Hinweise des Tages

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(KR/WL)

  1. Umbau Deutschland: Die heimlichen Herren – Die Wirtschaft als Nebenregierung?
    Ein Feature von Heiner Dahl im Deutschlandradio Kultur.
    Die Wirtschaft höhlt mit ihrer Interessenpolitik die Staatspolitik aus, sie nutzt die Macht ihrer gut bezahlten Experten aus, sie versucht ihre Privatinteressen gegen das öffentliche Interesse durchzusetzen und sie dominiert die öffentliche Meinungsbildung.
    Quelle: Deutschlandradio [PDF – 72KB]
  2. PPP Projekt in Wiesbaden hinter verschlossenen Türen
    Das vom Land Hessen und der Landeshauptstadt gemeinsam geplante “Zentrale Justiz- und Verwaltungszentrum” an der Mainzer Straße soll von einem privaten Investor gebaut werden. Die Stadtverordneten wurden unter Druck gesetzt und zum Schweigen verpflichtet. Was an Kosten auf die Steuerzahler zukommt, ist nicht bekannt.
    Quelle 1: FR

    Kommentar dazu in der FR: “Das stinkt zwar auch einigen Stadtverordneten. Aber die Einschüchterungen funktionieren, niemand verrät auch nur ein Sterbenswörtchen. Und damit verraten alle ihre Wähler, die Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger. … Dabei reicht ein Blick ins benachbarte Hofheim, wo ein PPP-Verfahren gründlich scheiterte. Nach nur 18 Jahren hatte der Kreis für das Kreishaus 84 Millionen Euro an Miete bezahlt – doppelt so viel wie die Baukosten.”
    Quelle 2: FR

  3. Verkauf der bislang landeseigenen Landeskrankenhäuser in Niedersachsen an private neue Betreiber – abgesegnet trotz Richter-Veto
    Beim Verkauf der bislang landeseigenen Landeskrankenhäuser an private neue Betreiber gerät die niedersächsische Landesregierung immer stärker unter Druck. Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann und Finanzminister Hartmut Möllring (beide CDU) sahen sich am Freitag genötigt, eine gemeinsame Erklärung abzugeben. Inhalt: Sie wollen beide erst am 9. März nachmittags erfahren haben, dass das zuständige Gericht bereits vier Tage zuvor den Verkauf des Landeskrankenhauses Osnabrück an den privaten Klinikkonzern Ameos aufgehoben hatte. Die Opposition dagegen argwöhnt, von dieser peinlichen Panne hätten die beiden federführenden Ressortchefs beim Verkauf von insgesamt sechs Landeskrankenhäusern schon früher gewusst und geschwiegen. Das würde schwer wiegen, weil genau in dieser Woche der Landtag den Verkauf gegen die Stimmen der Oppositionsparteien SPD und Grüne abgesegnet hatte.
    Quelle: Hamburger Abendblatt

    Anmerkung: Wie schrieb doch der Kabarettist Heinrich Pachl in seinem Theaterstück „Köln ist Kasse“: Es gilt das Grundrezept des Klüngels: legal konstruieren. Weil das nie zu 100% hinhaut, wird der illegale Rest (die Leichen im Keller) von Zeit zu Zeit an die Oberfläche gespült. Das heißt dann Skandal, und der mobilisiert sofort die Selbstreinigungskräfte des Klüngels: ein paar Bestecher und Bestechliche werden geoutet und geopfert und dem Volk zum Fraß vorgeworfen – und das Abkassieren geht lecker weiter.

  4. Logik der Unternehmensteuerreform – ursozialdemokratisch?
    Es sei “ursozialdemokratisch”, wenn Gewinne nicht mehr ins Ausland transferiert werden (und Verluste in Deutschland steuermindernd abgesetzt werden). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) habe berechnet, dass derzeit rund 100 Milliarden Euro legal am Fiskus vorbei geschoben werden. Die Reform schenke den Unternehmen nichts. Vielmehr würden Investitionen nach Deutschland geholt, die Steuer-Erosion werde gestoppt.
    Für den ungeschulten Verstand mag das abstrus erscheinen, bar jeder nachvollziehbaren Argumentationskette; in der gelehrten Reform-Logik der politischen Zwiedenker ist das ein stringenter Begründungszusammenhang: Was man schon verschenkt hat (legal verschoben wurde), kann man ja gar nicht mehr verschenken, man muss also nachlegen. Mit anderen Worten: Die legale Steuervermeidung (SPD-Fraktionschef Peter Struck: “Da geht dem deutschen Fiskus viel Geld verloren.”) wird nicht etwa revidiert (auf den Gedanken können nur linke Ideologen kommen), sondern gemäß der kreationistischen Mathematik bilanziert: Minus + Minus = Plus.
    Quelle: wahlstimmen blog
  5. Bei den betrieblichen Verhaltensregeln soll der Betriebsrat möglichst ausgeschaltet werden.
    Bei der Einführung von Ethikrichtlinien ist das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach Paragraph 87 Absatz 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz zu berücksichtigen.
    Eine jüngere Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts könnte es Konzernen nun ermöglichen, durch die Gestaltung ihrer Struktur den Einfluss der Arbeitnehmervertretung auf Ethikrichtlinien auszuschalten: Die Richter haben hier die Voraussetzungen für die Bildung eines Konzernbetriebsrats präzisiert und dabei die betriebliche Mitbestimmung eingeschränkt (Az.: 7 ABR 26/06). Eine konzernweite Arbeitnehmervertretung kann demnach nicht für Unternehmen in Deutschland eingerichtet werden, die von einer im Ausland ansässigen Konzernspitze beherrscht werden.
    Quelle: FAZ
  6. IW: 1,6 Millionen Jobs zu vergeben
    In Deutschland gibt es nach einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) 1,6 Millionen unbesetzte Arbeitsplätze. Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer begründete die große Lücke mit dem Mangel an entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften. „In einigen Branchen gibt es bereits Anzeichen von Fachkräftemangel“, sagte Schäfer. Unter anderem würden besonders Ingenieure, Techniker, Ärzte und Betriebswirte gesucht.
    Quelle: Die Welt

    Anmerkung: Die Wirtschaft erwartet wohl, dass ihnen die Fachkräfte „just in time“ geliefert werden. Noch vor kurzem meldete die Zeit, dass 60.000 Ingenieure Arbeit suchen und dass einer Umfrage des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zufolge nur 4,9 Prozent der Unternehmen ein Fortbildungsangebot für ältere Mitarbeiter haben.
    Seit Jahren gibt es rückläufige Studienanfängerzahlen im Ingenieurwesen.
    Und dennoch werden durch Studiengebühren zusätzliche Zugangsbarrieren eingeführt und die ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten verschärfen durch Herausprüfen den „inneren numerus clausus“.
    Auch ein möglicher Ärztemangel ist selbst gemacht. Die Nachfrage nach einem Medizinstudium übersteigt seit Jahren das Angebot der Studienplätze um ein Vielfaches. Wer im Abitur nicht mindestens einen Notendurchschnitt von 1,5 oder noch besser erreicht hat, hat allenfalls mit einer vierjährigen Wartezeit eine Chance auf einen Medizinstudienplatz.
    Aber Unternehmensteuersenkungen scheinen ja wichtiger,als Investitionen in Bildung und Forschung.

  7. Rendite bis es knallt?
    Finanzinvestoren kaufen Firmen, senken die Kosten, bauen sie um und verkaufen sie wieder mit hohem Gewinn: In den vergangenen Jahren liefen die Geschäfte der Beteiligungsfonds so gut wie nie zuvor. Die besten von ihnen kommen auf Renditen von 30 %. Doch jetzt fürchten viele das Ende des Booms – mit üblen Folgen für die übernommenen Firmen und ihre Mitarbeiter.
    Quelle: VDI-Nachrichten
  8. Umwege führen direkt ins Steuerparadies
    Offene Immobilienfonds könnten für Leasingnehmer interessant werden – vor allem für Unternehmen mit großem Bestand an Betongold. Als Nutznießer des neuen REIT-Gesetzes helfen die Fonds den Konzernen, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen. Unternehmen mit einem großen Immobilienbestand gehen goldenen Zeiten entgegen. Das neue Gesetz zur Einführung von Real Estate Investment Trusts (REITs) beschert ihnen deutliche Steuerersparnisse durch sogenannte Sale-and-Lease-back-Konstruktionen (SLB) – das Verkaufen und anschließende Zurückmieten von Gegenständen, auch von Immobilien.
    Quelle: FTD
  9. Die Bahn: Kalte Enteignung
    Wie ist es möglich, dass sich der gigantische Milliardendeal in gespenstischer Stille vollzieht? Die Länder, Regionen und Städte werden sich noch wundern, wenn sie nur noch mit “knallharten Profitmaximierern” konfrontiert werden, denen die Verkehrsentwicklung egal, die Bilanz aber heilig ist. Für diesen (Sch)Rumpfbahnkurs gibt es viele Vorboten: Seit der Bahnreform wurden jährlich 500 Kilometer Schienenstrecke stillgelegt. Bahnintern stehen weitere 6.000 Kilometer Netz auf dem Prüfstand. Der Inter Regio wurde trotz seines großen Erfolgs (68 Millionen Fahrgäste pro Jahr) kaputtgefahren und verschrottet, um die Länder fiskalisch zu erpressen und dem wesentlich teureren ICE neue Zwangsfahrgäste zuzuführen.
    Quelle: Freitag
  10. Die Bahn ist keine Ware
    Der Widerstand gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn wächst: Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) macht gemeinsam mit SPD-Abgeordneten und dem Bündnis “Bahn für Alle” gegen den Teilverkauf des Schienenkonzerns mobil.
    Quelle: FR

    Siehe auch den Bericht über den Kongress:
    Quelle: taz

  11. Airbus ist kein Sanierungsfall
    Rüdiger Lütjen, Betriebsratschef des Flugzeugbauers, über Arbeitsteilung in Europa und den Konkurrenten Boeing.
    Quelle: FR
  12. Stress und hohes Tempo
    Hotels und Gaststätten bilden immer mehr Lehrlinge aus – oft unter zweifelhaften Bedingungen.
    Quelle: BZ
  13. Joseph Stiglitz: Schädliche Pharma-Patente
    Schutzrechte liefern Pharmafirmen kaum Anreize, in die Forschung für Arzneien gegen Massenkrankheiten in den armen Ländern zu investieren. Es ist höchste Zeit für ein marktwirtschaftliches System.
    Quelle: FTD
  14. Autohersteller misstrauen Finanzinvestoren
    Autohersteller schalten sich in die Debatte um die Zukunft von SIEMENS-VDO ein. Sie bedrängen Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld, die Sparte nicht an einen Finanzinvestor zu verkaufen, berichtete die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”. Siemens VDO könnte dann eine “kurzfristig orientierte Optimierung” betreiben, zitierte das Blatt einen Automanager. Die Beständigkeit des Zulieferers habe aber für die Hersteller höchste Priorität, hieß es unter Berufung auf Branchenkreise.
    Quelle: Mittelbayerische Zeitung
  15. Die Macht ist ungezähmt
    Viele Aufsichtsräte vernachlässigen ihren Job. Die Kumpanei mit den Vorständen schadet den Unternehmen und ihren Aktionären.
    Quelle: ZEIT
  16. Deutschlands oberster Finanzkontrolleur Jochen Sanio ist besorgt über die Entwicklung an den Finanzmärkten: Sollte es zur Schieflage eines großen Hedgefonds kommen, dann könnte dies wie ein Blitz einschlagen.
    Während Banken wegen der Baseler Eigenkapitalregel maximal das 12,5-fache ihrer Eigenmittel an Risiken eingehen dürfen, ist das bei Hedgefonds unbegrenzt möglich. Wenn die Kreditgeber ihnen keine Vorgaben machen, ist nur der Himmel die Grenze. Außerdem mangelt es an Transparenz. Hedgefonds agieren im Dunkeln, und das mit Anlegergeldern von mittlerweile über 1,4 Billionen US-Dollar. Ihr wirklicher Markteinfluss ist sogar um ein Vielfaches größer – aufgrund ihrer gehebelten Geschäfte und des schnellen Umschlags ihrer Positionen.
    Quelle: Die Welt Online
  17. Deutsche-Bank-Studie: Deutschland fällt im Wohlstandsvergleich zurück
    Im internationalen Wohlstandsvergleich fällt Deutschland zurück. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen belegt die Bundesrepublik einer Studie zufolge nur Platz 19 unter den 340 OECD-Ländern. 2006 war es noch Platz 15. In den nächsten sieben Jahren könnte die Bundesrepublik im relativen Vergleich sogar noch hinter Spanien und Italien zurückbleiben, zitiert die Zeitung aus der Analyse.
    Quelle 1: Spiegel Online

    Anmerkung: Weil die Deutsche Bank jedes Jahr dasselbe Lied singt, wiederholen wir uns eben auch: Der Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens verschiedener Länder sagt nicht alles über den Wohlstand der heimischen Bevölkerung.
    Quelle 2: NachDenkSeiten

  18. Dämonisierung des Terrors
    Die Taten der RAF waren von sinnloser Brutalität. Doch wer sie bloß als Ausdruck einer »Lust an Gewalt« betrachtet, der verfehlt das Phänomen des Terrorismus und leistet seiner Entpolitisierung Vorschub. Eine Antwort auf Jan Philipp Reemtsma. Von Gerhart Baum.
    Quelle: ZEIT
  19. Was tun im Sudan?
    Bei der Darfur-Konferenz im Jüdischen Museum in Berlin wurde es erfreulich konkret.
    Quelle: TAZ

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