Leserbriefe zu „Der digitale Euro – Freude über den Widerstand aus Brüssel ist fehl am Platz“
In diesem Beitrag thematisiert Jens Berger die Einführung eines digitalen Euros. Europa solle der EZB zufolge „unabhängiger von US-Anbietern wie Paypal, Apple Pay, Mastercard oder Visa“ werden. Erst habe die EZB einen konkreten Zeitplan für die Einführung des digitalen Euros vorgestellt und nur wenige Stunden später ein Bericht der EVP-Fraktion im Europaparlament die Notbremse eingelegt und das gesamte Projekt infrage gestellt. Der EVP – also der CDU- und Von-der-Leyen-Fraktion – gehe es „natürlich nicht um Datenschutz, Anonymität und Sicherheit“. Es gehe in erster Linie um die Interessen der Banken. Und die würden den digitalen Euro kleinhalten wollen, da er ihr lukratives Geschäft bedrohe. Wir danken für die interessanten Leserbriefe hierzu. Es folgt nun eine Auswahl, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
wenn der digitale Euro dem Bargeld äquivalent ist, hätte jeder Bürger im Euroland Anspruch auf ein kostenlos geführtes Girokonto. Außerdem fällt beim Bezahlen keine Gebühr an andere an. Die Kosten für die Bargeldbewirtschaftung entfallen zudem; dieser Aufwand ist größer als der der digitalen Kontoführung. Es ergibt sich ein Nutzen für den Bürger, und es ergibt sich ein volkswirtschaftlicher Nutzen. Der digitale Euro wäre ein Segen!
Freundlicher Gruß
Theodor Bloem
2. Leserbrief
Hallo Herr Berger,
wenn der digitale Euro mal flächendeckend eingefũhrt ist, dann ist es ziemlich sicher, dass das Bargeld zumindest stark reduziert wird.
Wenn der digitale Euro nur in der europäischen Union akzeptiert ist, dann ist er keine echte Alternative zu Mastercard und Visa.
Ich wūrde auch darauf wetten, dass Zahlungen mit dem digitalen Euro verhindert werden, wenn es der EU politisch angebracht erscheint.
Ich empfehle dazu auch das Video von Prof. Rieck.
Viele Grüße / Best regards,
Rainer Urian
3. Leserbrief
Hallo,
ich schätze an den Nachdenkseiten besonders die Bemühungen um Frieden und die sehr differenzierte Auseinandersetzung mit Russland, auch die nicht nachlassenden Bemühungen um eine Aufarbeitung der Corona-Zeit.
Eines der Themen, welches mich besonders interessiert, sind globale Finanzen. Beim Lesen des Artikels “Der digitale Euro…”war ich alerdings etwas baff. Wie soll ich es nennen, was den Autor da umtreibt? Naivität? Unkenntnis?
Zentralbankgeld ist “echtes Geld”? Wie bitte? Ganz sicher wollen auch Frau vonderLeyen und Co. den digitalen Euro nicht stoppen, ganz im Gegenteil. Wer weiß, was da gerade hinter den Kulissen abläuft. Ein wichtiger Aspekt wird in dem Artikel aber komplett übersehen, bzw. ignoriert: Der sogenannte Digitale Euro ist die Vorstufe zur Bargeldabschaffung bzw. der starken Einschränkung des Bargeldverkehrs (ist ja jetzt schon überall zu sehen) und wird den Bürger vollumfänglich zum “gläsernen” Bürger machen bis hin zur totalen Kontrolle über die eigenen Ausgaben. Habe ich diesen Monat schon zu viel Fleich gekauft – weitere Ausgaben leider geperrt. Bin ich zu viel geflogen, habe ich mein CO2-Budget überschritten – Konto wird für solche Ausgaben gesperrt, usw. Da gibt es unzählige weitere Möglichkeiten der Überwachung und direkten Einflußnahme und natürlich sind das erstmal nur “Möglichkeiten”, aber jeder weiß, Möglichkeiten werden früher oder später immer auch genutzt. Da muß man nicht speziell auf die amerikanischen Banken schimpfen, die bekommen schon heute alle Daten über uns, die sie haben wollen.
Mit besten Grüße
Hubertus
4. Leserbrief
Lieber Herr Berger,
wenn ich auswählen müßte, wem ich meine digitalen Zahlungen anvertraue, wäre mir natürlich auch eine EZB/meine Bank tausend mal lieber, als einer der amerikanischen oder anderen Zahlungsdienstleister. Leider glaube ich, dass diese Frage eher rhetorischer Natur ist.
Die Gefahren sehe ich vor allem darin, dass in den derzeit vorliegenden Verordnungen dem Bargeld nicht der gleiche Schutz eingeräumt wird, wie dem digitalen Euro. Für den digitalen Euro ist eine Annahmepflicht vorgesehen, für das Bargeld jedoch nicht. Und Herr Hardt von der Deutschen Bundesbank hat gesagt, dass es letztlich eine wirtschaftliche Frage ist, ob weiterhin Bargeld angeboten wird. Wenn das Bargeld aber nicht mehr angeboten wird (wenn die Bargeldquote unter 15 % sinkt), was machen dann Kinder, alte Menschen, Menschen, die bewußt kein Smartphone haben? Die wären ausgegrenzt.
Was machen wir alle, wenn bspw. der Spannungsfall eintritt, die Stromversorgung ausfällt, andere Notlagen entstehen? Dann kann keiner mehr bezahlen??? Aus IT-Sicht wäre das ein gigantischer Single-Point-of-Failure, von dem u.U. 800 Mio Menschen betroffen wären.
Große Bauchschmerzen habe ich bei dem Gedanken, was bei einem digitalen Euro an Daten generiert wird, die eher früher als später größte Begehrlichkeiten wecken werden. Wie lange wird es dauern, bis Palantir auch diese Daten in ihre Bewegungsprofile einbinden? Absolut gruselig wird es aber mit der möglichen und geplanten Programmierbarkeit von digitalem Geld. Agustin Carstens, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), fordert ein „einheitliches programmierbares Hauptbuch im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft“, um digitale Zentralbankwährungen (CBDC), tokenisierte Einlagen und schnelle Zahlungssysteme zu vereinheitlichen (siehe hier). Das würde bedeuten, dass Zentralbanken und ihre Kunden die volle Kontrolle darüber erhielten, wann, wo und wie das Geld ausgegeben wird.
Ich bin ja ein großer Fan von Ihren Artikeln, aber bei diesem Thema möchte ich Ihnen doch widersprechen.
Viele Grüße,
Julia Mason
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
gerade Sie als kritischer Journalist bei Nachdenkzeiten gehören zu den Menschen, die ein System wie den digitalen Euro am ehesten zu spüren bekämen, wenn es falsch konzipiert wird.
Denn wer kritisch schreibt, steht schnell auf internen Listen – manchmal aus politischen, manchmal aus sicherheitstechnischen Gründen.
In einem zentral gesteuerten digitalen Währungssystem kann eine solche Markierung reichen, um den Zahlungsverkehr zu unterbrechen: Honorare kommen nicht an, Spenden werden blockiert, Reisen und Veröffentlichungen lassen sich nicht mehr bezahlen.
Nicht, weil jemand Sie „verurteilt“ hat, sondern weil ein Eintrag im zentralen Datensystem Ihren Zugang auf „eingeschränkt“ setzt.
Darum ist der digitale Euro kein rein technisches Projekt, sondern ein Machtinstrument – und es muss verstanden werden, wie seine Prozesse tatsächlich funktionieren.
Hier sind die sechs Punkte in ihrer Essenz, jeweils ein Satz, der den Kern des Prozesses beschreibt:
- Der digitale Euro kann technisch jederzeit programmierbar gemacht werden, weil seine Software bereits entsprechende Steuerfunktionen enthält, die nur deaktiviert sind.
- Durch die feste Kopplung an die digitale Identität kann jede Transaktion einer Person eindeutig zugeordnet und bei Bedarf gesperrt werden.
- Das zentrale Validierungssystem ermöglicht Kontosperren oder Sanktionen in Echtzeit, ohne dass Banken oder Gerichte eingeschaltet werden müssen.
- Die Architektur erlaubt es, geldpolitische Steuerung direkt auf individuelles Ausgabeverhalten auszuweiten – also Mikrosteuerung per Software.
- Der digitale Euro verliert seine Neutralität, weil er technisch in „zulässige“ und „nicht zulässige“ Zahlungen unterschieden werden kann.
- Durch die serverbasierte Synchronisierung kann der Zugang einzelner Nutzer zentral abgeschaltet werden, wodurch das Geld sofort funktionslos wird.
Und jetzt folgen weitere Erklärungen, wie genau diese Prozesse technisch steuerbar sind – falls Sie überhaupt Interesse haben, sich mit so vielen Details zu beschäftigen
- Die EZB erklärt, der digitale Euro werde „nicht programmierbar“.
Aber die Systemarchitektur basiert auf einem sogenannten permissioned ledger – einer zugangsbeschränkten Datenbank, die Smart-Contract-Funktionen enthält.Diese Funktionen sind inaktiv, aber vorhanden. Das bedeutet: Die Transaktionslogik lässt sich per Update oder durch regulatorische Parameter erweitern, ohne dass das Grundsystem verändert werden muss.
Auf wirtschaftlicher Ebene heißt das: Die geldpolitische Steuerung kann jederzeit in die Mikroebene der Konsumausgaben überführt werden.
- Die digitale Identität ist der wahre Kontrollpunkt.
Jede Wallet wird an eine europäische E-ID gekoppelt, die über das KYC-System (Know Your Customer) validiert wird.Das bedeutet, jede Transaktion enthält eine verifizierbare Zuordnung zwischen Person und Geldfluss. Diese Zuordnung wird kryptografisch signiert und in der zentralen Datenbank mitgeführt.
In der IT ist das ein Public Key Infrastructure-Prozess (PKI): Wer den Schlüsselserver kontrolliert, kann Identitäten sperren oder freischalten.
Ökonomisch ist das der Übergang von dezentraler Bankenstruktur zu einem einheitlichen Intermediär – die Macht verlagert sich vom Wettbewerb hin zu einem administrativen Monopol.
- Echtzeit-Sanktionen und Kontosperren.
In einem digitalen Zentralbanksystem erfolgt jede Transaktion über Validierungsknoten der EZB oder der nationalen Notenbanken.
Wenn ein Wallet-Status dort auf „blocked“ gesetzt wird, verweigert das System automatisch jede Signatur – und damit jede Zahlung.
Das ist kein komplizierter Vorgang, sondern Teil des normalen transaction validation protocols.
Aus wirtschaftlicher Sicht entsteht damit ein „Single Point of Control“, der theoretisch Millionen Konten gleichzeitig einfrieren kann, ohne dass eine Geschäftsbank beteiligt ist.
- Geldpolitik wird softwaregesteuert – bis in den Alltag.
In klassischen Systemen steuert die Zentralbank Zinsen und Geldmenge, nicht individuelles Verhalten.Im digitalen System kann sie Parameter auf Transaktionsebene definieren, etwa maximale Haltefristen oder zielgerichtete Liquiditätsanreize („Geld muss bis Datum X ausgegeben werden“).
Das funktioniert über programmierte Ausführungsbedingungen im Transaktionscode – ein Mechanismus, der in Blockchain-Systemen als conditional payment bekannt ist.
Makroökonomisch wäre das ein Paradigmenwechsel: Geldpolitik könnte mikroökonomische Konsummuster direkt beeinflussen.
- Der Euro verliert seine Neutralität.
Bargeld ist fungibel – jeder Euro ist gleichwertig.Ein digitaler Euro kann durch Regelwerke im Zahlungssystem in Kategorien zerfallen, etwa: „freigegeben“, „eingeschränkt“ oder „zweckgebunden“.
Technisch läuft das über token tagging, also Markierungen in den Datenpaketen, die den Zahlungszweck definieren.
Das unterbricht die ökonomische Gleichwertigkeit des Geldes: Ein digitaler Euro ist dann kein reines Wertaufbewahrungs- oder Tauschmittel mehr, sondern ein steuerbares Informationsobjekt.
- „Not-Aus“ durch Architektur möglich.
Alle Wallets müssen regelmäßig mit den zentralen Servern der EZB synchronisiert werden, um ihre Gültigkeit zu bestätigen.
Diese Synchronisation folgt einem kryptografischen Handshake, bei dem der Server prüft, ob das Wallet in der aktuellen Whitelist steht.
Wenn ein Wallet aus dieser Liste entfernt wird, verweigert das System jede weitere Transaktion.
Das ist ein klassischer Prozess der access revocation in Netzwerksicherheitssystemen.
Wirtschaftlich bedeutet es: Ein administrativer Eingriff kann sofort Liquidität vernichten, ohne Insolvenz, ohne gerichtliche Anordnung – einfach durch Entzug der Zugriffsrechte.
Und nun die Lösungen, wie die EZB den digitalen Euro wirklich sicher und missbrauchssicher gestalten müsste — kurz und konkret:
Wenn man den digitalen Euro wirklich sicher gestalten will, muss man diese Prozesse technisch ausschließen, nicht nur rechtlich einschränken:
- keine zentrale Identitätsbindung für Basistransaktionen,
- echte Offline-Zahlungen ohne Rückverfolgbarkeit,
- algorithmisch gesperrte Eingriffsmöglichkeiten (code-level governance),
- und unabhängige technische Audits mit öffentlicher Transparenz.
Erst dann wäre der digitale Euro ein Fortschritt.
So, wie er jetzt geplant ist, ist er ein Kontrollinstrument mit ökonomischer Tarnung.
Mit freundlichen Grüßen
Larisa Noethlichs
Anmerkung Jens Berger: Lieber Frau Noethlichs,
es ist erstaunlich, was Sie alles wissen. Kein einziger dieser Punkte hat etwas mit dem „digitalen Euro“ zu tun. Nach aktuellem Stand wird er nicht programmierbar sein und daher ist dieses Worst Case Szenario auch nicht durch Fakten gedeckt. Ich weiß, dass derlei „Informationen“ von diversen Crypto- und Gold-YouTubern aus dem libertären Umfeld verbreitet werden. Und zu Ihrer Befürchtung für kritische Journalisten – da ist im Kern natürlich was dran, aber auch das hat wenig bis nichts mit dem digitalen Euro zu tun. Überweisungen und Zahlen mit Kreditkarten bzw. PayPal lassen sich auch heute schon unterbinden, wie zahlreiche Beispiele zeigen.
Beste Grüße
Jens Berger
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