BSW-Wahleinspruch im Parlament gescheitert

BSW-Wahleinspruch im Parlament gescheitert

BSW-Wahleinspruch im Parlament gescheitert

Maike Gosch
Ein Artikel von: Maike Gosch

Wie zu erwarten war, hat der Bundestag am Donnerstagabend den Wahleinspruch des BSW zurückgewiesen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht war im Februar nach dem Wahlausgang denkbar knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert, es fehlten nur 9.529 Stimmen für den Einzug. Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags hatte empfohlen, den Einspruch zurückzuweisen. So kam es dann auch. Ein Artikel von Maike Gosch.

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Schon im Vorfeld hatte Parteigründerin Sahra Wagenknecht erklärt, dass es eine „Blamage für den Bundestag“ sei, dass sich trotz „offenkundiger Zählfehler und Unregelmäßigkeiten“ nur die AfD sich dafür ausspreche, das Wahlergebnis vom Februar zu überprüfen und ein korrektes Ergebnis festzustellen.

So offenkundig fanden die meisten Redner am Donnerstagabend, die allesamt Mitglieder des Wahlausschusses waren, die Sache nicht. In der Bundestagsdebatte kam zwischendurch das Gefühl einer Gerichtsverhandlung mit Vertretern nur einer Seite oder eines Parlaments (fast) ohne Opposition auf. Rede nach Rede wiederholte die Argumente gegen die Einwände des BSW. Die AfD hielt zwar mit zwei Rednern tapfer dagegen, ihre Vertreter argumentierten aber zu wenig detailliert in der Sache, um den Darstellungen sämtlicher anderer Parteien irgendetwas Substantielles entgegensetzen zu können. Das BSW fehlte sehr, denn es wurde über die Partei und ihre Argumente gesprochen, sie hatte aber keine Chance, ihre Seite vor dem Parlament und der Öffentlichkeit zu vertreten. Viele Argumente für eine Neuauszählung, die von De Masi und anderen BSW-Vertretern in der Öffentlichkeit aufgeführt worden waren, kamen nicht zur Sprache oder wurden von den Abgeordneten der anderen Parteien immer wieder als reine Vermutungen oder Spekulationen abgetan.

Den Auftakt machte Carsten Müller (CDU/CSU), der stellvertretende Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses. Er verwehrte sich gegen den Vorwurf der Verzögerung und Verschleppung, der gegen den Ausschuss erhoben worden war – dies wiederholten auch fast alle Redner nach ihm. Dann bedankte er sich ausdrücklich bei den Landeswahlleitern, und implizierte dabei den Vorwurf, der Wahleinspruch des BSW würde die Arbeit der Wahlleiter und der ehrenamtlichen Helfer schlecht machen und Undank für ihre harte Arbeit bedeuten. Diese unfairen Angriffe zogen sich durch fast alle Reden.

Dann erklärte er, dass kein einziger konkreter Vorwurf des BSW zur Wahlauszählung sich als wahr erwiesen habe. Auch Johannes Fechner (SPD) gab an, es habe keine Zählfehler gegeben und dass dort, wo nachträglich korrigiert werden musste, alle Parteien gleichermaßen davon betroffen seien und keineswegs das BSW im Besonderen. Hierzu hätte man gerne einen BSW-Vertreter gehört, da dies von ihnen anders behauptet wird. In einem nach der Abstimmung veröffentlichten Vier-Punkte-Papier, und auch vorher, hatte das BSW davon gesprochen, dass bei ersten Nachzählungen das BSW „rund 60 Prozent aller korrigierten Stimmen“ zugesprochen bekommen hatte, was statistisch hochrelevant sei.

Ja, wie denn nun? Leider konnte das BSW nicht widersprechen und seine Seite argumentieren.

Stattdessen gab es von allen Parteivertretern (bis auf die der AfD) immer wieder die Aussagen: Sehr umfangreiche, sorgfältige Prüfung. Keine Fehler gefunden. Und: Es muss konkrete Hinweise geben, nicht nur vage Andeutungen und Vermutungen. Auch statistische Spielereien würden nicht interessieren.

Unter die Gürtellinie ging es mit dem Vorwurf: Wenn die Verwechslungsgefahr zwischen der Kleinstpartei „Bündnis Deutschland“ und dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ auf dem Wahlzettel zu einer Fehlzuweisung von Stimmen geführt habe, dann sei das ein Fehler des BSW, die ja vor ihrer Namensnennung hätten recherchieren können, ob es schon eine andere Partei mit dem Wort „Bündnis“ im Namen gegeben hätte. Das ist schon eine hinterhältige Argumentation, denn die Entscheidung, genau diese beiden so namensähnlichen Parteien untereinander auf den Wahlzettel zu setzen, hat das BSW ja weder getroffen, noch konnte sie sie beeinflussen. Auch ein weiterer Satz war hart: Wenn ein Wahlergebnis knapp sei, dann sei das eben Demokratie. So die Demokratie-Erklärer und Demokratie-Lehrer im Parlament.

Immer wieder kam auch der Vorwurf an das BSW und die AfD – die mangels BSW-Abgeordneten einiges an Frust der anderen Parteienvertreter abkriegten – die Kritik an der Wahl und der Wahleinspruch würden das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie beschädigen. Man spürte viel Wut, Frust und auch Angst über die, aus ihrer Sicht, Unterstellungen und Vorwürfe gegen sie. Sie zeigten sich empört darüber, dass ihre Demokratie und auch das Wahlauszählungsverfahren ebenso wie die Arbeit des Wahlausschusses so massiv kritisiert worden sei. Immer wieder gab es daher Seitenhiebe auf die Solidarität der AfD mit dem BSW, in der diese beiden Parteien in die „Schmuddelecke“ gerückt werden sollten, wie zum Beispiel durch Aussagen wie: „Demokratie lebt von Regeln, nicht Empörung.“

Vertreter aller Parteien bis auf die AfD stimmten danach in der namentlichen Abstimmung geschlossen für die Zurückweisung. Nur ein Abgeordneter der Linken, Pascal Meiser, enthielt sich.

Zu der Entscheidung äußerte sich Partei-Co-Vorsitzender Fabio De Masi in einem Statement folgendermaßen:

Deutschland hat womöglich einen Kanzler ohne legitime Mehrheit, nur noch Karlsruhe kann jetzt unsere Verfassung schützen! Wenn ein Ergebnis extrem knapp ist und tausende Zählfehler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt sind, muss vollständig nachgeprüft werden – wie bei der Oberbürgermeisterwahl in Mülheim!“

Seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ergänzte:

Die von uns vorgelegten Beweise wurden einfach ignoriert. Die Abgeordneten, die dem Wählerwillen verpflichtet sein sollten, treten genau diesen Wählerwillen mit Füßen. Wenn ein Wahlergebnis, an dem so massive Zweifel bestehen, nicht überprüft wird, dann leben wir in keiner Demokratie mehr. Wenigstens ist nun aber der Weg nach Karlsruhe frei. Ich bin zuversichtlich, dass wir dort zu unserem Recht kommen werden.“

Wie wird es jetzt weitergehen?

Nach der negativen Entscheidung ist jetzt der Weg zum Bundesverfassungsgericht frei. Leider kann sich auch das wieder etwas hinziehen. Das BSW hat jetzt zwei Monate Zeit (also bis Mitte Februar), seine Klage zu erheben. Sicher wird es noch einige Wochen dauern, bis das BSW seine Klageschrift ausgearbeitet hat. Wie lange hat das höchste Gericht dann für seine Entscheidung Zeit?

Wahlprüfungsverfahren dauern regelmäßig mehrere Monate, oft länger. Ein Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ist hier also realistisch. Gerade wenn es um mögliche Neuauszählungen, Mandatsrelevanz oder strukturelle Wahlfehler geht, nimmt sich das Gericht Zeit. Auch frühere Wahlprüfungsverfahren auf Bundesebene zogen sich oft über ein Jahr, selbst ohne die extreme politische Brisanz, wie in diesem Fall. Wir reden also von Ende 2026/Anfang 2027, bevor es in dieser Frage zu einer Entscheidung kommen wird. Fraglich ist, ob die Koalition überhaupt so lange hält und es nicht sowieso vorher zu Neuwahlen kommt.

Die Entscheidung wurde also erfolgreich auf die lange Bank geschoben. Und die Skepsis eines Teils der Bevölkerung an der Validität der Bundestagswahl und der Sitzverteilung im deutschen Bundestag wird bleiben – weil hier die Spieler einer Seite Schiedsrichter in eigener Sache waren.

Es ist durchaus möglich, dass die Parteivertreter recht haben und eine Neuauszählung zu keinem anderen Ergebnis kommen würde – oder auch, dass mögliche Wahlfehler rein zufällig und nicht substantiell genug für eine Neuauszählung sind. Eine Annahme des Wahleinspruchs wäre aber die souveränere und fairere Entscheidung gewesen.

Titelbild: Tatjana Meininger / Shutterstock

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