Der Gipfel von Astana: Zentralasien als „Zukunftssicherung“ der chinesischen Wirtschaft

Der Gipfel von Astana: Zentralasien als „Zukunftssicherung“ der chinesischen Wirtschaft

Der Gipfel von Astana: Zentralasien als „Zukunftssicherung“ der chinesischen Wirtschaft

Ein Artikel von Ramon Schack

Astana, die Hauptstadt Kasachstans, ist dieser Tage Austragungsort des Zentralasien-Gipfels. Kasachstan, als größter Binnenstaat und neuntgrößter Staat der Welt, mit gemeinsamen Grenzen zu Russland und zur Volksrepublik China sieht sich als geeigneter Austragungsort für dieses Forum an, welches unter der Ägide von Präsident Kassym-Schomart Tokajew steht. Von Ramon Schack

Zentralasien, das neue und alte Herz der Welt, wird bei den anhaltenden Verschiebungen des globalen Machtgefüges eine herausragende Rolle einnehmen – da sind sich alle Beobachter einig.

Explosives Wachstum in Kasachstan

Astana wird von einem explosiven und dynamischen Wirtschaftswachstum erfasst, das im ganzen Land zu spüren ist, sich aber in der neuen Hauptstadt gerade zu manifestiert.

Die Ausgangslage ist vergleichbar mit der in den sogenannten Tigerstaaten in Ost- und Südostasien in den 1980er- und 1990er-Jahren, deren phänomenaler Aufstieg sich damals dort übrigens nicht unter demokratischen Verhältnissen vollzog – was immer man auch im Westen darunter verstehen mag –, sondern unter autokratischen Regimen, teilweise Militärdiktaturen, die sich erst später liberalisierten, aber auch nicht immer, und dabei nie das Modell des Westens vollständig übernahmen.

Chinas Einfluss in Zentralasien

Die Staats- und Regierungschefs der zentralasiatischen Länder treffen sich in Astana mit Chinas Präsidenten Xi Jinping. Xi sei dafür am Montag zu seiner erst dritten Auslandsreise des Jahres angereist, ließen kasachische und chinesische Medien verlautbaren.

Zu den Begleitern von Xi gehörten Cai Qi, der Direktor des Generalbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), sowie der chinesische Außenminister Wang Yi, was die Bedeutung dieses Besuches unterstreicht.

Die an dem China-Zentralasien-Treffen beteiligten Politiker aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan arbeiten daran, sich gegenüber der Weltöffentlichkeit mit gemeinsamen geopolitischen Strategien zu präsentieren. Zuvor war Xi am Montag mit dem kasachischen Staatschef Kassym-Schomart Tokajew zusammenkommen.

Tokajew, der seit dem Jahr 2019 Präsident von Kasachstan ist, gilt als intimer Kenner der Volksrepublik, beherrscht Mandarin und war früher als Diplomat in China tätig. Tokajew war auch im vergangenen Jahr Gastgeber des damals in Astana tagenden 24. Gipfels des Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), auf dem die Aufnahme von Belarus vollzogen wurde. Dieses Bündnis erstreckt sich seitdem also bis an die Grenzen der EU-Ostgrenze.

Zentralasien, eine sehr rohstoffreiche Region, in der riesige Uran- und Erdölvorkommen sowie Seltenerdmetalle lagern und die Überlandrouten für Exporte nach Europa bietet, gewann für China zuletzt an Bedeutung, während ein sinkender Einfluss Russlands in der Region festzustellen ist.

Zentralasien als „Zukunftssicherung“ der chinesischen Wirtschaft

Experten betonen hierbei das strategische Ziel Pekings, nämlich die Zukunftssicherung der chinesischen Wirtschaft im Falle eines totalen Bruchs mit den USA. Gleichzeitig sind die zentralasiatischen Staaten daran interessiert, ihre internationalen Beziehungen nicht einseitig zu orientieren und auch gegenüber Peking eine gewisse Distanz zu wahren. Das Tor zur Außenwelt stellte für Kasachstan immer Russland dar, wodurch der Zugang zu den Weltmeeren ermöglicht wurde und das dank niedriger Handelsschranken den Zugang zu den Weltmärkten bot, das alles flankiert von den engen personellen Verbindungen der politischen Eliten beider Staaten und der anhaltenden Bedeutung des Russischen als Amts-und Verkehrssprache neben dem Kasachischen. Kasachstan grenzt über 7.500 Kilometer an Russland, die Grenze zur Volksrepublik China ist etwa 1.800 Kilometer lang. Sowohl für Peking als auch für Moskau, das gilt vor allem seit dem Ausbruch des ukrainisch-russischen Krieges, ist Kasachstan von immenser strategischer Bedeutung – in erster Linie als Rohstofflieferant wie auch als Absatzmarkt und Transportkorridor. Laut Angaben der Weltbank gibt es in Kasachstan noch mehr als 5.000 unerforschte Lagerstätten, die einen Wert von 46 Billionen Dollar haben. Bezüglich der Vorkommen an Wolfram, Titan und Zinn ist Kasachstan Nummer eins weltweit.

Kasachstan erwirtschaftet schon jetzt weit mehr als die Hälfte des gesamten BIP in der Region und strebt, basierend auf einem robusten Wirtschaftswachstum und diplomatischem Feingefühl, auf die Weltbühne.

Das Konzept des „Mittleren Korridors“

Aufgrund der umfangreichen Rohstoffvorkommen in dem zentralasiatischen Land wird Kasachstan für China, aber auch Indien und Europa immer wichtiger. Präsident Tokajew ließ es sich daher nicht nehmen, nicht nur Kasachstans Rolle innerhalb des Seidenstraßen-Projektes zu würdigen, sondern darüber hinaus das geopolitische Konzept des „Mittleren Korridors“ ins Gespräch zu bringen, einer riesigen Handelsroute, die in Südostasien starten und über China quer durch Kasachstan, das Kaspische Meer, Aserbaidschan und Georgien in Richtung Europa verlaufen soll.

Ähnlich hatten sich kasachische Politiker vor Journalisten geäußert. Das Konzept des „Mittleren Korridors“ als strategischer Entwurf wurde dabei gepriesen, welcher sowohl die Position Kasachstans festigen wird als auch die Stabilität der Region und der Welt absichern könnte, da er darauf abzielt, China über See- und Eisenbahnlinien unter Umgehung Russlands mit Europa zu verbinden. Für Peking ist Zentralasien schon allein deshalb wichtig, weil es an die muslimisch geprägte chinesische Region Xinjiang grenzt – eine Region, die für Chinas nationale Sicherheit oberste Priorität hat. Aber der wichtigste Faktor ist der Handel. In diesem Zusammenhang war es kein Zufall, dass Chinas Staatschef seine Idee der „Neuen Seidenstraße“ 2013 ausgerechnet in der kasachischen Hauptstadt Astana präsentierte.

Titelbild: CGTN / Xinhua