Connection reset by Peer – Steinbrück zieht die Reißleine

Jens Berger
Ein Artikel von:

Das „Peerblog“ wird wohl als einer der skurrilsten Episoden in die Geschichte der deutschen Kanzlerkandidaturen eingehen. Angefangen mit der verdeckten Finanzierung, über die nur noch als dilettantisch zu beschreibende Machart, gepaart mit einem größtmöglichen Fremdschämpotential, wirkte das Peerblog so, als sei es vielmehr eine besonders perfide Kampagne des politischen Gegners. Damit reiht sich das Peerblog nahtlos in den Katastrophenwahlkampf Steinbrücks ein.

peerblog - das wars

Und dabei kann Steinbrück noch von Glück reden, dass ihm gestern ein vermeintlicher „Hackerangriff“ die Möglichkeit offenbarte, das verunglückte PR-Experiment vom Netz nehmen zu lassen – denn gleichzeitig kündigte die Linkspartei an, die Bundestagsverwaltung wegen eines Verstoßes gegen das Abgeordnetengesetzes gegen Steinbrück und die anonymen Hintermänner des Peerblogs ermitteln zu lassen. Von Jens Berger

Siehe dazu auch: Albrecht Müller: Anonymes Geld für Steinbrück! – Zur Attacke darauf kann die CDU einfach frühere Anzeigen der SPD umkopieren

Hätte Peer Steinbrück ein Poesiealbum, müsste man ihm dort wohl das berühmte Zitat des Fußballers Andy Brehme hinterlassen: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“. Alles was der Spitzenkandidat der SPD in letzter Zeit angefasst hat, ist gründlich in die Hose gegangen. Die Posse um das Peerblog ist da nur der nächste Tiefpunkt in einer langen Reihe aus Pleiten, Pech und Pannen. Wie kann man als SPD-Kandidat auch nur seine Zustimmung zu einem PR-Blog geben, das nach Aussagen der Projektverantwortlichen von „herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten“ mit einer „sechsstelligen Summe“ finanziert wurde? Wie kann man ein solch heikles Projekt einer PR-Agentur überlassen, die ganz offensichtlich nicht die geringsten Kompetenzen im weiten Feld der sozialen Netzwerke hat? Geführt von einem Dampfplauderer wie Karl-Heinz Steinkühler, bei dem sich totale Ahnungslosigkeit in geradezu epischer Art und Weise mit einem heillos übersteigerten Ego paart.

Es kam, wie es kommen musste. Die PR-Dampfplauderer von steinkühler-com machten das ganz große Fass auf und erklärten der „deutschen Politik“, was diese nach Agenturaussagen „bisher nicht begriffen [habe]“. Bloggen wird nicht mit „ck“ geschrieben und man habe ein Medium angelegt, das „wie in den USA grundlegender und länger angelegt ist, als auf einem kurzfristigen Plakate-Wahlkampf“. Ach hätte Herr Steinkühler mit seinem sechsstelligen Budget doch nur einen der zahlreichen prekären Freiberufler, die sich Social-Media-Berater schimpfen, engagiert – vielleicht hätte ja das Schlimmste verhindert werden können. Aber der Berater zeigte sich beratungsresistent und ließ auf dem Peerblog gänzlich uninspirierte Jubelperser-Texte veröffentlichen, die in Ton und Art eher an die tönende Wochenschau erinnern. Sicher, auch in den USA gibt es PR-Dilettanten und so mancher US-Wahlkampfblog erinnert in seiner ganzen Peinlichkeit an das Peerblog. Jedoch handelt es dabei wohl eher um die Blogs von Aspiranten auf das Amt des Bürgermeisters in einem Hinterwälderkaff im mittleren Westen.

Das Peerblog schlug erwartungsgemäß jedoch ganz anders ein, als es die großspurigen Ankündigungen seiner Macher erahnen ließen. Das Netz amüsierte sich königlich über derlei Dilettantismus, die klassischen Medien stellten unangenehme Fragen über die überaus großzügigen Finanziers im Hintergrund und die Branche lachte hinter vorgehaltener Hand. Aus der Revolutionierung des Onlinewahlkampfs war plötzlich eine Peinlichkeit geworden, der man sich schnellstmöglich entledigen musste. Hinzu kam, dass man das Modell der anonymen Finanzierung durch „herausragende Unternehmerpersönlichkeiten“ offensichtlich noch nicht einmal gründlich rechtlich überprüft hat. Als die parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei Dagmar Enkelmann gestern ankündigte, das Peerblog von der Bundestagsverwaltung auch unter dem Gesichtspunkt eines geldwerten Vorteils nach dem Abgeordnetengesetz überprüfen zu lassen, schrillten bei Steinbrück, Steinkühler und den anonymen „herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten“ wohl die Alarmglocken. Da kam den Verantwortlichen ein gleichzeitiger Akt von Cybervandalismus sehr entgegen. Das „Team Medusa“, von den Medien fälschlicherweise als „Hacker“ tituliert (der korrekte Begriff wäre „Skriptkiddies“), hat gestern mit einer sogenannten Distributed-Denial-of-Service-Attacke (DDos) die Seiten peerblog.de und spdfraktion.de angegriffen. Während die Seiten der SPD-Fraktion kurze Zeit später wieder online gingen, weigerte man sich bei steinkühler-com offenbar den Peerblog zu reaktivieren. Stattdessen ließ man in einer Pressemeldung Abenteuerliches verkünden:

[…] Wir sehen uns deshalb gezwungen, die Website vom Netz zu nehmen. Der peerblog.de ist als normale Website online gegangen. Firewalls gegen unerwünschte Eindringlinge auf CIA-Niveau kamen und kommen für uns nicht in Frage. Das offene Konzept führt nun dazu, dass unsere Inhalte nicht geschützt sind, von Hackern jederzeit gefälscht und manipuliert werden können. […]
Die kriminellen Attacken auf das von uns herausgegebene Medium peerblog.de haben zu der Entscheidung geführt, dass wir unsere Sponsoren, Unterstützer und uns selbst nicht länger diesen skrupellosen und inhaltsleeren Anfeindungen aussetzen wollen. Wir bedauern, dass wir unter diesen Umständen den PeerBlog nicht fortführen können.

Pressemeldung von steinkühler-com [PDF – 45 KB]

Nun muss man wissen, dass man nicht die CIA (korrekterweise hätte Steinkühler hier die NSA nennen müssen) braucht, um ein Blog gegen DDoS-Attacken abzusichern. Die Seiten der SPD-Fraktion haben den Angriff schließlich auch überlebt und es ist zumindest unwahrscheinlich, dass die SPD ihre Seiten von der CIA hosten lässt. Die SPD lässt ihre Seiten jedoch auch nicht auf einem Root-Server der Strato AG hosten, der immerhin schon für 29 Euro pro Monat zu haben ist. Hätte steinkühler-com nur die von Strato angebotenen optionalen Kits „ClusterIP“ und „Load Balancer“ gebucht, wäre die DDoS-Attacke vermutlich ohne große Folgen geblieben. Aber das hätte ja immerhin zusätzlich 49 Euro pro Monat gekostet – bei einem sechsstelligen Budget eine unvorstellbare Summe.

Die Cyber-Attacke kam den Machern jedoch sehr gelegen. „Hackerattacken“ (SPIEGEL Online) und gar ein „Cyberkrieg gegen Steinbrück“ (n-tv) sind schließlich eine Steilvorlage für den überfälligen Rückzug. Nun können sich die Macher als Opfer darstellen und larmoyant über das böse Netz beschweren. Auch hier ist maximales Fremdschämpotential garantiert.

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