Die Mission des Dr. Hugo Müller-Vogg: Abschied vom Versorgungsstaat oder: Wie Meinung für die Vermögensberater gemacht wird

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Schon oft hat mir Hugo Müller-Vogg in der BILD-Zeitung entgegengelächelt – für mich war er immer der nette Mann mit Schnauzer von Seite 2. Schon oft habe ich ihm in Politmagazinen, Nachrichtensendungen und Diskussionsrunden zugehört. Ich wollte aber noch mehr, also was tun wenn man mehr wissen will? Richtig: man surft im Internet und mit ein bisschen Glück findet man, was man sucht, so auch die Homepage. Lesen Sie dazu Anmerkungen unseres Lesers Matthias Burghardt.

Gleich auf Seite 1 ein echter Hingucker: „Abschied vom Versorgungsstaat“ lautet das Topthema des Publizisten. Also schnell angeklickt und siehe da: eine gut sortierte Sammlung von Analysen, Vorhersagen und Halluzinationen, die ich als Lektüre für einen Aufenthalt in einem unterirdischen Bunker mitnehmen würde, wenn der darin vorhergesagte Untergang des sozialstaatlichen Abendlandes vor der Tür steht.

Hinter der Überschrift verbirgt sich eine Rede, die Müller-Vogg vor der Jahresversammlung des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater gehalten hat, also bei dem Interessenverband, dem sein Arbeitgeber BILD gerne Schützenhilfe in Sachen Rentenverunsicherung gibt.

Über die geradezu peinlichen Schmeicheleien für sein Auditorium, der „Selbständigen“ hinaus ist diese Rede eine Ansammlung von Mythen, Denkfehler und Anmaßungen, die in Albrechts Müllers Buch „Die Reformlüge“ durch Fakten bereits widerlegt wurden. Da ist die Rede

  • von einer Marienkäfer-Economy: viel Rot mit ein paar schwarzen Punkten,
  • vom Staat, der sich fast mehr um die kümmere, die von den Leistungen anderer lebten, als die, die den Sozialstaat finanzierten,
  • von einer sozialistischen Marktwirtschaft, vom Rund-um-Versorgungsstaat, von der sozialen Hängematte,
  • von der Überalterung unserer Gesellschaft,
  • es gebe bei der Altersvorsorge keine andere Lösung als die private Vorsorge,
  • im Gesundheitswesen bezahlten 10% der privat Versicherten 40% der Kosten, die Lösung sei Teilkasko mit privater Zusatzversicherung.
  • Und, und, und…

In der Fahrschule haben Schüler zum Kontrollieren ihrer Bögen eine Schablone. An Müller-Voggs Rede kann man Albrecht Müllers Bücher „Reformlüge“ und „Machtwahn“ anlegen, tauchen darin doch nahezu alle dieser schematischen Sätze auf, die wir aus der tagtäglichen Reformpropaganda kennen. Gewürzt ist die Rede mit der üblichen Schwarzmalerei vom Untergang des modernen Sozialstaats, den Müller-Vogg als unausweichliches Schicksal prophezeit, inklusive den gängigen Verdrehungen, Denkfehlern, ja geradezu Gemeinheiten und das Alles in fürchterlich schlechtem Stil.

Müller-Vogg bestätigt, was Albrecht Müller in seiner „Reformlüge“ herausgearbeitet hat, wenn er die gegenwärtige Reformpolitik wie folgt beschreibt: „Wir leben in turbulenten Zeiten, wir leben mit Veränderungen, wir leben mit Umbrüchen. Das mag Sie als Staatsbürger verunsichern. Als Vermögensberater können Sie sich darüber eher erfreuen. Denn der alte Versorgungsstaat hat ausgedient.“

Am Schluss kommt Müller-Vogg dann zu seiner eigentlichen Mission: “Jeder einzelne Journalist ist mitverantwortlich dafür, dass der Prozess der Meinungsbildung in der Demokratie funktioniert. Ebenso ist jeder einzelne Vermögensberater mitverantwortlich für den Umfang und die Intensität der privaten Vorsorge in unserem Lande.” Man könnte auch sagen: “Jeder einzelne Journalist ist mitverantwortlich dafür, den Prozess der Meinungsbildung so zu beeinflussen, dass Intensität und Umfang der Privatvorsorge steigen.”
„Das ist eine lohnende Aufgabe“, meint Müller-Vogg – jedenfalls für Journalisten seines Schlags und für die Vermögensberater.

Quelle: Dr. Hugo Müller-Vogg – Abschied vom Versorgungsstaat