Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Karl Marx war auch nur ein alter weißer Mann
  2. Mueller-Bericht entlastet Trump Die Demokraten stehen vor einem Debakel
  3. Der lahme Kapitalismus
  4. Gelbwesten
  5. Im größten Steuerskandal der Bundesgeschichte fehlen Fahnder
  6. Dax-Konzerne wollen 100.000 Stellen abbauen
  7. Die Wohnsituation in deutschen Großstädten – 77 Stadtprofile
  8. Wie die CDU Chefin ein Steuergeschenk an Superreiche als Mittelstandsentlastung verkauft
  9. Österreich – Schwarz-Blau: In sechs Schritten zum Billiglohn-Sektor
  10. Wien: Wohnen ist ein Menschenrecht
  11. Die gesetzliche Rente ist besser als ihr Ruf
  12. „Ohne Zustimmung meiner Behörden eine Genehmigung ausgesprochen“
  13. Kaputte Bahn
  14. Dollarregen für die Pfalz
  15. Wie Digitalisierung das Klima belastet
  16. No 404
  17. Mit Blick auf Russland drängt die Nato auf einen Beitritt Georgiens
  18. Das Letzte – “Rechts” und “Links” gemeinsam – Erkundungen an der Querfront

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Karl Marx war auch nur ein alter weißer Mann
    Identitätspolitik hat eine dunkle Seite: Subjektivität und Ausschluss. Linke Politik sollte sich diese nicht zu eigen machen. Eine Entgegnung […]
    Die heute dominierende Form liberaler Identitätspolitik ist kein legitimer Nachfolger, sondern das Gegenteil historischer Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterbewegung. Ihr Fokus auf Anerkennung immer kleinteiligerer Gruppenidentitäten, die anhand ethnischer, sexueller, sozialer oder kultureller Aspekte konstruiert werden, zielt nicht auf Solidarität und Gemeinsinn, sondern auf Subjektivität und Ausschluss ab. Statt um universalistische Forderungen nach schrankenlosen Zugängen zu Bildung, Gesundheit, Wohlstand und Teilhabe geht es um Sonderrechte. Die Folge ist ein Nullsummenkonkurrenzkampf um die lukrativsten Positionen in der gesellschaftlichen Opferhierarchie. Am Ende dieser Balkanisierung steht nicht die gemeinschaftliche Tat, sondern nur ein so zorniges wie Status-quo-kompatibles Ressentiment.
    Beobachten lässt sich dies an Teilen der amerikanischen Linken und im akademischen Justemilieu manch europäischer Progressiver. Hier läuft die identitätspolitische Obsession eben nicht auf empowerment hinaus, sondern auf eine Selbstentmachtung der Linken. Dies gilt natürlich umso mehr, je stärker sie mit moralischer Verachtung für ihr autofahrendes, fleischessendes und karnevalfeierndes traditionelles Wählermilieu kombiniert wird.
    “Identitätspolitik”, so schreibt der an der Columbia Universität lehrende Mark Lilla, “ist Reaganomics für Linke.” Da sie mit den Dogmen eines polarisierenden Neoliberalismus problemlos vereinbar ist, gerinnt ökonomische Ungerechtigkeit in einen Nebenwiderspruch zu vermeintlich grundsätzlicheren Diskriminierungen, die durch immer neue Pirouetten progressiver Symbolpolitik und mit “Haltung” bekämpft werden. Eine solche Linke sorgt sich um emotionale Kränkungen durch Mikroaggressionen, doch hat für Entdemokratisierung, wachsende wirtschaftliche Ungleichheit und für die kaputten Knie eines Fliesenlegers im äußeren S-Bahnring nur noch ein selektives Sensorium.
    Quelle: Michael Bröning in der ZEIT
  2. Mueller-Bericht entlastet Trump Die Demokraten stehen vor einem Debakel
    Die Mär von der großen Russland-Verschwörung wurde als das entlarvt, was sie ist – eine Mär. Trotzdem ist Trump zu schlagen.
    Lauter ist selten ein Luftballon geplatzt. Ein Echo verstärkt den Effekt noch. Aus dem Weißen Haus ertönen Salven des Hohngelächters. Und die Opposition? Zerknirscht, trotzig, ratlos. Denn die Nachricht des Wochenendes lässt US-Präsident Donald Trump jubilieren: Nach fast zweijähriger Untersuchung und der Anhörung von rund 500 Zeugen kommt FBI-Sonderstaatsanwalt Robert Mueller zu dem Ergebnis, dass Trump und sein Team nicht mit der russischen Regierung zusammengearbeitet hatten, um den Ausgang der Präsidentschaftswahl zu manipulieren. Diese These aber bildete den Kern der von der Opposition und Teilen der amerikanischen Medien gegen Trump gerichteten Vorwürfe. Geblieben davon
    Blamage, Debakel, Fiasko: Mit anderen Worten lässt sich nicht beschreiben, was der Mueller-Bericht für die Demokraten bedeutet. Ihr Weltbild wankt, die Speerspitze ihrer Attacken auf Trump ist abgebrochen. Da gab es vor zweieinhalb Jahren diesen Wichtigtuer und Frauenverächter, Rassisten und Milliardärsprotz, der jeden verhöhnte, der sich ihm in den Weg stellte. Seinen Schimpf und Groll bekamen selbst Mitglieder dessen eigener Partei, der Republikaner, zu spüren. Trump kämpfte gegen alle und jeden, vor allem aber gegen Hillary Clinton, die Kandidatin der Demokraten. „Sperrt sie ein!“, skandierten seine Anhänger. Die Stimmung war aggressiv, ja feindlich.
    Dann geschah das Unglaubliche. Trump gewann die Wahl, wurde Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der mächtigste Mann der Welt. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. So einer? Niemals! Und so mischten sich in die Verzweiflung der Opposition immer mehr die Elemente einer Verschwörungstheorie. Deren Zentrum bildete die Behauptung, Trump sei durch illegale Praktiken ins Amt gelangt, sein Wahlkampfteam habe mit der russischen Regierung, dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Jens Berger: Der Mueller-Bericht muss für die Demokraten kein „Debakel“ sein. Ganz im Gegenteil. Seit zwei Jahren haben sie sich weitestgehend aus der politischen Debatte ausgeklinkt und sich derart auf „Russiagate“ fokussiert, dass nur noch hartgesottene Hillary-Fans nicht abgenervt waren. Wenn sie nun zumindest die Chance bekommen, wieder ernsthaft in die sachpolitische Debatte einzusteigen, ist dies wohl die letzte Rettung für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Denn mit unglaubwürdigen Verschwörungstheorien lassen sich keine Wahlen gewinnen. Diese Lektion sollten die Demokraten seit der Klatsche Clintons eigentlich gelernt haben.

    dazu: Etappensieg für Trump
    Robert Mueller hat den Verdacht gegen Trump in der Russland-Affäre entkräftet. Doch der US-Präsident freut sich zu früh, meint Marcus Pindur. Denn es sei nicht wahr, dass der Sonderermittler ihn vom Vorwurf der Behinderung der Justiz freigesprochen habe.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Die Atlantiker unter den deutschen „Qualitätsjournalisten“ haben nun ein ziemliches Problem, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

  3. Der lahme Kapitalismus
    Die Welt hatte eine postkapitalistische Vision noch nie so nötig wie heute. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der die Politik genauso daneben ist wie der Finanzmarkt-Kapitalismus.
    Der Kapitalismus ist instabil, unzuverlässig und anfällig für Stagnation. Zu dieser Erkenntnis kam fast jeder nach dem Börsenkrach von 1929, mit dem die erste Weltwirtschaftskrise begann. In den folgenden Jahrzehnten allerdings verschwand diese Wahrnehmung wieder. Da die Wirtschaft nach dem Krieg rasant wuchs und die Globalisierung durch den Finanzmarkt-Kapitalismus nach dem Kalten Krieg enorm vorangetrieben wurde, kehrte der Glaube an die selbstregulierenden Fähigkeiten der Märkte zurück.
    Ein langes Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise 2008, ist dieser rührende Glaube heute erneut erschüttert. Denn die natürliche Tendenz des Kapitalismus zu stagnieren, hat sich bestätigt. Der Aufstieg der rassistischen Rechten, die Fragmentierung der politischen Mitte und die zunehmenden geopolitischen Spannungen sind nur die Symptome des Gifthauchs des Kapitalismus.
    Die Voraussetzung für eine ausgewogene kapitalistische Wirtschaft ist eine magische Zahl in Form des vorherrschenden realen (inflationsbereinigten) Zinssatzes. Magisch, weil es zwei sehr unterschiedliche Fliegen, die in zwei sehr unterschiedlichen Sphären fliegen, mit einer Klappe zu schlagen gilt. Erstens muss die magische Zahl die Nachfrage der Arbeitgeber nach Angestellten mit dem verfügbaren Angebot an Arbeitskräften in Einklang bringen. Zweitens muss sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ersparnissen und Investitionen erzielen. Wenn der geltende Realzins nicht für einen ausgewogenen Arbeitsmarkt sorgt, erleben wir Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, verschwendetes menschliches Potenzial und Armut. Wenn es nicht gelingt, die Investitionen auf das Niveau der Ersparnisse zu bringen, setzt Deflation ein, die zu noch geringeren Investitionen führt. …
    Quelle: Yanis Varoufakis auf Gegenblende
  4. Gelbwesten
    1. Die Meisterin des Autofiktionalen
      Dass Annie Ernaux jetzt auch in Deutschland mit großer Begeisterung entdeckt wird, hat sicher auch damit zu tun, dass soziale Fragen wieder dringlicher gestellt werden, auch hierzulande. Der französische Soziologe Didier Eribon und sein Schüler Édouard Louis sind bei uns gefeierte Stars – mehr als in ihrer Heimat Frankreich. Beide verehren Annie Ernaux als Vorbild.
      Die Schriftstellerin kommentiert das knapp und mit Bescheidenheit:
      „Ich freue mich sehr, dass die Bücher von Didier Eribon und Edouard Louis so populär sind.“
      Nicht nur das „autofiktionale Schreiben“, also die in Romanform verpackte, exemplarische Autobiographie, haben die drei gemeinsam. Auch in ihrer politischen Haltung ist sich Ernaux mit Eribon und Louis einig. Gerade was die „Klassenfrage“ und die neue soziale Bewegung in Frankreich angeht.
      „Hinter den Gilets jaunes steht kein intellektuelles Konzept. Von denen hat ganz sicher keiner Pierre Bourdieu gelesen, und wohl auch kaum etwas von Didier Eribon oder Édouard Louis. Aber durch die Kraft des Faktischen haben die Gelbwesten ein politisches Bewusstsein entwickelt.“
      Und dass die Gelbwesten-Bewegung immer mehr durch Gewaltexzesse in die Schlagzeilen gerät? – Für Annie Ernaux ist es eine Art Kollateralschaden: „Man würde sich sicherlich den idealen Revolutionär wünschen, der in allem perfekt ist. Aber das ist nicht möglich. In so einer Bewegung kann es natürlich Leute geben, die antisemitische oder fremdenfeindliche Tendenzen haben. Und es ist klar dass die extreme Rechte, Marine Le Pen, versucht, das für sich zu vereinnahmen. Es gab diesen Vorfall mit dem Philosophen Alain Finkielkraut, der antisemitisch beschimpft wurde.
      Aber auch sonst in der Gesellschaft grassiert der Antisemitismus, nur wird der nicht so in den Fokus gerückt. Es sind eben alle Mittel recht, um die Gilets jaunes zu diskreditieren.“
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur

      Dazu: Die Guten, Die Bösen – Gelbwesten

    2. Die Attac-Sprecherin von Nice (Nizza), Geneviève Legay, wurde während einer Demonstration von Spezialkräften der Polizei (CRS) angerempelt, sie ist schwer verletzt.

      Kommuniqué von attac FR , 24.3. (Text und Übersetzung);
      News von attac FR, 25.3.: Interview von Geneviève Legay VOR dem Polizei-Angriff; Solidaritätsversammlungen in Frankreich, Pressespiegel u.a.m.
      Interview vom Attac-Sprecher Raphael Pradeau, der sich gegen das Demonstrationsverbot deutlich ausspricht; Erklärung der Menschenrechtsliga; der Gewerkschaft CGT; Ausführlicher Bericht von Mediapart

      Protest- und Solidaritätversammlung vieler Organisationen in Nizza am Montag, d.25. März um 18 Uhr – Attac Nizza

      Wir wünschen Genevieve eine rasche Genesung!
      Twitter von Attac Deutschland: Wir fordern mit und ihrer Familie, die Verantwortlichen für diesen Akt der Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen!

      Demonstrationen der Gelbwesten in Frankreich am vorigen Samstag wurden von den jeweiligen Präfekten verboten (Paris, Toulouse, Bordeaux, Rouen, Rennes, Saint-Malo, Saint-Brieuc, Vannes, La Rochelle, Tarbes, Carcassonne, Trèbes, Dijon, Metz, Perpignan,…).
      So auch in Nice (wo es übrigens in den vorangegangenen Wochen keine Zerstörungen gegeben hatte…).

      Polizeiübergriffe bei einer angemeldeten und genehmigten Demonstration in Lille am 23. März 2019

      attac FR hatte am 21.3. zusammen mit 30 Organisationen (Gewerkschaften, NGOs, pol. Parteien) einen Appell für das Demonstrationsrecht unterschrieben. Am 28.3. gibt es ein zweites erweitertes Treffen.

      Für den Samstag 23. März (XIX.Aktionstag der Gelbwesten) hatte die französische Regierung beschlossen, auch die Armee (“Sentinelle”-Gruppen) einzusetzen.
      Der General Bruno Leray erklärte am Radio: « Si leur vie ou celle des personnes qu’ils défendent est menacée », les militaires pourront « aller jusqu’à l’ouverture du feu ». (= Wenn ihr Leben oder das der Personen, die sie schützen sollen, bedroht wird, dann könnten die Soldaten ihre Feuerwaffen einsetzen) – Quelle : Interview von franceinfo

      Vielfältige Proteste dagegen: u.a. der CGT,
      Dieser Beschluss hat zu Widersprüchen auch innerhalb der Armee und der parlamentarischen Mehrheit geführt.

      Quelle: attac

  5. Im größten Steuerskandal der Bundesgeschichte fehlen Fahnder
    Die Vorwarnung war eindeutig, und das Landgericht Bonn reagierte schnell. Den Richtern stehe eine große Zahl an Prozessen bevor, jeder für sich hochgradig komplex, hieß es im Dezember 2017. Es entstand eine neue Kammer, die zwölfte, drei Richter nahmen ihre Arbeit auf, sie lasen sich ein und machten sich vertraut mit dem wohl größten Steuerskandal der Bundesgeschichte. Jetzt sind sie exzellent vorbereitet, aber vor allem damit beschäftigt, zu warten – die Staatsanwaltschaft Köln bereitet gerade die erste von wohl mehreren Dutzend Anklagen vor, und noch liegt diese nicht bei Gericht.
    Sollte sich die Sache einmal beschleunigen, werden die Richter in Bonn jahrelang mit diesem Skandal zu tun haben, der unter dem Namen Cum-Ex bekannt geworden ist. Banker, Aktienhändler und Kapitalanlagefonds sollen jahrelang komplexe Aktiengeschäfte betrieben haben mit dem alleinigen Ziel, in die Staatskasse zu greifen. Dazu ließen sie sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer durch einen Trick mehrfach erstatten. Erst 2012 schloss der Bund mit einer Gesetzesänderung eine Lücke, die solche Geschäfte möglich gemacht hatte. Danach begann die juristische Aufarbeitung. Weil das für ausländische Firmen zuständige Bundeszentralamt für Steuern in Bonn sitzt und die Staatsanwaltschaft Köln die meisten Verfahren führt, wird sich vor allem in Nordrhein-Westfalen entscheiden, ob es dem Staat gelingt, die verlorenen Milliarden einzutreiben und Beteiligte anzuklagen.
    Nach Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung gibt es daran aber erhebliche Zweifel: Die Aufarbeitung des Skandals gerät ins Stocken, die Ermittler kämpfen gegen die Zeit, weil Insidern zufolge viele Fälle verjähren könnten. Das Land NRW setzt offenbar zu wenige Ermittler ein, um dem Umfang und der Komplexität der Cum-Ex-Fälle gerecht zu werden. Lediglich bis zu 15 Steuerfahnder arbeiten in der Ermittlungsgruppe “Stopp” zusammen. Beim Landeskriminalamt arbeitet eine Handvoll Beamte in der Einheit “Tax”. Den Recherchen zufolge fordern Beteiligte seit Jahren mehr Personal. Damit konfrontiert, dementiert die Landesregierung, zu wenige Ressourcen vorzuhalten. …
    Quelle: SZ

    dazu: “Man muss verdammt gute Anwälte bezahlen”
    Bei der Aufarbeitung der “Cum-Ex”-Geschäfte fehlt es offenbar an Personal. Die Ermittlungen gegen Correctiv, die in der Sache recherchiert haben, dauerten hingegen an, sagte David Schraven, Gründer des Recherchebüros, im Dlf. Und sich dagegen zu wehren, koste “unheimlich viel Geld”.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Bei eingeschränkten Ressourcen muss der Staat natürlich Prioritäten setzen.

  6. Dax-Konzerne wollen 100.000 Stellen abbauen
    Die schwächere Weltwirtschaft, steigende Löhne und der digitale Wandel zwingen Unternehmen zum Sparen. Industriekonzerne sind besonders betroffen.
    Als im vergangenen Jahr jeder dritte deutsche börsennotierte Konzern seine Aktionäre mit Ertragswarnungen schockierte, brach zunächst der Dax ein. Im Gesamtjahr fiel er um 18 Prozent. 2019 finden die Ergebnisrückgänge nun ihren Weg in die Realwirtschaft.
    Allein die 30 Dax-Konzerne werden nach Handelsblatt-Berechnungen im laufenden Jahr mit Hilfe von Fluktuationen, Vorruhestandsregelungen und Abfindungen 100.000 Stellen abbauen, die meisten VW mit mehr als 30.000.
    Hinzu kommen umfassende Sparprogramme, mit denen die 30 Konzerne ihre Ergebnisse künftig Jahr für Jahr um zusammengerechnet 20 Milliarden Euro verbessern wollen. Das entspricht fast einem Viertel des gesamten Nettogewinns im abgelaufenen Geschäftsjahr. Allein BMW will bis Ende 2022 zwölf Milliarden Euro einsparen, um Gewinnrückgänge aus hohen Investitionen in die Elektromobilität abzufedern.
    „Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren schon einiges getan, um ihre Kosten zu senken“, urteilt Commerzbank-Bilanzexperte Markus Wallner, „deshalb wird ihr Spielraum jetzt kleiner.“
    Doch es gibt ihn noch, wie Berechnungen des Bankhauses zeigen: Gelingt es den Dax-Konzernen, ihre Fixkosten aus Personalkosten und Abschreibungen bloß um ein Prozent zu senken, erhöhen sich im laufenden Jahr die Gewinne vor Steuern und Zinsen um durchschnittlich fast zweieinhalb Prozent.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ist der Fachkräftemangel, den diese Konzerne und ihre Lobbyisten vom BDA noch letztes Jahr lauthals bejammert haben, vorbei? Natürlich zwingt die (sich tatsächlich abschwächende) Weltwirtschaft die Konzerne keineswegs zu Sparprogrammen – die extrem hohen Gewinne der letzten Jahre werden ein bisschen niedriger ausfallen, das ist alles, und für Rekordgehälter für die Chefetage reicht es immer noch. Das Bild zum Artikel zeigt u. a. Frank Appel von der Deutschen Post AG, die nach 3,2 Milliarden Euro Gewinn (EBIT) im Jahr 2018 für 2019 gleich 4,2 und für 2020 satte 4,8 Milliarden Euro Gewinn (EBIT) erwartet, was dann noch weiter steigen soll. Wo ist da ein “Zwang zum Sparen”? Volkswagen hat 2018 einen absoluten Rekordgewinn von 17 Milliarden Euro erzielt und insgesamt in den letzten 10 Jahren (2009 bis 2018) unfassbare 100 Milliarden Euro. Für 2019, 2020 und 2021 werden weiter steigende Gewinne von 18 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr erwartet – “Zwang zum Sparen”??? Als weitere aparte (und genauso lächerliche) Begründung gibt das Handelsblatt “steigende Löhne” an. Gemeint sind Lohnsteigerungen, die mit Mühe und Not über dem Inflationsziel der EZB von 2 Prozent liegen und auch den Produktivitätsfortschritt nicht abbilden. Solche “Lohnsteigerungen” (in Anführungszeichen) sind bei hohen Milliardengewinnen und fast zweistelligen Umsatzrenditen für DAX-Konzerne nicht zu verkraften?

    Anmerkung JK: VW hat nicht nur den höchsten Gewinn der Firmengeschichte eingefahren, sondern hat auch noch nie eine höhere Dividende ausgeschüttet, als es für dieses Jahr geplant ist. Zu den Profiteuren zählt die Familie Porsche, Platz neun auf der Liste der deutschen Superreichen, deren Kapital dadurch um etwa 180 Millionen Euro wächst. Dafür kann man schon einmal 30.000 Stellen abbauen. Auch BMW hat wie zu lesen ist ein Sparprogramm aufgelegt. Es wird aber dennoch eine Dividende von 3,50 Euro je Aktie gezahlt, damit Stefan Quandt und Susanne Klatten, die im Besitz von fast der Hälfte der stimmberechtigten Aktien sind, auch dieses Jahr über eine Milliarde Euro an Ausschüttungen kassieren dürfen. So funktioniert Kapitalismus.

  7. Die Wohnsituation in deutschen Großstädten – 77 Stadtprofile
    Die Wohnsituation in deutschen Städten ist ein zentrales kommunalpolitisches Thema. Um Angebot und Nachfrage von Wohnraum besser in Übereinstimmung zu bringen, benötigen wohnungspolitische Akteure genaue Informationen über die Situation in der jeweiligen Stadt.
    In diesem Bericht finden sich 77 Stadtprofile im Überblick und geben Auskunft über die soziale Wohnsituation.
    Quelle: Hans-Boeckler-Stiftung
  8. Wie die CDU Chefin ein Steuergeschenk an Superreiche als Mittelstandsentlastung verkauft
    2021 wird der Solidaritätszuschlag in einem ersten Schritt für 90 Prozent der Steuerzahler gestrichen. Diese werden mit 10 Milliarden Euro entlastet. So haben es Union und SPD vereinbart. Jetzt aber will die CDU-Spitze auch den Rest des Solis für Verdiener (Ehepaar) über 150 000 Euro streichen – für den Mittelstand. Fakepolitik! Denn davon profitieren vor allem Spitzenverdiener und Millionäre. Trotzdem läuft sich Annegret Kramp-Karrenbauer auch mit dieser Forderung warm für ihre Kanzlerschaft.
    Annegret Kramp-Karrenbauer – kurz AKK – auf Tuchfühlung mit der CDU in Nordhessen. Fast 100 Tage ist die neue CDU-Vorsitzende jetzt im Amt. Kanzlerin Merkel scheint hier bereits Geschichte und Kramp Karrenbauer arbeitet mit Hochdruck daran, sich vom Koalitionspartner abzusetzen.
    „Mein Eindruck ist, dass die SPD schon lange keine Politik mehr macht gegen die, die jeden Tag aufstehen, gegen die die malochen, die arbeiten.“
    Konservativ, wirtschaftsliberal, so sieht sie ihre, die neue CDU. Auch wenn es sich nicht so anhört, hinter folgendem Satz steckt Sprengkraft.„Wir haben auch die Herausforderung, das unsere Wirtschaft nicht einfach so von selbst gut läuft. Sondern dass wir unsere Rahmenbedingungen auch so setzen müssen.“
    Rahmenbedingungen setzen heißt für Kramp-Karrenbauer offenbar: Unternehmer, Leistungsträger umwerben. Sie sollen entlastet werden, auch die mit viel Geld. Dafür will sie den Solidaritätszuschlag abschaffen – komplett und sofort.
    Josef Rick ist so ein Leistungsträger. In bester Lage in Düsseldorf lässt er Wohnungen bauen. Mit seinen Immobilien ist er reich geworden. Der Multi-Millionär wundert sich über den Vorstoß, den Soli komplett abzuschaffen und rechnet schon mal vor, was ihm die CDU nun schenken will – pro Jahr.
    „Das bedeutet für mich und andere meiner Einkommensklasse, dass wir vom Staat einen Maserati im Wert von vielleicht 90.000 Euro auf den Hof gestellt bekommen. Und das finde ich persönlich zwar sehr nett, aber gesellschaftlich völlig unangemessen.“
    Erschreckend wenig Wirtschaftskompetenz zeige Kramp-Karrenbauer, die Anwärterin für das Kanzler-Amt, mein Millionär Rick. Volkswirtschaftlich sei ihr Vorschlag Unfug.
    Quelle: RBB
  9. Österreich – Schwarz-Blau: In sechs Schritten zum Billiglohn-Sektor
    Es gibt staatliche Ausgaben, die kürzt man nicht aus finanziellen Gründen: Etwa die Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose, die Notstandshilfe oder den Lohn von Asylwerbern in Hilfstätigkeiten. Die Einsparungen bringen dem Staatshaushalt nichts, die Auswirkungen für Betroffene sind aber katastrophal. Der Grund für die Kürzungen liegt wo anders: In kleinen Schritten soll in Österreich ein Billiglohn-Sektor entstehen, der Lohndruck wird steigen – gerade für kleine Einkommen.
    Österreichs Arbeitsmarkt war bis heute weitgehend geschützt vor Hungerlöhnen, weil es für fast alle Arbeitnehmer Kollektivverträge gibt – die Abdeckung liegt bei 98 Prozent. Und das Sicherheitsnetz im Fall von Arbeitslosigkeit und Krankheit ist engmaschig. Das wollen ÖVP und FPÖ jetzt ändern.
    Das Ziel von Schwarz-Blau ist ein Billiglohn-Sektor. Der Druck auf Arbeitslose wird erhöht, damit sie jeden Job annehmen müssen – und Kollektivverträge werden zurückgedrängt. Zugleich werden billige Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt, um das Lohnniveau zu drücken. Asylwerber dürfen keine Lehre in Mangelberufen mehr machen, sollen aber künftig Hilfstätigkeiten um maximal 1,50 Euro verrichten. All das führt zu Lohndruck – gerade für kleine Einkommen.
    Quelle: Kontrast.at
  10. Wien: Wohnen ist ein Menschenrecht
    Niedrige Mieten in bester Lage – von Wiens Wohnungsmarkt können deutsche Mieterinnen und Mieter nur träumen. Das Geheimnis: Wien investiert jedes Jahr hunderte Millionen in den sozialen Wohnungsbau. Private Investoren gibt es kaum.
    Zwei Zimmer, Wohnküche und Balkon, in einem schicken Neubau, nur 15 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Kaltmiete, inklusive Betriebskosten: 367 Euro im Monat. Sogar einen Pool und ein Kino gibt es im Keller. Das Sonnwendviertel in Wien besteht aus 2.000 solchen, geförderten Mietwohnungen.
    62 Prozent aller Wiener leben heute in einer Wohnung mit gedeckelter Miete. Die durchschnittliche Kaltmiete von Gemeindewohnungen, inklusive Betriebskosten, lag 2016 bei 6,50 Euro pro Quadratmeter. Etwas modernere Wohneinheiten kosten maximal 7,50 Euro. 220.000 Wohnungen gehören der Stadt Wien, an weiteren 200.000 Wohnungen ist sie beteiligt. Die kommunale Hausverwaltung Wiener Wohnen ist damit die größte Europas. Private Eigentumswohnungen sind dagegen eher die Seltenheit. So zahlten die Wiener 2017 durchschnittlich nur 9,60 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter– fast drei Mal weniger als die Bewohner von Paris.
    Anspruch auf eine Gemeindewohnung hat jeder erwachsene Wiener, der weniger als 45.000 Euro netto im Jahr verdient und einen Bedarfsgrund nennt. Als bedürftig gelten zum Beispiel schon Paare, die aus zwei kleinen Wohnungen in eine größere Wohnung ziehen wollen. Die Hürden sind bewusst niedrig: „Die Sozialbaupolitik in Wien basiert auf der Zusage, dass Wohnen ein Menschenrecht ist.“, sagt Kathrin Gaal, Amtsführende Stadträtin für Wohnen in Wien. Drei Viertel aller Wiener erfüllen die Voraussetzung für eine geförderte Wohnung. So wohnen im Sonnwendviertel und den anderen Gemeindewohnungen Menschen aus allen Schichten und jeden Alters Tür an Tür. Keine Spur von Ghettos, keine Spur von Gentrifizierung. Hier lebt jeder mit jedem.
    Quelle: DGB

    Anmerkung JK: Deutlicher lässt sich kaum vor Augen führen, dass „der Markt“ gar nichts besser kann. Wobei sich hier wiederholt die Unsinnigkeit der neoliberalen Ideologie manifestiert. Nach marktradikaler Logik ist jeder Marktakteur daran interessiert ein optimales Ergebnis zu erzielen, sprich für seine eingesetzten Ressourcen die maximale Rendite zu erzielen. So werden in Deutschland deshalb bevorzugt hochwertige und teure Wohnungen gebaut. Explizit auch für Anleger, die dann möglichst hohe Mieteinnahmen erzielen wollen. Das hilft Menschen mit nur beschränkten finanziellen Ressourcen, die ein bezahlbares Dach über dem Kopf suchen aber gar nichts. Für Neoliberale spielt das keine Rolle.

    Dazu: DGB startet Aktionswoche „Bezahlbar ist die halbe Miete“
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund startet heute eine bundesweite Aktionswoche rund ums Thema Wohnen. Unter dem Motto „Bezahlbar ist die halbe Miete“ finden in ganz Deutschland mehr als 200 Aktionen und Veranstaltungen statt. Die Aktionswoche ist der bundesweite öffentliche Auftakt des DGB-Zukunftsdialogs.
    DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Montag in Berlin:
    „Steigende Mieten sind für immer mehr Beschäftigte ein Problem. Sie sind auch Ergebnis einer jahrzehntelang verfehlten Wohnungspolitik. Das Marktversagen im Wohnungssektor ist offensichtlich – jetzt muss die Politik stark und stetig eingreifen. Gebraucht werden mindestens 400.000 neue und bezahlbare Wohnungen pro Jahr, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Bund und Länder gemeinsam müssen dafür sieben Milliarden Euro jährlich bereitstellen. Die bislang für den sozialen Wohnungsbau eingeplanten Gelder des Bundes reichen nicht einmal, um den Bestand zu halten. Zudem sollte die Politik entschlossener gegen Bodenspekulation vorgehen, etwa indem sie Eigentümer im Rahmen baurechtlicher Möglichkeiten verpflichtet, ihre Grundstücke zu bebauen.“
    Quelle: DGB

  11. Die gesetzliche Rente ist besser als ihr Ruf
    Zehntausende wollen hohe Summen an die staatliche Rentenkasse überweisen, um früher in Rente zu gehen. Das ist auch ein Misstrauensvotum gegen Banken, Versicherungen und Anlagegesellschaften.
    Es ist noch gar nicht so lange her, da galt die gesetzliche Rentenversicherung als eine Art Auslaufmodell. Zu wenig Rendite, zu eingeschränkte Anlagemöglichkeit, und überhaupt: alles viel zu verstaubt und viel zu langweilig. Stammt das Prinzip der Sozialversicherung nicht noch aus Reichskanzler Otto von Bismarcks Zeiten? An den Kapitalmärkten, so die öffentlich dominierende Meinung, sei heute viel mehr zu holen.
    Eine Beinahe-Kernschmelze an den Weltfinanzmärkten später, dazu eine inzwischen gefühlte Ewigkeit mit Mini-Zinsen auf Bankguthaben, und das Bild hat sich gewandelt. Plötzlich interessieren sich Zehntausende dafür, vorzeitig in Rente zu gehen – und freiwillig Teile ihres Geldvermögens ausgerechnet an die Deutsche Rentenversicherung zu überweisen, um die fälligen Abschläge zu vermeiden. Dabei geht es um ansehnliche Beträge bis in den mittleren fünfstelligen Bereich. Wenn das kein Zeichen ist, es wirkt sogar wie ein Misstrauensvotum gegen Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften – auch dort könnten die Menschen ihr Geld deponieren. Doch offenbar genießt der Staat heute bei etlichen Bürgern mehr Vertrauen. Die Regierung half mit dem Flexirentengesetz ein bisschen nach. Seit 2016 können schon 50-Jährige damit beginnen, Extrageld bei der Rentenkasse einzuzahlen, um als 63-Jährige abschlagsfrei in den Ruhestand zu gehen.
    Doch selbst Anlageprofis geben zu, wenn auch ungern öffentlich: Der Gang zu den Beratern der DRV Bund lohnt auf jeden Fall. Zum einen, weil die Bankzinsen so unattraktiv und die Kapitalmärkte langfristig so unkalkulierbar sind. Zum anderen aber auch deshalb, weil es bei der staatlich organisierten Rentenkasse keine versteckten Gebühren oder Provisionen gibt, keine Fallstricke, die einem erst Jahre später oder nie auffallen.
    Quelle: SZ
  12. „Ohne Zustimmung meiner Behörden eine Genehmigung ausgesprochen“
    Beim Thema Glyphosat sieht Umweltministerin Schulze rot: Sie wirft Landwirtschaftsministerin Klöckner vor, eigenmächtig eine Genehmigung für ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff erteilt zu haben.
    Im Streit um die Zulassung eines glyphosathaltigen Unkrautgifts hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eigenmächtiges Handeln vorgeworfen. „Normalerweise machen wir das gemeinsam, sie hat ohne die Zustimmung meiner Behörden da eine Genehmigung ausgesprochen“, sagte Schulze im Interview der Woche des Deutschlandfunks, das am Sonntag ausgestrahlt werden sollte. „Das geht nicht.“ Im Koalitionsvertrag sei klar geregelt, dass Deutschland aus Glyphosat aussteigen solle.
    Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das zum Agrarministerium gehört, hatte im Februar 18 Pflanzenschutzmittel befristet bis Ende 2019 zugelassen. Darunter ist eines, das den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthält.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Liebe Svenja Schulze, Glyphosat ist in Deutschland Unionssache. Warum sollte Julia Klöckner auf das Umweltministerium Rücksicht nehmen, wenn ihr Amtsvorgänger so gut mit dem klaren Bruch der Absprachen innerhalb der Großen Koalition durchgekommen ist?

  13. Kaputte Bahn
    Unser Autor ist seit dreißig Jahren Lokführer. Seit zwei Jahrzehnten gehe es mit seinem Konzern abwärts, findet er. Deshalb hat er einen verzweifelten Brief geschrieben und öffentlich gemacht. Wir dokumentieren ihn in Auszügen.
    Ich bin Lokführer aus Leidenschaft seit fast dreißig Jahren, der schon sehr lange über den mittlerweile besorgniserregenden Zustand der Bahn entsetzt ist. Wie konnte es nur so weit kommen? Was ich in den vergangenen zwanzig Jahren mit ansehen musste, ist ein Albtraum, aus dem es offenbar kein Erwachen gibt. Man denkt sich immer: Schlimmer können es „die da oben“ doch nicht mehr machen – aber nein, weit gefehlt, unsere Manager können das mit Leichtigkeit.
    Was haben wir nicht alles an Umstrukturierungen über uns ergehen lassen müssen. Sie haben es von Mal zu Mal verschlimmert. Externe Beraterfirmen wurden hinzugezogen, die von der Eisenbahn nicht den blassesten Schimmer haben. Deswegen habe ich immer mehr den Eindruck gewonnen, dass unsere „studierte Elite“ nicht mehr die Fähigkeiten besitzt, die anstehenden Probleme adäquat zu lösen. Sie kennen alles nur aus der Theorie. Es fehlt das praktische Wissen. Nach drei Jahren sind sie wieder weg, sie identifizieren sich nicht mit der Bahn. Der Scherbenhaufen, den sie aber hinterlassen haben, ist noch da. Dann kommt der Nächste mit einer anderen Wahnsinnsidee.
    Ich fege seit zwanzig Jahren die Scherbenhaufen weg, den uns unsere BWLer hinterlassen. Kein Wunder, dass es bei der Bahn nicht vorwärtsgeht, keine vernünftige, wohlüberdachte Strategie ist erkennbar. Ganz im Gegenteil, ein hervorragend organisierter Betrieb wurde ohne Not überhastet geopfert. …
    Verantwortet ist das von unserer nicht fähigen Führung, angefangen 1994 mit dem Herrn Dürr (AEG Elektro), dann folgten Ludewig (Agrarier), Mehdorn (Heidelberger Druck), Grube (Auto- und Flugzeugindustrie). Keiner von ihnen war Eisenbahner, der irgendeine Ahnung vom Betrieb gehabt hätte. Die Gewerkschaften haben im Aufsichtsrat sämtliche eklatanten Fehlentwicklungen seit 1994 klaglos mitgetragen. Solange wir nur die Symptome bekämpfen, wird sich nichts verändern. …
    Ich fühle mich als verbeamteter Lokführer bei der Deutschen Bahn behandelt wie der letzte Dreck. Unsere Pausen- und Aufenthaltsräume sehen manchmal aus wie unter aller Sau! Das Soziale hat sowieso stark nachgelassen. Früher war die Kantine im Frankfurter Hauptbahnhof die ganze Nacht offen. Man bekam selbst um Mitternacht noch eine vollständige, warme Mahlzeit. Unzählige Kantinen wurden geschlossen, die anderen haben Büro-Öffnungszeiten. An die Mitarbeiter, die im Schichtdienst arbeiten, denkt keiner, dabei haben die auch nach 16.00 Uhr Hunger und Durst. …
    Quelle: FAZ
  14. Dollarregen für die Pfalz
    Die US-Air-Base Ramstein in der Westpfalz ist Dreh- und Angelpunkt amerikanischer Operationen in Afrika und dem Nahen Osten. Das soll auch so bleiben: Die USA investieren Milliarden in den Stützpunkt. Obwohl Donald Trump das Gegenteil angekündigt hatte.
    Einmal im Jahr fliegt Roger Lewentz in die USA. In ein paar Wochen ist es wieder soweit: Der rheinland-pfälzische Innenminister trifft sich mit Verantwortlichen des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es geht um Geld, um viel Geld – und um große Politik.
    Nach seiner letzten Reise im März 2018 hatte er jede Menge gute Nachrichten im Gepäck. Über eine halbe Milliarde Dollar will das Pentagon in die US-Militärstandorte in der Pfalz investieren. Der Dollarregen ließ den SPD-Politiker jubeln.
    US-Präsident Donald Trump selbst hatte mit seiner Unterschrift die Investitionen abgesegnet. Der Standort Ramstein mit dem größten Militär-Flughafen außerhalb der USA soll mit rund 119 Millionen Dollar ausgebaut werden. Weitere 100 Millionen fließen in Schulbauten für amerikanische Schüler in Kaiserslautern. Und – der größte Anteil, rund 320 Millionen – wird für den Neubau eines US-Hospitals nahe der Air Base in Ramstein verwendet.
    Dann kam der Schock. Im letzten Sommer wurden Gerüchte laut, die Amerikaner würden Teile ihrer Streitkräfte aus Ramstein und Umgebung abziehen. Stefan Weiler, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Kaiserslautern, hatte alle Hände voll zu tun, die Lage zu beruhigen:
    „Ja, das irritiert schon viele. Insbesondere die 5.000 zivilen Angehörigen, die für die Amerikaner arbeiten, lesen diese Pressemitteilungen. Und wir können immer nur widerspiegeln, dass die Informationen, die wir haben, gegenteilig sind. Wir haben keine Signale, dass die Amerikaner hier weg gehen, und die Logik spricht auch dagegen! Niemand würde an einem Standort so viel Geld investieren, wenn er demnächst gehen wollte.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Wie schon unzählige Male erwähnt ist Ramstein einer der wichtigsten Stützpunkte im weltweiten Drohnenkrieg der USA. Noch jede Bundes- und Landesregierung hat bisher dazu geschwiegen.

  15. Wie Digitalisierung das Klima belastet
    Hinter scheinbar virtuellen Produkten und Dienstleistungen stecken aufwendige Infrastrukturen. Gegen den allgemeinen Trend nimmt der Energieverbrauch durch digitale Technologien deshalb immer weiter zu.
    Sie verzichten auf Flugreisen, weil Sie etwas für das Klima tun wollen? Hören Sie lieber auf, sich ständig Videos auf YouTube anzuschauen.
    Diese Empfehlung ist in mehrerlei Hinsicht nicht ganz korrekt, hat aber einen wahren Kern: Laut einer neuen Studie des französischen Think-Tanks The Shift Project ist der Digitalsektor für einen rapide wachsenden Anteil der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich. Und anders als in der Wirtschaft insgesamt, deren Energieintensität im weltweiten Durchschnitt abnimmt, erhöht sie sich bei Information und Kommunikation (IuK) weiter deutlich.
    Selbst pro produzierter Einheit wird also nicht etwa weniger Energie benötigt, sondern Jahr für Jahr mehr. Der direkte Energieverbrauch von 1 Dollar, der in Digitaltechnologien investiert wird, hat sich laut der Studie seit 2010 um 37 Prozent erhöht; entsprechend steigen auch die Treibhausgas-Emissionen.
    Es mangelt an Zahlen zum digitalen Energieverbrauch
    Diese Zahlen sind, wie das Team selbst schreibt, mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Weder auf weltweiter noch auf nationaler Ebene gibt es direkte Messungen zum digitalen Energieverbrauch, und was an Untersuchungen dazu vorliegt, basiert oft „auf älteren Studien, ohne sie miteinander abzugleichen und ohne die Grenzen ihrer Validität zu beachten“. Mangels Messwerten verwendete das Shift-Team ein Modell der schwedischen Forscher Anders Andrae und Tomas Edler aus dem Jahr 2015, das sie mit aktuelleren Daten und Prognosen fütterten.
    Das Ergebnis dieser Analysen ist bemerkenswert. Im kleinen Maßstab verbrauchen zehn Minuten Video-Streaming in HD auf einem Smartphone ebenso viel Energie wie ein Herd mit 2 Kilowatt Leistung, der fünf Minuten lang auf höchster Stufe läuft. Zusammengenommen sind Digitaltechnologien dadurch mittlerweile für 3,7 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – während auf den zivilen Luftverkehr in 2018 lediglich 2 Prozent der Emissionen entfielen. Je nach Szenario könnte der Digital-Anteil an den weltweiten Emissionen bis 2025 auf mehr als 8 Prozent steigen, was höher wäre als der aktuelle Anteil von Autos und Motorrädern.
    Quelle: Technology Review
  16. No 404
    “Das geplante Gesetz fordert nicht nur etwas technisch Unmögliches, sondern es wird darüber hinaus auch eines unserer Grundrechte angreifen, nämlich unser Recht auf Meinungsfreiheit, ohne unberechtigte Zensur. Denn wer kann eindeutig und automatisiert Parodien, Berichte mit Zitaten oder Remixe rechtssicher in legal oder illegal unterteilen? Nichtmal Urheberrechtsexperten sind ohne Anwälte, Richter und ordentliche Gerichtsverfahren in der Lage, das eindeutig zu entscheiden, was zukünftig von einem Computerprogramm entschieden werden soll. Wegen der massenweise drohenden Strafen werden die Plattformen logischerweise extrem strikt filtern müssen […]
    Die Gewinner wären milliardenschwere Unternehmen, wie Google und Facebook, da sie mit ihren Budgets noch am ehesten in der Lage wären, die neuen Richtlinien zumindest ansatzweise umzusetzen. Alle kleineren Plattformen könnten sich ihre Dienste nur noch erlauben, wenn sie die Uploadkontrollsysteme der Großen mitbenutzen und ihre Daten dort zum Abgleich abliefern würden, was die Großen noch größer machen würde.” 1
    Quelle: Maskenfall
  17. Mit Blick auf Russland drängt die Nato auf einen Beitritt Georgiens
    Was der Vergleich mit Venezuela offenbart, fährt Nato-Generalsekretär Stoltenberg in Georgien den Eskalationskurs gegen Russland weiter
    Anlässlich eines Manövers georgischer Truppen mit Nato-Verbänden hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Georgen besucht. Stoltenberg nahm dies zum Anlass, Georgien als “einzigartigen Nato-Partner” zu bezeichnen und darauf hinzuweisen, dass im Juni 2018 auf dem Nato-Gipfel die Entscheidung aus dem Jahr 2008 bestätigt worden sei, dass das Land Mitglied der Nato werden soll (Nato drängt auf Beitritt von Georgien zur Osterweiterung). Gewürdigt wird Georgien, weil es am meisten Soldaten von Nicht-Nato-Ländern für den Afghanistan-Einsatz stelle, sich an der NATO Response Force beteilige und die Übung zeige, dass die Kooperation vorankommt.
    Stoltenberg betonte auch, Georgien habe Fortschritte bei wichtigen Reformen erzielt. Er nannte die Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle über den Sicherheitssektor, aber vor allem die “beeindruckende” Modernisierung der Streitkräfte und den Aufbau leistungsfähigere Militärinstitutionen. Erfreut zeigte er sich auch, dass Georgien seine Militärkosten auf 2 Prozent vom BIP erhöhen will und 20 Prozent in Ausrüstung und Modernisierung investiert. All das stärke das Militär und sei ein Beitrag zur “Regionalen Sicherheit”, wenn man den Aufrüstung als Beitrag zur Sicherheit und nicht als Eskalation betrachtet.
    Quelle: Telepolis
  18. Das Letzte – “Rechts” und “Links” gemeinsam – Erkundungen an der Querfront
    AfD-Anhänger bei Demonstrationen gegen eine US-Basis in der Pfalz. Linke, die Migranten für eine Bedrohung des Sozialstaates halten. Beifall von beiden Seiten, wenn die Kabarettistin Lisa Fitz von “Schattenstaat”, “Schurkenbank” und “Gierkonzern” singt und die Sünden der “Rothschilds, Rockefeller, Soros und Konsorten” anprangert. Auch in Deutschland geraten traditionelle politische Lager und Überzeugungen in Bewegung. Von Matthias Holland-Letz.
    Quelle: WDR

    Anmerkung JK: Absolut bösartige Propaganda mit der Kritiker der herrschenden Verhältnisse mit dem inzwischen bei den „Qualitätsmedien“ üblichen Standardnarrativ der “Querfront” diffamiert werden sollen – auch die NachDenkSeiten sahen sich in der Vergangenheit immer wieder diesem Vorwurf ausgesetzt. Der Querfront-Vorwurf unterstellt dabei, dass eine grundlegende Kritik der gegenwärtigen Politik an sich schon illegitim und undemokratisch ist. Als ein aktuelles Beispiel wird im “Feature” des WDR die Bewegung der Gelbwesten angeführt, die angeblich “Zulauf sowohl von links als auch rechts” erhalten. Der Hintergrund des Volksaufstandes der Gelbwesten wird nicht erfragt. Denn dann könnte man darauf stoßen, dass es sich bei den Gelbwesten um Bürger handelt, die sich in erster Linie gegen die Folgen einer neoliberalen Politik auf dem Rücken der Mehrheit der Franzosen zu Wehr setzen. Für deutsche “Qualitätsjournalisten” liegt diese Erklärung aber offenbar jenseits ihrer Vorstellungskraft.

    Es setzt dem Ganzen allerdings die Krone auf, dass derart plumpe Meinungsmache, selbst der Vorwurf Elitenkritik sei antisemitisch darf nicht fehlen, in einem durch die Gebühren der Bürger finanzierten öffentlichen-rechtlichen Sender fabriziert wird , also durch “unseren gemeinsamen, freien Rundfunk”, wie es im ARD-Framingmanual so schön heißt. Dieses Machwerk bezeugt ein doch seltsames Verständnis von Journalismus beim WDR.

    Interessant dabei der Autor der „freie“ Journalisten Matthias Holland-Letz. Dieser sieht seine Aufgabe offenbar darin, die bestehenden Verhältnisse mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Besonderer Aufmerksamkeit widmet Holland-Letz in seinem Schaffen dabei “alternativen Medien” bzw. Journalisten und Autoren, die nicht im Mainstream zu verorten sind, wie sich z.B. an dessen publizistischen Attacken auf Ken Jebsen, Paul Schreyer oder Daniel Ganser ablesen lässt. Gern verwendet Holland-Letz dabei den heute zum Standardrepertoire eines deutschen “Qualitätsjournalisten” gehörenden Vorwurf der “AfD-nähe” und des “Rechtspopulismus”. Das Ziel ist unschwer zu identifizieren, dem sozialen Protest gegen die Durchsetzung der neoliberalen Agenda soll im Interesse der herrschenden Oligarchie jede Legitimation abgesprochen werden.