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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (TR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Linke
  2. Kipping plädiert für Kontroversen ohne persönliche Angriffe
  3. SPD
  4. Heiko Maas und die Aufrüstung Deutschlands im Dienste Trumps
  5. G 7 oder Gelaber ist in der Tat noch keine Politik
  6. Die 10 schlimmsten Länder der Welt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  7. Erpressungsinstrument der Investoren
  8. Hartz IV
  9. Schwarzer Freitag für Real Supermärkte
  10. EU-Handelsabkommen mit Japan: Wasser darf nicht zur Handelsware werden
  11. Gilt die Unschuldsvermutung nicht für Flüchtlingsberater?
  12. Bilderberg verliert Status
  13. 80 Prozent der Bewohner des Donbass wollen nicht zurück in die Ukraine
  14. Als Afrikaner in Berlin
  15. „Süddeutsche Zeitung“ verklagt Uli Gellermann
  16. Kanzlerin Angela Merkel: Inszenierung einer selbstreferenziellen Demokratie
  17. Ignoranz des DFB gefährdet WM-Erfolg

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Linke
    1. Interview: Linken-Fraktionschefin sieht sich durch Parteitagsbeschluss nicht gebunden
      Frau Wagenknecht, monatelang hat die Linke vor allem über den Kurs in der Flüchtlingspolitik gestritten. Auf dem Leipziger Parteitag gab es darüber offene Auseinandersetzungen. Kein bisschen Frieden in der Partei?
      Wagenknecht: Viele an der Parteibasis haben die Grabenkämpfe satt. Inhaltliche Debatten dürfen nicht mit Diffamierungen verbunden werden. Wir brauchen eine sachliche Debatte über die Flüchtlingspolitik. Wenn mir und anderen aber
      Nähe zur AfD oder Rassismus vorgeworfen wird, ist das keine sachliche Diskussion. Das ist einfach unanständig.
      Ist der Machtkampf jetzt entschieden, oder werden die innerparteilichen Auseinandersetzungen weitergehen?
      Wagenknecht: Ich hoffe, dass jeder sich von jetzt an auf seine Aufgaben konzentriert. Die Fraktionsspitze ist ebenso gewählt wie die Parteispitze. Ich wünsche mir, dass man das gegenseitig akzeptiert. Die persönlichen Angriffe müssen beendet werden. Etwa, wenn der Eindruck erweckt wird, wer die Forderung “Offene Grenzen für alle” nicht unterstützt, dem wäre Elend und Not auf der Welt gleichgültig. Da wird mit verletzenden Unterstellungen gearbeitet. Unter diese Art der Debatte muss ein Schlussstrich gezogen werden.
      Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

      Anmerkung Jens Berger: Die Überschrift ist missverständlich. Wir sich nicht an einen Beschluss gebunden sieht, hält sich nicht an den Beschluss. Genau dies ist in diesem konkreten Fall aber anders, wie Sahra Wagenknecht es im Interview ja auch deutlich ausführt.

    2. Interview: Oskar Lafontaine unterstützt den Parteitagsbeschluss zur Flüchtlingspolitik
      Wofür haben Kipping und Riexinger die Quittung bekommen? Für Dauerstreit mit der Fraktionsspitze oder für ihre Flüchtlingspolitik?
      Lafontaine: Der wichtigste Grund ist wohl, dass die beiden Parteivorsitzenden die Fraktionsführung häufig attackiert haben. So wie sie im vorigen Herbst versucht haben, die Rechte der Fraktionsvorsitzenden zu beschneiden. Das hat den Delegierten wohl nicht gefallen. Die Fraktionsvorsitzenden haben sachlich argumentiert und nicht mit Verbalinjurien gearbeitet, mit denen sie selbst überzogen wurden wie mit Vorwürfen des Nationalismus, Rassismus und der AfD-Nähe.
      Gregor Gysi hat Ihren Namen nicht erwähnt, er dürfte Sie aber gemeint haben, als er warnte, bei der Kritik an den Parteichefs Grenzen zu überschreiten und nationales Interesse vor internationale Solidarität zu stellen.
      Lafontaine: Ich habe mit Gysi sachliche Differenzen. Ich kritisiere wie linke Parteien in anderen europäischen Ländern, dass er den deutschen Export-Nationalismus faktisch verteidigt, der Arbeitslosigkeit zu den europäischen Nachbarn exportiert, indem Deutschland mehr Waren verkauft als importiert.
      Katja Kipping hat Sie aufgefordert, Sie sollten jetzt den Beschluss des Leitantrags akzeptieren und diesen nicht mehr ständig öffentlich infrage stellen. Halten Sie jetzt den Mund?
      Lafontaine: Den jetzigen Beschluss für offene Grenzen kann ich voll mittragen. Ich lebe seit Jahrzehnten an der französischen Grenze und bin froh, dass sie offen ist. Im Bundestags-Wahlprogramm, das ich kritisiert habe, stand etwas ganz anderes: offene Grenzen für alle, Bleiberecht für alle und 1050 Euro monatlich für alle. Von diesen unhaltbaren Forderungen sind Kipping, Riexinger und Gysi jetzt abgerückt, das ist ein Fortschritt.
      Quelle: RP
    3. Haste mal’n Linken? Wagenknecht geht sammeln
      Manchmal haben die Kollegen von der “Bild”-Zeitung lustige Ideen. Gerade rechtzeitig zum Parteitag der Linken veröffentlichten sie am vergangenen Wochenende eine Umfrage. Danach können sich 25 Prozent der Befragten vorstellen, ihre Stimme einer “Liste Sahra Wagenknecht” zu geben. Eine solche Liste gibt es nicht – noch nicht? Im Moment denkt die Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht noch darüber nach, wie man linke Kräfte in einer neuen Bewegung sammeln kann – aber jenseits der Parteien. Dennoch, die Reaktionen bei den Funktionären der Linken und der SPD schwanken zwischen Ekel, Entsetzen und bemühtem Ignorieren. Warum eigentlich?
      Quelle: Spiegel
  2. Kipping plädiert für Kontroversen ohne persönliche Angriffe
    Ob sich in der Flüchtlingspolitik der Linken grundlegend etwas verändere, müsse auf dem Parteitag am Wochenende entschieden werden, sagte die Linken-Vorsitzende Katja Kipping im Dlf. Sie hoffe, dass in Leipzig ein Schlussstrich unter innerparteiliche Kontroversen gezogen werde.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Jens Berger: Lesen Sie sich dieses Interview ruhig mal durch. Mir ist die Kinnlade heruntergeklappt, als ich folgende Aussage gelesen habe, mit der Katja Kipping die Vorzüge einer unregulierten Arbeitsmigration aufzählt …

    „Zum zweiten finde ich, wir sollten jetzt nicht so tun, als ob Arbeitsmigration für uns nur eine Bedrohung ist. Ich würde es mal anders herum sagen: Wenn alle Arbeitsmigranten, die es bereits hier gibt, dieses Land verlassen würden, dann hätten wir ein richtiges Problem. Wir haben gerade Spargel-Saison. Ich wüsste gar nicht, wie der Spargel bei uns auf den Tisch kommen soll, wenn es da nicht Menschen aus anderen Ländern gäbe. Oder wenn wir in den Pflegebereich gehen: Wenn da alle Menschen ohne deutschen Pass jetzt das Land verlassen würden, dann hätten wir hier ein richtiges Problem.“

    Ist die Dame Vorsitzende der Linkspartei oder der CDU? Vor allem die Dumpinglöhne für Erntehelfer und Hilfskräfte in der Pflege sind doch geradezu ein Paradebeispiel, wie Menschen durch Arbeitsmigration ausgebeutet werden und das Lohnniveau durch Arbeitsmigration in den Keller geht. Forschere Vertreter des Kipping-Flügels würde solche Aussagen sonst als „Nützlichkeitsrassismus“ bezeichnen. Meint Kipping das nun ernst? Oder versteht sie schlicht die Zusammenhänge nicht? Ich tippe auf letzteres.

  3. SPD
    1. Diese Lehren zieht die SPD aus ihrer Pleite
      Wie kam es zum historischen Absturz der SPD bei der Bundestagswahl? Fünf Experten haben monatelang die Fehler der Partei analysiert – und zeichnen ein verheerendes Bild. Die wichtigsten Punkte im Überblick. (…)
      Die Entfremdung zwischen der SPD und großen Teilen ihrer Wähler hat einen wesentlichen Ursprung in der Agendapolitik von Gerhard Schröder. Ab Mitte März habe das Thema Gerechtigkeit im Schulz-Wahlkampf aber keine prioritäre Rolle mehr gespielt. Das Problem sei zudem: “Die Aufsteiger und Profiteure der sozialdemokratischen Reformpolitik von einst sind längst Teil der gesellschaftlichen und politischen Oberschicht geworden.” Ihre Lebensentwürfe hätten sich weit von jenen ihrer Wählerklientel entfernt.
      Dies lasse sich nicht über Nacht beheben. Doch die SPD müsse sich neu orientieren und sich stärker um Menschen in Dienstleistungsberufen kümmern. Diese stünden massiv unter Druck, rund vier Millionen Arbeitnehmer verdienten kaum mehr als den Mindestlohn. Allen Sozialdemokraten müsse klar sein: “Die Balance in der gesellschaftlichen Mitte ist aus dem Lot geraten.”
      Konkret müsse die SPD das Thema Gerechtigkeit “selbstbewusster als in den vergangenen Jahren begründen und durchdeklinieren”. Dazu gehörten Verteilungsfragen, die Absicherung von Lebensrisiken, Mieten und das Stadt-Land-Gefälle.
      Quelle: Spiegel

      Anmerkung von J.K.: Die Analyse hätte man sich sparen können. Man erkennt zwar, dass die Agenda 2010 der Anfang vom Ende war, aber man ist nicht in der Lage die einzige logische Konsequenz daraus zu ziehen und sich klar davon zu distanzieren. Und sieht man sich die Bekenntnisse des Finanzministers Olaf Schäuble alias Olaf Scholz zur neoliberalen Austeritätspolitik an, sieht es nicht danach aus als ob die SPD auch nur im Ansatz eine andere Politik als die, der vergangenen zehn Jahre verfolgen will. Auch zu anderen drängenden Problemen, wie der Wohnungsnot, die Stärkung der staatlichen Rente, einer Entspannungspolitik gegenüber Russland, usw. kommt von der SPD erst einmal nichts wirklich richtungweisendes.

    2. „Aus Fehlern lernen“
      Das Evaluierungsteam hat seinen Bericht heute dem Parteivorstand vorgestellt.
      Es ist ein völlig neuer Weg, den wir hier beschreiten. Wir haben uns bewusst für eine externe und unabhängige Evaluation und für völlige Transparenz entschieden, weil wir von einem überzeugt sind: Wir werden wieder erfolgreich sein und wir können neues Vertrauen erarbeiten, wenn wir offen und klar mit Fehlern umgehen und daraus lernen, statt sie zu überdecken. Und deshalb war es Andrea und mir wichtig, dass wir auch nach der erfolgreichen Regierungsbildung nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern, dass diese Arbeit gründlich und sorgfältig weitergeführt wird.
      Die Evaluierung ist eine ehrliche, schonungslose Analyse von 20,5% bei der Bundestagswahl 2017. Sie beschäftigt sich mit dem Wahlkampf, aber auch mit strukturellen Defiziten, die sich in unserer Partei über Jahre aufgebaut haben und die eine Ursache für unsere Wahlniederlage waren. (…)
      Wie werden die Veränderungen in unserer Partei weiter Schritt für Schritt umsetzen. Nachhaltig, mit langem Atem und nicht mit immer neuen Strategien und Kurswechseln. (…)
      Es ist unsere Aufgabe neues Vertrauen zu gewinnen. Durch harte Arbeit, durch nachvollziehbare, kluge Politik und durch neue Ideen für ein modernes und gerechtes Deutschland von morgen.
      Quelle: SPD

      Anmerkung Christian Reimann: Täuscht der Eindruck oder möchten Herr Klingbeil und Frau Nahles – und wohl die meisten in der derzeitigen SPD-Spitze – mit viel “hohlen Phrasen” über Wahlkampf und strukturelle Defizite eine inhaltlich-programmatische Neuausrichtung der Partei vermeiden? Über 100 Seiten hat der “externe und unabhängige” (wovon eigentlich unabhängig?) Evaluationsbericht. Ein Blick in das Berliner Grundsatzprogramm von 1989 würde vermutlich mehr nützliche Erkenntnisse liefern, oder?

    3. Fünf Dinge, die die SPD besser machen muss
      Der Evaluationsbericht zum SPD-Bundestagswahlkampf zeigt: Die Partei darf sich nichts mehr schönreden. Sie muss auch mal anecken und Kampagnen besser planen. In einem rund 100-seitigen Bericht hat die SPD ihre Fehler im Bundestagswahlkampf auswerten lassen. Lars Klingbeil ist seit Dezember Generalsekretär der SPD. Seine Aufgabe ist nichts weniger als die “Erneuerung” der Partei. Hier schreibt er, was er künftig anders machen will.
      Quelle: Zeit
  4. Heiko Maas und die Aufrüstung Deutschlands im Dienste Trumps
    Heiko Maas hat der Süddeutschen ein Interview gegeben. Da ich Maas als den Mann Washingtons an der Spitze des Außenministeriums klassifiziert habe (hier und hier), bietet es sich an, anhand dieses Interviews meine These zu prüfen, dass das Zerwürfnis mit dem US-Präsidenten, nur ein Trick ist. Deutschland und Europa sollen dazu gebracht werden, den USA einige Weltordnungs- und Kriegsaufgaben abzunehmen. (Das Interview der Bundeskanzlerin bei Anne Will ging in die gleiche Richtung, schreibe ich im Post-Will-Scriptum.)
    Als Indiz gegen meine These würde ich werten, wenn Maas irgendetwas Konkretes sagen oder ankündigen würde, was Washington ärgern würde. Wenn das mit der Entfremdung ernst gemeint wäre, müsste man das erwarten. Es wäre ja naiv anzunehmen, dass Amerika seinen Schutzschirm über Europa ohne Gegenleistung ausbreitet. Wenn man sich, wie Maas behauptet, nun nicht mehr auf diesen Schutzschirm und generell auf Washington verlassen kann, dann sollte man annehmen, dass bisherige Gegenleistungen in Frage gestellt werden.
    Quelle: Norbert Häring
  5. G 7 oder Gelaber ist in der Tat noch keine Politik
    G 7 ist das älteste und unsinnigste aller Gipfeltreffen. Es wurde nur wiederbelebt, weil man Russland „bestrafen“ und aus irgendeinem internationalen Gremium herauswerfen wollte. Die politische Bedeutung ist ganz nahe Null, weswegen das Aufheulen über das „Scheitern“ mindestens so bedeutungslos ist wie das Treffen selbst.
    Das war offensichtlich so etwas wie der Untergang der Menschheit: Trump verhindert, dass die G 7 sich auf ein Kommuniqué zu ihrem Treffen in Kanada einigen. Die deutsche Presse verfällt kollektiv in Schnappatmung und kann sich gar nicht einholen ob des amerikanischen Rüpels, der anscheinend konstruktive internationale Politik verhindert.
    Was wird die Menschheit arm sein ohne dieses Kommuniqué. Wie hätte es die Problemlösungsfähigkeit unserer Politiker verbessern können. Hätten nicht gar die wichtigsten Konflikte der Menschheit gelöst werden können, wenn sich ein dutzend Beamte während einer langen Nacht geeinigt hätten? Und dann das: Trump fegt den „Erfolg des Gipfels“ mit einem Tweet vom Tisch.
    Alles dummes Zeug. Ein Kommuniqué mehr oder weniger ist so wichtig, als wenn in China das berühmte Rad umfällt. Überhaupt, und das ist viel schlimmer, ist das kollektive Gedächtnis, was die Bedeutung von G 7 angeht, nicht nur lückenhaft, es ist nicht vorhanden.
    Quelle: Makroskop
  6. Die 10 schlimmsten Länder der Welt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
    Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) veröffentlicht jedes Jahr einen Report zur Verletzung von Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechten weltweit. Seit einigen Jahren enthält dieser “Global Rights Index” auch eine Liste der zehn “schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen”.
    Quelle: DGB
  7. Erpressungsinstrument der Investoren
    Mit privaten Schiedsgerichten desavouiert der Staat sein eigenes Justizsystem. Er gibt damit das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip auf. Der Europäische Gerichtshof sah das in einer Entscheidung über ein Freihandelsabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei auch so. Es ist an der Zeit, die private Paralleljustiz abzuschaffen.
    Quelle: DGB
  8. Hartz IV
    1. Mythos Hartz IV
      In der öffentlichen Debatte zur Hartz-IV-Reform treffen zwei scheinbar unversöhnliche Lager aufeinander. Für die einen ist die Hartz-IV-Reform der Zaubertrank, der den kranken Mann Europas in das deutsche Arbeitsmarktwunder verwandelt hat. Jeder Versuch einer Reform der Reform wird vehement abgelehnt, weil er Deutschland ins Unglück stürzen würde. Für die andere Seite ist die Hartz-IV-Reform Teufelszeug, das nur Unheil gebracht hat – Hartz-IV muss weg! Wer hat recht?
      Ein genauer Blick auf die wenigen wissenschaftlichen Studien zum Thema zeigt, dass beide Seiten wichtige ökonomische Wirkungskanäle ansprechen. Doch der eindeutige Punktsieg geht an die Kritiker der Hartz-IV-Reform. Genauer gesagt: Einerseits war die Hartz-IV-Reform einer von mehreren Faktoren, die zu einem Rückgang der strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland geführt haben. Andererseits hat die Hartz-IV-Reform die Löhne gedrückt, die atypische Beschäftigung gefördert und die Unsicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt erhöht. Insgesamt hat Hartz IV die Lebensqualität vieler Menschen erheblich verschlechtert – und eine Reform der Reform ist sowohl aus „keynesianischer“ als auch aus „neoklassischer“ Sicht sinnvoll. (…)
      Erstens können die deutschen Arbeitsmarktreformen nicht als Vorbild für andere Eurostaaten dienen (ein Punkt, den Peter Bofinger ausführlich erörtert hat). Zweitens sollten substanzielle Korrekturen des derzeitigen Hartz-IV-Systems kein Tabu sein. Eine fachkundige Diskussion der wichtigsten Reformoptionen liefert etwa ein Beitrag von Stefan Sell, der auch der enormen Heterogenität der Langzeitarbeitslosen Rechnung trägt. Drittens sollte der Fokus aktueller Arbeitsmarktreformen darauf liegen, die positiven Arbeitsanreize zu verbessern und mehr gute Arbeit zu schaffen – wir brauchen mehr Zuckerbrot statt Peitsche. Beispielsweise würde eine Absenkung der Sozialabgaben für Geringverdiener bei gleichzeitiger Abschaffung des Mini-Job-Sonderstatus zu einem erheblichen Anstieg von Beschäftigung und Löhnen führen und könnte sich langfristig auch für den Fiskus lohnen.
      Quelle: Makronom
    2. „Dauerskandal“ Knapp 50 Milliarden Euro Kindergeld bei Hartz IV angerechnet
      Kindergeld in Höhe von 49,5 Milliarden Euro ist zwischen 2007 und 2017 bei Hartz-IV-Empfängern angerechnet worden. Allein im vergangenen Jahr wurden die Hartz-Leistungen unterm Strich um 4,9 Milliarden Euro vermindert, weil so viel Kindergeld an die Betroffenen floss, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linken im Bundestag hervorgeht.
      Sabine Zimmermann, Sozialexpertin der Linken, die die Frage gestellt hatte, bezeichnete die Anrechnung des Kindergeldes auf Hartz IV als „Dauerskandal“. Sie sagte: „Kinder Gutverdienender profitieren vom Kinderfreibetrag. Kinder aus Familien, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, bekommen das Kindergeld. Die Ärmsten aber bekommen gar nichts.“ Das sei das Gegenteil von vorausschauender Familienpolitik. (…)
      Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte in einem RTL-Interview gesagt, „dass wir immer noch einen Lohnabstand brauchen zwischen Menschen, die Arbeit haben und denen, die keine haben“. Eine Grundsicherungsbezieherin hatte ihn gefragt, warum Kindergeld angerechnet werde. So ein Lohnabstand soll verhindern, dass man mit aus Steuermitteln finanzierten Hartz-Leistungen ein höheres Einkommen erzielt als mit Einkommen aus Arbeit.
      Quelle: Berliner Zeitung

      Anmerkung Christian Reimann: Das ist nicht lediglich “das Gegenteil von vorausschauender Familienpolitik”. Das Spitzenpersonal der SPD – insbesondere der derzeit zuständige Bundesminister Heil und seine Vorgängerin Frau Nahles – scheinen den Beweis antreten zu wollen, dass sie auch von Sozialpolitik keine Ahnung haben. Das Argument des “Lohnabstand” ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Sorry, liebe SPD-Spitze, aber soziale Gerechtigkeit funktioniert so nicht.

  9. Schwarzer Freitag für Real Supermärkte
    Die aktion./.arbeitsunrecht wird am Freitag, 13. Juli 2018 unter dem Motto »Der Horror ist real« öffentlichkeitswirksame und phantasievolle Aktionen vor und in Supermärkten der Kette Real anstoßen und koordinieren.
    Die Bürgerrechtsinitiative wirft der Metro-Tochter Real Ausbeutung, Tarifflucht und Lohndumping vor.
    Real arbeitet in großem Stil mit Leiharbeit, Werkverträgen und willkürlicher Befristung. Die Kette umgeht Gesetze und schließt Dumping-Tarifverträge mit der Pseudo-Gewerkschaft DHV ab, um ver.di auszuhebeln. Betroffen sind mehr als 34.000 Beschäftigte an über 280 Standorten.
    Quelle: arbeitsunrecht in deutschland
  10. EU-Handelsabkommen mit Japan: Wasser darf nicht zur Handelsware werden
    Das Handelsabkommen zwischen der EU und Japan (JEFTA) ist fast fertig verhandelt und wäre das ökonomisch mit Abstand wichtigste Handelsabkommen der EU. Als “EU-only”-Abkommen dürfen die Parlamente der EU-Länder nicht mehr darüber abstimmen. Jetzt hat die deutsche Wasserwirtschaft dazu Positionspapiere herausgeben. Der BDEW Bundesverband stellt heraus, dass das Abkommen Verschlechterungen beim Schutz der kommunalen Wasserwirtschaft selbst gegenüber dem CETA-Abkommen mit Kanada bedeutet. Schon CETA hatte der BDEW kritisiert. Das Positionspapier beruht auf Expertise der Stadtwerke Karlsruhe. Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
    “JEFTA befördert die Liberalisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Wasser ist keine Handelsware, sondern ein öffentliches Gut. Es hat in einem Handelsvertrag nichts zu suchen. JEFTA missachtet das Subsidiaritätsprinzip in Europa. Handelsverträge sollten den Handel erleichtern, dürfen aber nicht in die Daseinsvorsorge eingreifen. JEFTA ist für die Daseinsvorsorge noch gefährlicher als CETA. Das Abkommen mit Kanada beinhaltet einen begrenzten Schutz von Wasser. Es ist bitter, dass die EU-Kommission zarte Fortschritte bei CETA vergisst, sobald der öffentliche Druck nachlässt.
    Einmal mehr wird klar: Die europäische Handelspolitik braucht einen Neustart. Wir brauchen Handelsverträge, die bei Zöllen, Zollabwicklungsverfahren und unbedenklichen technischen Standards Erleichterungen bringen. Eingriffe in die Demokratie oder die Missachtung des Subsidiaritätsprinzips müssen verhindert werden. Nur mit einem solchen Neustart ist das Vertrauen der Bürger und der Zivilgesellschaft zurückzugewinnen. Übergriffige Verträge wie JEFTA haben keine Zukunft.”
    Quelle: Sven Giegold
  11. Gilt die Unschuldsvermutung nicht für Flüchtlingsberater?
    Die Staatsanwaltschaft Aachen wirft einem Mitarbeiter einer Beratungsstelle für Flüchtlinge gewerbsmäßige Schleusung von Ausländern vor. Nun droht der Einrichtung nach 27 Jahren die Schließung, weil die Stadt Aachen und das Land Nordrhein-Westfalen die Förderung beenden. Und das obwohl die Staatsanwaltschaft sagt, dass die Einrichtung an sich nicht Gegenstand der Ermittlungen sei.
    Die Vorsitzende des Trägervereins der Einrichtung, Elisabeth Hodiamont, sagt: „Eine Anklage des Mitarbeiters erfolgte bis heute nicht“. Jetzt steht allerdings die Förderung durch die Stadt Aachen und das Land Nordrhein-Westfalen in Gänze auf der Kippe. Hodiamont: „Wir erhielten am 8.6. nach Monaten, in denen die weitere Förderung der nicht betroffenen MitarbeiterInnen nie in Frage gestellt wurde, die abschlägige Antwort!“. Der Beratungsstelle, die in zwei Büros Erwachsene und unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge berät, droht nun das Aus. Die Berater haben dieses Jahr schon fast 1.200 Beratungsgespräche allein für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge geführt. Im letzten Jahr fanden insgesamt 9.000 Beratungsgespräche für Kinder und Erwachsene statt.
    Quelle: Zebralogs
  12. Bilderberg verliert Status
    Über vier Jahrzehnte, seit ihrer ersten Sitzung im legendären Hotel De Bilderberg in den Niederlanden, hatte diese extrem diskrete Tafelrunde niemand bemerkt. Unter der Schirmherrschaft des Prinzen Bernhard der Niederlande wurden so folgenreiche Dinge wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft angestoßen.
    Doch Ende der 1990er Jahre ging ein immer lauteres Raunen durch die Stammtische: Es gäbe da eine geheimnisvolle Runde der Superreichen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Richtlinien der Politik bestimmen würden. Im Internet-Zeitalter gab es dann kein Halten mehr. Heute sind die Bilderberg-Treffen in aller Munde.
    Der Verlust der Heimlichkeit hat der Bilderberg-Runde nicht gutgetan. Bereits die Liste der Teilnehmer jener vermeintlichen Artus-Runde der letzten zehn Jahre zeigt deutlich: Hier tummelt sich schon lange nur noch die zweite oder dritte Garnitur der Machtträger auf diesem Globus. Multimilliardäre mit Visionen (wie seltsam diese auch sein mögen) wie George Soros, Jeff Bezos, Bill Gates oder der bizarre Richard Branson bleiben den Bilderbergern fern.
    Quelle: Telepolis
  13. 80 Prozent der Bewohner des Donbass wollen nicht zurück in die Ukraine
    Mittlerweile warnt selbst die Freedom Foundation, der man keine prorussische Haltung unterstellen kann (Russland gilt als “nicht frei”, die Ukraine als “teilweise frei”), vor dem wachsenden Rechtsextremismus in der Ukraine, der die Demokratie gefährden könne. In einem Bericht, der vor dem G7-Gipfel Ende Mai veröffentlicht wurde, heißt es, dass rechtsextreme Gruppierungen, die teilweise paramilitärisch organisiert und bewaffnet sind, bei den Wahlen zwar noch keine Chancen hätten, sie aber aggressiv versuchen würden, ihre Agenda in der Gesellschaft durchzusetzen. Sie seien eine “körperliche Bedrohung” für alle linken, feministischen, liberalen und LGBT-Aktivisten, für Menschenrechtler und für ethnische und kulturelle Minderheiten. In den letzten Monaten seien diese Gruppen immer aktiver geworden, die Behörden würden gegen sie auch bei Gewaltanwendung nicht vorgehen.
    Der Bericht der Freedom Foundation sieht den Beginn der Ausbreitung des Rechtsextremismus nach der “Euromaidan-Revolution und der fortgesetzten russischen Aggression”. Davor seien seit der ukrainischen Unabhängigkeit rechtsextreme Gruppen nur marginal gewesen: “Doch in den letzten Jahren haben extreme nationalistische Ansichten und Gruppen zusammen mit ihren Predigern und Propagandisten eine bedeutsame Legitimität in der Gesellschaft erhalten.“
    Quelle: Telepolis
  14. Als Afrikaner in Berlin
    Über das Leben in der Stadt Berlin, in der die westlichen Mächte 1884 auf einer Konferenz Afrika unter sich aufteilten.
    Berlin ist eine einzigartige Stadt. Wären diese Stadt und München Geschwister, dann wäre München die sensible ältere Schwester, die sich eine lange und stabile Karriere in der Versicherungsbranche aufgebaut hätte, während Berlin der jüngere Bruder mit zerrissenen Jeans und skandalösen Anekdoten auf Familientreffen wäre. Bekannt ist dieser Ort für die rebellischen Seelen, die er anzieht, für die freudvollen offenen Räume und sein endloses Nachtleben, die wie ein Magnet auf Künstlerinnen wie Hedonistinnen wirken (wobei die beiden Kategorien sich, das muss gesagt werden, bis zu einem gewissen Grad überlappen). Tatsächlich ist es angesichts des Rufs von Berlin als Stadt der Freiheit und Progressivität erst einmal überraschend zu hören, dass Berlin in Sachen Rassismus noch einen weiten Weg vor sich hat.
    Quelle: Ada
  15. „Süddeutsche Zeitung“ verklagt Uli Gellermann
    Nach der Veröffentlichung eines Kommentars in der RATIONALGALERIE in der ein Artikel der „Süddeutschen Zeitung (SZ)“ kritisch beleuchtet wird (s. Link weiter unten), verfolgt die „Süddeutsche Zeitung“ den Herausgeber der Website Uli Gellermann strafrechtlich: Am 15. Juni 2018 soll er, auf Antrag der „Süddeutschen“ wegen „Beleidigung“ vor ein Münchner Gericht. Gellermann, der selbst Journalist ist, unterzieht den betreffenden Artikel mit der Überschrift „Trump und Russland – Goldene Zeiten“ primär einer professionellen Kritik. Denn der SZ-Autor bezieht sich in seiner Veröffentlichung wesentlich auf einen ungenannten „ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiter“. Gern erwähnt der Autor auch ein Sex-Video, das Donald Trump zeigen soll und im Besitz der russischen Regierung sein soll. Im SZ-Artikel wimmelt es von Formulierungen wie „angeblich“ – „sein soll“ und „gilt als“. Gellermann konstatiert in seinem Kommentar, dass der SZ-Autor ohne jeden Beweis eine Polit-Schmuddel-Story veröffentlicht hat und so, statt sauber zu recherchieren und zu berichten, schlichte Meinungsmache betreibt.
    Quelle: Rationalgalerie

    Anmerkung Albrecht Müller: Die NachDenkSeiten solidarisieren sich mit Uli Gellermann.

  16. Kanzlerin Angela Merkel: Inszenierung einer selbstreferenziellen Demokratie
    Das neu geschaffene Format einer parlamentarischen Fragestunde sollte einen Wandel hin zu mehr Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag markieren. Tatsächlich geriet sie zu einem Schaulaufen ohne Chance auf Erkenntnisgewinn. Am 6. Juni gab es im Deutschen Bundestag die Fragestunde mit der Bundeskanzlerin. Was ein Höhepunkt politischer Diskussion hätte werden können, geriet zu einem Desaster. Das ganze Ausmaß der Selbstabschottung der deutschen politischen Klasse gegenüber Fakten wurde in dieser guten Stunde mehr als deutlich.
    Quelle: RT
  17. Ignoranz des DFB gefährdet WM-Erfolg
    Die Fußball-Nationalelf reist mit dem Geist Erdogans zur WM. Sicher ist: Ohne eine wirklich offene und ehrliche Diskussion ist die Chance auf einen Schulterschluss zwischen dem DFB-Team und ihren Fans nicht gegeben. […]
    DFL-Präsident Rauball hat völlig recht, wenn er feststellt, dass die bisherigen Maßnahmen und Erklärungen des DFB und der Spieler nicht ausreichen. Und auch seine Sorge, ob nach so viel Verspätung und Ignoranz, der Zeitpunkt schon verpasst ist, um dauerhaften Schaden noch abwenden zu können, ist nicht übertrieben. Die Ansicht des DFB-Vizepräsidenten steht jedoch weiterhin im Kontrast zur sportlichen und politischen Führung des DFB, die im Namen von Löw, Bierhoff und Grindel seit Wochen und selbst nach dem Desaster von Leverkusen nur einen einzigen Lösungsweg verfolgt – und der heißt Schlussstrich. Aber längst ist sicher: Ohne eine wirklich offene und ehrliche Diskussion ist die Chance auf einen Schulterschluss zwischen der Nationalmannschaft und ihren Fans nicht gegeben.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Dieser Kommentar der FAZ ist eigentlich unglaublich. Soll der DFB also den rechtsradikalen „Fans“ Recht geben, die Nationalspieler mit türkischem Migrationshintergrund auspfeifen, weil sie sich mit dem türkischen Präsidenten getroffen haben? Das ist doch abenteuerlich. Noch in den 90ern haben einige „Fans“ die Einwechslung farbiger Spieler mit Pfiffen und Affenlauten kommentiert. Hätte der DFB auch den „Schulterschluss“ mit diesen „Fans“ suchen sollen?