Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenland
  2. Die Folterpraktiken der USA und ihrer Verbündeten: Brutal und schockierend
  3. Ukraine-Konflikt: Merkel und Gabriel machen Putin ein Angebot
  4. EZB
  5. Das Märchen vom Fachkräftemangel: Sparkasse schließt Standorte im Westen und verlagert nach Osten
  6. Österreich: “Vorläufige Anwendung” von TTIP soll Nationalrat entmachten
  7. Exporte nach Russland um sechs Milliarden Euro gesunken
  8. Alptraum für Hauskäufer
  9. Werkvertragsarbeitern geht es kaum besser
  10. Gastbeitrag James Kirchick – Oliver Stone schmeißt sich an einen Diktator heran
  11. Schicken Sie die Soldaten nach Hause, Herr Kardinal!
  12. Whistleblower Bill Binney erhält Sam Adams Award
  13. Chaos Computer Club fordert Verbot von unverschlüsselter Datenübertragung
  14. Die neuen Mauern von Kairo
  15. Schwarz-grüner Schlafwagen?
  16. Nach Charlie versteht Frankreich keinen Spaß mehr

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenland
    1. Tsipras ante portas
      In letzten Umfragen konnte die Linksopposition ihren Vorsprung auf die konservative Regierungspartei von Ministerpräsident Antonis Samaras deutlich ausbauen: Laut einer am Mittwoch (21. 1.) veröffentlichten Erfassung käme die Linkspartei Syriza auf 32,1 Prozent der Stimmen, während die Konservativen bei 27,1 Prozent stagnieren und kleinere Parteien an Boden verlieren. Unter Journalisten wird spekuliert, Syriza käme nahe an eine absolute Mehrheit im Parlament, sollte sich dieser Trend fortsetzen. Selbst bei einem geringen Vorsprung würde Syriza im Fall eines Wahlsiegs von einem Trick profitieren, den sich 2004 die damals regierenden Sozialisten ausgedacht haben – ausgerechnet um den Aufstieg von Syriza und anderen, aus ihrer Sicht radikalen Kräften zu verhindern: Laut geltendem Wahlrecht bekommt der Wahlsieger einen Bonus von 50 Sitzen im 300-köpfigen Athener Parlament, während die übrigen 250 Sitze prozentual verteilt werden.
      Quelle: taz

      dazu: Hauptsache, anders
      Viele Menschen erhoffen sich von den Wahlen vor allem eine Veränderung. Aber den einen gilt das Linksbündnis Syriza als letzte Hoffnung, den anderen als Gefahr. Unterwegs auf den Straßen von Athen.
      Quelle: taz

    2. Liebe Griechen, liebe Griechinnen
      Am Sonntag, den 25. Januar, steht die wichtigste Wahl für Europa in diesem Jahr an. Sie, liebe Griechinnen und Griechen, entscheiden über die Zukunft Ihres Landes. Ich weiß, dass es anmaßend ist, Ihnen als Fremder eine Wahlempfehlung zu geben. Das ist zunächst Ihre ureigene Entscheidung, frei und geheim.
      Trotzdem sind wir inzwischen eine europäische Familie. Von Ihrer Wahl hängt nicht nur das Schicksal Griechenlands, sondern auch die Zukunft Europas ab. Wird Ihr Land die Auflagen der Kreditgeber erfüllen oder nicht? Wird Griechenland im Euro bleiben oder nicht? Wird der griechische Staat seine Schulden bedienen oder nicht? Die Deutschen halten 65 Milliarden Euro der griechischen Kredite, also rund ein Fünftel. Das ist mehr als jedes andere Land. Wir haben ein Interesse, dass Sie die richtige Wahl treffen. …
      Quelle: Rheinische Post

      Anmerkung unseres Lesers D.V.: Was soll man dazu noch sagen…erneut der plumpe Versuch einer Einmischung in demokratische Wahlen. Ich wüsste gerne, wer so etwas in Auftrag gibt. Der Artikel wurde als “Meinung” gekennzeichnet, es handelt sich aber um einen politischen Aufruf, zumal noch zunächst auf Griechisch. “Meinung” ist evtl. präventiv günstig, so entfalten nämlich Beschwerden beim Dt. Presserat gleich weniger Eindruck. Glücklicherweise gibt es nicht einen Griechen, der sich so plump beeindrucken ließe!

    3. Konfusion von links bis rechts: Was soll Griechenland tun?
      Vor der Wahl in Griechenland haben deutsche Ökonomen sehr unterschiedliche Ratschläge gegeben, wie Griechenland aus seiner ökonomischen und politischen Krise herausfinden könne. Auf zwei diametral entgegengesetzte Positionen will ich näher eingehen, weil sie zeigen, woran eine Lösung scheitert: am Mangel an Logik.
      Hans-Werner Sinn macht sich für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone (einschließlich eines dann unabdingbaren Schuldenschnitts) stark mit dem Argument, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sei nicht innerhalb des Eurosystems wiederherstellbar. Denn die interne Abwertung durch die Sparprogramme sei gescheitert. Gegenüber dem Handelsblatt gibt er als Beleg für die nach wie vor mangelnde Wettbewerbsfähigkeit an, die griechischen Löhne seien doppelt so hoch wie die polnischen. Griechenlands Wirtschaft wieder auf die Beine zu stellen erfordere daher eine eigene Währung, die stark abwerten müsse.
      Rudolf Hickel hingegen warnt vor einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Er plädiert zwar genau wie Hans-Werner Sinn für einen Schuldenschnitt und sieht ebenfalls, dass das Land seine internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken muss. Nur schlägt er dafür einen zu Sinns Vorschlag konträren Weg vor: „massiver Schuldenschnitt sowie Finanzhilfen zum Aufbau der Wirtschaft“. Er hat bei seiner Warnung nicht nur die Domino-Wirkungen eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone auf andere Staaten der Währungsunion vor Augen (eine Gefahr, die ich genau so sehe), sondern er hält auch nichts von dem Argument „marktfundamentalistischer Ökonomen“, Griechenland könne seine Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertung wiederherstellen.
      Quelle: Flassbeck Economics

      Anmerkung AM: Aus diesem Text von Heiner Flassbeck wird deutlich:

      • Wie verschieden und wie fragwürdig die Analysen der Eurokrise und der Vorschläge deutscher Ökonomen sind, im konkreten Fall von Hans-Werner Sinn und Rudolf Hickel.
      • Wie langfristig angelegt die Fehlentwicklungen der Volkswirtschaften, ihrer Lohnstückkosten und ihrer Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone sind. Wenn man wie Flassbeck (und ich) schon vor über zehn Jahren auf diese Gefahren hingewiesen hat, kommt man sich heute ziemlich blöde vor.
      • Wie langfristig man jetzt denken muss, wenn man den richtigen Weg zur Verbesserung der Situation einschlagen will.
  2. Die Folterpraktiken der USA und ihrer Verbündeten: Brutal und schockierend
    Am Montag ist der Bericht zu den Folterpraktiken der CIA auch in einer deutschen Übersetzung erschienen. Ein schockierendes Dokument von historischer Dimension. Herausgegeben vom ehemaligen Bundesrichter Wolfgang Neskovic.
    Die deutsche Übersetzung liefert im Vergleich zu Erstveröffentlichung in den USA neue Details zu Art und Ausmaß der Folterungen durch den amerikanischen Geheimdienst und erzählt detailliert die CIA-Folterpraxis. Zusätzlich besonders erschreckend ist die erfolgte Privatisierung der Folter. Die USA zahlten zig Millionen für private Folterknechte. Ebenfalls unerträglich: Die Duldung von geheimen Foltergefängnissen auf europäischem Boden. Da in den USA keine strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen zu erwarten sind, fordert u.a. Amnesty International die Europäer auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und die Täter zu verfolgen.
    Quelle: WDR3
  3. Ukraine-Konflikt: Merkel und Gabriel machen Putin ein Angebot
    Die Bundesregierung hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein verstecktes Angebot unterbreitet, um den Ukraine-Konflikt zu lösen. Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel bringen einen gemeinsamen Handelsraum von Russland und Europa ins Spiel. Das hatte der russische Präsident Putin bereits vor ein paar Jahren angeregt. Eine umfassende Friedenslösung in der Ukraine ist für die Bundesregierung aber eine Voraussetzung für dieses Angebot.
    Wirtschaftsminister Gabriel verteidigte erneut die Verhandlungen mit den USA über das Freihandelsabkommen TTIP. Wenn die EU nicht mit den USA gute Standards heraushandele, würden die Amerikaner mit den Asiaten festlegen, nach welchen Regeln und Normen der weltweite Handel läuft. “Das ist vielleicht die letzte Chance für Europa, Standards zu beeinflussen”, sagte Gabriel. Den Streit um die Schiedsgerichte hält er für lösbar. Gabriel präsentierte keine Lösung, sagte aber: “Wir können Menschen zum Mond fliegen – also können wir auch die Frage der Schiedsgerichte lösen.” Gabriel sieht die Politik in der Pflicht, den Menschen besser zu erklären, um was es eigentlich geht. “Vielleicht ist die Debatte in Deutschland manchmal schwieriger als in anderen Ländern, weil wir ein Land sind, das reich und hysterisch ist”, sagte er. “Diese Kombination ist manchmal schwierig.”
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Geschwätz aus Davos. Natürlich kann man das Angebot der deutschen Regierung auch als einen hoch raffinierten diplomatischen Wink interpretieren: Wir wollen wieder ins Gespräch kommen. Nur, was soll das? Beim Treffen in Berlin zur Ukraine hätten Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein Kollege aus Frankreich ausreichen Gelegenheit gehabt, direkt mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow solche Vorschläge zu diskutieren.
    Und natürlich hätte die die EU schon längst die Gelegenheit gehabt, Putins Vorschlag – zwei Jahre nach Ausbruch der großen Krise – aufzugreifen. Wahrscheinlich hätten wir uns in solchen Verhandlungen besser kennengelernt, wären die jeweiligen Interessen klarer zutage getreten. Es wäre höchstwahrscheinlich zur heutigen Krise erst gar nicht gekommen: Auszüge aus seinem Beitrag für die SZ:

    “… Die Krise machte es vielfach notwendig, Neubewertungen vorzunehmen, Risiken zu erwägen und die weitere Entwicklung durchzudenken, deren Grundlage nicht von virtuellen, sondern von realen Werten gebildet werden soll. … Und so schlagen wir vor, diese Zukunft durch die Partnerschaft zwischen Russland und der EU gemeinsam zu gestalten. Damit könnten wir unser Anrecht auf Erfolg und beste Wettbewerbsfähigkeit in der modernen Welt gemeinsam geltend machen. Man soll es offen zugeben: Sowohl Russland als auch die EU erwiesen sich wirtschaftlich als recht anfällig. Dies wurde uns mit aller Deutlichkeit durch die Krise vor Augen geführt. Russland ist nach wie vor auf die Rohstoffkonjunktur stark angewiesen. Die Europäische Union erntet die Früchte ihrer langjährigen Deindustrialisierung und ist mit der realen Gefahr der Abschwächung ihrer Positionen auf den Märkten der Industrie und der Hochtechnologiegüter konfrontiert. … Es sei hinzugefügt, dass insgesamt der heutige Stand der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU den Herausforderungen, welchen wir gegenüberstehen, eindeutig nicht entspricht. Um die Situation zu wenden, müssen wir die sowohl in Russland als auch in der EU vorhandenen realen Vorteile und Möglichkeiten nutzen. Dadurch könnte eine fürwahr harmonische Synthese der beiden Wirtschaften bewirkt werden – einer klassischen und bewährten in der EU und einer neuen und aufstrebenden in Russland, denen einander gut ergänzende Wachstumsfaktoren eigen sind.
    Erstens: die Gestaltung einer harmonischen Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok. In Zukunft kämen eventuell auch eine Freihandelszone, gar noch fortgeschrittenere wirtschaftliche Integrationsformen in Frage. …”

    Leider beharrt die Bundesregierung immer noch auf die Rückgabe der Krim. Man könnte dies auch als rhetorische Geste gegenüber osteuropäischen Staaten wie den baltischen Ländern verstehen. Nur sollten die Ängste Osteuropas nicht eine Realpolitik im Interesse Gesamteuropas und gerade Deutschlands bestimmen. Die deutsche Außenpolitik sollte sich endlich darauf einrichten, dass die Krim russisch bleibt. Wladimir Putin kann bei Strafe seines Sturzes nicht mehr hinter diese Position zurück. Und möchte der Westen es tatsächlich lieber mit einem Nachfolger zu tun haben, der weitaus mehr darauf angewiesen sein würde, radikal nationalistisch aufzutreten?
    Leider hat Wirtschaftsminister Gabriel, der bisher kaum durch ökonomische Kompetenz aufgefallen ist, die Gelegenheit in Davos genutzt, sein eigenes Land als “reich und hysterisch” zu beschimpfen. Deswegen verstünden wir TTIP nicht. Deutschland mag zwar relativ zu Indien u.a. reich sein, aber ein Sozialdemokrat sollte eigentlich wissen, wohin der Trend seit Jahren geht: Anstieg der Armut, Absinken der Masseneinkommen, Konzentration des Wohlstandes auf wenige. Und dann diese Drohung: Wenn die EU nicht mit den USA gute Standards heraushandele, würden die Amerikaner mit den Asiaten festlegen, nach welchen Regeln und Normen der weltweite Handel läuft. Der Wirtschaftsminister sollte eigentlich genügend Kompetenz in seinem Stall haben, um sich dahingehend informieren zu lassen, dass China bisher davon gelebt hat, genau diese Regeln zu unterlaufen. Die Firmen des Globus lassen sich das nur bieten, weil sie so “geil” darauf sind, auf diesem Markt vertreten zu sein.

  4. EZB
    1. Quantitative Easing der EZB ist ohne zusätzliche Staatsausgaben wirkungslos
      Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im Frühjahr eine drastische Kursänderung eingeleitet hat, vergeht beinahe kein Monat, in dem nicht eine neue geldpolitische Maßnahme zur Bekämpfung der schwachen Konjunktur verlautbart wird. Obwohl der im Juli beschlossene Ankauf verbriefter Kredite gerade erst begonnen hat, wurde nun gestern angekündigt, in großem Ausmaß Staatsanleihen zu kaufen („Quantitative Easing“). Diese Maßnahme wird jedoch weitgehend wirkungslos bleiben, wenn sie nicht mit einer Ausweitung der staatlichen Ausgaben kombiniert wird.
      Zunächst einmal verdient die EZB ein gewisses Maß an Anerkennung. Als einzige EU-Institution scheint sie die Krise tatsächlich ernst zu nehmen und entschlossen zu sein, dagegen zu handeln. Sie stellt damit einen wohltuenden Gegensatz zur EU-Kommission und den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten dar, die weiter an der Einhaltung der Fiskalregeln festhalten und sich darauf beschränken Strukturreformen einzumahnen. Während letztere unbeirrt von der schwachen Konjunktur in unregelmäßigem Abstand Erfolgsmeldungen verkünden, legt die EZB (spät aber doch) ihre Scheuklappen ab und greift zu bisher kaum denkbaren Maßnahmen.
      Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
    2. Anleihekäufe der EZB für Dummies
      Wozu sie dienen, wie sie funktionieren, wer profitiert – einfach erklärt. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat heute beschlossen, für mindestens 1,1 Billionen Euro, das sind 1100 Mrd Euro oder über 3000 Euro pro Bürger der Währungsunion zu “drucken”, um damit Staatsanleihen und ein paar andere Wertpapiere zu kaufen. Das Risiko eines Anleiheausfalls soll in den einzelnen Ländern bleiben.
      Quelle: Norbert Häring
    3. Zentralbankchef Draghi ist machtlos
      Dass die Europäische Zentralbank eine Billion Euro in die Wirtschaft pumpen will, wird nicht viel bringen, meint der Volkswirt Dirk Ehnts: ” … Es wäre besser, wenn die EZB die Staatsanleihen zentral aufkaufen würde. Das regionale Vorgehen wird dazu führen, dass die langfristigen Zinsen in den einzelnen Staaten unterschiedlich hoch sind. In stabilen Ländern wie Deutschland wären die Zinsen dann extrem niedrig – während Krisenländer wie Spanien oder Portugal höhere Zinsen hätten. … Eine Währungsunion funktioniert nur, wenn alle Länder ähnliche Zinsen haben. Sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen. Ein italienisches Unternehmen, das genauso gesund und profitabel wie eine deutsche Firma ist, muss derzeit höhere Zinsen zahlen – nur weil es in Italien sitzt. Also hat es höhere Kosten als der deutsche Betrieb, obwohl die Produkte genauso gut sind. Dies führt in einen Teufelskreis: Die Krisenländer werden weiter in die Krise getrieben, weil ihre Zinsen höher sind. … Der Effekt wird verpuffen. Die Banken haben dann zwar mehr Geld, aber sie bleiben darauf sitzen. Denn es will niemand einen Kredit aufnehmen. Warum sollte ein Unternehmen investieren, wenn der Absatz stagniert? Die Geldpolitik der EZB ist zwar richtig, aber trotzdem an ihrem Ende angekommen. Draghi ist machtlos. … Die Eurozone muss ein großes Konjunkturpaket auflegen. Wenn die Firmen nicht investieren, muss es der Staat tun. Man muss dafür sorgen, dass die Nachfrage steigt und die Arbeitslosenquote sinkt.”
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Die Hoffnung von Dirk Ehnts hat sich nicht erfüllt. Nur 20 Prozent der Anleihen werden zentral durch die EZB aufgekauft. Auf die Frage, ob Deutschland nicht haften müsste, falls ein Krisenland pleiteginge, antwortet Ehnts: “Das ist falsch gedacht. Der deutsche Steuerzahler muss nicht haften. Es wird kein Land pleitegehen, wenn die EZB wie eine normale Notenbank handeln darf. Nehmen wir an, Portugal könnte seine Staatsanleihen nicht mehr bedienen, dann würde die EZB diese Papiere zum Nennwert aufkaufen – und das Ausfallrisiko wäre gleich null.” Eine dann drohende Inflation wäre nur zu begrüßen – das sei ja das Ziel. Ja, die EZB könnte – siehe heute morgen die Links von Jens Berger zu 1c).
      Den Disinflationsprozess wirklich aufhalten können nur zusätzliche, staatliche Investitionsprogramme. Das fragwürdige junckersche Investitionspaket reicht nicht aus. Deflation in der Eurozone ist nur ein Symptom bzw. die Folge mangelnder Nachfrage, welche durch die Kürzungsprogramme der hinter der Troika stehenden Institutionen, EU-Kommission, IWF und EZB einbrechen musste. In diesem Zusammenhang ist es äußerst fragwürdig – wie durch Draghi auch jetzt wieder – Strukturreformen zu beschwören. Es ist widersinnig gleichzeitig Investitionen und Kürzungen, worauf diese Strukturreformen letztlich immer hinauslaufen, einzufordern. (Zurzeit ist häufig zu hören, dass die Inflation aufgrund des Absinkens des Ölpreises gesunken sei. Aber selbst wenn man diesen Preisrutsch herausrechnet, sinkt die Inflation.) – Es steht zu befürchten, dass die EZB mit ihren Billionenkäufen eher Blasen an Finanz- und Immobilienmärkten produzieren wird, als die Euro-Volkswirtschaften auf Wachstumskurs zu bringen. Die Chance, dass die oberste Einkommensklasse durch den gestiegenen Wert von Wertpapieren und Immobilien soviel mehr konsumieren, dass dies volkswirtschaftlich relevant würde, ist gering. Gering ist auch die Chance, dass die Banken schneller Kredite vergeben würden, wenn sie durch den Verkauf von Anleihen an die EZB mehr Guthaben bei der Notenbank haben. Denn die Wirtschaftsbedingungen sind zurzeit nicht so, dass Private auf mehr Einkommen und Absatz hoffen dürfen und die Banken kreditwürdige Kunden zu Hauf ausmachen.
      Sind die Maßnahmen der EZB sind den Versuch wert? Ich weiß es nicht. Sollten die erhofften Wirkungskanäle funktioniern, so wäre dies schön, aber wahrscheinlich nicht ausreichend. Funktionieren sie nicht, wächst die Gefahr von Blasenbildungen an den Vermögensmärkten. – Wie ein Artikel der NZZ zeigt, freuen sich die Banker, Ökonomen tun sich schwerer.

  5. Das Märchen vom Fachkräftemangel: Sparkasse schließt Standorte im Westen und verlagert nach Osten
    Aus “Kostengründen” – so geht aus der Berichterstattung im Fall des Callcenter-Betreibers S-Direkt hervor (MZ vom 3.5.2014) – , plante die Sparkasse zum Jahresende 2014 zwei Callcenter im Westen (Standorte: Laatzen und Karlsruhe) mit insgesamt 80 Mitarbeitern dicht zu machen und dafür 60 Leute nach Halle an die Saale lotsen, wo die Löhne paradiesisch niedrig zu sein scheinen.
    Das dumme ist nur: Die Wessis wollen lieber nicht in den Osten und dort wiederum findet sich kein geeignetes Personal. Die Zwangsumsiedler aus dem Westen sollten sogar mit einer Umzugsprämie von 5.000 Euro geködert werden, da in Halle laut lokaler Presse “Fachkräftemangel” herrsche. Neben dieser Prämie legt sich S-Direkt nach Angaben von Geschäftsführer Thomas Henkel mächtig ins Zeug, um die Arbeiter aus dem Westen anzulocken. Laut MZ sollen die Umworbenen mit einem umfangreichen Aktionspaket Gefallen an Halle finden: So hat die Stadtverwaltung laut Henkel angeboten, eine Stadtführung zu organisieren. ‘Noch im März werden wir die betreffenden Mitarbeiter mit einem Bus abholen und ihnen in Halle ihren potenziellen neuen Arbeitsort, die Stadt und deren Kulturstätten zeigen’, so Henkel. Wer sich für Halle entscheiden sollte, könne zudem mit Hilfe bei der Wohnungs- und Kita-Suche, mit Nahverkehrs-Zuschüssen, mit Restaurant-Rabattkarten und – falls ein Mitarbeiter zunächst pendeln möchte – ein Jahr lang mit Übernahme der Fahrtkosten rechnen. Henkel: ‘Wie das angenommen wird, werden wir sehen.”
    Quelle: Arbeitsunrecht
  6. Österreich: “Vorläufige Anwendung” von TTIP soll Nationalrat entmachten
    Greenpeace-Kritik an Plänen von Handelskommissarin Cecilia Malmström
    Eine Analyse der Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ergeben, dass die Europäische Kommission die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten beim Abschluss von TTIP und CETA übergehen will. Denn obwohl die EU-Kommission bereits versichert hat, dass die umstrittenen Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (CETA) von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden müssen, plant Handelskommissarin Cecilia Malmström eine Umgehung dieser Regel. Mit einer sogenannten “vorläufigen Anwendung” der Abkommen sollen völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen werden, bevor deren Ratifizierung abgeschlossen ist. Die Greenpeace-Analyse des fertig verhandelten CETA-Textes zeigt, dass das heftig umstrittene Investor-State Dispute Settlement (ISDS) bereits vor einer Abstimmung in den nationalen Parlamenten in Kraft treten soll. Dadurch würden Investoren für mindestens drei Jahre ein Klagerecht gegen Österreich erhalten, selbst wenn der Nationalrat die Ratifizierung des Abkommens verhindert. Ein Vertreter der EU-Kommission bestätigte bei einem Hintergrundgespräch in Wien am Dienstag gegenüber Greenpeace, dass die Kommission auch bei TTIP eine “vorläufige Anwendung” vorschlagen will.
    Quelle: APA OTS
  7. Exporte nach Russland um sechs Milliarden Euro gesunken
    Die anhaltenden Sanktionen gegen Russland machen der deutschen Wirtschaft schwer zu schaffen. 2014 seien den jüngsten Zahlen zufolge die deutschen Exporte nach Russland “um 18 Prozent oder umgerechnet mehr als sechs Milliarden Euro gesunken”, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, auf Anfrage unserer Redaktion
    Quelle: Rheinische Post
  8. Alptraum für Hauskäufer
    Entkopplung des Franken vom Euro verteuert in vielen Staaten »Fremdwährungskredite«. Die Situation ist in den meisten ost- und südosteuropäischen Staaten ähnlich: Viele Menschen haben Kredite aufgenommen, die nicht in der Landeswährung sondern in ausländischen Devisen wie Euro, US-Dollar oder Schweizer Franken ausgegeben wurden. Auch weil größere Kredite oft gar nicht in der eigenen Währung zu bekommen oder die dafür anfallenden Zinsen viel zu hoch sind. Der Franken galt dagegen als billige und stabile Alternative. Vermeintliche Vorteile, die seit dem vergangenen Donnerstag nicht mehr bestehen. Finanziert wurden mit solchen Darlehen vor allem Wohnungen und Häuser. So wurden 92 Prozent der Franken-Kredite in Kroatien dazu verwendet, in Serbien ist die Zahl noch höher. Das Risiko einer solchen Finanzierung ergibt sich daraus, dass Löhne und Gehälter in den jeweiligen Landeswährungen bezahlt werden, was die Rückzahlungsraten von den aktuellen Wechselkursen abhängig macht.
    In Kroatien gibt es laut »Franak«, einem Zusammenschluss von Menschen, die sich in Schweizer Franken verschuldet haben, rund 60.000 Kredite in dieser Währung mit einem Gesamtvolumen von rund 3,1 Milliarden Euro. Das sind über ein Drittel der privaten Kredite in dem Land. Laut »Franak« hängen 200.000 bis 300.000 Menschen davon ab. Mit dem Kursanstieg am Donnerstag haben sich ihre Raten innerhalb von Stunden um über 15 Prozent verteuert ein Sprung, den nur wenige verkraften können.
    Quelle: junge Welt
  9. Werkvertragsarbeitern geht es kaum besser
    Der Tod zweier rumänischer Schweißer, die über einen Subunternehmer bei der Papenburger Meyer Werft beschäftigt waren, hat im Sommer 2013 für eine bundesweite Diskussion gesorgt. Die Männer waren bei einem Brand in einer Unterkunft für Werkarbeiter der Werft ums Leben gekommen. Nun, gut eineinhalb Jahre nach dem Unglück, haben sich die Arbeits- und Lebensbedingungen osteuropäischer Werkvertragsarbeiter in Niedersachsen kaum geändert. Das berichtet zumindest der Oldenburger Verein Arbeit und Leben, der sich wie andere Beratungsstellen um die Belange von Werkarbeitern im Land kümmert. Die Probleme seien nach wie vor groß, erklärte Projektleiter Bernd Bischoff. “Wir haben immer mehr aktuelle Fälle.” Probleme gibt es Bischoff zufolge auch in der Fleischindustrie und Metallbranche. Heute machen sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und ihr niedersächsischer Amtskollege Olaf Lies (beide SPD) in Papenburg ein Bild von der Lage der Werkarbeiter.
    Quelle: NDR
  10. Gastbeitrag James Kirchick – Oliver Stone schmeißt sich an einen Diktator heran
    Die Versuche des Hollywood-Regisseurs, sich bei Wladimir Putin einzuschmeicheln, sind feige, unehrlich und respektlos gegenüber den Ukrainern, die im Kampf gegen Russland gestorben sind.
    Wer braucht noch Russia Today, wenn er Oliver Stone haben kann?
    Diese Frage könnte sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit Blick auf den jüngsten Vorstoß des Regisseurs in das antiamerikanische Verschwörungsgenre gestellt haben. „Entschuldigt meine Abwesenheit in den vergangenen Wochen“, schrieb Stone unlängst auf seiner Facebook-Seite, im angemessen orakelnden Ton für die halbgaren Verlautbarungen, die folgen sollten. Stone war vor Kurzem von einem Ausflug nach Moskau zurückgekehrt, wo er ein vierstündiges Interview mit Viktor Janukowitsch aufgezeichnet hatte, dem früheren Präsidenten der Ukraine, der nach Russland geflohen war, nachdem seine Sicherheitskräfte mehr als 100 Demonstranten umgebracht hatten, als sie im vergangenen Februar gegen seine korrupte Herrschaft demonstrierten. Moskaus anschließende Annektion der Krim und die noch andauernde Invasion in der Ostukraine brachten die Spannungen zwischen Ost und West wieder auf ein Niveau, das man seit dem Kalten Krieg nicht mehr kannte.
    Stone interviewte Janukowitsch für „eine englischsprachige Dokumentation, die von Ukrainern produziert wird“, und mit der er zweifelsohne Putin beeindrucken will. Im November hatte Stone verkündet, dass er gerne einen Film über den russischen starken Mann machen möchte, der „für Ansichten steht, die Amerikaner sonst nicht zu hören bekommen“. Eine solche Hommage würde das Triple schmeichelnder Porträts von verbrecherischen Autokraten vervollständigen – frühere Werke beschäftigen sich mit Fidel Castro und Hugo Chávez.
    Wenn man versteht, dass es Stones endgültiges Ziel ist, Putins Kooperation für sein nächstes Projekt zu erhalten, erklärt sich auch das Gefasel des Regisseurs auf seiner Social-Media-Präsenz. Über einem Foto, auf dem er selbst neben Janukowitsch lacht, erklärt er, dass sein Gesprächspartner „der legitime Präsident der Ukraine war, bis er es plötzlich am 22. Februar nicht mehr war“.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung CR: Die “FAZ” scheint zurück in den Kalten Krieg kehren zu wollen. Wie sonst soll der Abdruck dieses Gastbeitrages zu verstehen sein?
    Unter dem Text ist über den Verfasser zu lesen: “James Kirchick ist Mitglied der Außenpolitischen Initiative in Washington.”
    “Die Foreign Policy Initiative (FPI) ist ein neokonservativer[1] Think Tank mit Sitz in Washington, D.C., gegründet 2009 durch Bill Kristol, Dan Senor und Robert Kagan.”, so hier nachlesbar: Foreign Policy Initiative.

    Anmerkung unseres Lesers B.W.: Eigentlich müsste man nach der Lektüre der ersten Zeilen bereits wutentbrannt abbrechen, denn auch hier wird schamlos der vermeintliche Freiheitskampf der Ukrainer zu einem Krieg gegen Russland erhöht. Interessant auch, dass der Autor angeblich genau weiß, wer die Demonstranten in Kiew auf dem Gewissen hat (natürlich Janukowitsch), da ein Freund unumstößliche Beweise hat, die die Polizisten beim Vorbereiten auf ihren Einsatz zeigen. Richtig gehend absurd wird es aber, als er bei der Frage “Cui Bono” die USA als möglichen Interessenten an einer Destabilisierung der Ukraine in allen Punkten freispricht.

  11. Schicken Sie die Soldaten nach Hause, Herr Kardinal!
    Wie jedes Jahr im Januar wird heute im Dom der internationale Soldatengottesdienst gefeiert:
    Der Katholisch Leitende Militärdekan lädt dazu ein und bittet den Erzbischof von Köln, Herrn Kardinal Woelki, diesen Gottesdienst zu feiern.
    In einem Brief bat ich Kardinal Woelki, mir zu erklären, warum ein Christ überhaupt Soldaten in ihrem Tun unterstützt. Im zivilen Leben ist das Töten von Menschen – leider noch nicht von Tieren – ein absolutes Tabu. Jeder Militärseelsorger und auch der Kardinal überschreitet diese Tabugrenze und folgt der Logik der Gewalt, statt der Logik der Liebe. Wer Soldaten segnet, erleichtert ihr Gewissen und sorgt dafür, dass Kriege weiterhin gerechtfertigt werden können.
    Kriege gibt es seit tausenden von Jahren. Haben sie der Menschheit je geholfen, friedlicher zu werden? Mein Vater war Soldat der Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Er hat andere Menschen getötet! Wofür?
    Nach dem 1. Weltkrieg lautete die Antwort auf diese Frage „wofür“ – „für ein goldenes Scheißhaus von Krupp.“
    Heute erklärt uns der Oberhirte der Katholischen Christenheit in deutlichen Worten Ähnliches. Papst Franziskus sagte: „Wir stecken mitten im 3. Weltkrieg, allerdings in einem Krieg in Raten. Es gibt Wirtschaftssysteme, die, um überleben zu können, Krieg führen müssen.“
    Dieses Wirtschaftssystem ist der Kapitalismus. Das Kapital geht über Leichen. „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich, wie die Wolke den Regen.“ sagte Jean Jaurès.
    Quelle: Paula Keller [PDF]
  12. Whistleblower Bill Binney erhält Sam Adams Award
    Vormaliger technischer Direktor der NSA warnt vor totalitärem Geheimdienst
    Einen Steinwurf entfernt von der US-Botschaft in Berlin trafen sich am Donnerstagabend “Unter den Linden” etliche Ex-Geheimdienstler zur jährlichen Verleihung des nach dem CIA-Analysten benannten Sam Adams benannten Whistleblowerpreises. Adams war 1968 während des Vietnamkriegs an die Öffentlichkeit gegangen, die von der US-Regierung belogen wurde. Dieses Jahr wurde die Auszeichnung an William Binney vergeben, einem der Architekten der NSA, der jedoch die massiven Eingriffe in die Bürgerrechte nach 2001 nicht mehr mittragen wollte.
    Der Mathematiker William Binney arbeitete 36 Jahre lang für die NSA und fungierte zuletzt als deren technischer Direktor. Als der Geheimdienst während der Bush-Ära begann, massenhaft die eigene Bevölkerung zu überwachen und auch Daten etwa von US-Justizbehörden abgriff, erinnerte dies Binney an totalitäre politische Systeme, gegen die der Dienst einst geschaffen worden war.
    Binney, der die NSA insoweit mit dem KGB verglich, verließ die den übermächtigen Geheimdienst, um die Regierung von der massenhaften Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der US-Bevölkerung abzubringen. Seine Versuche, den Kongress und die Bundesanwaltschaft zu warnen, resultierten 2006 in einer Festnahme durch das FBI.
    Die Verhaftung grenzte an Realsastire, denn wegen der Geheimhaltung durften die FBI-Agenten nicht wissen, wessen genau Binney beschuldigt wurde, während der Festgenommene zwar über Taten von Bush, Cheney und den damaligen NSA-Chef Hayden aussagen konnte, aber nicht durfte, weil den FBI-Agenten die zur Geheimhaltung erforderliche Clearance fehlte. Die jedoch besaß Binneys Kollege Thomas Drake.
    Quelle: Markus Kompa auf Telepolis
  13. Chaos Computer Club fordert Verbot von unverschlüsselter Datenübertragung
    Nach dem Vorschlag von Politikern, Dienste zu verbieten, die verschlüsselte Kommunikation nutzen – beispielsweise WhatsApp oder AppleiMessage – hat der Chaos Computer Club (CCC) nun mit einer entsprechenden Gegenforderung reagiert. Unverschlüsselte Kommunikation müsse strikt verboten werden, verlangt der CCC.
    Quelle: T-Online

    dazu: CCC fordert Ausstieg aus unverschlüsselter Kommunikation
    Ganz im Gegensatz zu dem von militärischen und politischen Akteuren losgetretenen Kampf gegen Verschlüsselung und für mehr Überwachung setzt sich der Chaos Computer Club (CCC) für zukunftssichere Technologien ein und fordert daher ein Verbot unverschlüsselter Kommunikation.
    Aus blanker Angst vor technischen Einschränkungen der Möglichkeiten von Ermittlern und Hackern im Staatsdienst haben sich Politiker für ein faktisches Verbot effektiver Kryptographie ausgesprochen – allen voran der britische Premierminister David Cameron und EU-“Anti-Terror-Koordinator” Gilles de Kerchove. Ziel sei es, “Bedarfsträgern” jederzeit vollen Zugriff auf digitale Kommunikation zu gewähren. Daß dabei notgedrungen das Rad der technischen Evolution auf das Niveau von Windows 3.1 zurückgedreht werden muß, nehmen sie entweder in Kauf oder ist ihnen noch nicht erklärt worden.
    Wenig überraschend gibt es kaum konkrete Aussagen, wie das Krypto-Verbot umgesetzt werden soll. Möglicherweise wird das sogenannte Key-Escrow auf der politischen Agenda stehen, also das Hinterlegen des geheimen Schlüssels für “Bedarfsträger” an zentraler Stelle. Das birgt nicht nur Mißbrauchspotential: Man erzeugt damit auch ein lohnenswertes Angriffsziel für jeden Geheimdienst dieser Welt nebst deren Partnern oder anderen Kriminellen. Auch eine Forderung nach einer Verpflichtung der Anbieter, Hintertüren einzubauen, wäre so kurzsichtig wie kontraproduktiv.
    Quelle: CCC

  14. Die neuen Mauern von Kairo
    Die demografischen und sozioökonomischen Veränderungen der letzten 150 Jahre haben aus der Stadt ein Mumbai am Nil gemacht – eine unbehagliche und frustrierte Megalopole mit rasant wachsender Einwohnerzahl, begrenztem Platz und zerbröckelnder Infrastruktur. Die brodelnde Kairoer Innenstadt schien schon am Rande des Irrsinns, als zum Schutz der Regierungsgebäude vor Demonstranten in den letzten Jahren mehrere Straßen durch Betonmauern getrennt wurden. Einige dieser steinernen Trennwände wurden wieder entfernt, andere stehen noch oder wurden durch Metalltore ersetzt, die bei den ersten Anzeichen von Unruhe geschlossen werden können. Nirgendwo kann man das Bedürfnis nach offenem Raum und ungehemmter Bewegung stärker spüren als in einem so dicht besiedelten, engen und anarchischen Ort wie Kairo. Da Staaten gewöhnlich in ihrem Zentrum mächtiger sind als an der Peripherie, muss man Anzeichen von Furcht im Kerngebiet ihrer Macht als offizielles Eingeständnis von Schwäche und Verwundbarkeit deuten. Unter Mubarak gab es im Zentrum von Kairo keine Mauern, obwohl die Menschen dort über Jahrzehnte in Furcht vor der brutalen Sicherheitsmaschinerie des Regimes lebten. Es gab nur wenige, kleine, sporadische Demonstrationen. Die Revolution von 2011 entfesselte eine Volksbewegung, wie man sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hatte, und als der Protest immer heftiger und die Regierung immer defensiver wurde, stellte sich plötzlich die Frage: Wer hat mehr Angst – die Wachleute oder die Menschen, auf die sie mit ihren Waffen zielten? Seit der Vertreibung Mursis aus dem Amt 2013 ist der Tahrirplatz für regierungskritische Demonstrationen gesperrt. Die gesamte Umgebung des Platzes wird an kritischen Tagen mit Straßensperren und Stacheldraht abgeriegelt – jede offizielle Verlautbarung über Demokratie, Legitimität und Volkswillen wird durch die militarisierte Zone am Tahrir Lügen gestraft.
    Quelle: Le Monde diplomatique

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Artikel macht deutlich, dass der Sieg der politischen Reaktion auch eine Wiederherstellung der vorrevolutionären ökonomischen Machtverhältnisse beinhaltet. Die Reichen bauen im wahrsten Sinne des Wortes (gated communities) ihre Positionen aus, um den Rahm der ägyptischen Volkswirtschaft abzuschöpfen. Irgendeine an der Gesamtwirtschaft orientierte Politik ist nicht auszumachen.

  15. Schwarz-grüner Schlafwagen?
    Thorsten Schäfer-Gümbel, der Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD in Hessen, beklagt das Ausbleiben eines Politikwechsels. »Willkommen im schwarz-grünen Schlafwagen!«, kommentierte er sarkastisch. Ist die schwarz-grüne Koalition ein Zukunftsmodell für andere Bundesländer?
    Die auf den ersten Blick gute Nachricht: Das Statistische Landesamt Hessen erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,2% und die Arbeitsagentur sagt einen stabilen Arbeitsmarkt auf einem hohen Niveau voraus. So soll die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2,36 Mio. (Juni 2014) auf durchschnittlich 2,4 Mio. in diesem Jahr steigen, und die der Arbeitslosen im Jahresschnitt auf 181.000 sinken. (…)
    Betrachtet man den Arbeitsmarkt in Hessen jedoch genauer relativiert sich das positive Bild eines stabilen Beschäftigungsaufbaus schon auf den zweiten Blick sehr stark, denn zum einen ist vor allem die starke Konzentration der Beschäftigung auf die Finanz- und Versicherungswirtschaft, die mit sinkenden Margen zu kämpfen hat, sehr risikoreich für die Beschäftigungsentwicklung. Seit der Finanzkrise 2008 wurden in der Finanz- und Versicherungswirtschaft immerhin rund 2.800 Arbeitsplätze abgebaut. Die größeren und großen Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten in allen Branchen rechnen nach der o. g. Studie sogar mit einer stagnierenden oder in 2016 leicht rückgängigen Beschäftigung.
    Zum anderen geht die Vollzeitzeiterwerbstätigkeit in Hessen zurück. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiteten im Juni lediglich 1.719.608 (72,9%) in Vollzeit. Viele der 618.809 in Teilzeit arbeitenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wollen länger Arbeiten und gelten als »stille Reserve« für einen Vollzeit-Job.
    Quelle: Sozialismus
  16. Nach Charlie versteht Frankreich keinen Spaß mehr
    Frankreich geht gegen Terrorismus vor und trifft die Meinungsfreiheit
    Darf Satire alles? In Frankreich darf sie offenbar immer weniger. Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo gehen Behörden hart gegen jene vor, die vermeintlich “Terrorismus verherrlichen”. Im Zweifel reicht schon ein Facebook-Posting im Charlie-Stil.
    Nur auf den ersten Blick sieht das Bild aus wie ein Cover von “Charlie Hebdo”: Ein emotionslos blickender Mann versucht sich mit einer Zeitschrift vor heranfliegenden Gewehrkugeln zu schützen. Vergeblich. Dazu der Kommentar: “Charlie Hebdo ist scheiße. Es hält die Kugeln nicht auf.
    Quelle: Fabian Köhler auf Telepolis

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