbau und in der Automobilindustrie. Hohe Energiekosten treiben Unternehmen ins Ausland.
    Viel ist in den vergangenen Monaten über die Gefahr einer Deindustrialisierung Deutschlands geschrieben worden. Der Trend scheint sich zu bestätigen, wie eine neue Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte zeigt. Zusammengefasst lautet das Ergebnis: Der Standort Deutschland verliert an Attraktivität.
    Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen (67 Prozent) gaben an, wichtige Teile ihrer Wertschöpfungskette in moderatem bis sehr starkem Umfang ins Ausland verlagert zu haben. Besonders betroffen sind Schlüsselbranchen wie der Maschinenbau, die Industriegüterproduktion und die Automobilindustrie, in denen 69 Prozent der Unternehmen von Verlagerungen berichten.
    Quelle: Telepolis
  3. Harald Kujat: «Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen»
    Politiker stellten die Lage zu rosig dar. «Hunderttausende ukrainische Soldaten wurden getötet oder gefechtsunfähig verletzt».
    Hauptaufgabe der Regierung in Kiew sollte sein, die Bevölkerung des Landes maximal zu schützen. Stattdessen opfere man Hunderttausende von Männern und einen grossen Teil der Infrastruktur des Landes, um Land zurückzuerobern.
    Beim Land handelt es sich um den Donbas und die Krim, wo eine russischsprachige Bevölkerung stets für eine Autonomie kämpfte und im Zweifelsfall eher zu Russland neigte.
    Kujat gab sich überzeugt, dass der Krieg «hätte verhindert werden können», aber der Westen nicht verhandlungsbereit gewesen sei. Seit dieser Aussage wird Kujat von grossen Medien als Gesprächsteilnehmer stark gemieden. General a.D. Harald Kujat war Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses von 2002 bis 2005 der höchste Befehlshaber der NATO.
    Quelle: Infosperber

    dazu auch: Pentagon: Unterstützung der USA für die Ukraine wird „immer kleiner“
    Der IWF gewährt Kiew einen neuen Kredit. Die Unterstützung im Westen schwindet und die Kriegskosten steigen. Das bekommt auch Moskau zu spüren.
    Eine Friedenslösung in der Ukraine ist nicht abzusehen. Weder Russland noch die Ukraine erzielen nennenswerte Geländegewinne, die Kämpfe verharren in einem Stellungskrieg. Und für das tägliche Sterben werden Unsummen mobilisiert. Kiew hat bereits die Befürchtung, dass den westlichen Verbündeten die finanziellen Mittel für die Unterstützung ausgehen.
    Insofern dürfte sich in der ukrainischen Regierung Erleichterung breitgemacht haben, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) am Freitag bereiterklärt hat, dem Land einen Kredit in Höhe von 900 Millionen Euro zu gewähren. Nach der endgültigen Genehmigung durch den IWF-Vorstand wird erwartet, dass die Mittel bereits im Dezember eintreffen. Bislang hat der IWF der Ukraine Kredite im Wert von 144 Milliarden US-Dollar bereitgestellt.
    Quelle: Simon Zeise in der Berliner Zeitung

    und: Zeitenwende der Zeitenwende in der Ukraine? – Die Anzeichen mehren sich
    Quelle: NachDenkSeiten

  4. „Kriegstüchtigkeit“ als Handlungsmaxime
    Die Bundesregierung will die deutsche Armee weiter für einen möglichen Krieg gegen Russland um- und hochrüsten. Dies geht aus den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien hervor, die Verteidigungsminister Boris Pistorius in der vergangenen Woche vorgelegt hat. Demnach verschreibt sich Berlin unverändert dem Aufbau militärischer Stärke und erklärt die „Abschreckung“ gegenüber Moskau zum Kernauftrag der Bundeswehr. Von etwaigen Verhandlungslösungen und Deeskalation ist in dem Papier nicht die Rede. Unter Verschweigen des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien im Jahr 1999 heißt es, Russland habe Anfang 2022 den Krieg nach Europa zurückgebracht; deshalb müsse Deutschland so schnell wie möglich „kampfbereit“ werden. Die beiden Kernpunkte des Dokuments – der Ausbau der nationalen militärischen Fähigkeiten sowie die Ausrichtung der Bundeswehr auf einen Krieg mit Russland – stellen dabei keine „Wende“ in der deutschen Militärpolitik dar. Beides treibt die Regierung seit Jahren, über mehrere Legislaturperioden hinweg, kontinuierlich voran. Auf der Grundlage neuer militärischer Stärke beansprucht Berlin eine militärische Führungsrolle in Europa und „Gestaltungsmacht“ in der NATO.
    Quelle: German Foreign Policy
  5. Deutschlands Umgang mit dem Nahostkonflikt gefährdet auch jüdisches Leben
    Politik und Medien erweisen Jüdinnen und Juden einen Bärendienst, indem sie sie mit Israels Regierung gleichsetzen, jüdische Stimmen für den Frieden unterdrücken und Fremdenfeindlichkeit und Abschiebungen als Lösungsansatz für Antisemitismus verfolgen.
    Mit Entsetzen und Empörung beobachten wir das Ausmaß und die Grausamkeit der Gewalt im Nahen Osten – sei es die schockierende Brutalität des Terrorangriffs der Hamas oder die unnachgiebige Härte der israelischen Reaktion, die auch nach einem Monat nicht nachzulassen scheint.
    In Deutschland wird mein Entsetzen durch die gleichgültige Reaktion der Politik und einen ebenso starren wie gefährlichen öffentlichen Diskurs gesteigert. So werden einerseits Palästinenserinnen und Palästinenser mundtot gemacht und andererseits wird das Leben für Jüdinnen und Juden wie mich in Deutschland immer unsicherer. Dass ich mich gezwungen sehe, hier meinen religiösen Hintergrund offenzulegen, um diese Meinung äußern zu können, ohne sofort als »Antisemit« beschimpft zu werden, zeugt davon, wie absurd der Diskurs hierzulande geworden ist. […]
    Teilweise wird schon die bloße Feststellung, dass Palästinenserinnen und Palästinenser Menschen sind, als antisemitisch oder als Unterstützung für die Hamas gewertet. So kritisierte die Taz die Jüdin Naomi Klein, weil sie die Gewalt des israelischen Militärs als »genozidal« bezeichnet hatte und es versäumte, im selben Tweet die Hamas zu verurteilen. Ebenso wurde Judith Butler (die ebenfalls Jüdin ist) zur antisemitischen »Israel-Hasserin« stilisiert, weil sie die Gewalt der Hamas »relativieren« wolle. Dass es recht antisemitisch ist, den Staat Israel als einzigen und alleinigen Stellvertreter für alle Jüdinnen und Juden heranzuziehen, scheint vielen Deutschen nicht einzuleuchten.
    Ironischerweise ergibt sich all das aus Deutschlands selbsterklärter Verpflichtung, den Antisemitismus aufgrund seiner historischen Verantwortung für den Holocaust bekämpfen zu müssen. Dass Antisemitismus bekämpft werden muss, steht außer Frage und im Falle Deutschlands ist dieser Kampf besonders notwendig und begrüßenswert – oder zumindest wäre er das, wenn das vorherrschende deutsche Verständnis dafür, was Antisemitismus eigentlich ist, nicht so oberflächlich und fehlgeleitet wäre. […]
    Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, warum ihre Ansichten nur schwer von denen der Rechtsextremen zu unterscheiden sind, tragen die Habecks und Faesers dieser Welt dazu bei, dass Fremdenfeindlichkeit als Ventil für die eigenen Schuldgefühle instrumentalisiert und damit letztlich auch legitimiert wird. Angesichts des anhaltenden Aufstiegs der Rechten braucht es nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass sich diese zunehmende xenophobe Stimmung irgendwann auch gegen Jüdinnen und Juden wenden könnte.
    Quelle: Jacobin

    dazu: Deborah Feldman: Deutschland stellt sich an Israels Seite. Und lässt uns Juden im Stich
    Die Autorin des Weltbestsellers „Unorthodox“ kritisiert, dass für deutsche Politiker die Sicherheit und Zugehörigkeit hier lebender Jüdinnen und Juden offenbar weniger zählen als die bedingungslose Parteinahme für Israel
    Ich lebe jetzt seit fast einem Jahrzehnt in Deutschland, aber die einzigen Menschen, mit denen ich über den Nahostkonflikt diskutieren kann, sind Israelis und Palästinenser. Deutsche neigen dazu, jeden Versuch eines konstruktiven Gesprächs darüber mit der Floskel zu ersticken, das Thema sei einfach „viel zu kompliziert“. Deshalb sind die Einsichten, die ich über die geopolitischen Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte gewonnen habe, das Ergebnis privater Gespräche, versteckt vor den abfälligen Blicken einer deutschen Öffentlichkeit, die uns gerne darüber belehrt, dass jede Kritik Israels antisemitisch sei.
    Mir scheint, dass die Repräsentation von Jüdinnen und Juden in der deutschen Öffentlichkeit von einer transaktionalen Beziehung bestimmt wird – und dass sie zugleich die Meinungen einer unsichtbaren Mehrheit der hier lebenden Jüdinnen und Juden verdeckt, die nicht Mitglieder der Gemeinden sind, welche vom deutschen Staat finanziell unterstützt werden, und die nicht ständig die einzigartige Bedeutung der bedingungslosen Loyalität gegenüber dem Staat Israel betonen.
    Aufgrund der Vormachtstellung der offiziellen Institutionen und Gemeinden werden die Stimmen derer, die nur für sich sprechen, oft zum Schweigen gebracht oder diskreditiert und durch die lauteren Stimmen von Deutschen ersetzt, deren aus dem Holocaust her rührende Schuldgefühle sie dazu veranlassen, das Jüdischsein zwanghaft zu fetischisieren.
    Quelle: der Freitag

    dazu auch: Gegen »Komplizenschaft«
    Irland: »Jews for Palestine« attackieren deutsche Bundesregierung wegen Israel-Politik.
    Drei jüdische Aktivisten haben sich am Dienstag mit Handschellen an das Eingangstor der deutschen Botschaft in Dublin gekettet, um gegen Deutschlands Unterstützung für den »neuen Völkermord des 21. Jahrhunderts, der sich vor den Augen der Welt in Gaza abspielt«, zu protestieren. Dem auf X veröffentlichten Aufruf der Gruppe »Jews for Palestine« folgten rund 50 Leute. Die Demonstranten forderten die Bundesregierung auf, sich für einen Waffenstillstand in Nahost einzusetzen, Rüstungsexporte nach Israel einzustellen und die Arrestwelle in Deutschland gegen Gruppen und Personen der Palästina-Solidaritätsbewegung einzustellen. Die Handschellen stehen für die in Deutschland Inhaftierten, erklärte Annie de Bhal, eine der Organisatorinnen, am Dienstag gegenüber jW. Die Gruppe verurteile »diesen zynischen Niederschlag der Redefreiheit«. Teddybären wurden außerhalb der Botschaft plaziert »als Symbol für die 5.000 von Israel getöteten Kinder«, heißt es in der Presseerklärung der Gruppe. Am Botschaftstor wurde dem Diplomaten Christian Resch eine Liste mit Forderungen übergeben. Er werde diese an das »Hauptquartier in Berlin weiterleiten«, versichert Resch in einem Video, das jW einsehen konnte. Deutschland »behauptet, es würde zum Schutz der heutigen Juden agieren«, heißt es in der Forderungsliste weiter, die auch auf X veröffentlicht wurde. Doch als »Nachkommen derer, die es einst auszurotten versuchte«, lehne die Gruppe diese Darstellung ab. »Deutschland engagiert sich nicht für den Schutz des jüdischen Volkes, sondern für den Schutz des israelischen Staats.« Und dieser begehe »in diesem Moment einen Genozid« in Gaza und im Westjordanland. Der Protest vor der Botschaft verlief friedlich, mehrere Reden wurden gehalten, T-Shirts mit der Aufschrift »Ceasefire Now«, Banner mit »Jews Against Genocide« sowie Palästina-Flaggen waren zu sehen. Die von den Deutschen gerufene Polizei hatte keinen Grund einzuschreiten. Zu dem Hinweis der Protestierenden, dass eine derartige Aktion in Deutschland kriminalisiert und von der Polizei unmöglich gemacht würde, habe es seitens des Diplomaten Resch keine Positionierung gegeben, erfuhr jW von de Bhal.
    Quelle: Jakob Reimann auf junge Welt

  6. Im Vorwurf des Rassismus überlebt der Rassegedanke
    Jeder weiß heute, was Antisemitismus bedeutet und ist oft bereit, das Wort zu benutzen. Unsere Autorin fragt: Weiß auch jeder, was Semitismus bedeutet? Ein Essay.
    Das mittelalterliche Pogrom der Hamas gegen friedlich feiernde, meist palästinenserfreundliche Israelis und die sich in vielen Ländern wie Schallwellen ausbreitenden Feindseligkeiten gegenüber Juden haben eine Debatte über Antisemitismus ausgelöst, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Wenn all die weltweiten Proteste und Appelle gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass den Radikalismus seither hier wie dort nur verschlimmert haben, wenn Präventionsprogramme genauso erfolglos waren wie staatliche Antisemitismus-Beauftragte oder harte Gerichtsurteile, sind wir offenbar auf einem falschen Pfad. Deshalb eine Überlegung, tastend, unsicher, wie alles derzeit.
    Das zionistische Versprechen von einem Juden sicher beschützenden Israel ist zerplatzt, oft auch normales Alltagsleben in jüdischen Einrichtungen weltweit. Selbst einst nach Südafrika ausgewanderte und wegen der dortigen Apartheid später in England hängengebliebene Verwandte sagen mir jetzt im Zoom-Gespräch: Schon vor dem Anschlag fürchtete die Hälfte der britischen Juden, keine Zukunft im Land zu haben. Bisher trösteten wir uns, dann gehen wir eben zur Mischpoche nach Haifa. Doch der Ausweg ins gelobte Land ist für lange Zeit, wenn nicht für immer, verschlossen.
    Quelle: Daniela Dahn in der Berliner Zeitung
  7. Achim Truger, der Sachverständigenrat und die Kapitaldeckung der Rente
    Zu den Fragen, die wohl niemals verstanden werden, gehört die, ob man zur Sicherung der Renten eine zusätzliche Kapitaldeckung einsetzen kann oder nicht. Kapitaldeckung nennt man den Versuch, durch höhere heutige Sparleistungen der privaten Haushalte in Zukunft eine Rendite auf das angesparte Kapital zu erzielen, die zusammen mit dem angesparten Betrag die Einkommen des nicht mehr erwerbstätigen Teils der Bevölkerung im Zukunft erhöhen soll.
    Der Sachverständigenrat hat gerade in seinem Jahresgutachten (JG) ausführlich dazu Stellung genommen. Die Mehrheit ist der Meinung, dass genau das ohne weiteres möglich ist, weil sie – wie alle Neoklassiker – unterstellen, dass ein Mehr an Ersparnis bei den privaten Haushalten automatisch zu mehr Sachinvestitionen führt. Diese erhöhten den Kapitalstock der Volkswirtschaft, was in ein höheres Wachstum münde und damit auch zu mehr Einkommen, aus dem die zukünftigen Renten leichter bezahlt werden könnten als bei einem insgesamt geringeren Kapitalstock, wie er sich bei einem reinen Umlageverfahren ergäbe.
    Das Mitglied des SVR, Monika Grimm, äußert eine abweichende Meinung zu dem Rentenkapitel, beschäftigt sich allerdings nicht mit der Kapitaldeckung. Aber Achim Truger, der von der Gewerkschaftsseite für den Rat empfohlen wurde, vertritt auch in Sachen Kapitaldeckung eine andere Meinung als die Mehrheit.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  8. Tausend obdachlose Menschen erhalten eine Mietwohnung
    Österreich steigt auf das Erfolgsmodell Housing First um. Finnland hat damit die Obdachlosigkeit halbiert
    Was lange von Experten der Wohnungslosenhilfe gefordert wurde, wird nun umgesetzt: Über 1.000 obdachlose Menschen sollen bis September 2024 eine eigene Wohnung erhalten. Damit steigt das Sozialministerium auf das Erfolgsmodell Housing First um, mit dem Finnland die Obdachlosigkeit seit 2008 halbiert hat, und nimmt dafür 6,6 Millionen Euro in die Hand.
    Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo) wird das Projekt “Housing First Österreich – zu Hause ankommen” leiten. Statt in Notquartieren oder Übergangswohneinrichtungen unterzukommen, wird wohnungslosen Menschen direkt eine eigene Wohnung vermittelt. Sie unterschreiben den Mietvertrag und kommen selbst für die Miete auf. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter begleiten und betreuen Betroffene nach Bedarf. Krisen, Fragen zu Finanzen oder zur Bewältigung des Alltags werden in der eigenen Wohnung gelöst. Damit sollen mehr Menschen langfristig aus der Obdach- und Wohnungslosigkeit begleitet werden.
    Quelle: der Standard
  9. Fabio De Masi: Der Bundeskanzler und Benkos einstürzende Neubauten
    Wird der Milliardär René Benko zur Hypothek für Berlin und für Olaf Scholz? Der Hamburger Senat soll unserem Kolumnisten einen wichtigen Kontakt zu Benko verschwiegen haben.
    Das Imperium des österreichischen Immobilienentwicklers und einst gefeierten „Wunder-Wuzzis“ René Benko wankt. In Berlin kommt es zum Stopp zahlreicher Projekte des Immobilienmoguls, darunter die Karstadt-Standorte am Hermannplatz und in Wedding. Und auch für Bundeskanzler Olaf Scholz könnte Benko noch eine schwere Hypothek werden – aber dazu gleich mehr.
    Während Benko mit aggressiven Immo-Bewertungen immer neues frisches Kapital anlockte und hohe Dividenden auszahlte, bleibt dem Staat bei den Hilfen für die Warenhauskette Galeria nur der Zugriff auf deren Markenrechte und vergängliche Saisonware (z.B. Bekleidung). Die wertvollen Immobilien schirmte Benko in einer separaten Sparte seines Imperiums ab.
    Quelle: Fabio De Masi in der Berliner Zeitung
  10. Die Macht der Woken: Warum die Öffentlich-Rechtlichen wie Erziehungsanstalten wirken
    Doping für die AfD: Eine moralisierende Minderheit bestimmt, wie man sprechen, denken und schreiben soll. Dies schadet der Gesellschaft. Ein Gastbeitrag. […]
    Beschämend, dass eine Journalistin in linken Medien publizieren darf, die twittert: „Grammatik und Rechtschreibregeln sind ein kolonialrassistisches tool von white supremacy um BIPoCs zu unterdrücken don’t @ me.“ Ein Einzelfall? In einem Verlag werden Pflanzen zu „Superheld*innen“, die Verdi-Mitgliederzeitung berichtet von Rentenversicherungsträger*innen, RBB-Radio-eins von Samenspender:innen, die Zeit von „Witwerinnen und Witwern“. Das lachen wir weg.
    Wenn aber Angestellte des ZDF „Ideologie“ und „Antifeminismus“ erkennen, wenn „Familie als Stütze der Gesellschaft“ angesehen wird, dann verabschiedet sich dieser Sender von seinen Zuschauern. Wenn die „Tagesschau“ in einem Beitrag über einen Gesetzentwurf des Familienministeriums die Formulierungen „entbindende Person“ und „gebärende Person“ wählt, dann schüttelt das Publikum den Kopf.
    Glaubwürdig ist nicht, was ZDF-Chefredakteur Peter Frey gegenüber der Deutschen Presse-Agentur behauptet: „Was uns unterstellt wird, nämlich dass wir in erzieherischer Absicht auf das Publikum einwirken, entspricht überhaupt nicht der Wirklichkeit.“ Dann ist es eben eine Kapitulation – vor einer aktivistischen Minderheit und deren Wortgewalt in den sogenannten sozialen Medien.
    Vor allem jüngere Frauen hätten „nach der Uni selbstverständlich ihre Sprechweise hier eingebracht“, sagte Frey bedauernd. „Ich fühle mich damit auch nicht wohl. Aber sollte ich das verbieten?“ Warum eigentlich nicht? Es hätte aber auch genügt, auf die deutschen Rechtschreibregeln hinzuweisen, denen gerade Journalisten verpflichtet sein sollten.
    Quelle: Berliner Zeitung

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