Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (HR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ukraine
  2. Elmar Altvater: Die Kontrolle der Zukunft – Edward Snowden und das neue Erdzeitalter
  3. Der Patient 0 des Euro-Rettungsschirms – Griechenland
  4. OECD: Deutschland versagt im Kampf gegen Geldwäsche
  5. Mindestlohn
  6. Deflation verhindern – aber wie?
  7. Arbeit heute: Raues Betriebsklima, hoher Zeitdruck
  8. Störfall jahrzehntelang vertuscht
  9. Uni-Klinik Marburg – Illegale Beihilfe?
  10. Transparency International: Studie zu Korruption und Lobbyismus in Brüssel
  11. Teil des Problems
  12. Die Folgen der Apartheid
  13. Im Parallelen
  14. Wahl von neuem Wiesn-Wirt: Wer wird Millionär?
  15. Linke nennt ARD-Pläne für TV-Duell unzureichend
  16. Das Duell
  17. The Piketty Panic – Die Piketty-Panik

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ukraine
    1. Ein ungewöhnlicher Einsatz
      Massive Unstimmigkeiten begleiten die Affäre um die festgehaltenen deutschen Militärbeobachter in Slawjansk. Wie ein führender OSZE-Funktionär bestätigt, waren die Militärbeobachter entgegen fortdauernden Falschmeldungen nicht im Auftrag der OSZE in der Ukraine unterwegs, sondern im Auftrag der Bundeswehr und auf Anforderung des Kiewer Umsturzregimes. Die Tätigkeit der parteilichen Gruppe, die sich offiziell auf das “Wiener Dokument” beruft – eine Rüstungskontrollvereinbarung -, wurde in der Bundeswehr schon vor dem Zwischenfall in Slawjansk als “ungewöhnlich” und “in dieser Form noch nicht vorgekommen” eingestuft. In der Tat operierten die Bundeswehrsoldaten nicht nur in einem gefährlichen Konflikt, sondern auch auf dem Gebiet eines Nachfolgestaates der Sowjetunion; für diese Länder hatte der Westen Moskau einst zugesagt – um das militärische Gleichgewicht in Europa zu wahren -, dort keinerlei militärische Stationierungen vorzunehmen. Einer der festgehaltenen Deutschen hat Mitte vergangener Woche öffentlich erklärt, seine Delegation beobachte ausschließlich die ukrainischen Sicherheitskräfte; ihr Auftrag lasse anderes nicht zu. Weshalb die Delegation sich dann in einer von den Separatisten kontrollierten Stadt aufhielt, teilt Berlin bislang nicht mit.
      Quelle: German Foreign Policy
    2. Spaßbremse
      Und während das Volk freudetrunken und zunehmend gedankenlos in den Mai tanzen wird, verschließen wir alle die Augen vor der Radikalisierung unserer Eliten, die euphorisch, chauvinistisch und selbstüberschätzend wie vor 100 Jahren auftreten und offenbar einen Krieg herbeisehnen, von dem sie annehmen, ihn im Spaziergang gewinnen zu können.
      Früher reichte ein erschossener Habsburger, um das Fass zum Überlaufen zu bringen, heute sind es wohl festgehaltene OSZE Beobachter, von denen man inzwischen weiß, dass sie gar nicht für die OSZE beobachten, sondern für die deutsche Bundeswehr. Aber dafür müssen sie die Artikel der Kollegen auf Tagesschau oder Spiegel Online bis zum Ende lesen.
      Quelle: Tautenhahn Blog
    3. “Die Tätigkeiten der Beobachter sind ein wichtiger Beitrag zur Deeskalation”
      Ukraine: Die Affäre der festgesetzten Militärexperten in Slawjansk und die seltsame Informationspolitik der deutschen Verteidigungsministerin von der Leyen
      Die Verhandlungen über die Freilassung der Militärexperten (Einf d.A..: der zuvor fälschlich verwendete Begriff “OSZE-Mitarbeiter” wurde verbessert) dauern noch an (Kriegsgefangene oder “ungebetene Gäste”?). Mittlerweile ist von einem “Gefangenenaustausch” die Rede, worin dieser konkret bestehen soll, ist noch unklar, wie so Vieles andere in der Affäre. Die deutsche Diplomatie in der von akuten Spannungen gekennzeichneten Region im Osten der Ukraine ist erklärungsbedürftig.
      Lange war die Öffentlichkeit darüber irritiert, in welcher Mission die Militärs, die in Slawjansk festgesetzt wurden, unterwegs waren. Erst nach einiger Zeit wurde klar, dass die Militärbeobachter aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Polen, Schweden und Dänemark, begleitet von einem Dolmetscher und ukrainischen Offizieren, nicht zur bekannten “Special Monitoring Mission” der OSZE gehören, sondern dass ihrem Einsatz das “Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen” zugrunde liegt.
      Darin geht es, wie das Auswärtige Amt auf seiner Webseite aufklärt um einen Informationsaustausch.
      Im Rahmen des sog. WD-Informationsaustauschs übermitteln sich die Teilnehmerstaaten des WD gegenseitig jährlich einmal ausführliche Daten über die Gliederung, Stationierung, Personal und Hauptwaffensysteme der Truppenformationen und Kampftruppenteile ihrer Land- und Luftstreitkräfte (einschließlich der permanent landgestützten Marinefliegerkräfte) sowie Informationen über ihre Verteidigungspolitik, Streitkräfteplanung und ihren Militärhaushalt.
      Diese Informationen “können von den Teilnehmerstaaten vor Ort verifiziert werden”, heißt es weiter. Bei dem in Slawjansk festgesetzten Team handele es sich um ein sogenanntes Military Verification Team, erklärte dann gestern Tagessschau erklärt. Zum Rahmen ihrer Operationen gehört laut Auswärtigem Amt.
      Quelle: Telepolis
    4. Erhöhung der Transparenz von Streitkräften
      Erklärung des Ständigen Vertreters Rüdiger Lüdeking auf dem jährlichen Implementierungstreffen zum Wiener Dokument (AIAM) am 4. März 2014 in der Hofburg, Wien: (…)
      Aus unserer Sicht ist die Antwort der Russischen Föderation auf das Ersuchen der Ukraine nach Kapitel III des Wiener Dokuments nicht akzeptabel und spiegelt in keiner Weise den kooperativen Geist des Wiener Dokuments wider. Wir begrüßen daher die gestrige Einladung der Ukraine nach Ziffer 18 des Wiener Dokuments, um mehr Transparenz über die militärischen Aktivitäten auf dem Territorium der Ukraine herzustellen. Diese Einladung gibt Gelegenheit, Klarheit über die Einhaltung von bestimmten Verpflichtungen zu schaffen. Wir werden uns an dieser Maßnahme beteiligen und hoffen, dass diese Maßnahme schnellstmöglich umgesetzt wird. Angesichts der Lage frage ich mich, ob nicht auch die Russische Föderation von den im Wiener Dokument gegebenen Möglichkeiten zur freiwilligen Einladung von Beobachtern auf ihrem Territorium Gebrauch machen sollte.
      Quelle: Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der OSZE Wien

      Anmerkung unserer Leserin M.S.-G.: Die Bundesministerin für Verteidigung schickt in einer Gruppe von OSZE-Beobachtern Deutsche Militärs in die Ostukraine; die Mitglieder der Gruppe werden dort als Spione festgenommen; in einem Interview – das er offensichtlich lieber nicht gegeben hätte – gibt ein deutscher Beauftragter(?) für die OSZE in Kiew zu, die Beobachter seien “nicht direkt” von der OSZE Wien geschickt worden; der Außenminister bemüht sich um die Freilassung der Festgenommenen. Seit zwei Tagen von den Medien keine Informationen über den Zusammenhang, geschweige denn Kommentare über den Sinn der Aktion. (…) Der Ständige Deutsche Vertreter bei der OSZE Wien hat schnell zugesagt, die Verteidigungsministerin den Kiewer Plan zügig in die Tat umgesetzt, der Außenminister löffelt die Suppe aus.
      Irgendwann wird jemand den Ablauf zusammensetzen. Vielleicht kommt mein Link vorher bei Ihnen an.

      Ergänzende Anmerkung HR: Es stellt sich die Frage, weshalb die Machthaber in Kiew die Gruppen-Route zuvor offenbar nicht abgestimmt haben. So kann der Eindruck entstehen als könnte ein weiterer Beitrag zur Eskalation in Kauf genommen worden sein.

  2. Elmar Altvater: Die Kontrolle der Zukunft – Edward Snowden und das neue Erdzeitalter
    Als Edward Snowden vor knapp einem Jahr die Machenschaften von US-amerikanischer NSA und britischem GCHQ aufdeckte, löste er eine weltweite Debatte über die bedrohliche Macht der Geheimdienste aus. Snowden hat bloßgelegt, in welchem Ausmaß die Fünferbande der Geheimdienste – die „Five Eyes“ aus den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland – die Bürgerinnen und Bürger in aller Welt ausspionieren, in welch planetarischer Größenordnung sie Daten klauen, speichern und für ihre Zwecke nutzen – und damit die Privatheit aller Menschen zerstören, die nach Art. 12 der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen geschützt ist. Damit aber ist auch die Meinungsfreiheit, die Grundlage von politischer Betätigung wie auch von Widerstand gegen die Herrschenden, im Kern bedroht und folglich auch die Demokratie.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  3. Der Patient 0 des Euro-Rettungsschirms – Griechenland
    Bessere Zeiten oder so bankrott wie nie zuvor? Eine Bilanz
    Vier Jahre Sparmemoranden brachten den Griechen einen mittlerweile von vielen Zeitgenossen angezweifelten, primären Haushaltsüberschuss und mehr als 20.000 Demonstrationen. Ist Griechenland nun gerettet?
    Zumindest hatte das Land vor seinem Gang zum IWF und zu seinen EU Partnern Ende 2009 ein Etatdefizit von 15,4 Prozent und schuldete 116 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Gläubiger.
    Heute wissen wir, dass 2013 mit einem Defizit von 12,7 Prozent und einer Staatsverschuldungsquote von 175,1 Prozent abgeschlossen wurde. Der besagte Primärüberschuss des Etats liegt, je nach Berechnung bei 3,5 Milliarden Euro – wie die griechische Regierung im Wahlkampf gern verkündet oder aber bei 1,5 Milliarden Euro, wenn man den Betrag gemäß der Vorgaben des Sparmemorandums errechnet
    Das Institut für Arbeit der Angestelltengewerkschaft GSEE ermittelte, dass innerhalb der vier Jahre Sparmemoranden
    die Kaufkraft der Griechen um 37,2 Prozent sank,
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung N.K.: Arbeitslosenquote lag im Dezember 2013 offiziell bei 27,2%, Höchststand war im September bei 27,7%. Die genannte Zahl der Steuerrückstände für 2009 von 33,5 Mrd. Euro dürfte eher zu niedrig sein.

  4. OECD: Deutschland versagt im Kampf gegen Geldwäsche
    Finanzminister Wolfgang Schäuble fordert deshalb aus dem Justizministerium Sofortmaßnahmen…
    „Wenn Deutschland bis Juni 2014 keine konkreten Schritte in dieser Richtung vorweisen könne, werde es in das verschärfte Überwachungsverfahren (enhanced follow-up) oder sogar in das für sogenannte Hochrisiko-Länder geltende Listungsverfahren (ICRC) überführt.“ Dies würde für Deutschland zu „erheblichen Reputationsschäden“ führen, warnt Schäuble und drängt seinen Kollegen Maas, sich rasch zur „Behebung der Defizite zu verpflichten und die hierzu erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen anzukündigen“.
    Besonders kritisiert die OECD, dass in Deutschland die sogenannte Selbstgeldwäsche nicht strafbar ist. Wer sein eigenes Schwarzgeld wäscht, wird nicht verfolgt. Diese Lücke nutzt nach Beobachtung des Wirtschaftswissenschaftlers Ingo Fiedler von der Universität Hamburg besonders die italienische Mafia.
    Quelle: Wirtschaftswoche
  5. Mindestlohn
    1. Juncker fordert europaweiten Mindestlohn
      Zum Auftakt des Europawahlkampfs hat der Spitzenkandidat der Konservativen, Jean-Claude Juncker, die Einführung eines europaweiten Mindestlohns gefordert. In seiner Heimat liegt er bei 11,50 Euro.
      Der Spitzenkandidat der konservativen Parteien bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker, hat einen europaweiten Mindestlohn gefordert.
      “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – Mindestlohn überall”, sagte er bei der Eröffnung des Europawahlkampfs der niedersächsischen CDU in Braunschweig.
      Juncker, der früher Chef der Euro-Gruppe und luxemburgischer Premierminister war, verwies auf das Beispiel seines Landes: In Luxemburg existiere ein Mindestlohn seit Mitte der 70er-Jahre und betrage 11,50 Euro. “Das hat nicht dazu geführt, dass in Luxemburg Massenarmut und Hungersnot ausgebrochen wären.”
      Quelle: Die Welt

      Anmerkung HR: In Deutschland sind es die konservativen Parteien, für die Herr Juncker kandidiert, die gegen einen Mindestlohn mobilisieren: Egal, ob er bei 8,50€ oder höher anvisiert wird.

    2. Mindestlohn 5,67 Euro: Das neue Programm der Bundesregierung für Langzeitarbeitslose
      “Langzeitarbeitslose” sollen in den ersten sechs Monaten vom Recht auf den gesetzlichen Mindestlohn ausgeschlossen werden. Die Lohnhöhe für “Langzeitarbeitslose” lässt die Bundesregierung aus Sorge um das Wohl der “Langzeitarbeitslosen” in ihrem Mindestlohngesetz (Entwurf) “nach unten offen”. Unklar bleibt im Mindestlohngesetz auch, wer für die “fürsorgliche Leistung” der Bundesregierung in Frage kommt und für weniger als 8,50 Euro pro Stunde (brutto) arbeiten darf. Offensichtlich sollen auch nach dem 31. Dezember 2014 möglichst viele “Langzeitarbeitslose” für 5,67 Euro pro Stunde (brutto) (oder weniger) arbeiten dürfen.
      Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ)

      Anmerkung H.R.: Die NachDenkSeiten kritisierten von Anfang an die zahlreichen Ausnahmen, die für den angeblich flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gelten sollen; siehe u.a. hier “Disput zwischen Rudolf Hickel und Albrecht Müller über die politische Einschätzung des Mindestlohns” und hier “Tarifpaket und Mindestlohn für die Beschäftigten”

  6. Deflation verhindern – aber wie?
    Das Thema Deflation nimmt, wie neulich bereits konstatiert, in der öffentlichen Diskussion mittlerweile breiten Raum ein: Der Spiegel zum Beispiel widmet ihm in zwei aufeinanderfolgenden Heften (am 14.4. auf Seite 76 bis 80 und am 19.4. auf Seite 60 bis 63) Beiträge, auf Spiegel online hat sich Wolfgang Münchau des Themas am Mittwoch dieser Woche angenommen und im Economist wird in einem Artikel am 19.4. darauf eingegangen, um nur ein paar Medien zu nennen. Die Autoren sind sich allerdings nicht recht einig, warum oder ab welchem Ausmaß Deflation – manche sprechen von zu niedriger Inflation – gefährlich sein könnte, ob sie Europa insgesamt drohe, gar schon eingetreten sei oder nur in einigen Regionen als unvermeidbare Begleiterscheinung eines gewollten Anpassungsprozesses (so etwa der frühere Zentralbanker Jürgen Stark in einem Beitrag für die Financial Times am 13.4.) vorübergehend auftrete und bald wieder dank anziehender Konjunktur verschwinden werde. Wie Deflation zu verhindern wäre, darüber rätseln und streiten nicht nur diese Autoren, sondern mit ihnen die meisten Fachleute, offenbar auch die Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst, wie der Formulierung „a very rich and ample discussion“ zu entnehmen ist, mit der Mario Draghi in der Pressekonferenz vom 3. April die Sitzung des EZB-Rates umschrieb.
    Die Leser von flassbeck-economics kennen zur Genüge meine Position, dass ohne eine klare Veränderung der Lohnpolitik kein Ende der deflationären Risiken in Europa zu erreichen sein wird. Diese Position hat nach wie vor keine nennenswerte Lobby – das Wort Lohnentwicklung kommt den Zentralbankern im Zusammenhang mit Deflation nicht über die Lippen. Und Wolfgang Münchau versteigt sich sogar dahingehend, dem deutschen Mindestlohn nur eine das Deflationsrisiko kurzfristig verschleiernde (einjährige) Wirkung zuzusprechen – ganz so, als ob der Mindestlohn niemals Auswirkungen auf das gesamte Lohnniveau oder gar das Lohngefüge haben könne oder man jemals über eine Anhebung, gar eine Dynamisierung des Mindestlohns reden werde, geschweige denn müsse.
    Heute will ich einmal umgekehrt herangehen und die Überlegenheit der Lohnpolitik gegenüber der Geldpolitik bei der Bekämpfung von Deflationsrisiken nicht daran zeigen, dass die Preisentwicklung in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Lohnstückkosten steht, sondern daran, welche Blüten inzwischen die Diskussion treibt, wie am besten Geld in die Wirtschaft von Seiten der Zentralbank gepumpt werden könnte.
    Dass mit einer Senkung der Leitzinsen der EZB nicht mehr viel auszurichten ist angesichts des bereits herrschenden, historisch niedrigen Niveaus, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Es ist nun mal das Charakteristikum einer schwachen und erst recht einer deflationären Preisentwicklung, dass sie die Geldpolitik in die Wirkungslosigkeit treibt, weil der Realzins, also die Differenz zwischen Nominalzins und Wachstumsrate der Preise, nicht mehr durch den Nominalzins gedrückt werden kann, wenn der bereits nahe Null ist.
    Quelle: flassbeck-economics
  7. Arbeit heute: Raues Betriebsklima, hoher Zeitdruck
    Das Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (ISW) führt jährlich eine Online- und Briefbefragung unter allen Betriebsratsvorsitzenden in Oberösterreich zu Veränderungen, Zufriedenheit und Problemen in der Arbeitswelt durch. 40% der 1600 Betriebsratsvorsitzenden in Oberösterreich haben an der Befragung teilgenommen und damit in die Unternehmen hineinblicken lassen. Die Ergebnisse zeigen eines vorweg: Das Betriebsklima wird rauer, die Arbeitsbelastung steigt und der Druck auf ArbeitnehmerInnen wird immer größer. (Die Ergebnisse wurden in der WISO-Ausgabe 4/13 veröffentlicht)
    Schon die Themen, mit denen sich BetriebsräteInnen im vergangenen Jahr beschäftigt haben, zeigen indirekt den Anstieg des Drucks auf die ArbeitnehmerInnen. An erster Stelle rangiert die Beschäftigung mit der betrieblichen Gesundheitsförderung (43%), gefolgt von
    ArbeitnehmerInnenschutz (41%), Erhöhung des innerbetrieblichen Leistungsdrucks (41%), Verschlechterung des Betriebsklimas (39%), sowie Änderung der Arbeitsorganisation (37%). Diese Themenfelder deuten auf eine Veränderung, bzw. eine Verhärtung in Betriebs- und Arbeitsklima hin, das Bemühen um betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht zuletzt ein Indikator der augenscheinlichen Verschlechterung psychischer oder physischer Gesundheit der MitarbeiterInnen. Das zeigt auch die gesondert abgefragte Wahrnehmung der BetriebsrätInnen zur Entwicklung der psychischen und physischen Belastung im Betrieb.
    Die Erhöhung des Leistungsdrucks könnte ein direkter Grund für die zunehmende Beschäftigung mit betrieblicher Gesundheitsförderung sein. In einem starken Zusammenhang stehen jedenfalls Leistungsdruck und Betriebsklima: Jene BetriebsrätInnen, die sich mit der Erhöhung des Leistungsdruck beschäftigen, geben mehrheitlich auch eine Beschäftigung mit der Verschlechterung des Betriebsklimas an. (…)
    Gerade die Erosion des Sinnes von Arbeit für jene Personen und die schrittweise Aushöhlung des Anspruchs auf gute Arbeit und Erfüllung sollte bedenklich stimmen. Gerade die Wirtschaftskrise wird oft als Argument gegen die Forderung höherer Standards und Qualitätssicherung der Arbeitsplätze (und nicht der erbrachten Leistung) verwendet. Arbeit in Österreich ist laut Arbeitgebervertretung zu teuer, zu ineffizient und nicht konkurrenzfähig.(Industriellenvereinigung). Abgesehen davon, dass sich diese Angaben fernab jeglicher Realität (Arbeit ist nicht zu teuer) bewegen, ist das Recht auf gute Arbeit ein Grund- bzw. Menschenrecht. Heißt es in der UN-Menschenrechtscharta: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.“ (Art 23,1). Somit kann gute Arbeit, bzw. bei „befriedigenden Arbeitsbedingungen“ nicht als „Soft“-Forderung oder „Wohlstandsproblem“ abgetan werden, Arbeitsbedingungen und Arbeit zu haben, die gerne verrichtet wird, ist ein Fundament einer guten, gerechten Arbeitsgesellschaft. Immerhin: 28% der Befragten sagen, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad seit 2010 in ihren Betrieben gestiegen sei.
    Quelle: Arbeit & Wirtschaft

    Anmerkung H.R.: Diese Untersuchung und ihre Ergebnisse können vermutlich auf Deutschland übertragen werden.

  8. Störfall jahrzehntelang vertuscht
    Im Versuchsreaktor Jülich kam es 1978 zu einem Störfall, der damals als wenig gefährlich eingeordnet wurde. Experten kamen jetzt zum Schluss, dass die wahre Gefahr mehrere Jahrzehnte lang heruntergespielt und vertuscht wurde. (…)
    Der Vorfall wurde damals in die niedrigste Zwischenfallkategorie eingeordnet, obwohl er laut Expertengruppe der zweithöchsten oder höchsten Meldekategorie (A) hätte zugewiesen werden müssen: als „sicherheitstechnisch unmittelbar signifikanter Störfall“. Die Kommission deckte zahlreiche weitere Mängel beim Betrieb des Versuchsreaktors auf. So konnte die Temperatur im Reaktorkern nie richtig kontrolliert werden, was dazu führte, dass der Kern stark radioaktiv verseucht wurde. Außerdem gelangte radioaktiv verseuchtes Wasser ins Grundwasser. Mit dem Jülicher Hochtemperaturreaktor versuchte die deutsche Forschung in den 70er Jahren ein eigenes Reaktorkonzept an den Markt zu bringen. 1988 wurde der Jülicher Reaktor wegen zahlreicher technischer Mängel endgültig abgeschaltet.
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
  9. Uni-Klinik Marburg – Illegale Beihilfe?
    Der Rhön-Konzern will mit dem Konflikt um das Partikeltherapiezentrum an der Marburger Uniklinik Geld verdienen. Der Frankfurter Rundschau liegt ein Schreiben des Rhön-Vorstandsvorsitzenden vor, in dem er der Firma Siemens ein Angebot für die Anlage macht: einen Kaufpreis von 27 Millionen Euro plus 23 Millionen Euro, um den Auflösungsvertrag von vor drei Jahren rückgängig zu machen. Seinerzeit hatte Siemens 86 Millionen Euro an Rhön gezahlt, um komplett in Besitz der Anlage für die Behandlung von Krebskranken zu kommen. Das heißt: Geht es nach dem Rhön-Vorstand, verdient der Klinikkonzern mit diesem Handel 36 Millionen Euro. Mindestens…
    Sollte die Uniklinik Heidelberg das Sagen in der Gesellschaft bekommen, wäre das eine „illegale Beihilfe“, kritisiert SPD-Landtagsabgeordneter Thomas Spies. Dieser Verdacht liegt nahe, hatte die Rhön-Spitze dem Land doch im Dezember mitgeteilt, dass die Uniklinik Heidelberg 75,1 Prozent der Gesellschafteranteile übernehmen soll.
    Das Land Hessen habe dem Rhön-Konzern beim Verkauf der Klinik 100 Millionen Euro erlassen, weil er die Anlage für Spätsommer 2011 zugesagt hatte, argumentiert Spies. Das heiße in Konsequenz: Dort müsse eine hessische Universität mit ihren Patienten forschen, nicht eine aus Baden-Württemberg mit dem Geld hessischer Steuerzahler.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: So geht das eben, wenn Großgeräte für Hochschulen und Uni-Klinika nicht mehr in einem gemeinsamen und geordneten Verfahren der Großgeräte-Finanzierung eingekauft werden, sondern privatisierte Hochschulteile Deals mit Lieferanten und mit anderen Teilhabern machen.

  10. Transparency International: Studie zu Korruption und Lobbyismus in Brüssel
    Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat eine Studie zur Integrität der EU-Institutionen vorgestellt. Für die Studie wurden erstmalig zehn EU-Institutionen im Hinblick auf Korruptionsrisiken untersucht. Wenig überraschend kam dabei auch das Thema Lobbyismus zur Sprache. Die Maßnahmen gegenüber ausufernden Lobbyismus reichen der Studie zufolge bei weitem nicht aus.
    Großer Einfluss der Finanzlobby in Brüssel
    Als wichtiges Beispiel für den Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung werden in der Studie die Finanzmarktreformen genannt: Aufgrund der Komplexität der Materie seien hier häufig Experten aus der zu regulierenden Branche beratend tätig und formulierten teilweise sogar die Gesetzesentwürfe. In diesem Fall sei selbst den EU-Abgeordneten die Unausgewogenheit im Gesetzgebungsprozess bewusst geworden.
    Quelle: LobbyControl
  11. Teil des Problems
    Der Filmemacher Ken Loach rechnet mit der Labour-Partei ab und ruft zu einer neuen Bewegung auf
    Im Guardian kann man jeden Tag Berichte über bittere Armut und immer weitere Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme lesen. Wir wissen um die Lebensmitteltafeln, die Not von Menschen mit Behinderung und die Wohnungskrise, von der so viele betroffen sind. Wir kennen die Propaganda, die die Ärmsten zu Sündenböcken für das Versagen unseres Wirtschaftssystems macht und erkennen die Heuchelei hinter David Camerons „moralischer Mission“.
    Wir wissen, dass die Wohnungsbeihilfen reichen Vermietern zugutekommen und dass Aufstocker-Leistungen für die working poor der Zahlung von Dumping-Löhnen in die Hände spielen. Wir lesen, dass Sozialhilfebetrug nur einen winzigen Anteil am Sozialhaushalt ausmacht und weit mehr Menschen Leistungen nicht in Anspruch nehmen, die ihnen eigentlich zustehen würden. Im Vergleich zu der Summe, die dem Staat durch Steuerhinterziehung entgeht, ist Sozialbetrug von verschwindender Bedeutung. Wenn wir uns über all diese Ungerechtigkeiten und Heuchelei aufregen, versäumen wir oft, eine wichtige Frage zu stellen: Wo bleibt unsere politische Gegenwehr? Diese sollte eigentlich von der Labour-Partei angeführt werden. Doch genau darin liegt das Problem.
    Die Koalitionsparteien preisen die Bedeutung der Marktwirtschaft. Labour auch. Die Koalition kürzt bei den Staatsbetrieben und priorisiert die Interessen großer Konzerne und Privatunternehmen. Die letzte Labour-Regierung tat dies auch. Wann immer Arbeiter sich organisieren, um ihre Arbeitsplätze, Löhne oder Arbeitsbedingungen zu verteidigen – wer unterstützt sie? Nicht Ed Miliband oder irgendwelche anderen führenden Labour-Politiker. Ein offener Brief an Miliband von Labour nahestehenden „Intellektuellen“, der vor Kurzem im Guardian veröffentlicht wurde, war so nichtssagend wie selbstgefällig.
    Die Anforderungen des Marktes sind erbarmungslos: Lohnkosten müssen immer weiter gedrückt und alles muss restlos privatisiert werden. Die Absicherung abhängig Beschäftigter muss immer weiter abgebaut und ein Pool an Arbeitslosen erhalten werden, um die zu disziplinieren, die Arbeit haben. Gewerkschaften müssen Knüppel zwischen die Beine geworfen und die Unternehmer hofiert werden – in der Hoffnung, dass sie anpassungsfähige und flexible Arbeitskräfte finden, die sich problemlos ausbeuten lassen.
    Die Konsequenzen sehen wir nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch bei der Krankenversorgung, bei der Bildung und in allen anderen Bereichen menschlicher Fürsorge, die eine zivilisierte Gesellschaft ausmachen. Oder an der Missachtung der Umwelt – etwa an dem gegenwärtigen Bestreben, Schiefergasfracking zu forcieren, ohne Rücksicht auf die Folgen. Wir haben sie an den unrechtmäßigen Kriegen und imperialistischen Invasionen der letzten Regierungen gesehen. Nichts davon ist neu. Doch wo ist unsere politische Vertretung?
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung HR: Die Kritik von Ken Loach an die führenden Politiker der Labour Party ist berechtigt und kann problemlos auf die deutsche SPD-Spitze übertragen werden.

  12. Die Folgen der Apartheid
    Zwanzig Jahre nach den ersten freien Wahlen in Südafrika (27. April 1994) entziehen sich deutsche Konzerne endgültig der Forderung nach Entschädigungen für Opfer des von ihnen unterstützten Apartheid-Regimes. Während ein New Yorker Gericht letzte Woche entschieden hat, dass Gerichtsverfahren gegen zwei US-Konzerne wegen deren Beihilfe für die Apartheid-Repressionsapparate weitergeführt werden können, sind entsprechende Klagen gegen deutsche Unternehmen abgewiesen worden. Für die Einstellung der Entschädigungsprozesse hatte sich auch die Bundesregierung eingesetzt. Dabei zählten bundesdeutsche Firmen lange Zeit zu den tragenden Stützen des Apartheid-Regimes. Daimler etwa war nach dem Urteil eines international aktiven Apartheid-Gegners “ein lebensnotwendiger Partner der südafrikanischen Kriegsindustrie”. Bundesdeutsche Firmen weiteten ihre Südafrika-Geschäfte sogar noch aus, als Unternehmen aus anderen westlichen Staaten sich wegen des stark gestiegenen internationalen Drucks aus dem Land zurückzuziehen begannen. Nach dem Ende des Apartheid-Systems konnten deutsche Firmen ihre starke Stellung in Südafrika halten, die sie auch ihrer Kollaboration mit dem Apartheid-Regime verdanken. Die sozialen Folgen der Apartheid, die sie aufrechtzuerhalten halfen, prägen die südafrikanische Gesellschaft bis heute, bestätigt Ingeborg Wick, die langjährige Geschäftsführerin der Anti-Apartheid-Bewegung in der Bundesrepublik, im Gespräch mit german-foreign-policy.com.
    Quelle: german-foreign-policy.com
  13. Im Parallelen
    Der bayerische Justizminister Bausback möchte die »Paralleljustiz« in den Griff bekommen. Damit meint er das, was am rechten Rand zum Beispiel auch als »Islam-Rabatt« bezeichnet wird. Schon ulkig, dass ausgerechnet ein Mann aus der CSU als Macher in »Parallelitäten« auftritt.
    Seine Partei betreibt in ihrem Bundesland immer irgendwie Paralleljustiz. Entweder lässt man lästige Zeitgenossen wider allen besseren Wissens wegsperren. Oder man sorgt für die Strafbefreiung für Parteigänger und Gönner. Ausnahmen gibt es natürlich. Aus der Hoeneß-Nummer kam man dann doch nicht mehr raus. Von Strauß über Streibl und Stoiber bis hin zu Seehofer arbeitet diese Staatspartei immer eng mit einer Justiz zusammen, die parallel an dem vorbeiurteilt, was eigentlich vom Gesetz vorgesehen wird. Wenn sie überhaupt urteilt. Manchmal tut man ja auch alles, damit es erst gar nicht zu einer Involvierung der Justiz kommt.
    Quelle: ad sinistram
  14. Wahl von neuem Wiesn-Wirt: Wer wird Millionär?
    Auf dem Oktoberfest wird ein Traumjob frei: Das Promi-Zelt Hippodrom braucht einen neuen Wirt, weil der alte Steuern hinterzogen hat. Nun entscheidet der Stadtrat, welcher Gastronom in den Wirte-Olymp aufsteigt. Dort herrscht helle Aufregung.
    Noch begehrter und härter umkämpft als der Job des Landesvaters oder eine Dauerkarte in der Allianz-Arena ist in München nur eines: ein Bierzelt auf dem Oktoberfest. Um den feierwütigen Menschenmassen das Erleben und Überleben im Zelt möglich zu machen, müssen die Wirte eine logistische Meisterleistung vollbringen. Entschädigt werden sie durch das Geschäft ihres Lebens.
    Der Handel mit dem Rausch bringt den Zeltbetreibern laut einer Studie der Münchner Tourismusbehörde 120 Millionen Umsatz pro Oktoberfest ein. Die wohlhabenden Mitglieder der “Vereinigung der Wiesnwirte” sind nicht nur die folkloristischen Aushängeschilder der Stadt, sondern auch Teil eines exklusiven Zirkels, Mitglieder einer verschworenen Gemeinschaft.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung HR: Könnte es sein, dass die „Spezi“-Ökonomie längst auch in der Bayerischen SPD angekommen ist?

  15. Linke nennt ARD-Pläne für TV-Duell unzureichend
    Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, an ARD und ZDF appelliert, »noch einmal ernsthaft über ihre geplante Berichterstattung zur Europawahl« nachzudenken. Im Sozialen Netzwerk Facebook sagte Höhn, es sei »absolut unzureichend und überdies an Langeweile nicht zu überbieten«, wenn im Hauptprogramm »allein die beiden Kandidaten von Konservativen und Sozialdemokraten aufeinandertreffen«. Höhn weiter: »Worüber sollen die Spitzen von Union und SPD eigentlich streiten?« Der Linkenpolitiker kritisierte, dass die Kandidaten der anderen politischen Lager wie zum Beispiel der Linken oder der Grünen »stattdessen in die Spartenkanäle verlegt werden sollen«. Dies sage »viel über die Herren Entscheider in ARD und ZDF aus«.
    Am 15. Mai ist zwar ein TV-Duell aller europäischenSpitzenkandidaten geplant – dieses soll aber nur auf dem Spartensender Phoenix übertragen werden. Im Hauptprogramm können sich ausschließlich die Spitzenkandidaten der Europäische Volkspartei, Jean-Claude Juncker, und der Sozialdemokratische Partei Europas, Martin Schulz, präsentieren. Der Marktanteil von Phoenix liegt nur bei etwa einem Prozent. Die Jungen Europäischen Förderalisten haben inzwischen eine Petition im Internet gestartet, die bereits mehr als 10.000 Unterstützer gefunden hat, darunter die Europapolitiker Sven Giegold von den grünen und die sozialdemokratische Europakandidatin Sylvia-Yvonne Kaufmann.
    Quelle: neues deutschland
  16. Das Duell
    Der Film “Die Spiegel-Affäre” von Roland Suso Richter kapriziert sich auf den Gegensatz zwischen Rudolf Augstein und dem ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. Worum es 1962 aber tatsächlich ging, fällt in dem ARD-Film unter den Tisch.
    Am Abend des 26. Oktober 1962 besetzte die Staatsgewalt die Redaktionsräume des Spiegel in Hamburg. Es begann die sogenannte Spiegel-Affäre. Für den jungen westdeutschen Rechtsstaat war es eine Bewährungsprobe. Was war wichtiger: der Staat oder die Bürgerrechte und im Besonderen die Pressefreiheit? Die Affäre war ein Markstein in der Geschichte der Bundesrepublik. Bekanntlich ging sie gut aus. So wie auch die Watergate-Affäre gut ausging, nämlich im Sinn der amerikanischen Verfassung.
    Die Watergate-Affäre von 1972 wurde schon 1976 verfilmt. Alan Pakulas Die Unbestechlichen gewann vier Oscars und setzte Maßstäbe. Seither meint die Welt zu wissen, wie engagierte Journalisten auftreten. Der Film Die Spiegel-Affäre – mehr als fünfzig Jahre post festum gedreht – wirkt so, als habe der Regisseur Roland Suso Richter sich Die Unbestechlichen sehr gut angeschaut. In seinem Film sind es nicht bloß zwei Journalisten, Bob Woodward und Carl Bernstein, die dem Rechtsstaat zur Geltung verhelfen, es ist eine ganze Boygroup: führende Redakteure des Spiegel und Rudolf Augstein.
    Quelle: Süddeutsche.de
  17. The Piketty Panic – Die Piketty-Panik
    “Le capital au XXIe siecle”, das neue Buch des französichen Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty, ist ein echtes Phänomen. Es gibt andere Bücher über wirtschaftliche Gegebenheiten, die Bestseller sind, aber M. Pikettys Beitrag ist eine wissenschaftliche Untersuchung, die die öffentliche Debatte so stark verändert wie sonst nur sehr wenige. Und die Konservativen geraten in Panik. So warnt James Pethokoukis vom American Enterprise Institute im National Review, M. Pikettys Arbeit müsse widerlegt werden, sonst “werde sie sich unter den Intellektuellen verbreiten und das wirtschaftspolitische Feld formen, auf dem alle künftigen politischen Kämpfe ausgetragen werden”.
    Nun, viel Glück dabei. Das wirklich Erstaunliche an der Debatte bis jetzt ist, dass es der Rechten offenbar nicht gelingt, stichhaltige Gegenargumente zu M. Pikettys Thesen zu finden. Stattdessen besteht ihre Reaktion in Beschimpfungen – ganz speziell der Behauptung, M. Piketty sei ein Marxist, gerade so wie alle anderen, die Ungleichheit bei Einkommen und Besitz für ein wichtiges Thema halten.
    Quelle: New York Times

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