Betriebsrente – vom Trugbild einer „Säule“

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Sie ist eine Selbstverständlichkeit für den, der sie hat, und etwas Unerreichbares für den Rest der ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen. Sie ist Ausdruck für Unterschiede, die das Leben halt so mit sich bringt. Wenn diese Ungleichheiten allein durch „äußere Umstände“ bewirkt sind, wird freilich gehadert. Viele Ost-RentnerInnen z.B. mit einst versprochenen Zusatzversorgungen sehen sich durch die bundesdeutsche Rentenüberleitung um etwas gebracht, was der Betriebsrente adäquat wäre.
Generell gilt die Betriebsrente den Reformpolitikern als notwendige Ergänzung der Zug um Zug von ihnen abgebauten Leistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung. Diese zusätzliche „Säule der Altersvorsorge“ sei unverzichtbar, wenn man im Alter den früheren Lebensstandard einigermaßen halten will.
Wie groß ist aber der Anteil derer, die Betriebsrenten beziehen überhaupt? Von Kurt Pittelkau, Mitglied im Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin.

Wer das herausbekommen will, wird feststellen, dass in den gängigen Informationen („klassischerweise“ arbeitgeberfinanzierte) Betriebsrenten von der betrieblichen Altersvorsorge mit oder ohne Entgeltumwandlung nicht klar unterschieden werden. Die öffentlich geförderte private Altersvorsorge nach Riester steht im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung, auch der statistischen Erfassung. Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand spricht von einer „Privilegierung der Riester-Rente“. Der Transparenz in diesem Bereich ist damit nicht gedient, wie eine Untersuchung der Arbeiterkammer Bremen zeigt.

Ich klammere hier die Problematik der Riester-Rente von Langzeitarbeitslosen und Geringverdienern aus, die derzeit so erregt debattiert wird. Zu bedenken ist aber, dass nicht nur die Riester-Rente mit einer späteren Grundsicherung verrechnet wird, sondern auch Lebensversicherungen, private Rentenpläne oder Betriebsrenten.

Laut „Capital“ (5/06) bleibt der „wirkliche Grad an Privatversicherung im Dunkeln“. Das gilt auch weiterhin. Klar war zu jener Zeit nur: 6,5 Mio Menschen haben eine Riester-Rente (heute 10 Mio – pit) und 15,7 Mio. Beschäftigte einen Betriebsrentenanspruch, darunter alle Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand resümiert die Studie „Altersvorsorge in Deutschland 2005“ (AViD), vorgestellt im vorigen November, so:

Die Rentenpolitik der letzten Jahre basierte auf der Annahme, dass die – zur Beitragsstabilität beschlossenen – Rentenkürzungen durch den Aufbau einer privaten bzw. betrieblichen Altersvorsorge individuell ausgeglichen werden können. Aber – auch wenn der Anteil der privaten bzw. Altersvorsorge zunimmt, geht diese Rechnung nicht auf.

Im Klartext: „Die AViD-Studie belegt, dass das Niveau der Altersvorsorge nur für diejenigen halbwegs konstant bleibt, die vom Zuwachs der privaten und betrieblichen Altersvorsorge profitieren können. Das sind aber bei weitem nicht alle ArbeitnehmerInnen.“ Eine DRV-Grafik zur Studie zeigt für das Ermittlungsjahr (!), dass die Zielstellung bei Personen im 65. Lebensjahr zu folgenden Anteilen erreicht war: bei 29 % der Männer und 15 % der Frauen (alte Länder bei Männern 34%/bei Frauen16%, neue Länder bei Männern 8% bei Frauen 9%).

Nach einer aktuellen Information bei „Financial Network“ sind derzeit „54 % der Versicherten in der Privatwirtschaft … ohne betriebliche Altersversorgung“. Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hat auf Anfrage in einem VdK-Forum, überschrieben „Ein Sommermärchen – hohe Betriebsrenten“ (10.7.07), angegeben, dass „knapp 50 % der Rentnerinnen und Rentner zusätzliche Einnahmen aus einer Betriebsrente haben“. Bei seiner Aussage handele sich allerdings „nur um einen Anhaltspunkt“. Halten wir fest: Zu einem ganz wichtigen Bereich der Altersvorsorge gibt es keine hieb- und stichfesten statistischen Daten. Festzuhalten ist ferner: Die Abschätzungen über die Anzahl der Empfänger von Betriebsrenten sehen nur die Hälfte der heutigen Rentner davon begünstigt.

Doch die Absenkung der gesetzlichen Rente ist schon lange im Gange! Für die andere Hälfte ist die Vorsorgelücke nicht durch Betriebsrenten geschlossen. Die „Säule“ Betriebsrente ist mindestens für die Hälfte der derzeitigen und zukünftigen Rentner eine reine Fiktion.

Sozialverbände haben die verpflichtende betriebliche Altersvorsorge gefordert und zugleich gemahnt: Ein Großteil der Arbeitnehmer könne die private Altersvorsorge nicht finanzieren. Das wurde immer wieder mit dem Hinweis auf die großzügige Förderung des Riester-Sparens beschwichtigt, dessen problematische Seiten derzeit diskutiert werden.

In der Dokumentation zur MDR-Sendung „Das Märchen vom reichen Ostrentner“ (8.1.08) lese ich, zum Unterschied vom Osten seien im Westen Betriebsrenten verbreitet. Und es wird ein Beispiel gebracht:

Ein ehemaliger Meister in einem DDR-Chemiekombinat bekommt heute rund 1.000 € Rente. In der DDR wurde ihm eine Betriebsrente zugesagt, die ihm dann 1991 gestrichen wurde. In einem vergleichbaren West-Chemiebetrieb hätte er heute mit seiner Betriebsrente insgesamt 1.800 € statt 1.000 €.

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