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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Mindestlohn zeigt kaum Wirkung
  2. Menschenwürdige Arbeit vor Profit
  3. Populismus gegen die Versicherung
  4. Die unheimliche Macht der ETF-Fonds
  5. Stiglitz rechnet mit Zerfall der Eurozone
  6. CETA stoppen statt herumtricksen
  7. EU veröffentlicht Abschiebeabkommen
  8. Zauberlehrlinge (III)
  9. Strategien zur Gewöhnung an Krieg
  10. “Brainstorming” über Gewalteindämmung in Syrien: Regierung hält eigene Bomben weiter für richtig
  11. Drohnenkrieg: Obama-Interview
  12. Kein Votum für den Krieg
  13. Geheimdienst bittet, Yahoo liefert
  14. In der Bildungsdefensive
  15. Abrechnung eines Ex-Grünen: „Sie verwalten nur das Bestehende“
  16. Die Verfassung der Linken
  17. Eine Minderheit darf Deutschland nicht hässlich machen
  18. Peer Steinbrück wird Berater der ING-DiBa

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Mindestlohn zeigt kaum Wirkung
    Nach Informationen der ZEIT hat der Mindestlohn bislang weder die Armut gesenkt, noch die Lohnungleichheit verringert. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Anfang 2015 wurde er eingeführt, um steigende Armut und Lohnungleichheit in Deutschland zu verringern. Doch der Mindestlohn ist laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bislang wirkungslos geblieben, wie DIE ZEIT berichtet. Im Gegenteil nimmt die Armut weiter zu: Galten vor der Einführung des Mindestlohns 15,4 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet, sind es jetzt 15,7 Prozent. Lässt man die Flüchtlinge beiseite und betrachtet nur die Einwohner ohne Migrationshintergrund, sind nach dem Inkrafttreten des Mindestlohns genauso viele Bürger arm wie vorher, zeigen die Zahlen.
    Die statistisch gemessene Ungleichheit der Einkommensverteilung ist ebenfalls unverändert geblieben. Sogar die Zahl der Arbeitnehmer, die ergänzend zu ihrem Lohn noch Arbeitslosengeld II beziehen, hat sich nach Angaben der ZEIT nur geringfügig verändert. Im Jahr 2014 gab es 1,18 Millionen dieser sogenannten Aufstocker, im vergangenen Jahr waren es 1,13 Millionen. Obwohl der Mindestlohn offenbar nicht ausreicht, um die Armut oder die Ungleichheit der Einkommen spürbar zu verringern, rät Joachim Möller, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, davon ab, ihn kräftig anzuheben. “Wenn man den Mindestlohn deutlich erhöht, ist zu befürchten, dass dann doch Arbeitsplätze verloren gehen. Es gibt irgendwo eine rote Linie, die man nicht überschreiten darf.”
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Man soll das nicht in Bausch und Bogen verdammen: hier und da wurden vollkommen indiskutable Stundenlöhne leicht angehoben, und es wurde der Beweis erbracht, dass die Horrorszenarien der angeblichen Wirtschaftswissenschaftler zum Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen allesamt falsch waren. Ansonsten ist dieser Mindestlohn in nicht Existenz sichernder und explizit nicht armutsverhindernder Höhe natürlich ein reines Placebo, mit dem CDU/CDU soziale Propaganda betreiben, weil sie so sozial sind, und das Gabriel benutzt hat, um die SPD-Basis in die Große Koalition zu drängen, um die gehabt neoliberale Politik verschärfen zu können. Vielleicht ist das heute schon ein sozialer Fortschritt: dass die Armut unter einer SPD-Regierung nicht zugenommen hat. (Von der *Abnahme* der Armut oder der sozialen Ungleichheit träumt ja heute keiner mehr.) Dass IAB-Chef Möller in gehabt neoklassischer Argumentation gegen eine wirksame Erhöhung der Mindestlöhne plädiert, war zu erwarten.

    dazu: Fakten zur Einkommensverteilung 2016
    Die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen in Deutschland ist größer als in vielen anderen Industriestaaten – ein Armutszeugnis für unser Land. Die Gewerkschaften haben mit Mindestlohn und Tarifabschlüssen für Reallohnsteigerungen gesorgt. Was sich sonst noch ändern und was die Politik tun muss, zeigt ein neues Faltblatt des DGB.
    Sowohl Zahl der Superreichen als auch der Einkommensschwachen wächst
    Die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen in Deutschland ist größer als in vielen anderen Industriestaaten. Die Zahl der Superreichen und ihr Vermögen nehmen stetig zu. Auf der anderen Seite wächst aber auch die Gruppe der Einkommens- und Vermögensschwächeren und die Gruppe, die von Armut bedroht ist – und das trotz guter wirtschaftlicher Lage und eines robusten Arbeitsmarktes. Umfragen zeigen, dass der Großteil der Bevölkerung die Verteilung der Einkommen und Vermögen als ungerecht empfindet. Zu Recht. Deutschland hat mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, der Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen und der Förderung von Branchenmindestlöhnen eine arbeitsmarktpolitische Neuordnung eingeschlagen.Zudem haben Gewerkschaften mit ihren Tarifabschlüssen für Reallohnzuwächse gesorgt. Profitiert haben davon Millionen Arbeitnehmerhaushalte mit höherem Haushaltseinkommen, die mit ihrem Konsum die binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte gestärkt und die deutsche Konjunktur stabilisiert haben. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt Deutschland wegen der sozialen Schieflage der letzten Jahrzehnte weiterhin ein Land mit sehr hoher Ungleichheit.
    Quelle: DGB

  2. Menschenwürdige Arbeit vor Profit
    Gemeinsame Pressemeldung von Bischöflisches Hilfswerk Misereor, Deutsche Kommission Justitia et Pax, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands und Deutscher Gewerkschaftsbund
    Das Recht auf menschenwürdige Arbeit muss endlich umgesetzt werden. Das fordern zum 7. Oktober, dem Welttag für menschenwürdige Arbeit, der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor, die Deutsche Kommission Justitia et Pax und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands. Das Bündnis fordert die Bundesregierung auf, für die Einhaltung menschenwürdiger Arbeit gesetzlich aktiv zu werden. Deutsche Unternehmen müssen gesetzlich dazu verpflichtet werden auch im Ausland die Menschenrechte zu achten. Der geplante Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte muss gesetzliche Regelungen auf den Weg bringen, die deutsche Unternehmen verpflichten, mögliche negative Folgen ihrer Auslandsgeschäfte für die Menschenrechte zu untersuchen, ihnen aktiv entgegenzuwirken und transparent darüber zu berichten; die Transparenz in globalen Lieferketten auch auf informelle und prekäre Arbeitsbedingungen hin fördern; die Vergabe öffentlicher Aufträge und Außenwirtschaftsförderung nur zulassen, wenn Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht nachkommen; Opfern die Möglichkeit geben, hierzulande eine Entschädigung einzuklagen, wenn deutsche Unternehmen ihre Menschenrechte im Ausland missachten; Arbeits- und Menschenrechte bei der Aushandlung und Umsetzung von Handelsabkommen grundlegend stärken.
    Quelle: DGB
  3. Populismus gegen die Versicherung
    Die Private Krankenversicherung ist in einer brenzligen Lage. Kunden müssen sich auf überdurchschnittliche hohe Beitragssteigerungen einstellen. Doch die Versicherer können viel verändern. […]
    Nur an der dritten Ursache können die Versicherer selbst ansetzen: Obwohl der Bundestag eine Obergrenze für Abschlussprovisionen festgesetzt hat, sind die Vertriebskosten weiterhin sehr hoch. Es dauert zu lang, bis sich die Branche auf ein Niveau einpendelt, das zu ihren verschlechterten Ertragsaussichten passt. […]
    Zuletzt waren leider wieder allzu schrille Töne aus den Parteien links der Mitte zu hören – der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus: Die Politik sei kein Knecht der PKV-Lobby, ließ SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wissen, deshalb dürfe sie auch keine „Rettungspakete“ schnüren. Es ist unverständlich, warum die Sozialdemokraten denselben Unternehmen, denen sie in der Altersvorsorge zu viel Vertrauen entgegenbringen, in der Finanzierung von Gesundheitsausgaben ebendieses Vertrauen entziehen wollen – obwohl eine Bürgerversicherung keine der Herausforderungen der Gesundheitspolitik beheben würde, wie Ärztefunktionäre betonen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wieder ein amüsanter Artikel, mit dem eine unhaltbare Situation und ein schon lange gescheitertes System gesund geschrieben werden sollen. Irgendwoher müssen ja die Kunden mit den teuren Anzeigen kommen… Immerhin werden die viel zu hohen (Vertriebs-)Kosten der PKV angesprochen, allerdings ohne den Hinweis, dass diese Kosten bei der GKV vollständig entfallen… Einen völlig richtigen Hinweis gibt es noch: warum die SPD der “kapitalgedeckten” Altersvorsorge vertraut, der PKV aber nicht. Nur würde ich die Logik der FAZ umdrehen, weil beide Systeme, das der “privaten” Altersvorsorge und das der PKV, völlig überteuert und zum Scheitern verurteilt sind. Wieso ist hier eigentlich von “Rettungspaketen” für die PKV die Rede???

  4. Die unheimliche Macht der ETF-Fonds
    Finanzgiganten wie Blackrock halten Anteile an allen wichtigen Unternehmen der Welt. Das gefährdet den Wettbewerb – und schadet im Zweifel uns allen. Das diesjährige Hauptgutachten der deutschen Monopolkommission ist kein Lesevergnügen: 495 eng bedruckte Seiten, viele Fußnoten. Doch als die Kommission ihr Werk vor gut zwei Wochen der Öffentlichkeit präsentierte, dürfte auch eine Branche genauer hingeschaut haben, die sonst nicht im Fokus der Wettbewerbshüter steht. Erstmals hatte man Fondsgesellschaften ein ganzes Kapitel gewidmet: 14 Seiten zwar nur, was angesichts der Länge des Gesamttextes nach ziemlich wenig klingt. Es sind aber 14 Seiten, die es in sich haben. Denn trotz eines betont nüchternen Tonfalls kommt die Kommission zu dem Schluss: „Die Monopolkommission sieht ein wesentliches wettbewerbsverzerrendes Potential.“
    Quelle: FAZ
  5. Stiglitz rechnet mit Zerfall der Eurozone
    Wirtschaftsnobelpreisträger Sitglitz glaubt nicht an eine Zukunft des Euros mit 19 Mitgliedsländern. Vor allem Italien hält er für einen Wackelkandidaten. Mangelnde Entschlossenheit, zu wenig Solidarität: Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz rechnet mit einem Zerfall der Eurozone in den kommenden Jahren. “Mir macht die Geschwindigkeit Sorgen, mit der die Entscheidungen in Europa ablaufen”, sagte der US-Ökonom der Welt. “Die Politik einigt sich darauf, was getan werden muss, aber dann wird blockiert, getrödelt und sich Zeit gelassen.”
    Quelle: Zeit Online
  6. CETA stoppen statt herumtricksen
    „Der SPD-Chef hat sich im Dickicht seiner CETA-Trickserei hoffnungslos verheddert. Mit dem Taschenspielertrick, eine angeblich rechtsverbindliche Klarstellung zum CETA-Abkommen zu veranlassen, hatte sich Sigmar Gabriel die Zustimmung des SPD-Parteikonvents erschlichen. Die heutige Veränderung der Tagesordnung des Bundeskabinetts zeigt, dass Gabriels Trickserei bis jetzt nicht aufgegangen ist, da offensichtlich noch kein entsprechender Vorschlag der Kommission vorliegt“, erklärt die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht, zur überraschenden Verschiebung des für heute geplanten Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung zur Ermächtigung zur Zustimmung zu CETA im EU-Ministerrat. Wagenknecht weiter:
    „Mit sogenannten rechtsverbindlichen Klarstellungen am CETA-Abkommen versucht die Bundesregierung zu retten, was nicht gerettet werden darf. Es ist vollkommen unverfroren, dass Angela Merkel und Sigmar Gabriel mit diesem zweifelhaften Winkelzug ein Abkommen durchdrücken wollen, das von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung aus gutem Grund abgelehnt wird, weil damit die demokratischen und sozialen Rechte der Menschen massiv beschädigt werden würden. So untergräbt die Bundesregierung das Vertrauen in die Demokratie, handelt gegen die Interessen der Arbeitnehmer und macht sich zum Handlanger der Lobbykraten. Die Bundesregierung muss die Öffentlichkeit umgehend über den Stand der laufenden Verhandlungen zu den angeblich rechtsverbindlichen Klarstellungen zum CETA-Abkommen aufklären.
    Ungeachtet möglicher sogenannter Klarstellungen darf CETA keinesfalls vorläufig in Kraft treten. DIE LINKE klagt deshalb beim Bundesverfassungsgericht, um eine entsprechende Entscheidung zu erwirken.”
    Quelle: Linksfraktion
  7. EU veröffentlicht Abschiebeabkommen
    Auf der Geberkonferenz soll heute ein weiteres milliardenschweres Hilfspaket für Afghanistan abgesegnet werden. Auch die EU soll zahlen. Dafür kommt Kabul Europa entgegen – durch die Rücknahme von Flüchtlingen. Ein entsprechendes Abkommen machte Brüssel nun öffentlich. Afghanistans politische Führung braucht Geld, um Stabilität in das eigene Land zu bringen. Die nötigen Finanzspritzen erhofft sich die Regierung auch von der Europäischen Union. Doch ganz ohne Gegenleistung funktioniert die Subventionierung nicht – Voraussetzung für das Öffnen der Geldtöpfe ist ein Geben und Nehmen: Die EU gibt finanzielle Unterstützung und Afghanistan nimmt dafür nach Europa eingereiste Flüchtlinge zurück. Am Wochenende war ein Abkommen unterzeichnet worden, das den EU-Staaten die leichtere Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen in ihre Heimat garantieren soll. Diese zunächst von Brüssel unter Verschluss gehaltene Vereinbarung machte die EU nun öffentlich.
    Quelle: Tagesschau

    dazu: Entwicklungshilfe in Afghanistan: Die Arbeit an Geisterprojekten
    Die internationale Geberkonferenz für Afghanistan geht heute in Brüssel in die entscheidende Phase. Deutschland steckt jährlich 430 Millionen Euro in Entwicklungshilfe für Afghanistan, mehr als 20 Millionen allein in die Sicherheit der Helfer. Viele ihrer Projekte können die Deutschen nicht mehr selbst überprüfen – zu gefährlich. […]
    Sicherheitsberater, die für internationale Organisationen auch in Kundus unterwegs sind, äußern sich da deutlicher. Sie nennen zwar nicht explizit die GIZ, sprechen aber im Zusammenhang mit den Vorhaben ausländischer Organisationen von “Geisterprojekten”, die es nur noch auf dem Papier gebe, Schulen etwa, in denen kein Unterricht mehr stattfinde. Eine Nachvollziehbarkeit sei in den meisten Fällen kaum möglich. GIZ-Leiter Robert Kressirer sieht aber keine Alternative zur derzeitigen Strategie:
    Quelle: Deutschlandfunk

  8. Zauberlehrlinge (III)
    Der von Berlin forcierte Umsturz in Kiew hat die Macht der verhassten ukrainischen Oligarchen nicht gebrochen, sondern sie lediglich transformiert. Dies geht aus einer aktuellen Analyse des offiziösen Warschauer “Zentrums für Oststudien” hervor. Demnach können sich ukrainische Oligarchenclans – wenn auch teils andere als vor 2014 – heute unter dem Schutz der EU weiterhin selbst bereichern. Vor allem Präsident Petro Poroschenko, der lange von der Bundesregierung favorisiert wurde und nicht zuletzt Berlin das Präsidentenamt verdankt, erzielt in seiner Eigenschaft als Unternehmer hohe Profite. Weitere Milliardäre sitzen an Schaltstellen im Kiewer Machtapparat. Erste Oligarchen üben zudem offen Kritik an der Assoziierung der Ukraine an die EU. Berlin hat aktiv dazu beigetragen, dass die Macht der ukrainischen Oligarchen fortbesteht.
    Den massiv aus Berlin unterstützten Umsturz liberaler, konservativer und faschistischer Kräfte in der Ukraine im Februar 2014 hatten deutsche Medien und Regierungsvertreter zur “Revolution der Würde” gegen die berüchtigten Seilschaften der ukrainischen Oligarchen erklärt. Auch die staatsfinanzierte “Deutsche Welle” sprach davon, die Ukrainer hätten mit dem Staatsstreich die Demokratie gewählt: Sie “wollen den Rechtsstaat”, hieß es. Die Bundesregierung stellte explizit fest, “politische Macht” bedürfe “der demokratischen Legitimierung”, und wandte sich damit direkt gegen die Herrschaft der ukrainischen Milliardäre. In ihrer praktischen Politik ließ sie allerdings nichts erkennen, was dieser Stellungnahme Rechnung trug – im Gegenteil. Schon die Ende Februar 2014 gebildete Kiewer Umsturzregierung stützte sich unmittelbar auf Oligarchen, ohne dass Berlin Einspruch erhob. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat im Frühjahr 2014, um politische Fortschritte zu erzielen, sogar mehrmals direkt mit einflussreichen Oligarchen verhandelt.
    Quelle: German Foreign Policy
  9. Strategien zur Gewöhnung an Krieg
    Die deutsche Bundesregierung übt sich in der Rolle des Global Players. Ihr weltweites »Spiel« gleicht einer Jonglage: Die Akrobaten um Merkel und Gabriel versuchen, fünf Bälle in der Luft zu halten – und das unter erschwerten Bedingungen. Denn das Publikum – das Volk – ist nicht immer begeistert von den Zielen, Methoden und Konsequenzen der Regierungspolitik.
    Die strategischen Ziele der deutschen Player sind klar. Die Regierung unterstützt die Großkonzerne, deren Profitinteressen, ihren Hunger nach Rohstoffen, ihr Verlangen nach sicheren Handelswegen und günstigen Verwertungs- und Ausbeutungsbedingungen in den Ländern des globalen Südens. Dafür übernimmt sie weltweit »Verantwortung« in Form von teils erpressten Freihandelsverträgen (zum Beispiel EPA mit afrikanischen Ländern), aber auch von Militäreinsätzen. (…)
    Die Bundesregierung steht also vor einem Problem: Wie kann sie erreichen, dass ihre bisher von der Mehrheit abgelehnten Ziele künftig nicht nur toleriert, sondern geradezu eingefordert werden? Die beim Bundeskanzleramt angesiedelte Abteilung »wirksam regieren«, ein Planungsamt bei der Bundeswehr und das ganze Bundesinnenministerium sollen Abhilfe schaffen und Strategien zur Beeinflussung der Bevölkerung entwickeln. Wo Widerstand aufkeimt, soll künftig Zustimmung wachsen. Menschen sollen sich gegen die eigenen Interessen mit der aggressiven expansiven Politik identifizieren.
    Quelle: Ossietzky

    dazu: Protest gegen Aufrüstungspläne der Bundesregierung
    Attac lehnt die Aufrüstungspläne der Bundesregierung ab und unterstützt die Demonstration “Die Waffen nieder! Kooperation statt NATO-Konfrontation – Abrüstung statt Sozialabbau” am Samstag in Berlin. Die Bundesregierung will den Rüstungsetat im Herbst deutlich erhöhen und anschließend in den kommenden Jahren schrittweise entsprechend den Vorgaben der NATO auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anheben. Attac als Teil der Friedensbewegung widerspricht hier grundsätzlich.
    Quelle: attac

  10. “Brainstorming” über Gewalteindämmung in Syrien: Regierung hält eigene Bomben weiter für richtig
    Wichtig & sehenswert: Die Auswärtiges Amt macht mit fünf Allierten aktuell ein “Brainstorming” über Syrien, u.a. um die Gewalt im Land “einzudämmen”. Die Anti-ISIS-Koalition, deren Teil die Bundesregierung ist, hat mittlerweile über 15.000 Luftangriffe über Syrien und den Irak geflogen und mehr als 55.000 Bomben und Raketen abgeworfen. “Brainstormt” man denn auch über die Eindämmung der eigenen Gewalt? Nein! Über die eigenen Bombardierungen gäbe es Einigkeit. Das wird nicht in Frage gestellt… Außerdem streitet man ab, an den Luftangriffen beteiligt zu sein. Die Bundeswehr kläre ja nur auf… (Aufklärung für die nächsten Bombardierungen!)
    Zu den fünf Staaten gehören die Politischen Direktoren der Außenministerien der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Italiens sowie des Europäischen Auswärtigen Dienstes (“Quint”)
    Ausschnitt aus der BPK vom 5. Oktober 2016
    Quelle: jung und naiv via YouTube
  11. Drohnenkrieg: Obama-Interview
    Im New York Magazine ist ein Interview mit US-Präsident Barack Obama erschienen, in dem er sich unter anderem auch über den Einsatz von Drohnen äußert.
    Darin zeigt er sich dankbar gegenüber seinen Kritikern von Links, die während seiner Amtszeit nicht müde wurden ihn wegen seines Einsatzes von Drohnen zu kritisieren. Er hält seinen Kritikern aber vor, nicht immer informierte Kritik zu äußern. Obama sagte weiter: „What I will say, though, is that the critique of drones has been important, because it has ensured that you don’t have this institutional comfort and inertia with what looks like a pretty antiseptic way of disposing of enemies. I will say that what prompted a lot of the internal reforms we put in place had less to do with what the left or Human Rights Watch or Amnesty International or other organizations were saying and had more to do with me looking at sort of the way in which the number of drone strikes was going up and the routineness with which, early in my presidency, you were seeing both DOD and CIA and our intelligence teams think about this. And it troubled me, because I think you could see, over the horizon, a situation in which, without Congress showing much interest in restraining actions with authorizations that were written really broadly, you end up with a president who can carry on perpetual wars all over the world, and a lot of them covert, without any accountability or democratic debate.”
    Die Haltung des Kongresses bezüglich des Einsatzes von Drohnen hat sich in der Amtszeit Obamas nicht gewandelt, der Wunsch, seine Kontrollrechte wahrzunehmen und diese auszuüben ist weiterhin nicht in Sicht.
    Obamas Sprecher Josh Earnest sagte am Montag, dass Obamas im Interview geäußerte Sorge, dass wer immer sich im Präsidentenamt befinde einen nicht endenden Krieg überall auf der Welt führen könne auf die Situation bezog, die er bei der Amtsübernahme vorfand. Und auch wenn Obama zuletzt vorsichtige Schritte Richtung mehr Transparenz gemacht hat, die Kritik, dass in seiner Amtszeit Drohnenschläge zur gefühlten Normalität in vielen Ländern wurden, bleibt. Naureen Shah von Amnesty International sagte The Intercept: „What’s so interesting is that President Obama acknowledges this problem — that future presidents will be empowered to kill globally, and in secret. What he doesn’t acknowledge is how much of a role his administration had in making that a bizarre normal[.] […] There is something so strange about the person who many would say is very responsible for this situation actually acknowledging it and saying he tried to plan for it[.] […] What we’ll be left with from the Obama administration is a far more dangerous precedent of secret, global killings than what we started with.”
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  12. Kein Votum für den Krieg
    Ergebnis des Referendums in Kolumbien war vor allem ein Protest gegen Präsident Santos
    In weiten Teilen der kolumbianischen Bevölkerung ist die Enttäuschung groß, nachdem sich beim Referendum am Sonntag 50,2 Prozent der Abstimmenden gegen den zwischen Regierung und FARC-Rebellen geschlossenen Friedensvertrag ausgesprochen haben. Eine Erklärung für diesen überraschenden Ausgang hatte zunächst niemand. Ob wie bei früheren Wahlen Stimmenkauf und Manipulationen das Ergebnis verfälscht haben, muss noch ermittelt werden. Der Fernsehsender Telesur wies bereits darauf hin, dass etwa vier Millionen Menschen nicht an der Abstimmung teilnehmen konnten, weil in ihren Regionen Ausläufer des Hurrikans »Matthew« eine ordnungsgemäße Durchführung der Abstimmung fast unmöglich gemacht hatten.
    Selbst wenn die Zahlen korrekt sind, ist das Ergebnis des Referendums sicher kein Votum für den Krieg. Auch wenn die Anhänger von Expräsident Álvaro Uribe, die lautstark für das Nein agitiert hatten, nun ihren Sieg feiern und eine »Schlacht« gegen den Frieden gewonnen haben, reicht ihre Kampagne allein nicht als Erklärung für den Ausgang der Abstimmung aus. 6.431.376 Wahlberechtigte haben sich gegen das Friedensabkommen ausgesprochen, 6.377.482 dafür. Diese Zahlen nannte die Wahlbehörde am Dienstag bei einem Auszählungsstand von 99,98 Prozent. Entscheidend ist jedoch, dass fast 22 Millionen Menschen gar nicht erst zur Abstimmung gegangen sind – die Beteiligung lag bei 37,4 Prozent.
    Quelle: junge Welt
  13. Geheimdienst bittet, Yahoo liefert
    Die Durchleuchtung eines speziellen E-Mail-Verkehrs – Routinesache. Die Überwachung sämtlicher E-Mails sämtlicher Kunden eines Anbieters stößt dagegen in eine neue Dimension vor. Angeblich hat Yahoo vor einem Jahr für einen US-Dienst das ganz große Schleppnetz ausgeworfen. Yahoo hat nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters auf Anweisung der US-Behörden die eingehenden E-Mails aller Kunden durchsucht. Der Internet-Konzern habe damit im vergangenen Jahr einer geheimen Anordnung der US-Regierung Folge geleistet, sagten drei mit der Sache vertraute Personen der Agentur. Yahoo habe ein spezielles Programm geschrieben, um die einlaufenden Mails von mehreren Hundert Millionen Kunden nach einer bestimmten Zeichenkette zu durchforsten. Unklar blieb, welche Daten Yahoo an die US-Behörden übergab oder ob auch andere Internet-Konzerne beteiligt waren.
    Quelle: Tagesschau
  14. In der Bildungsdefensive
    Wer will, der kann wissen. Meinte ein gewisser Ralph Bollmann vor einigen Tagen. Er spielte auf eine Oxfam-Studie an, in der es hieß, dass die Deutschen die Fortschritte in der globalen Armutsbekämpfung unterschätzen würden und weiterhin Vorurteile diesbezüglich hätten. Nun gut, Oxfam behauptet allerdings auch weiterhin, dass ein Prozent so viel besitzt, wie der Rest der Menschheit. Welche Fortschritte könnte man mit einer gerechteren Verteilung erst erwirken! Davon wusste Bollmann nichts. Und lassen wir überhaupt mal die Motive von Oxfam außer Acht. Es könnte ja sein, dass Oxfam den Menschen in den Industriegesellschaft belegen muss, dass es sich auch weiterhin lohnt … wie gesagt, lassen wir das. Reden wir lieber weiter über Bollmann und was er noch behauptete – nämlich: Man könnte wissen, wenn man wollte. Die AfD könnte sich beispielsweise über Flüchtlingspolitik schlau machen und die TTIP-Gegner über Handelspolitik. Überall nur Vorurteile, dabei gäbe es ganz andere Erkenntnisse. Wieder mal vermengt einer von der FAZ diese beiden Gruppen. Scheint ein beliebter Konservativensport zu werden. Und wie könnte man eigentlich wissen, wenn man nur wollte? Bollmann: Es steht doch alles im Internet. Nie war es einfacher sich zu bilden!
    Quelle: ad sinistram
  15. Abrechnung eines Ex-Grünen: „Sie verwalten nur das Bestehende“
    taz: Herr Zion, was hat Sie dazu gebracht, aus den Grünen auszutreten?
    Robert Zion: Das war ein langer Entfremdungsprozess. Irgendwann weiß man dann halt, dass es sich nicht mehr lohnt. Über ein Jahrzehnt habe ich mit etlichen anderen Grünen versucht, Mehrheiten für eine progressive, emanzipatorische, sozialere und friedlichere Politik zu gewinnen. Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass das unmöglich geworden ist. Damit jedoch wäre jeder weitere Kampf in der Partei eine Vergeudung von Energie, die für die Erringung linker gesellschaftlicher und politischer Mehrheiten jedoch so dringend nötig ist.
    Was hat den Ausschlag für Ihre Entscheidung gegeben?
    Mit dem Wahlerfolg der Grünen in Baden-Württemberg im März ist etwas ins Rutschen geraten, was sich nicht mehr aufhalten lässt. Ich sehe mich nicht mehr dazu in der Lage, den eingeschlagenen Weg der Partei in den liberal-konservativen Mainstream der Republik mit meinem Namen zu vertreten. Der „Point of no Return“ zur Abänderung dieses Kurses ist personell, strukturell und in der faktisch verfolgten Politik jetzt endgültig überschritten.
    Also ist Winfried Kretschmann schuld?
    Nein, er ist nur die Personifizierung einer Entwicklung. Die Grünen sind ursprünglich angetreten, um diese Republik in einem emanzipatorischen Sinne zu verändern. Doch von diesem Anspruch ist so gut wie nichts mehr übriggeblieben. Sie haben verlernt, die Machtfrage zu stellen – und haben sich darin eingerichtet. Ihnen geht es nur noch darum, am Verwalten des Bestehenden beteiligt zu sein.
    Was meinen Sie konkret?
    Die Grünen bieten nur noch die bessere, weil vermeintlich klügere Verwaltung im bestehenden kapitalistischen Rahmen an. Den Rahmen selbst können und wollen sie nicht mehr verändern, obwohl dieser unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unseren sozialen Zusammenhalt immer noch nahezu ungebremst zerstört. Dabei haben uns Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien, Jeremy Corbyn in Großbritannien und auch Bernie Sanders in den USA gezeigt, dass es möglich ist, die Menschen mit progressiven Ideen zu begeistern. Diese Versuche der Erneuerung der Demokratie auf Bewegungsbasis begreift das Establishment der deutschen Grünen überhaupt nicht.
    Quelle: taz

    dazu: Fette grüne Beute
    Im sechsten Jahr an der Macht werfen Baden-Württembergs Grüne alte Überzeugungen über Bord – aktuell bei der Besetzung lukrativer Posten. Bedient werden ParteifreundInnen und auf diese Weise die Urteile und Vorurteile jener, die die Partei ohnehin schon lange als prinzipienlos abgeschrieben haben. […]
    Jetzt machen die Grünen Beute. Die “Tugendhüter von gestern” (FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke) entschuldigen die eigenen Gaunereien, wie Kretschmann “jetzt einmal drastisch” sagen würde, mit jenen der Vorgängerregierung. Und der Regierungschef gibt den solchen Irrungen und Wirrungen Enthobenen. Als sich bei der allwöchentlichen Regierungspressekonferenz einige Fragesteller nicht zufrieden geben wollen mit seinen abwiegelnden Antworten, entfährt dem leicht genervten Regierungschef ein verräterischer Satz: “Was habe ich mit diesen Menschen zu tun? Ich kann mir das auch nur vortragen lassen!”
    Natürlich könnte und müsste er mehr tun. Aber Kretschmann geht die Frage ganz grundsätzlich an, führt aus, dass er ordnungspolitisch noch nie Anhänger von Unternehmen in Landeshand gewesen sei. Nur, wenn es die schon gebe, dann wolle das Land auch Einfluss nehmen, “nach dem Mehrheitsprinzip durch die Regierungsfraktionen”. Und deshalb würden Posten “in der Regel mit Leuten aus dem Regierungslager besetzt”. Als Politprofi müsste er allerdings wissen, dass die Vergabe nach Parteibuch, bei aller Qualifikation, kritisch beäugt wird. Hinter den Kulissen gärt es in seiner Partei jedenfalls gewaltig, gerade weil eigene Mitglieder betroffen sind.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung

  16. Die Verfassung der Linken
    In Thüringen beobachtet der Inlandsgeheimdienst immer noch Teile der Partei, die den Ministerpräsidenten stellt. Anders als die AfD seien sie »offen extremistisch«
    Der erste »rot-rot-grüne« Verfassungsschutzbericht aus dem Freistaat Thüringen bekundet, dass das Amt für Verfassungsschutz (AfV) weiterhin Teile der Partei Die Linke Thüringen überwacht. Dies geschieht, obwohl die Linkspartei stärkste Kraft der in Erfurt regierenden Koalition ist. Außerdem ist mindestens ein Mitglied des Landtags in die Fänge des Überwachungsnetzes geraten. Ein Sprecher des AfV bestritt zwar am Mittwoch auf Nachfrage von junge Welt, dass die Behörde Abgeordnete der Partei Die Linke beobachte, er bekräftigte aber zugleich, dass er nach wie vor die Kommunistische Plattform (KPF) innerhalb der Linken überwache. Dem Amt dürfte also nicht entgangen sein, das mindestens ein Mitglied des Landtags dem Sprecherrat der KPF angehört. Das lässt an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Thüringen zweifeln. Entweder hat Ministerpräsident Bodo Ramelow seine Ministerien nicht unter Kontrolle – oder dies zeigt, wie schnell sich Die Linke durch eine Koalition verändern kann. […]
    Obwohl Die Linke mit dem Slogan »Geheimdienst abschaffen – Verfassung schützen« zur Landtagswahl 2014 angetreten war, konnte sie SPD und Grünen im Koalitionsvertrag lediglich das Zugeständnis abringen, dass V-Leute allein zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden dürfen, unter Bewilligung des Ministerpräsidenten und genauer Prüfung des Parlaments. Zudem sollen »künftig (…) Personen nicht mehr allein aufgrund ihrer politischen, religiösen und/oder weltanschaulichen Auffassungen zum Gegenstand grundrechtseinschränkender Maßnahmen gemacht werden«. […]
    Es ist schwer, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass Bodo Ramelow als Thüringer Ministerpräsident entweder nicht viel zu sagen hat oder dass er an der Überwachung von Mitgliedern der eigenen Partei und zumindest einem Fraktionsmitglied im Landtag beteiligt ist. Die Erfahrungen in Thüringen zeigen, dass die Vorteile von Koalitionen eher in Posten als in politischen Reformen bestehen.
    Quelle: junge Welt
  17. Eine Minderheit darf Deutschland nicht hässlich machen
    Es gilt, der Verrohung der politischen Auseinandersetzung entgegenzutreten, die mit den Pegida-Demonstrationen begann und deren Spitze am Einheitstag in Dresden zu besichtigen war. Ein dunkelhäutiger Mann, der zum Gottesdienst ging, wurde mit Affenlauten begrüßt; die politischen Repräsentanten der Bundesrepublik mit “Hau ab” und zotenhaften Beleidigungen. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer sprach von der “hässlichen Fratze der Politikverachtung”. Die Frau des sächsischen Wirtschaftsministers brach angesichts der aggressiven Flegeleien in Tränen aus.
    Es ist nun ein Jahr her, dass bei Pegida in Dresden ein Galgen mitgetragen wurde, bestimmt für die Kanzlerin und den Vizekanzler. Die Polizei hat sich damals daran nicht gestört, nicht so jedenfalls, dass sie eingegriffen hätte.
    Die Behörden zeigen immer noch eine unglaubliche Dickfelligkeit, eine Duldsamkeit, die anstachelnde Wirkung hat. Die bösartige Verächtlichmachung “des Systems” – das ist die Demokratie – hat rasende Fortschritte gemacht. Der Pegida-Anführer wurde für seine Hasspredigten trotz seiner Vorstrafen bisher nur zu Geldstrafen verurteilt. Das ist nicht Spezialprävention, das ist nicht Generalprävention; das ist beinahe eine Ermunterung. Die Menschenwürde, von Hassbürgern getreten, braucht aber Hilfe, auch von den Strafgerichten.
    Es heißt, dass diese Beleidigungen deswegen sehr schwer zu verfolgen seien, weil es sich nach geltendem Recht um Antragsdelikte handele – und die Polizei ja nicht wisse, ob ein Strafantrag gestellt wird. Nun, es spricht nichts dagegen, bei Beleidigungen im öffentlichen Raum, und dazu gehört auch das Internet, das Antragserfordernis fallen zu lassen. Bisher ist es so, dass alle Beleidigungsdelikte Antragsdelikte sind, sie also nur verfolgt werden können, wenn der Beleidigte Strafantrag stellt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich die Tat gegen NS-Verfolgte oder andere Opfer einer Gewalt- und Willkürherrschaft richtet. Der Gesetzgeber sollte die Ausnahmen erweitern. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber das könnte ihr Anfang sein – weil der aggressiven Verachtung Einhalt geboten werden muss.
    Es gab schon eine Weimarer Republik. Eine Dresdner Republik muss ihr nicht folgen.
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen

    Anmerkung JK: Der “Pöbel” von lateinisch populus, das „Volk“, äußert sich ungebührlich und die obere Mittelschicht, in Gestalt des Chefredakteurs der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, sieht Weimarer Verhältnisse am Horizont. Dabei haben die Menschen in diesem Land jeden Grund wütend zu sein. Es reicht nur das Beispiel des Hartz-IV Systems. Ein repressives System von unglaublicher Boshaftigkeit, wie die neue Weisung zu den Bußgeldverfahren gegen Hartz-IV-Bezieher belegen. Allein der Vorwurf der “mangelnden Mitwirkung” reicht um die Repressionsmaschinerie auch gegen Dritte, also nicht einmal durch das Hartz-IV System direkt Betroffenen, in Gang zu setzen.
    Mit dem Hartz-IV System soll gezielt Angst verbreitet werden, nicht nur unter den direkt Betroffenen, sondern auch unter denjenigen, die noch über eine leidlich bezahlte Arbeit verfügen, die Angst und Verunsicherung diesem demütigenden und schikanösen System anheim fallen zu können. Aus Angst und Unsicherheit, aus dem Gefühl des ausgeliefert Seins entsteht irgendwann einmal Wut und Hass, die sich dann oft ein greifbares und vermeintlich wehrloses Subjekt in Migranten und Flüchtlingen suchen. So gesehen sind die Proteste gegen Merkel, Gauck und die versammelte Politelite doch ein Schritt in die richtige Richtung, treffen sie doch die politisch Verantwortlichen. Weshalb sollen die Menschen ihre Wut nicht artikulieren dürfen? Warum ist dadurch sofort die Demokratie gefährdet? Ist die Demokratie nicht eher durch Regelungen und Gesetze gefährdet, die Millionen Bürger tagtäglich Schikanen aussetzen und wie den letzten Dreck behandeln? Aus der Perspektive der oberen Mittelschicht eines Heribert Prantl, mit einem sechsstelligen Jahresgehalt, offenbar nicht. Selbstverständlich hat Prantl so auch keinerlei Probleme mit der zunehmenden Kinderarmut, mit der Ausweitung der Leiharbeit, mit prekärer Beschäftigung, mit Wohnungsnot und steigenden Mieten. Weshalb also die versammelte Politelite mit “Haut ab” Rufen empfangen? Aus der Perspektive der oberen Mittelschicht gibt es dazu selbstverständlich keinen einzigen Grund.

  18. Steinbrück wird Berater bei ING-DiBa
    Er war Kanzlerkandidat und Finanzminister: In der ZEIT kündigt Peer Steinbrück nun seinen Wechsel in die Privatwirtschaft an. Einen Interessenkonflikt sehe er nicht.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Die Drehtür läuft noch immer wie geschmiert!

    Ergänzende Anmerkung: Unser Leser MN weist darauf hin, wie und wo Steinbrück die nötige Erfahrung für den neuen Job gesammelt hat.

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