Die großen Einflüsterer, Thinktanks als Lobby der Freien Marktwirtschaft

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Eine Sendung von Eva Hillebrand.

Regie: Another Green World, Brian Eno darauf Take 1
„Deutschland braucht Zukunft“
„Projekt neue Wege“
„www.ProReformen.de“
„Initiative für Deutschland“
„12-uhr Mittag.de“
„Aktion mündige Bürger“
„Marke Deutschland“
„Konvent für Deutschland“
„Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“

Sprecherin:
Große Besorgnis über den Standort Deutschland allenthalben . Buchtitel wie: “Wer rettet Deutschland“ und „Abstieg eines Superstars“ untermalen das Drama in finsteren Tönen. Zahllose sogenannte Bürgerbewegungen, Reforminitiativen und Thinktanks versprechen Beratung und Rettung. Deutschland sei blockiert, tiefe Einschnitte täten not, die Wirtschaft müsse befreit werden aus den Fesseln des Staates, so lautet unisono die Botschaft der Reformanheizer.

Take 2: Albrecht Mueller:
„Die Erfindung und Dramatisierung des Reformstaus als einer der wesentlichen Ursachen für die wirtschaftliche Misere in Deutschland ist eine strategische Meisterleistung konservativer Zirkel . Die Vermutung, dass eine solche Kampagne bewusst geplant wird, würden die meisten ..als Verschwörungstheorie abtun. Die meisten Intellektuellen durchschauen auch nicht die evidente Kampagne zur Privatisierung der Altersvorsorge in Deutschland und in anderen Teilen der Welt“.

Sprecher:
Zitat Albrecht Müller, Wahlkampfleiter unter Willi Brandt und Autor des 2004 erschienenen Buches: „Die Reformlüge“. Das Sesam öffne Dich, mit dem sich die Reformbotschaften Zutritt zu Parlament, Medien und der öffentlichen Meinung verschaffen, heisst Überparteilichkeit. Mit dieser Aura suggerieren Beratungsfirmen, Public Relations und Werbeagenturen, aus einem objektiven, gewissermassen uneigennützigem Interesse heraus dem Lande zu dienen. Ähnlich wie diverse Stiftungen verstehen sie sich als Thinktanks, als Denkfabriken: Die Akteure stammen aus Politik, Wirtschaft, Journalismus und der Werbebranche. Ihr Ziel: den Bürger aufklären in Sachen Reformstau. Dabei gilt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mittlerweile als die am besten aufgestellte Reformkampagne. Gegründet wurde sie im Jahr 2000 von den 16 regionalen Arbeitgeberverbänden der Metall-und Elektroindustrie, die jährlich 10 Millionen Euro in das auf 10 Jahre projektierte Projekt investieren. Die Aufgabe der Initiative besteht darin, die öffentliche Meinung langfristig in Richtung einer unternehmensfreundlichen Stimmung zu beeinflussen, erklärt Roland Berger, Unternehmensberater und Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Take 3: Roland Berger
“Deutschland ist auf dem Arbeitsmarkt eine Art Jurassic Park. Ich denke, wir brauchen nur die richtigen Rahmenbedingungen. Mehr Wettbewerb bedeutet mehr Innovation, heisst mehr Wachstum, heisst mehr Beschäftigung, heisst mehr Wohlstand“. Vollbeschäftigung ist möglich, wenn wir den Arbeitsmarkt liberalisieren, endlich!!!

Sprecherin:
Kuratoriumsvorsitzender und damit oberster Repräsentant der Initiative ist Hans Tietmeyer, Bundesbankpräsident von 1993 bis 1999. Geschäftsführer sind Tasso Enzweiler zuvor Chefreporter der Financial Times Deutschland und der ehemalige Pressechef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Rath.

Take 4: Dieter Rath, 0.28
„Ja, die INSM möchte die Reformbereitschaft der Bürger stärken. Letztlich getragen von der Überlegung, dass die Politiker insbesondere durch Meinungsumfragen feststellen: Diese Reform will die Bevölkerung gar nicht. Also machen wir sie nicht, denn wir wollen ja demnächst gewählt werden, wiedergewählt werden. Und das heisst also, wir müssen den Bürger davon überzeugen, dass die Bürger in ihrer Mehrheit letztlich auch den Druck auf die Politik ausüben, diese Reformen zu machen“.

Sprecher:
Die Initiative arbeitet mit dem Konzept der Botschafter. Prominente aus Politik Wirtschaft und Wissenschaft, stellen sich in den Dienst der Initiative. Besser vielleicht: Das soll der Initiative eine Aura der Überparteilichkeit geben. Doch diese Überparteilichkeit ist spätestens seit dem Tod von Peter Glotz ausgesprochen zweifelhaft. Seit der SPD-Mann Glotz nicht mehr bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mitwirkt, setzt sich der Botschafterkreis fast nur aus Mitgliedern oder Sympathisanten von FDP und CDU zusammen. Einzige Ausnahme ist der Grüne Oswald Metzger, der mittlerweile im Kuratorium sitzt. Ein Auszug aus der Prominentenliste:

Sprecherin und Sprecher abwechselnd:
Karl Heinz Paqué, Finanzminister von Sachsen-Anhalt, FDP
Prof. Dagmar Schipanski, Wissenschafts-Ministerin in Thüringen, CDU
Lothar Späth, Vorstandsvorsitzende der JenoptikAG, CDU
Prof. Paul Kirchhof – ehemaliger Bundesverfassungsrichter, Mitglied des CDU-Kompetenz-Teams
Prof. Arnulf Baring und Dr. Hans Barbier, Publizisten, Mitglieder in der FDP-Programm-Kommission
Martin Kannegiesser – Präsident des Verbandes Gesamtmetall, CDU
Dr. Arend Oetker -Präsident des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft und Vizepräsident des BDI, CDU-Mitglied

Sprecherin:
Mit den Prominenten werden unter anderem die sogenannten Testimonialanzeigen geschaltet, die sich an der Schnittstelle zwischen Journalismus und Werbung bewegen. In einem als INSM – Anzeige veröffentlichten Interview beispielsweise fordert Ex-Bundespräsident Roman Herzog umfassende Reformen des Sozialstaates. Nachrichtenagenturen und Zeitungen zitieren anschliessend Teile aus dem Interview im Rahmen ihrer eigenen Berichterstattung. Auf den Entstehungszusammenhang wird dann kaum noch hingewiesen. So wird Themensetzung auf den Weg gebracht. Ein Bravourstück gelang der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als sie im Jahr 2000 den Slogan “Sozial ist, was Arbeit schafft” in den öffentlichen Diskurs einspeiste. Mittlerweile hat die CDU den Satz zu einem zentralen Wahlkampfmotto erkoren.

Sprecher:
Öffentlichkeitsarbeit, Public Relation. In Kooperation mit zwei Filmproduktionsfirmen versendet die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zweimal wöchentlich Themenvorschläge an ca. 100 private und öffentliche Fernsehredaktionen.

Take 5: Dieter Rath, 0.40
“Das muss man sich vorstellen wie eine Presseinformation, allerdings auf die Bedürfnisse von Fernsehjournalisten abgestellt. Dann wird die Redaktion, wenn sie das Interesse hat, sich mit dieser Produktionsgesellschaft in Verbindung setzen und nach den Vorstellungen der Redaktion einen Beitrag bestellen, der dann auch bezahlt wird von dem Sender und dabei geht es in erster Linie eben um diese Reformthemen. Und da alle Fernsehsender auf Zulieferungen dieser externen Produktionsfirmen sowieso angewiesen sind, hat sich dieses Instrument als relativ erfolgreich erwiesen, weil dadurch vielmehr diese Reformthemen in die Medien, in die Fernsehmedien gelangt sind“.

Sprecherin:
Erklärt Dieter Rath, Geschäftsführer bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Ausserdem gibt es die Medienpartnerschaften:
Mit der Wirtschaftwoche, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der Welt, dem Handelsblatt, der Financial Times Deutschland, der Hör Zu und anderen mehr. Die Allianz aus Politik, Wirtschaft und Medien funktioniert bestens. Die Botschafter und Kuratorenbieten der Initiative ihre Prominenz, im Gegenzug bekommen sie Öffentlichkeit. Oswald Metzger ehemaliger Finanzexperte der Grünen, wirkt als Kurator bei der INSM und gehört ebenfalls dem „Konvent für Deutschland“ an, einer Reforminitiative von Roman Herzog. Metzger scheint im Netz der Medienpartnerschaften sein neues politisches Zuhause gefunden zu haben.

Take 6: Oswald Metzger
„Und ich hab zur Zeit eher mit einer gewissen Verwunderung Bilanz gezogen. Ich war öfters in den Medien als in der aktiven Zeit, also in Talkrunden, auch in der Presse, ich hab´ ne regelmässige Kolumne im Handelsblatt, als einziger grüner Politiker überhaupt, ich schreibe für internationale Wirtschaftszeitungen, werd international eingeladen, könnte jeden Tag drei sehr gut bezahlte Vorträge gehalten und insofern hat man da natürlich auch ein Tableau von Wirkungsmöglichkeiten, dass sich komplett von dem unterscheidet, was man auf der politischen Bühne hat“.

Sprecher:
Oswald Metzger sitzt ausserdem als Fellow in der Bertelsmannstiftung. Betätigungsfeld ist die „Aktion Demographischer Wandel. Die Bertelsmannstiftung gilt als der einflussreichste Thinktank Deutschlands. Die Stiftung kooperiert mit der öffentlichen Hand im Rahmen unzähliger Projekten aus fast allen Politikbereichen. Ihre Experten und Gutachter sitzen in allen maßgeblichen öffentlichen Gremien auf deutscher und europäischer Ebene . 1993 hat der Bertelsmannkonzern 70% der Kapitalanteile des Gesamtkonzern auf die Unternehmensstiftung übertragen. Der Konzern ist ein Global Player, der mit 83 -tausend Mitarbeitern in 51 Ländern zur Liga der fünf grössten Medienunternehmen weltweit gehört. Die hauseigene Stiftung dient ihm mit ihrem sozialen Image quasi als weltweit tätige Kontakt- und PR- Agentur.

Take 7: Zitator: (schon gesprochen)
„Die Bertelsmannstiftung verfolgt…das ehrgeizige Ziel, Staat und Gesellschaft zu perfektionieren, und zwar nach Grundsätzen der Effektivitätssteigerung, die sich angeblich in den Bertelsmannbetrieben bewährt haben“. organisieren

Sprecherin:
Sagt Frank Böckelmann, Coautor des Buches: „Bertelsmann, hinter der Fassade des Medienimperiums“. Ein zentrales Betätigungsfeld der Stiftung liegt im Erfassen von Ranglisten- auch Rankings genannt. Regelmässig aufgestellt werden Bundesländer-Standortrankings, das Bundesländeruniranking, der Bibliotheksindex, ein Ranking deutscher öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken, und der Bertelsmann-Transformations-Index, ein Ranking der Transformations- und Entwicklungsländer. Im September 2004 veröffentlichte die Stiftung ihr Internationales Standortranking. Unter 24 Kandidaten fand sich Deutschland – auf dem letzten Platz. Ganz nach dem Motto: Negativbewertungen wirken als Optimierungsmotor. Der fast gleichzeitig vom World Economic Forum präsentierte „Global Competitiveness Report 2004“ hingegen bewertet Deutschland als einen der wettbewerbsfähigsten Standorte der Welt. Sollten die Reformeiferer ein Interesse daran haben, den Standort Deutschland schlecht zu reden?

Sprecher:
Auch in Städten und Gemeinden wird gemessen, geprüft und verglichen. Als der Fachverband für Kommunales Management in Deutschland einen interkommunalen Leistungsvergleich vornahm, wurden diese Erhebungen von der Bertelsmannstiftung im Rahmen von Pilotprojekten fast flächendeckend begleitet und forciert. Der Fokus der Stiftung richtet sich zunehmend auf die Privatisierung des öffentlichen Sektors. Der Einfluss auf die Hochschulpolitik ist dabei gesichert durch das Centrum für Hochschulpolitk, kurz CHE Es organisiert u.a. Hochschulforschungs-und Länderrankings und wurde 1994 von der Hochschulrektorenkonferenz und der Bertelsmannstiftung auf deren Initiative hin gegründet. Die Stiftung finanziert das CHE zu 75%

Take 8: Zitator: (schon gesprochen)
„Mittelfristig muss es zu einem Wettbewerb der Hochschulen um die Studierenden und zu einem Wettbewerb der Studierenden um die Hochschulen kommen“.

Sprecherin:
Schreibt Detlef Müller-Böling, Leiter des CHE in seinem Buch die „entfesselte Hochschule“. Über unzählige Hochschulprojekte, Beratungs-, Fortbildungs- und Managementtätigkeiten ist das CHE in der deutschen Universitätslandschaft präsent. Als Zielvorstellung gilt: Der Forscher als Wissenschaftsunternehmer und sein Institut als Dienstleistungsbetrieb. Was bietet sich da mehr an, als die Beteiligten anhand von Evaluationen und Rankings in einen belebenden und leistungssteigernden Wettstreit untereinander zu verwickeln. Das Centrum für Hochschulentwicklung veröffentlichte sein erstes Hochschulranking 1997, zusammen mit der Stiftung Warentest. Ab 1998 fungierte als Medienpartner das Wochenmagazin „Der Stern“, herausgegeben von Gruner+Jahr, einem Ableger von Bertelsmann. Seit Mai dieses Jahres gibt das Centrum für Hochschulentwicklung sein Uniranking zusammen mit der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ heraus. Das Blatt gehört zum Holtzbrinckverlag. An dem wiederum ist der Bertelsmannkonzern beteiligt.

Sprecher:
Rankings liebt auch die Initiative Neue Marktwirtschaft. Zum Jahresende werden zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Reformer und Blockierer des Jahres, gekürt, die Veranstaltung wird von Phoenix übertragen. 2004 gewann der ehemalige CDU Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Ende 2003 wurde Paul Kirchhoff gekürt. Der gehört nun dem Kompetenzteam von Angela Merkel an. Rankings und Reformbarometer, Messungen und Zahlen erwecken den Eindruck des Faktischen und der wissenschaftlichen Expertise. Dieter Rath von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Take 9: Dieter Rath, 0.39
„In der Wirtschaftwoche haben wir seit 2003 ein sogenanntes Reformbarometer.
Das ist eine wissenschaftliche Untersuchung über die einzelnen Reformschritte, die die Politik ankündigt und einleitet, die werden bewertet von Wissenschaftlern nach vorgegebenen Kriterien, und wir überarbeiten dann diese Studie redaktionell und geben sie an die Wirtschaftwoche und sie veröffentlicht sie einmal im Monat. So wird eine ständige Fortschreibung dieser Reformvorschläge bewertet. Das ist so, dass sich an dieser Bezahlung der Studie für die Wissenschaftler sowohl die Zeitschrift als auch wir beteiligen“.

Sprecherin:
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft beruft sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln. Im Vorstand des Instituts sitzen mehrere Hauptgeschäftsführer der Regionalverbände der Metall-und Elektroindustrie, also der Financiers der Iinitiative Neue soziale Marktwirtschaft. Für Albrecht Müller ist so etwas kein Einzelfall.

Take 10: Albrecht Müller
Man muss eben immer untersuchen für welche Institute für welche Vorfeldinstitutionen der Konservativen für welche Konzerne sind Wissenschaftler gutachterlich tätig oder von wem wird ihr Institut finanziert und wenn man das durchleuchtet hat, dann erkennt man genauer warum die Wissenschaft ausscheidet als kritische Instanz in dieser Gesellschaft. Das ist dramatisch, schliesslich halten wir uns die Wissenschaft, damit wir gute politische Entscheidungen kriegen, damit kritischer Sachverstand, da geht es nicht um Meinungsrichtungen, sondern einfach nur kritischer Sachverstand in die politischen Entscheidungen einfliesst. Wenn aber die Wissenschaft hochgradig korrumpiert ist, dann fehlt ein wichtiger Faktor für gute politische Entscheidungen.

Sprecher:
Wissenschaftliche Studien zur Politikberatung produziert auch die „Stiftung Marktwirtschaft –Frankfurter Institut“, ein weiterer neoliberaler Thinktank. Er wird finanziert durch private Spenden von Einzelpersonen und Unternehmen, die nicht genannt werden möchten. Die dort angesiedelte „Kommission Steuergesetzbuch“ , bestehend aus 70 Experten, kam im Juli mit ihrem Steuervorschlag an die Öffentlichkeit, der im Falle eines Regierungswechsels –so wurde von der CDU signalisiert -vermutlich in die Gesetzgebung eingehen wird. Im –selbstverständlich überparteilichen- Kommissionsbeirat sitzt u.a. – Friedrich Merz. Den Vorstand teilen sich Professor Michael Eilfort , der ehemalige Büroleiter von Friedrich Merz und der Freiburger Professor für Finanzwissenschaft Bernd Raffelhüschen, der schon auf zahllosen Pressekonferenzen über den seiner Ansicht nach unvermeidbaren Untergang der solidarisch finanzierten Pflegeversicherung aufgeklärt hat. Anfang April wurde eine entsprechende Studie von Raffelhüschen in Nachrichtenagenturen, in Zeitungen, im ZDF und bei Phoenix vorgestellt. In Auftrag gegeben und finanziert wurde die Studie von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – Raffelhüschen gehört zu deren Botschaftern.

Take 11: Albrecht Müller
Und dann kommt ein weiteres hinzu, dass Journalisten, auch wenn sie ursprünglich nicht gerade diesen konservativen Thesen zuneigen in den wirtschaftlichen und gesellschaftpolitschen Fragen unsicher sind und sich mehr und mehr in diesen Fragen dem konservativen Mainstream zugeneigt haben, weils andere Argumente kaum gibt. Das hat wiederum damit zu tun , dass die Wissenschaft, meine wissenschaft, ich bin Ökonom , sich sehr angepasst hat an die Strömung.
Es gibt kaum noch kritische Wissenschaftler in der Ökonomie. Dass muss man doch mal sehen, wenn sie, was heute in den Universitäten üblich ist , wenn sie nur als was gelten , wenn sie Drittmittel beschaffen, ja also Gutachten und wer zahlt für Gutachten , das sind immer diejenigen die des geld haben und das ist die Wirtschaft in diesem Fall“.

Sprecherin:
So beschreibt der Buchautor Albrecht Müller die Lage etwas zugespitzt. Es scheint, als würden Wissenschaftler aus allen Disziplinen gegen die Einflüsterungen von arbeitgebernahen Thinktanks nicht ausreichend gewappnet sein. Dieter Lenzen ist Präsident der Freien Universität Berlin und Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Er verspicht sich davon –laut Tageszeitung -angeblich keine Drittmittel, allerdings erhoffe er sich, dass durch seine „Expertise“, die er als Professor der Initiative zur Verfügung stelle, die „Sichtbarkeit der FU erhöht werde“

Sprecher:
Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit, Öffentlichkeit, die Inszenierung von Problemlösungskompetenz. Jeden Tag ticken Politbaromter, finden Wahlen im Kleinen statt. Politiker antworten mit selbstgewissen Posen und beruhigenden Formeln. Sie arbeiten mit vorgestanzten plakativen Sprachmodulen, ohne komplexe Einlassungen auf Grundsatzprogramme. Deren Unterschiede schrumpfen ohnehin beim Kampf der grossen Volksparteien um die Neue Mitte auf Personen und Äußerlichkeiten. Gegensätzliche Positionen werden oft nur noch inszeniert im medialen Spektakel des Polit-Entertainments. Ging es beim Kanzlerduell um mehr als die Einschaltquote?

Regie: Atmo Sabine Christiansen, (ggf. Brian Eno)darauf Sprecherin:
Eine der Lieblingsbühnen findet sich bei Sabine Christiansen. Boshaft formuliert könnte man sagen: Das Ringen um einen Konsens, den es vorher schon gab, hat in der Talkshow Ritualcharakter gewonnen. Die sonntäglichen Debatten werden Montags im Parlament nachgestellt und liefern den Zeitungen Stoff für die Meinungsseiten. Derweil denken Berater- und PR-Firmen schon weiter: Welche Themen sollen in den kommenden Wochen von welcher Partei wann und wo besetzt werden. Albrecht Müller stellt fest:

Take 12: Albrecht Müller, 0.41
„Etwas, was in Deutschland noch nicht richtig erforscht ist, ist welche Rolle dann Public Relations Firmen spielen in diesem Kontext. Es ist ja jetzt mal auch geschehen vor einiger Zeit mit Hunzinger. Aber die meisten Leute wissen immer noch nicht, wie die Mechanismen funktionieren. Dass es da ein Geflecht gibt von Personen und Institutionen, die dafür sorgen, dass Politiker in Talk Shows kommen, dass gut über sie berichtet wird, dass ihre schlechten Leistungen nicht berichtet werden, das wird in Deutschland bis jetzt noch nicht aufgearbeitet. Ist auch schwierig, weil die Medien ja Teil dieses Geflechtes sind.

Sprecher:
Sind unsere Medien wie auch die genannten Beratungsgremien zu ausserparlamentarischen Notbühnen avanciert? Wird die öffentliche Sache zwar öffentlich aber nicht mehr ergebnisoffen diskutiert?. Stehen Ergebnisse vorher fest und werden dann mit oder ohne Erfolg lediglich noch vermittelt? 2004 hat die Regierung knapp 98 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. Die Beratung kostete in den Jahren 1999 bis 2003 fast 169 Millionen Euro. Guter Rat ist teuer – aber auch schlechter Rat muss bezahlt werden. Die Branche boomt. Politiker steigen aus – und in die Beraterbranche ein, wenn sie denn nicht in die Talkshowmasterbrache wechseln. Platzhirsche sind die Unternehmen von Roland Berger und Mc Kinsey. In der Herzog -Kommission traten die Mc Kinseys so massiv auf, dass Horst Seehofer, der ehemalige Gesundheitsexperte der Union, seine Mitarbeit aufkündigte.

Take 13: Horst Seehofer:
„Ich habe auch meine Mitarbeit in der Herzogkommission etwa zur Hälfte beendet, weil ich gesehn habe, dass des überhaupt nicht erwünscht war, hier argumentativ- sondern man hatte sich ein bestimmtes Ergebnis vorgestellt und wollte es zum Tragen bringen.. und daraufhin hab ich in Rücksprache mit meinem Parteivorsitzenden meine Mitarbeit beendet und hab seitdem mehr als einmal öffentlich gesagt, dass ich von der Kommissionitis in Deutschland überhaupt nichts halte, weil sie sehr immer in der Nähe auch von Interessensvertretung ist“.

Sprecherin:
Beraten werden die Politiker überbande, überkreuz, vor allem überparteilich. Roland Berger schaffte es, Edmund Stoiber und Gerhard Schröder gleichzeitig auf ein- und denselben Kurs zu bringen. Rudolf Speth Politikwissenschaftler und Parteienforscher

Take 14: Rudolf Speth
„Die Unternehmensberatungen haben nämlich den öffentlichen Sektor entdeckt, der, so laut vielen Unternehmensberatern, so die Hälfte des Bruttoinlandproduktes verkonsumiert. Und da gibt es genügend Einsparpotential. D.h. der öffentliche Sektor, der politisch kontrolliert wird, ist für sie als Markt interessant .weil sie verstärkt natürlich ihr Handwerkszeug auf die Politik anwenden. Zum Teil sind sie damit schon ziemlich lange erfolgreich jeder ordentliche Wahlkampf wird heute von PR-Agenturen mitgemanagt . Die nächste Stufe ist das ganz normale Politikgeschäft, auch kampagnenförmig zu machen. D.h. jede Entscheidung wird durch eine Kampagne vorbereitet und neue politische Initiativen treten als Kampagnen auf und die Beraterbranche und die PR-Agenturen drängt natürlich hier sehr stark aufn Markt und will ihr Instrumentarium und ihr Know How verkaufen. Wohin das führen kann sieht man auch in Italien mit Forza Italia von Berlusconi, das ist ´ne Gründung durch eine PR-Kampagne, also durch eine PR-Agentur, dort wurde das politische Personal rekrutiert“.

Sprecher:
Die Zahl der Public Relation Profis wächst. Und damit deren Einflussnahme auf Journalisten und redaktionelle Inhalte. Nach Angaben des Leipziger Journalismus-Professors Michael Haller stehen Deutschland 30 000 Politik- und Wirtschaftsjournalisten 15 000 bis 18 000 PR-Leuten gegenüber. In den USA hat sich das Verhältnis schon zugunsten der PR-Branche umgekehrt. Dort beruhen mittlerweile mindestens 40 % der Informationen einer Tageszeitung nicht mehr auf eigener Recherche, sondern gehen zurück auf mediengerecht aufbereitete Informationen, auf Erklärungen, Pressemeldungen und Anzeigen von Anbietern, die ein Eigeninteresse mit diesem Material verfolgen.

Regie: Brian Eno, schon unter Sprechertext