Leserbriefe zu „Üble Stimmungsmache mit angeblichem Judenhass“

Ein Artikel von:


Albrecht Müller beschäftigt sich hier mit einem Artikel und einem dazugehörigen Kommentar in der Rheinpfalz. Die Überschrift lautete: „Verfassungsschutz warnt vor wachsenden Hass gegen Juden“. Im Text werde ausführlich berichtet, was der Vizepräsident des Verfassungsschutzes gesagt haben soll. Es werde aber kein einziger Beleg für die Behauptung angeführt. Ohne Beleg seien solche Behauptungen „unangebracht und unangemessen“. Es wäre schlimm, wenn es einen wachsenden Hass gegen Juden in Deutschland gäbe. Es sei aber noch schlimmer, wenn die Meldung erfunden ist. Dann müsse „man nämlich fragen, was solche Erfindungen bewirken sollen und in wessen Interesse sie erfunden werden“. Wir haben dazu interessante und kritische Leserbriefe bekommen. Danke dafür. Die nun folgende Auswahl hat Christian Reimann für Sie zusammengestellt.


1. Leserbrief

Sehr geehrte Nachdenkseiten, lieber Herr Müller,

Hass, ebenso wie das Gegenteil, sind nicht justiziable Emotionen, denen jeder Mensch anheim fällt. Ausuferungen sind durch althergebrachte Gesetze hinreichend strafbewehrt. Russenhass wird ja auch nicht verfolgt, also, was soll diese Verabsolutierung alles jüdischen nicht nur in diesem Zeitungsartikel?

Freundliche Grüße, und weiter so, Wolfgang Blendinger


2. Leserbrief

Sehr geehrte Herr Müller, 

wie Sie sehen, ist Ihre Regionalzeitung nicht das einzige Medium, welches den unseligen Jahrestag des Kriegsbeginns in Gaza zum Anlaß nimmt, “Judenhass” zu thematisieren.

Auch der Radiosender “SWR 1” hat heute morgen an erster Stelle in den Nachrichten über die Videobotschaft von Friedrich Merz berichtet und daraus sinngemäß zitiert, daß sich unser Bundeskanzler für die Judenfeindlichkeit in unserem Land zu tiefst schämen würde. 

Sie wissen ja, wie leicht es ist, Dinge in den Köpfen der Menschen zu framen, umso besser, je mehr ein Anlaß (“07. Oktober”) dafür vorliegt oder zur Vorlage dafür gemacht wird. 

Beste Grüße
Anita Kuhlmann 


3. Leserbrief

Hallo,

zu eurem Artikel “Üble Stimmungsmache mit angeblichem Judenhass”.

Es ehrt euch ja irgenwie, dass ihr nicht versteht, was damit gemeint ist.

Für mich ist ziemlich klar, dass die sich auf die Kritik an dem Krieg in Gaza beziehen. Und damit seid natürlich auch ihr gemeint.

AKFoerster


4. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

natürlich wird auch anderswo in dieses Horn gestoßen, im DLF z.B. mithilfe des Herrn Klein, Freund der Trumpschen “Umsiedlungspläne” für Gaza vom März 2025. Die wirkliche Schande in dieser Angelegenheit sind eine Vielzahl von Journalisten, die sich zum Regierungssprachrohr und -verstärker gemacht haben.

Freundlche Grüße
M. Roeder


5. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

der Befund einer signifikanten Zunahme von Antisemitismus (in Wort und Tat) in Deutschland ist nicht von der Hand zu weisen. 

Zur Lektüre sei empfohlen:

Eine aktuelle Befragung der Bertelsmann-Stiftung: S_Analyse_und_Praevention_des_Antisemitismus_in_Deutschland.pdf und ein aktueller Zwischenbericht des KOAS: ZwischenberichtStudieAuwirkungen7Oktober.pdf

Viele Grüße
Thomas Schaefers


6. Leserbrief

Moin,

ich will kurz auf zwei Artikel aufmerksam machen:

  1. apolut.net/erzwungene-endzeit-von-felix-feistel/
  2. multipolar-magazin.de/artikel/hungersnot-in-gaza

Zu 1.:
Auch wenn ich solchen Theorien zunächst skeptisch gegenüber stehe, so kann ich sie auch nicht als pauschalen Unsinn abtun, zu logisch erscheint es mir, daß Kriege vor allem auch aus religiös-ideologischen Gründen geführt werden (und wurden: man denke etwa an die Kreuzzüge und die Inquisition). Man denke auch an den “Islamischen Staat”, der den Islam sehr radikal auslegt und mit ihm äußerst brutale Gewalt zu rechtfertigen versucht.

Zu 2.:
Um den Genozid in Gaza zu verschleiern, investiert Israel seit Juni 2025 mindestens 42 Millionen an Euros in Kampagnen. Man folge dem Geld: Wird Adrian Hartschuh direkt oder indirekt von diesen Propaganda-Millionen finanziert? Der hingerichtete Charlie Kirk soll Netanjahu persönlich in einem Brief geraten haben, seine PR hochzufahren, um Israel als Opfer dastehen zu lassen.

Diese Fälle zusammen betrachtet, leuchtet es durchaus ein, wenn (wieder) ein “Judenhaß” geschürt werden soll — ungeachtet der Tatsache, daß dies Volksverhetzung darstellt und unverzüglich der Staatsanwalt zugeführt werden müßte, um solche menschenverachtenden Artikel zu unterbinden.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Schauberger


7. Leserbrief

Liebes Nachdenkseiten-Team,

Der (west)-deutsche Staat, der nach 1945 fast keinen Judenmörder anklagte und noch weniger verurteilte, sondern die meisten wieder in höchste Positionen aufsteigen ließ, missbraucht heute den früheren Holocaust an den Juden, um den heutigen Holocaust durch Israel an den Palästinensern zu unterstützen. Wäre man polemisch, müsste man leider sagen: die deutschen Politiker, Medien und Strafverfolgungsbehörden haben dann nichts gegen Juden, wenn, ja, wenn die Juden selber einen Genozid begehen; so, wie früher die Deutschen ebenfalls einen Genozid begangen haben. Das bedingungslose Vasallentum der deutschen Eliten gegenüber den USA ist ein weiterer Grund. 

Dass Auschwitz heute so instrumentalisiert wird, um einen seit 1945 nicht dagewesenen Völkermord zu unterstützen, hätte sich 1990 im Jahr der deutschen Einheit niemand vorstellen können. 

Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Wagner


8. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

Ihr Artikel „Üble Stimmungsmache mit angeblichem Judenhass“ ist sehr knapp gefasst und bleibt in seiner Aussage erstaunlich einseitig.

Statt das Thema differenziert zu beleuchten, wird eine Behauptung aufgestellt – nämlich, dass die Berichterstattung über zunehmenden Judenhass unbegründet oder übertrieben sei.

Zwar wird am Ende die Leserschaft um eigene Recherchen gebeten, doch entsteht bei mir ein Gefühl, dass der Text durch Tonfall und Formulierung bereits deutlich in eine bestimmte Richtung lenkt.

Damit entsteht weniger der Eindruck eines offenen Diskurses als vielmehr einer vorgefertigten Deutung.

Hier würde ich mir für die Nachdenkseiten, die Transparenz, Ausgewogenheit und medienkritische Genauigkeit einfordert, mehr wünschen.

Gleichzeitig lässt sich die im Artikel angedeutete Grundthese – es gebe keine Belege für einen Anstieg antisemitischer Vorfälle – kaum aufrechterhalten.

Verschiedene seriöse Quellen zeigen seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 einen massiven Anstieg antisemitischer Straftaten und Übergriffe in Deutschland:

Der Bundesverband RIAS dokumentiert in seinem Jahresbericht 2024 insgesamt 8 627 antisemitische Vorfälle, ein Zuwachs um 77 % gegenüber 2023.

(RIAS Bund – Jahresbericht 2024, report-antisemitism.de – dies ist schon in den ersten Zeilen zu erkennen: Das Ausmaß und die Qualität antisemitischer Vorfälle in Deutschland ähnelten auch 2024 stark dem Zustand in den ersten Monaten nach den Massakern im Oktober 2023? Eine Entspannung der Situation war im Zeitraum dieses Berichts nicht zu erkennen. Vielmehr hielt die Dynamik an. Auch 2024 waren die Gewalt vom 7.Oktober, aber auch der darauffolgende Krieg für viele Menschen ein Anlass, sich antisemitisch zu äußern, Jüdinnen_Juden anzugreifen oder zu bedrohen, Erinnerungszeichen für Opfer der Schoa zu beschädigen oder für antisemitische Propaganda zu missbrauchen. Von einer kritischen Auseinandersetzung mit der genozidalen Gewalt vom 7. Oktober ist in Deutschland wenig zu spüren. Das schlägt sich auch in zahlreichen antisemitischen Vorfällen nieder, in denen diese Gewalt gefeiert oder ihre Wiederholung – ob in Israel oder auch in Deutschland – angekündigt und zugleich geleugnet wird. Besonders schmerzhaft ist die Leugnung sexueller Gewalt gegen Israelis, vor allem wenn explizit gefordert wird:

Glaubt israelischen Frauen nicht.)

Das Bundeskriminalamt (BKA) meldet für 2024 6 236 antisemitische Straftaten, etwa 21 % mehr als im Vorjahr.

(BKA Pressemitteilung 25.05.2025)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz weist in seinem Lagebild 2024 auf eine deutliche Zunahme antisemitischer Aktivitäten in mehreren extremistischen Bereichen hin.

(Verfassungsschutz.de – Pressemitteilung 2024)

Der Zentralrat der Juden in Deutschland betont, dass viele antisemitische Vorfälle unterhalb der Strafbarkeit bleiben und damit in der Polizeistatistik gar nicht erscheinen, dennoch aber das Sicherheitsgefühl vieler Jüdinnen und Juden massiv beeinträchtigen.

(Zentralratderjuden.de – Presseerklärung 2024)

Auch lokale RIAS-Stellen, etwa in Niedersachsen, berichten von einem Anstieg um 86 % im Vergleich zum Vorjahr.

(Amadeu-Antonio-Stiftung, RIAS Niedersachsen Jahresbericht 2024)

Diese Daten stammen von unabhängigen und staatlichen Stellen und sind öffentlich zugänglich.

Sie zeigen klar: Antisemitische Vorfälle haben seit Oktober 2023 erheblich zugenommen – verbal, online und auch körperlich.

Dass viele Synagogen bundesweit unter permanentem Polizeischutz stehen, ist ein weiterer sichtbarer Hinweis auf diese Entwicklung.

Die Aussage, es gebe „keine Belege“, ist daher nicht haltbar.

Natürlich bedeutet das nicht, dass jede Kritik an der israelischen Regierung oder am Krieg in Gaza antisemitisch wäre.

Aber zwischen legitimer politischer Kritik und Feindseligkeit gegenüber Jüdinnen und Juden verläuft eine Grenze, die zunehmend verwischt.

Wenn israelische Politik pauschal „den Juden“ zugeschrieben wird oder jüdische Einrichtungen in Deutschland Ziel von Hass und Gewalt werden, dann ist das kein Ausdruck von politischem Protest, sondern von Antisemitismus – ob bewusst oder unbewusst.

Hier könnten die NachDenkSeiten, die sonst für Dialog und Zuhören stehen, konstruktiv ansetzen:

Warum nicht einmal beleuchten, wie Medien sachlich zwischen Israel-Kritik und Judenfeindlichkeit unterscheiden können?

Warum nicht zeigen, welche Bildungs- und Begegnungsprojekte es in Deutschland gibt – Synagogenführungen, jüdische Kulturwochen, lokale Dialoginitiativen – die helfen, Vorurteile abzubauen und jüdisches Leben erfahrbar zu machen?

Und warum nicht stärker herausarbeiten, wie Journalismus selbst zu dieser Differenzierung beitragen kann, statt nur auf mögliche Übertreibungen anderer hinzuweisen?

Bitte gehen Sie voran und fördern eine offene, demokratische Diskusionskultur, nicht durch Relativierung, sondern durch Aufklärung, Empathie und Begegnung.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen!

Mit freundlichen Grüßen
André Verron

Anmerkung Albrecht Müller: Danke vielmals für die Anregungen.


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