Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona
  2. Ende der Straflosigkeit in Israel und Palästina?
  3. „Fuck the EU“ – Bidens außenpolitische Ambitionen
  4. Kramp-Karrenbauer und Zorn wollen Bundeswehr modernisieren
  5. Europas Steuergeheimnis wankt
  6. Lobbying in Brüssel
  7. Die schwächsten Glieder globaler Lieferketten
  8. Proteste gegen Lehramtsreform in NRW: Bundesbank macht Schule
  9. Forscher entdecken Standort-Tracker in 450 von 450 untersuchten Android-Apps
  10. Campact in Nöten
  11. Absage an die Friedenspolitik
  12. Solidarität ist jetzt gefragt

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. „Mensch Alma, es ist so schön, dich zu sehen! Wann warst du zuletzt in der Schule?“ – „Vor Weihnachten“
      Halbjahres-Elterngespräch: „Alma, wie geht es dir?“ Keine Eröffnungsfloskel, ich meine es ernst. Als hätte Alma auf diese Frage gewartet, schießen ihr Tränen in die Augen. Es entlädt sich ein Druck, der anscheinend schon länger keinen Platz mehr hatte. Darauf war ich nicht vorbereitet. Du musst jetzt hundert Prozent anwesend sein, sage ich zu mir, musst den kompletten Zugriff auf deine Erfahrung in authentischem Zuhören, persönlicher Sprache auf Augenhöhe abrufen. „Ich will wieder in die Schule! Ich halte es nicht mehr aus!“ … (…)
      Eigentlich hatte ich Alma und ihre Mutter zum Halbjahres-Elterngespräch eingeladen. Wir verabredeten es für Mitte Dezember. Alma kommt aus einer großen, lebendigen Familie. Sie hat drei kleine Geschwister, ihre Mutter ist Hausfrau und nicht systemrelevant. Aber wer, wenn nicht Mütter, sind systemrelevant? Besser nicht drüber nachdenken. Dies ist ein Elterngespräch und mit folgender Struktur geplant: Als Mentorin leite ich das Gespräch. Mein Beisitzer, Almas Deutschlehrer und mein Kollege, führt Protokoll. Schulische Leistungen sind das Thema, das ist die Vorgabe. (…)
      Es geht Alma schlecht und das akzeptiere bitte, du kluge Frau Lehrerin, ermahne ich mich.
      Mich, die ich hier so schrecklich erwachsen sitze, und weiß, das ich nicht am nächsten Morgen zum Schulministerium fahre und dort berichte, dass eine meiner Schülerinnen gerade eine Depression entwickelt, dass sie bereits körperliche Symptome zeigt.
      Entdeckung von Symptomen bei Kindern, aufgrund der Maske, endet im Spießrutenlauf
      Ich denke an die Gefährdungsanzeige, die ich vor ein paar Wochen bei diversen Ämtern machte, nachdem mir Kinder von ihren Symptomen unter der Maske berichteten. Ein Spießrutenlauf, den ich mir nicht noch einmal zutraue. Ich fühle mich hilflos. Ich fahre nach Hause und spiele zum wiederholten Male meine Kündigung durch. Ich kann als Pädagogin die Verantwortung für diesen Distanz-Schwachsinn nicht mehr mittragen. Kein Pädagoge kann das. Eigentlich. Das Wissen von Gerald Hüther und Jesper Juul über gelingende Beziehungen galt für Friedenszeiten und bot scheinbar nur beruhigende, gescheite Textbausteine für Konzepte und Supervisionen. Wir brauchen eine Supervision, sofort, lange und dringend! Ach, das ist ja auch gerade verboten. Ich spaziere innerlich durch mein Team und ahne das einige Kolleginnen darüber nicht traurig sind. Ich formuliere einen Brief an sie. Natürlich schicke ich ihn nicht ab.
      Gehirne abschalten und funktionieren
      Quelle: Jana Franke Frey in 1bis19
    2. Covid-19: Bekämpfungsstrategie und Entscheidungsfindung
      Unsere Position

      • Die Stufenplanentwicklung schreitet in einigen Bundesländern und auch auf Bundesebene voran. Eine ausschließliche Ausrichtung auf die gesundheitlichen Schäden durch SARS-CoV-2 wäre für alle sicherlich die Präferenz. Es ist aber die Verantwortung der Politik, eine tragfähige und durchhaltbare Bekämpfungsstrategie im besseren Kompromiss zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen einer Erkrankung, den Kollateralschäden für andere Gesundheitsbereiche, für die Gesellschaft und den Einzelnen durch die verordneten Maßnahmen, die wirtschaftlichen Effekte und notwendigen freiheitlichen Einschränkungen zu finden.
      • Angesichts der Aufwendungen für die Pandemiebekämpfung im Vergleich zu anderen Gesundheitsproblemen müssen die Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Bekämpfungsmaßnahmen beantwortet und gesamtgesellschaftlichen einschließlich gesundheitsökonomischer Bewertungen unterzogen werden. Die Bundesregierung muss einen Prozess der breiten Einbeziehung fachlicher Kompetenzen in die Entscheidungsvorbereitung zum Risikomanagement etablieren. Politische Entscheidungen auf der Grundlage der Risikobewertung von einzelnen Vertretern weniger Fachgebiete sind unzureichend und haben zur Polarisierung in der Pandemiebekämpfung beigetragen.
      • Besprechungen nur mit einzelnen Wissenschaftlern aus Spezialdisziplinen genügend nicht, ergebnissoffen Präventions- und Kontrolloptionen zu erarbeiten und ihre Vor- und Nachteile abzuwägen. Es existiert zu wenig oder kein Platz für den wissenschaftlichen Diskurs im Vorfeld der Entscheidungsfindung. Wesentliche Bereiche der Gesellschaft sind nicht vertreten. Es herrscht der Eindruck, dass Positionen, die nicht zum fest geprägten Standpunkt der Entscheidungsträger passen, nicht berücksichtigt werden auch wenn sie die Entscheidungsfindung schärfen und die Suche nach der besten Lösung befördern können. Ein offener Diskurs mit allen wesentlichen Fachbereichen ist aber entscheidend zur Überwindung der Krise.
      • Ein unabhängiges Expertengremium fehlt, das Risikoeinschätzungen für die Bundesregierung oder -institute vornimmt, z.B. der SARS-CoV-2 Varianten, Kita/Schulen. Deren Aufgabe muss es sein, Empfehlungen nach einem strukturierten Prozesse der Risikoabschätzung für die Politik zu geben.
      • Konkret für die Entwicklung der Stufenpläne bedeutet das jetzt, dringend den Beitrag von bestimmten Lebensbereichen für Infektionen von Risikopersonen und in stationären Einrichtungen zu evaluieren. Priorität haben hier: Kitas, Grundschulen und der Einzelhandel. Einzelmeinungen, derzeit von einzelnen Experten vorgetragen, erfüllen nicht annähernd die Anforderungen an eine strukturierte Risikoregulierung und genügen nicht, um die breite Wissenskompetenz, die Meinungsvielfalt und die Komplexität der Risikoregulierung zu COVID-19 abzubilden.
      • Langfristig wird eine nationale Kommission benötigt, die ähnlich wie die ständige Impfkommission oder die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die Bundesregierung in einem strukturierten Prozess und im vollen Bewusstsein ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in den Fragen der Risikobewertung und -regulierung berät.

      Quelle: Corona Strategie

      Anmerkung Jens Berger: Dieses Strategiepapier ist eine erfreuliche Alternative zu den destruktiven Forderungen der Lockdown-Falken. Zu den Autoren gehören u.a. Klaus Stöhr, Gerd Antes, Jonas Schmidt-Chanasit und Matthias Schrappe; also namhafte Experten, die sich in keiner Weise vor den Brinkmanns und Meyer-Hermanns verstecken müssen.

      dazu: Fachleute plädieren für umfassende Stufenpläne
      Vor dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern fordern Wissenschaftler um den Epidemiologen Klaus Stöhr mehr interdisziplinären Austausch. Sie verlangen Stufenpläne und neue Erfolgskriterien beim Kampf gegen die Pandemie. […]
      Die Wissenschaftler der »Arbeitsgruppe Covid-Strategie« fordern einen »elastischen, transparenten Stufenplan«, der Deutschland »ohne stetig neue Grundsatzdiskussionen bis zum Pandemieende bringt«, da sich die Situation durch das Wetter, die Populationsbewegungen, neue Virusvarianten und den sich verändernden Bekämpfungserfolg sehr dynamisch bewege. Er solle mit einer »Positivagenda« gegen die Pandemiemüdigkeit der Bevölkerung angehen.
      Als Erfolgskriterien empfehlen die Wissenschaftler:

      • den R-Wert-Trend
      • eine risikogruppenspezifische Inzidenz
      • die Belastung des Gesundheitssystems und die Belegung der Intensivstationen

      Zur gesundheitlichen und epidemiologischen Bewertung der Pandemiestufen sei die mittlere Sieben-Tage-Melderate allein nicht geeignet, schreiben die Fachleute.
      Sie plädieren dafür, in jeder Stufe einzelnen Lebensbereichen ein Maßnahmenpaket zuzuordnen: von der Kita bis zum Einzelhandel, vom ÖPNV bis zum Arbeitsplatz. Alle drei bis vier Wochen solle auf Landesebene die erreichte Pandemiestufe eingeschätzt werden. Falls es Veränderungen gebe, etwa den Wechsel in eine andere Stufe, soll dann klar sein, was an den Maßnahmen geändert werde. »Der Erfolg orientiert sich daran, die gesundheitlichen Auswirkungen zu minimieren.«
      Quelle: SPIEGEL

    3. Informeller Föderalismus statt öffentlicher Deliberation
      Oder: Warum die Öffentlichkeit bei der Bund-Länder Koordination in der Pandemiebekämpfung beteiligt werden sollte
      Morgen konferieren die Ministerpräsident*innen mit der Bundeskanzlerin zum siebzehnten Mal über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dies ist aus rechtlicher Perspektive bemerkenswert: weder die Konferenz noch ihre Beschlüsse sind verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich vorgesehen. Als Ort der Koordination der Rechtsetzung durch die Landesregierungen stellt die Konferenz kein verfassungsrechtliches Problem dar. Die Art und Weise der politischen Entscheidungsfindung ohne Beteiligung der Öffentlichkeit hingegen schon….
      (…) Nach nunmehr fast einem Pandemiejahr hat sich die politische Situation gewandelt: während zu Beginn der Pandemie schnelle Entscheidungen aufgrund der unbekannten Bedrohung notwendig waren, wird die Pandemiebekämpfung heute von einer gewissen Routine bestimmt. Politische Entscheidungen werden heute mit längerem Vorlauf von den Staatskanzleien und dem Bundeskanzleramt organisiert und vorbereitet…
      Nicht geändert hat sich jedoch die Koordination der Rechtsetzung durch die informellen Bund-Länder-Konsultationen. Und hierin liegt ein Demokratieproblem, denn die informellen Runden finden weiterhin unter (nahezu) vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch wenn die Beschlussvorlagen regelmäßig durchgestochen werden, Journalist*innen der Boulevardpresse mithören, Ministerpräsident*innen auf sozialen Medien plaudern, anschließend auf Pressekonferenzen berichtet und das Ergebnis präsentiert wird: Es fehlt der Öffentlichkeit an Information über die entscheidende politische Debatte. Und damit an einer Vorbedingung für einen deliberativen Diskurs in einer demokratisch verfassten Gesellschaft.
      Weder Ablauf und Rahmen der Entscheidungen (Vorsitz und Geschäftsordnung, Abstimmungsergebnisse) noch Inhalte der Debatten sind öffentlich. Nicht einmal Verhandlungsposition der einzelnen Länder und der Bundesregierung werden mitgeteilt. Die Koordination der Rechtsetzung durch die Landesregierung entzieht sich damit fast vollständig der politischen Verantwortlichkeit und Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Eine nachgelagerte Kontrolle durch Kleine Anfragen in Landesparlamenten hat bisher nicht oder kaum stattgefunden. Um eine angemessene und zeitnahe politische Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen, sollten Bund und Länder zumindest Geschäfts- und Tagesordnung, sowie Vorlagen und Änderungsanträge veröffentlichen…
      Quelle: Verfassungsblog
    4. Stabilisierungserfolg mit Härten
      53 Prozent der Kurzarbeitenden mit Existenzsorgen, spürbare Entlastung bei Aufstockung des KuG
      Kurzarbeit stabilisiert in der Corona-Pandemie ganze Branchen, sie hat bislang rechnerisch mindestens eine Million Arbeitsplätze über die Krise gerettet und verhindert, dass zahlreiche Beschäftigte durch Jobverlust drastische Einkommenseinbußen erleiden. Trotzdem ist Kurzarbeit für viele Betroffene eine erhebliche Belastung, knapp die Hälfte verzeichnen deutliche finanzielle Einschränkungen, etwas mehr als die Hälfte haben Existenzängste.
      Das zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. So bewerteten 48 Prozent der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter ihre finanzielle Situation im November 2020 als stark belastend – diese Quote ist fast viermal so hoch wie unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Kurzarbeit, etwa anderthalbmal so hoch wie unter Selbständigen und nicht viel niedriger als bei Arbeitslosen.
      (…) Kurzarbeit habe gesamtwirtschaftlich eine große positive Wirkung, weil sie Beschäftigung sichert und Unternehmen ermöglicht, nach Abklingen der Krise mit eingespielten Belegschaften durchzustarten – ein Aspekt der in Zeiten zunehmend agilen Arbeitens noch an Bedeutung gewinne, betonen Pusch und Seifert. Auch individuell sei die Situation von Beschäftigten in Kurzarbeit besser als die von Arbeitslosen. Dennoch sei angesichts des historisch beispiellosen Umfangs von Kurzarbeit in der Corona-Krise bei etlichen Kurzarbeitenden „mit sich im Laufe der Zeit verschärfenden sozialen Problemen zu rechnen, da finanzielle Rücklagen vielfach bereits aufgebraucht sind und bei immer mehr Personen weiter schrumpfen werden“, warnen die Forscher…
      Quelle: Gewerkschaftsforum
    5. Innenministerium spannte Wissenschaftler für Rechtfertigung von Corona-Maßnahmen ein
      Das Bundesinnenministerium spannte in der ersten Welle der Corona-Pandemie im März 2020 Wissenschaftler mehrerer Forschungsinstitute und Hochschulen für politische Zwecke ein. Es beauftragte die Forscher des Robert-Koch-Instituts und anderer Einrichtungen mit der Erstellung eines Rechenmodells, auf dessen Basis die Behörde von Innenminister Horst Seehofer (CSU) harte Corona-Maßnahmen rechtfertigen wollte. […]
      Im E-Mail-Wechsel bittet etwa der Staatssekretär im Innenministerium, Markus Kerber, die angeschriebenen Forscher, ein Modell zu erarbeiten, auf dessen Basis „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ geplant werden könnten. […]
      Darin wurde ein „Worst-Case-Szenario“ berechnet, laut dem in Deutschland mehr als eine Million Menschen am Coronavirus sterben könnten, würde das gesellschaftliche Leben so weitergeführt wie vor der Pandemie.
      Quelle: WELT

      Anmerkung Jens Berger: Die NachDenkSeiten hatten bereits im Mai 2020 auf diesen Vorgang hingewiesen: „Der Staat hat sich in der Corona-Krise als einer der größten Fake-News-Produzenten erwiesen“ – BMI-Mitarbeiter leakt Dokument https://www.nachdenkseiten.de/?p=60944. Klassische Medien taten das damals als „Fake News“ und „Querdenker-Propaganda“ ab. So kann man sich täuschen.

    6. Verfassungsbruch? Schlimmer: Ein Fehler
      Die Aufkündigung der Moderne durch die Pandemiepolitik 2.0
      Ob der Lockdown fortgesetzt wird, entscheidet sich nach Lage der Dinge nicht nach Maßstäben des Verfassungsrechts. Nachdem im Herbst 2020 sogar in Regierungserklärungen über „Verhältnismäßigkeit“ und „Angemessenheit“ gesprochen wurde, besteht inzwischen kein Anhaltspunkt mehr, dass Entscheidungen der Exekutive – wie auch immer sie in den nächsten Wochen und Monaten lauten – aus rechtlichen Gründen begrenzt werden könnten. Vor allem mit dem Wunderwort der „Vorsorge“ hat man sich neue Beinfreiheit verschafft. Wie kam es dazu? Und warum ist das ein Fehler? (…)
      Vorsorge ist gut – aber vor allem nie abgeschlossen. Deswegen ist sie auch typischerweise gerade nicht mit flächendeckendem Zwang und Verboten verbunden – denn der Vorsorgestaat würde kein Ende finden, tödlichen Gefahren entgegenzutreten, wenn er damit einmal beginnt. Das Verfassungsrecht hat diese Einsicht bisher abgebildet, indem es tatsächliche Grundlagen für Vorsorge- oder Risikoregelungen und die damit verbundenen Grundrechtseingriffe verlangt: Kausalität, Zurechnung, Verantwortung, eingetragen in den Erfahrungsspeicher der Rechtsordnung etwa bei Umwelt und Terrorismusbekämpfung. Nur in unübersichtlichen, zeitlich und sachlich begrenzten Sondersituationen wurde dem Staat zugebilligt, „auf Verdacht“ zu handeln. So konnte es auch zu Beginn der Corona-Epidemie im letzten Frühjahr vertreten werden. Aber statt die Anforderungen etwa an den Nachweis von Tatsachen und Begründungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen zu erhöhen, wird ganz im Gegenteil derzeit erwartet, dass sich das Publikum an eine „Im-Zweifel-für-die-Sicherheit“-Begründung gewöhnen soll. Der Begriff der Vorsorge kehrt die Beweislast um. Man sollte ehrlich sein: Freiheit, die ihre Ungefährlichkeit beweisen muss, ist abgeschafft. (…)
      Die Politik hat sich aber vollkommen an eine einseitige (intensiv-)medizinische Perspektive gebunden und sie in der ihr eigenen Art zu einem totalen Anspruch umformuliert. Eine solche Politik muss aber scheitern, wenn sie ihre Formeln („Jeder Tote ist zu viel!“) wirklich ernst nimmt, oder sie führt in die totale Entgrenzung des Maßnahmenstaats. Das sind Alternativen, die mit unserer Verfassungsordnung nicht viel gemein haben. Das Grundgesetz ist in der Tat eine Verfassung, die dem Leben verpflichtet ist. Jedes leichtfertige Reden über die Grenzen von Leben und Gesundheit würde die historischen Einsichten hintergehen, auf die unser Staat gegründet ist. Es besteht aber ein kategorialer Unterschied zwischen den verfassungsrechtlichen Geboten, menschliches Leben nicht zu schädigen und miteinander im Schutz solidarisch zu sein – und der Hybris, einen bestimmten Tod aus dem Feld schlagen zu wollen und dafür notfalls die offene Gesellschaft zu opfern. Darüber kann gestritten, aber nicht geschwiegen werden.
      Quelle: Hinnerk Wißmann in Verfassungsblog
    7. Das verfassungsrechtliche Argument hat es schwer
      Es gehört zum politischen Alltag, dass Experten in den Bundestag eingeladen werden – auch Verfassungsrechtler. Doch sie haben es schwer, mit ihren Argumenten durchzudringen, wenn jede Kritik in “Querdenker”-Nähe gerückt wird. (…)
      Pluralismus und Partizipation können unter solch schlechten Diskursbedingungen vor allem durch verfassungsrechtlich geschützte Gegenöffentlichkeiten gewährleistet werden. Deswegen ist das Demonstrationsrecht gerade in Corona-Zeiten so wichtig. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die Religionsgemeinschaften und die Wissenschaftsorganisationen sind mit besonderem grundrechtlichen Schutz ausgestattet, damit sie unbehelligt von den politischen Mehrheiten die Funktion von Gegenöffentlichkeiten erfüllen können.
      Sie folgen anderen Rationalitäten als der politische Prozess. Es geht nicht um Mehrheit, sondern vor allem um Aufklärung. Sie erfüllen eine arbeitsteilige Komplementärbedingung neben dem politischen Prozess um sicherzustellen, dass die Verfassungsordnung die Vielfalt der Interessen und Ideen vernünftig aggregiert und verarbeitet.
      Auf die Artikulation in Gegenöffentlichkeiten kommt es gerade in Zeiten an, in denen jedenfalls Verwaltungsgerichte in der summarischen Eilrechtsprüfung eine inhaltliche Normenkontrolle tatsächlich kaum vornehmen und auch nur begrenzt leisten können, in denen Kirchen verängstigt schweigen und in denen Massenmedien genauso wie soziale Medien unter den Anreizstrukturen der Aufmerksamkeitsgesellschaft Krisen aus Eigeninteresse eher befeuern.
      Es bleibt dann “die Wissenschaft”. Als eine der momentan eher wenigen noch funktionierenden Gegenöffentlichkeiten darf sie sich weder als Steigbügelhalter politischer Entscheidungen noch als querdenkend behandeln lassen. Auf diese Alternative aber liefe die Umgangslogik heraus, mit der Heribert Hirte operiert. Aber auch den Kollegen in der Rechtswissenschaft sei gesagt: Rechtswissenschaftler werden ihrem Verfassungsauftrag aus Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls nicht durch Schweigen gerecht in der Annahme, damit der Verfassungsordnung einen Solidaritätsdienst in der Krise zu erweisen.
      Quelle: Oliver Lepsius in Legal Tribune Online
    8. Schweigemärsche: So sieht Versammlungsfreiheit in Deutschland aus
      “Im Gegensatz zur russischen Diktatur herrscht in Deutschland Demonstrationsfreiheit. Wenn man sich an die Hygienevorschriften mit Maskenpflicht und Abstand hält, wird es beispielsweise in der Stadt Köln erlaubt, am 20.2.2021 einen STEHENDEN SchweigeMARSCH am Heumarkt mit 10 Menschen durchzuführen. Die Stadt Köln zeigt damit deutlich auf, wie groß die Unterschiede zwischen Deutschland und den Schurkenstaaten Russland, Weißrussland, China oder Nordkorea sind.” So beginnt eine Pressemitteilung der Initiatoren der Schweigemärsche.
      Ich beziehe hier keine Stellung für oder gegen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Es geht mir zunächst einmal darum, zu dokumentieren, wie weit wir schon sind. Wenn wir in der Tagesschau Bilder vom Vorgehen von Polizisten in Myanmar, Russland und anderen mehr oder weniger autoritär regierten Staaten gegen Teilnehmer nicht genehmigter Demonstrationen sehen, gruseln wir uns im heimischen Fernsehsessel und sind froh, dass wir in einer Demokratie leben, wo das Recht, zu demonstrieren und die Regierung zu kritisieren, selbstverständlich ist und geachtet wird, wo man nicht öffentlich zum gefährlichen Schädling gestempelt wird, wenn man anderer Meinung ist. Pustekuchen.
      Wenn man gegen die repressiven Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung von Corona ist, dann hat man das Demonstrationsrecht weitgehend verwirkt. Will man einen Schweigemarsch mit Masken und Einhaltung der Hygienevorschriften mit bis zu 100 Teilnehmern organisieren, bekommt man Bescheide wie den folgenden vom 4. Februar. Sie legen einem nahe im Hinblick auf den Eindruck in der Öffentlichkeit zu verzichten. (…)
      Wenn Sie mit Leuten ins Gespräch kommen, die sie kennen, oder denen Sie begegnen, scheuen Sie sich nicht das Gespräch alltagsbezogen auf Politik zu bringen, auf die beobachtbaren Auswirkungen dessen, was gerade vorgeht. Wenn Sie Sorge haben, dass das zu unangenehmen und unproduktiven Auseinandersetzungen führen könnte, müssen Sie das Gespräch ja nicht gleich mit starken Aussagen eröffnen. Wenn Sie zart durchscheinen lassen, dass Sie Zweifel haben, ob das alles richtig ist, wird die Reaktion des Gegenüber ihnen zeigen, wie groß die Gefahr eines Streits ist. Dann können Sie das Thema immer noch fallen lassen, wenn es zu heikel scheint. Streit dient in solchen emotional aufgeladenen Fragen erfahrungsgemäß keiner Seite. Manchmal ist es aber immerhin möglich, auf innere Widersprüche in der Corona-Politik hinzuweisen, die einen stören, um wenigstens die Saat des Zweifels zu sähen. Ist ihr Gegenüber aber Zweiflerin oder Kritikerin wie Sie, tut es Ihnen und ihrem Gegenüber gut, das festzustellen und sie können sich unbefangen austauschen.
      Quelle: Norbert Häring
    9. Eine ethische Frage?
      Die derzeit geltenden Einschränkungen sind daher stets begründungspflichtig. Es reicht allerdings nicht aus, nur zu sagen, dass die fallenden Zahlen täuschen. Wieso haben die steigenden Zahlen das dann nie getan? Auch eine mögliche Ansteckungsgefahr trotz Impfung oder auch ohne ist nicht ausreichend. Maßgeblich ist die Überlastung des Gesundheitssystems, wie vom Verordnungsgeber angegeben. Und die ist zum Glück nicht eingetreten.
      Die Belegungs- und Fallzahlen gehen mittlerweile zurück. Ob nun irgendwelche Mutationen des Virus gefährlich werden können, ist weiterhin unklar. Die bloße Annahme genügt als Begründung nicht, zumal auch in Ländern wie Großbritannien, Irland oder Dänemark die Fallzahlen trotz der verbreiteten Variante dennoch sinken. Die Einschränkungen sind daher zurückzunehmen und durch eine Verpflichtung der Regierung zu ersetzen, das Gesundheitswesen endlich pandemiefest zu ertüchtigen.
      Das lehrt übrigens auch das Beispiel Portugal, das nun als Krisenland warnend angeführt wird. So einfach ist es aber nicht. Das Virus hat hier nur leichteres Spiel, da der Gesundheitssektor noch bescheidener aufgestellt ist. Es muss daher eine Ächtung des neoliberalen Politikmodells geben und auf den Fetisch Schwarze Null endlich verzichtet werden. Denn die Vorgaben zur strikten Haushaltsdisziplin haben lediglich zu radikalen Kürzungen in lebenswichtigen Bereichen geführt.
      Ist es also ethisch vertretbar, wenn am Ende die Grundrechte nur deshalb eingeschränkt werden, weil sich die Politik weiterhin weigert, von einem fatalen Dogma zu lassen?
      Quelle: TauBlog
    10. Die ewige Lockdownlitanei: Das sind die sieben anstrengendsten Corona-Floskeln
      • Sie haben uns mürbe geredet: Die immergleichen Corona-Appelle der Politik wecken zunehmend den Unmut des Publikums.
      • Das liegt auch an der Variantenarmut des Krisenvokabulars.
      • Eine sprachkritische Betrachtung von sieben Corona-Floskeln. […]

      Hinter uns liegen zwölf monothematische Monate. Hunderte von Millionen, wenn nicht Milliarden Mal war „Corona“ zu hören und zu lesen. Weltweit, flächendeckend, immer, überall. Das Magazin „Economist“ aus London und die „New York Times“ haben jüngst untersucht, ob jemals seit ihrer Gründung im Jahr 1843 beziehungsweise 1851 ein einzelner Begriff stärker ein Jahr geprägt hat als „Corona“ das Jahr 2020. Das Ergebnis: Knapp die Hälfte aller Artikel (46 Prozent) seit Pandemiebeginn im Januar 2020 enthielt die Vokabel, die die Welt bestimmt: Corona. Nur im Ersten und Zweiten Weltkrieg tauchte das Wort „Krieg“ öfter pro Jahr in beiden Publikationen auf – in 55 Prozent aller Beiträge. […]
      Also wird unermüdlich bis zu einer „neuen Normalität“ in einer „nationalen Kraftanstrengung“ auf „Sicht gefahren“. Also „ruckelt es hier und da natürlich noch“, also gibt man sich „zurückhaltend zu möglichen Lockerungen“, also muss man „durchhalten“, denn im „ständigen Abwägungsprozess“ zwischen „Teil-Lockdown“ und „vorsichtigen Öffnungsstrategien“ hat die „Gesundheit oberste Priorität“, sie steht an „erster Stelle“, sie ist das „wichtigste Ziel“. […]

      • FLOSKEL 1: „Wegen der besonderen Situation …“
      • FLOSKEL 2: „Bleiben Sie gesund!“
      • FLOSKEL 3: „Gemeinsam“
      • FLOSKEL 4: „Das Robert-Koch-Institut verzeichnete neuntausendsiebenhundertundsechsunddreißig neue Infektionen, das sind dreitausendzweihundertunddrei weniger als vor einer Woche.“
      • FLOSKEL 5: „Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Ansteckungen pro hunderttausend Einwohner binnen einer Woche…“
      • FLOSKEL 6: „Corona hat vieles verändert, auch die Situation der [hier bitte Schlagwort einsetzen]“
      • FLOSKEL 7: „Wir müssen Geduld haben“

      Nichts ist so wichtig in „besonderen Situationen“ wie Kommunikation. Die eingeschränkte politische Sprache der Corona-Krise aber, die Vokabelarmut seiner politischen Protagonisten, entwickelt eine geradezu immunisierende Wirkung gegen sich selbst. Das zeigte zuletzt Angela Merkel, deren Presseauftritt nach dem „Impfgipfel“ im Kern nichts anderes enthielt als die wortreiche Versicherung: Sie kennen mich, ich komme zurecht. Und man müsse dann halt mal sehen. Doch wer die deutsche Sprache wirklich beherrsche, schrieb Kurt Tucholsky einst, „wird einen Schimmel beschreiben und dabei doch das Wort ‚weiß’ vermeiden können“.
      Quelle: RND

      Anmerkung Jens Berger: Dieser Artikel läuft beim RND übrigens unter den Schlagwörtern „Sprache – Satire – Humor“.

  2. Ende der Straflosigkeit in Israel und Palästina?
    Seit dem 6-Tage-Krieg 1967 kommt es in Israel und den von Israel besetzten Gebieten zu Kriegsverbrechen – ohne Strafverfahren.
    Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ist mit seiner am letzten Freitagabend veröffentlichten Entscheidung, Verfahren zu mutmasslichen Verbrechen in den seit 1967 von Israel besetzten palästinensischen Gebieten zu eröffnen, auf sehr widersprüchliche Reaktionen gestossen. «Diese Entscheidung öffnet einen seit langem erwarteten Weg zur Gerechtigkeit für israelische und palästinensische Opfer schwerer Verbrechen», begrüsste die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) den IStGH-Beschluss. Die Palästinensische Autonomiebehörde erklärte, die Entscheidung öffne «eine Tür für die strafrechtliche Verfolgung schwerer Verbrechen, die seit langem gegen das palästinensische Volk begangen werden». Hingegen erklärte der israelische Aussenminister Gabi Ashkenazi , die Entscheidung verdrehe das Völkerrecht und mache «den Strafgerichtshof zum Handwerkszeug von israelfeindlicher Propaganda».
    Quelle: Infosperber
  3. „Fuck the EU“ – Bidens außenpolitische Ambitionen
    „Amerika ist zurück. Die Diplomatie ist zurück“, sagte US-Präsident Biden in einer Ansprache im US-Außenministerium in Washington. Im Rahmen dieser Rede skizzierte Biden seine außenpolitische Agenda, die frei nach dem Titel eines weltberühmten Anti-Kriegs-Romans “Im Westen nichts Neues“ umschrieben werden darf. Die Rolle, welche Europa hierbei zugeschrieben wird bleibt wenig rühmlich… […]
    Neue Sanktionsandrohungen gegenüber Moskau
    Nun, was Frieden, Sicherheit und Wohlstand angeht, da gibt es genug Baustellen in den USA vor Ort. Aber bleiben wir bei Bidens außenpolitischen Absichten gegenüber Moskau. Er werde auch nicht zögern, die „Kosten“ für Russlands Handeln zu erhöhen – eine kaum versteckte Drohung mit neuen Sanktionen, die der Präsident da im US-Außenministerium verbreitete.
    Fanatikerin Victoria Nuland in Bidens Team
    Diese Tendenz wird noch dadurch bekräftigt, dass Biden die angebliche Diplomatin Victoria Nuland aus der Versenkung holt. Diese antirussische Hardlinerin soll den Posten des Unterstaatssekretärs für politische Angelegenheiten in seinem Regierungsteam erhalten. Das bedeutet nichts Gutes. In den USA selbst regt sich Widerstand. 25 Organisationen erinnern daran, welche unsägliche Rolle Nuland im Jahr 2014 zu Beginn der Ukraine-Krise gespielt hat. In dem Aufruf heißt es:
    “Nuland spielte eine Schlüsselrolle bei der Ermöglichung eines Putsches in der Ukraine, der einen Bürgerkrieg auslöste, der bisher mehr als 10.000 Menschenleben kostete und über eine Million Menschen vertrieb. Sie spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Bewaffnung der Ukraine. Sie befürwortet radikal erhöhte Militärausgaben, die Erweiterung der NATO, propagiert Feindseligkeit gegenüber Russland und Bemühungen, die russische Regierung zu stürzen.“
    Quelle: Cashkurs.com
  4. Kramp-Karrenbauer und Zorn wollen Bundeswehr modernisieren
    Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Zorn wollen die Bundeswehr umbauen und besser ausrüsten. Eckpunkte beschreiben sie in einem Konzeptpapier, das der F.A.Z. vorliegt.
    Im Verteidigungsministerium sollen in einer Organisationsreform „stabslastige“ Fehlstrukturen und eine zu starke Orientierung auf Friedens- und Stabilisierungseinsätze korrigiert werden. Bis Mai sollen dazu Erlasse für eine „Bundeswehr der Zukunft“ folgen, die „Fähigkeiten, Struktur und Einsatzbereitschaft“ der Streitkräfte neu justieren.
    Es ist das erste Mal, dass eine Verteidigungsministerin, Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt in Friedenszeiten, und der Generalinspekteur als deutscher Generalstabschef ein solches Papier gemeinsam veröffentlichen. Neben klaren Beschreibungen der Zustände in der Truppe unterbreiten sie konkrete Vorschläge für einen entschiedenen Kurswechsel…
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Marco Wenzel: Da kann man schon Zorn-ig werden. Zorn & Knarrenbauer fahren volle Kraft voraus auf den nächsten Krieg zu.

    dazu: Vorbereitung auf den Drohnenkrieg
    Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) erhöht den Druck zur Beschaffung von Kampfdrohnen. Solle die Bundeswehr “eine einsatzfähige Streitkraft bleiben”, die “auch gegen einen gut gerüsteten konventionellen Gegner bestehen” könne, dann sei die Beschaffung von Kampfdrohnen “aus militärischer Perspektive … unabdingbar”, heißt es in einem aktuellen Arbeitspapier der BAKS. Der Autor des Papiers schließt dies aus einer Analyse des jüngsten Krieges um Bergkarabach, der laut Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer “der erste echte Drohnenkrieg der Geschichte” war. Geführt wurde er maßgeblich mit türkischen Kampfdrohnen, deren Entwicklung und Produktion auch auf deutschen Exporten und deutschem Know-how beruhen. Das BAKS-Papier räumt nicht zuletzt mit der gern genutzten Propagandabehauptung auf, Kampfdrohnen dienten dem Schutz deutscher Soldaten; wie das Papier zeigt, beinhalten moderne Drohnenkriege einen “enormen Verlust an Mensch und Verschleiß an Material” und fordern daher einen satten “Aufwuchs an Mensch und Material”: “Ein Schlüsselwort … ist Redundanz.”
    Quelle: German Foreign Policy

  5. Europas Steuergeheimnis wankt
    Wenn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sich das nächste Mal mit seinen Kollegen aus den übrigen 26 EU-Staaten trifft, droht ihm eine peinliche Niederlage. Bei der für den 25. Februar angesetzten Sitzung des Ministerrats will die Mehrheit der EU-Regierungen ein Gesetz verabschieden, das Altmaier und seine Vorgänger seit Jahren mit allen Mitteln zu verhindern suchten: eine Reform des Bilanzrechts, die transnationale Unternehmen zur “Offenlegung von Ertragssteuerinformationen” verpflichtet, wie es im Titel des Gesetzentwurfs heißt.
    Für diese Reform gibt es jetzt eine sichere Mehrheit. Das ergab jüngst ein Treffen der Ratsarbeitsgruppe Gesellschaftsrecht. Daraufhin hat die portugiesische Regierung, die derzeit die Präsidentschaft im Rat innehat, das im EU-Jargon sogenannte Public Country-by-Country Reporting zur Abstimmung auf die Tagesordnung gesetzt. Das hat ein Sprecher der Regierung in Lissabon dem Journalistenteam Investigate Europe bestätigt.
    Damit nähert sich ein fast fünf Jahre währendes Ringen um einen wichtigen Schritt beim Kampf gegen die Steuerflucht multinationaler Unternehmen dem Ende. Diese verschieben große Teile ihrer Gewinne an Briefkastenfirmen in Länder mit Dumpingsteuersätzen, etwa in die Niederlande und Irland, die aus der Beihilfe zur Steuervermeidung ein Geschäft machen. Allein der Google-Konzern hat auf diesem Weg zuletzt knapp 20 Milliarden Euro im Jahr der Besteuerung in der EU entzogen. Die Verluste für die Staatskassen der übrigen EU-Länder schätzt die EU-Kommission auf bis zu 70 Milliarden Euro jährlich.
    Die Steuervermeidung ist allerdings meist völlig legal, weil sich die Staaten im Wettbewerb um Investitionen gegenseitig unterbieten. Dagegen soll die länderbezogene Berichtspflicht öffentlichen Druck erzeugen: Mit ihr wird erkennbar, wenn Unternehmen ihre Gewinne zur Steuervermeidung in Länder verschieben, wo sie wenig oder gar nicht produzieren. …
    Doch unter dem Druck einer Allianz aus dem Bundesverband der deutschen Industrie und der Stiftung Familienunternehmen sperrt sich die deutsche Bundesregierung seit Jahren gegen das Vorhaben. Das öffentliche Country-by-Country-Reporting “würde “deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen”, argumentiert Minister Altmaier. Im Rat der EU, der zweiten Instanz zu EU-Gesetzgebung, schmiedete die Bundesregierung daher eine Allianz mit zwölf weiteren Mitgliedsstaaten, die als Sperrminorität die notwendige qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der Staaten verhinderte.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Irgendwie klingt in dem Artikel unterschwellige Kritik am Wirtschaftsminister Peter Altmaier und an der Kanzlerin (die mit der Richtlinienkompetenz) durch, nur weil der EU “unter dem Druck einer Allianz aus dem Bundesverband der deutschen Industrie und der Stiftung Familienunternehmen” jährlich 70 Milliarden Euro Unternehmenssteuern durch die Lappen gehen (zusätzlich zu den dreistelligen Milliardenbeträgen durch völlig ungerechtfertigte Steuergeschenke und Subventionen). Die beiden sind einfach loyal zu ihren Großspendern, und Altmaier braucht eine Anschlussverwendung nach seiner Politkarriere; will man das wirklich jemandem vorwerfen? Mal ganz im Ernst: die Haltung der Union stinkt seit Jahrzehnten zum Himmel; die pure Bedienung der Finanzinteressen der Reichsten ist unsäglich. In diesem Fall, in dem sich die deutsche Regierung vorgeblich für Steuertransparenz eingesetzt und in Wahrheit diese Gesetzgebung bestmöglich hintertrieben hat, zusammen mit den Steuerdumpern von Luxemburg, Irland und den Niederlanden, ist besonders peinlich. Dabei würde sich sogar die Wettbewerbsposition der Europäer verbessern, wenn vor allem die multinationalen Tech-Konzerne wie Google (und Amazon) endlich mal höhere Steuern zahlen müssten.

    dazu passend: Wie Luxemburg seine Nachbarn ausnimmt
    Jedes Jahr, so schätzen Experten, entgehen Ländern in der Europäischen Union mehr als zehn Milliarden Euro an Steuergeld – und das nur wegen der Finanzpolitik eines einzigen Landes: Luxemburg. Es gibt zwar auch andere Steueroasen in der EU, Malta und Zypern zum Beispiel, oder die Niederlande. Den größten Schaden richtet aber offenbar Luxemburg an.
    Die Geschichte der Steueroase Luxemburg ist eng verbunden mit der politischen Karriere von Jean-Claude Juncker. Ehe er als EU-Kommissionspräsident nach Brüssel wechselte, war er von 1989 an Finanzminister seines Heimatlandes, von 1995 bis 2013 Premierminister. In dieser Zeit stieg das kleine Land zur internationalen Finanzgroßmacht auf: Juncker gilt als Architekt der Steueroase im Herzen Europas. Noch 1980 war der Finanzsektor kaum existent, heute ist Luxemburg eines der weltweit größten Investment-Zentren. Das ist zurückzuführen auf die äußerst wohlwollende Steuergesetzgebung, die es Großkonzernen und vermögenden Menschen mit allerlei Tricks erlaubt, ihre in Ländern mit höheren Steuern erwirtschafteten Milliardengewinne ins Steuerparadies Luxemburg zu verschieben.
    Einen besonderen Anstieg der Firmengründungen gab es im Jahr 2006 – und dies könnte an der Europäischen Zinsrichtlinie liegen, die im Jahr zuvor in Kraft getreten war. Seitdem tauschen die Steuerbehörden der EU-Länder untereinander Informationen über Konten von EU-Bürgern aus. Ein deutscher Staatsbürger, der sein Vermögen auf französischen Konten parkt, kann seine Zinserträge seitdem nicht mehr vor der deutschen Steuerbehörde verstecken. Es sei denn, der Kontoinhaber ist keine natürliche Person, sondern ein Unternehmen – etwa aus Luxemburg.
    Da wäre beispielsweise der Kredit-Trick: Dafür gründet ein Konzern ein Tochterunternehmen in Luxemburg. Dieses muss keine Angestellten haben, auch keine großflächigen Büroräume…
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Dass einer der obersten Steuerhinterzieher Präsident der EU-Kommission werden konnte sagt im Grunde alles. Fairerweise muss man aber zugeben, dass die aktuelle Besetzung keinen Deut besser ist. Eines kann man aber mit Gewissheit sagen, die Interesse der Bürger standen bzw. stehen bei beiden Figuren an letzter Stelle. Ekelhaft wird es allerdings, wenn man bedenkt, dass die Milliarden an hinterzogenen Steuern gerade jetzt den staatlichen Gesundheitssystemen in der Bekämpfung der Coronapandemie fehlen, die Steuerhinterzieher sind so mittelbar für den Tod von Menschen verantwortlich.

  6. Lobbying in Brüssel
    Wo Springer und Konsorten lautstark Antworten einfordern, treten ihre Rivalen in Brüssel leiser auf, wenngleich wohl wirkungsvoller. Die Großen Fünf aus dem Silicon Valley haben ihr Lobbybudget im vergangenen Jahrzehnt vervielfacht.
    Spitzenreiter ist Google: Der Datenkonzern hat längst die größte Lobbypräsenz aller Firmen in Brüssel, er gibt mit zuletzt acht Millionen Euro im Jahr mehr aus als die sieben größten Autohersteller zusammen, errechneten die Lobbywächter von Corporate Europe Observatory.
    Google und die anderen Digitalkonzern zahlen nicht nur Millionen für Lobbypersonal, ihr Geld landet auch bei Verbänden, Thinktanks und selbst einigen NGOs. Das stellt sicher, dass vielfach nach Orchester klingt, was eigentlich nur Stimmen einzelner Konzerne sind. Während Döpfner Showpolitik betreibt, sickert Kohle aus dem Silicon Valley in die letzte Ritze.
    Angesichts der Lage überdenken frühere Vordenker der Medienbranche ihre Karriereoptionen. Ex-Guardian-Chefredakteur Rusbridger, der in Breaking News wortreich die ruinösen Folgen von Google und Facebooks Geschäftspraktiken für die Medien beklagte, hat einen neuen Job gefunden: Er sitzt als bezahltes Mitglied im neuen „Oversight Board“ von Facebook.
    Quelle: Netzpolitik
  7. Die schwächsten Glieder globaler Lieferketten
    Viele von uns trinken in der Früh Kaffee. Und zumindest dann, wenn gerade kein Lockdown ist, trifft man sich auch tagsüber gerne zum Kaffee. Der Kaffee, den wir also quasi täglich konsumieren, ist ein paradigmatisches Beispiel einer globalen Ware und dafür, wie Lieferketten und Ausbeutung heute funktionieren. Nur ein Bruchteil des Preises, den wir für eine Tasse Kaffee in einem Kaffeehaus oder einer beliebigen internationalen Kette bezahlen, geht tatsächlich an die Produzent*innen.
    Was bedeutet das nun konkret? Wenn eine Tasse Kaffee also, sagen wir, 2,50 Euro kostet, dann geht davon genau 1 Cent an die Produzent*innen. Kaffee wird de facto nur im globalen Süden angebaut. Zwischen 2011 und 2015 entfielen 58 Prozent auf Lateinamerika, 32 Prozent auf Asien und neun Prozent auf Afrika. Der Preis für Kaffee am Weltmarkt ist in den letzten Jahren so stark gefallen, dass die Produzent*innen kaum noch in der Lage sind, ihre Familien zu ernähren. Viele steigen auf andere Produkte um oder machen sich auf den Weg nach Norden, um irgendwie in die USA zu kommen, wo sie dann darauf hoffen, zumindest in das unterste Segment der Arbeiter*innenklasse aufgenommen zu werden. Dorthin, wo dann vor allem im Agrar- oder Bausektor die niedrigen Löhne der Migrant*innen, vor allem derer ohne Aufenthaltsstatus, zu den Profiten der Besitzenden beitragen…
    Lohn- und Landpreisunterschiede
    Die Produktionsprozesse wurden in immer kleinere Teile aufgedröselt und auf der Jagd nach Profit von einem Land ins nächste versetzt. Dabei machten sich transnationale Konzerne globale Lohnunterschiede und Landpreisunterschiede zunutze. Dass dabei in den meisten dieser Länder repressive Arbeitsregime vorherrschten, die teilweise auch aktiv mit Unterstützung transnationaler Konzerne aufgebaut wurden und tagtäglich durch die bestehende Ordnung reproduziert werden, ist offensichtlich. Die enorme Ausbeutung der Arbeit und der Natur macht die Lohn- und Preisunterschiede erst möglich.
    Diese ökonomische Entwicklung wurde begleitet von der Herausbildung eines politischen und rechtlichen Rahmens, einer internationalen Architektur der globalen Akkumulation. Dazu zählen Institutionen wie das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), die Welthandelsorganisation (WTO), diverse Freihandelszonen oder bi- und multilaterale Freihandelsabkommen. Dabei geht es vor allem darum, durch die Schaffung politischer und rechtlicher Rahmen den internationalen Fluss der Kapital- und Warenströme zu garantieren.
    Die so entstandenen Warenketten stehen im Wesentlichen unter der Kontrolle monopolistischer transnationaler Konzerne, die wiederum hauptsächlich im globalen Norden angesiedelt sind und durch dieses Arrangement und die Neuorganisation der Produktionsprozesse und Lieferketten enorme Profite einfahren…
    Quelle: A&W Blog

    dazu: Lieferketten der Verantwortungslosigkeit
    Es ist de facto so gut wie unmöglich, ohne Produkte auszukommen, die unter schweren Verletzungen von Arbeits- und Umweltrechten hergestellt werden, von denen den Produzent*innen am Ende oft nur ein paar Cent bleiben. Der Markt wird von wenigen Handelsriesen dominiert – aber welche Verantwortung übernehmen sie dafür und für ihre immer länger werdenden Lieferketten eigentlich?
    Wir haben alle schon einmal davon gehört, und insgeheim wissen wir es auch alle. Innerhalb von Lieferketten von Konzernen, beim An- und Abbau von Rohstoffen, in der Herstellung von Lebensmitteln, Kleidung, oder technischen Geräten herrschen mitunter barbarische Zustände: Dass in so mancher Textilfabrik in Asien kleine Mädchen an den Nähmaschinen sitzen, oder Minenarbeiter*innen in Afrika unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten müssen. Aber trotzdem erscheint es uns meist so, als ob die moderne Sklavenarbeit, die immer auch mit Umweltzerstörung, Wasservergiftung und Luftverschmutzung einhergeht, weit weg, und unabhängig von uns in Zentraleuropa von statten ginge…
    Moderne Sklaverei
    Das ist auch der Grund dafür, warum die Erntearbeiter*innen in Italien und Spanien zumeist Flüchtlinge, wanderarbeitende Tagelöhner*innen aus Osteuropa oder Menschen ohne Papiere sind die undokumentiert arbeiten. Sie haben keine andere Wahl und müssen sich dem Lohndumping und den schrecklichen Arbeitsbedingungen unterwerfen. Die Handelskonzerne nutzen das schamlos aus und sind für diese moderne Sklaverei verantwortlich. Hinter ihnen stehen ein paar wenige maßlose Menschen, die gigantische Vermögen anhäufen…
    (…) Weltweit leben 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei. 152 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 17 Jahren müssen arbeiten. Das entspricht fast einem von zehn Kindern weltweit. Die meisten von ihnen arbeiten mit 71 Prozent hauptsächlich in der Landwirtschaft, wo sie Kakao- und Kaffeebohnen, Palmölfrüchte, Rüben- und Rohrzucker für unsere Süßigkeiten ernten. Aber Ferrero ist nur eines von unzähligen weiteren Beispielen. Weltweit sind Konzerne für tote Böden auf Grund von Monokulturen, übertriebenen Mengen von Düngemitteln, von Pestiziden und Chemiemüll vergiftetes Wasser, durch Abgase verdreckte Luft, Artensterben, sowie die Verarmung, Vertreibung und Ausbeutung von Menschen verantwortlich. Das ist der wahre Preis für die obszönen Profitsteigerungen der Handelsgiganten und marktführenden Konzerne….
    Quelle: A&W Blog

  8. Proteste gegen Lehramtsreform in NRW: Bundesbank macht Schule
    Aufruhr bei Schülern, Studierenden und Lehrern in Nordrhein-Westfalen. Nach Einführung eines Schulfachs „Wirtschaft“ will die Landesregierung nun auch das Lehramt „Sozialwissenschaften“ aus dem Verkehr ziehen. Gegner warnen vor der Abwicklung politischer Bildung und einer Übermacht des Ökonomischen. Die Wissenschaft belegt den Trend. […]
    Die Schule ist ein zentraler Ort, an dem Kinder und Jugendliche lernen, sich mit gesellschaftlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Themen, die über die unmittelbare persönliche Erlebniswelt hinausgehen, auseinanderzusetzen. In Nordrhein-Westfalen (NRW) geschah dies bald 50 Jahre lang im Unterrichtsfach „Sozialwissenschaften“. Aber neuerdings ist Schluss damit. Zu Beginn des laufenden Schuljahrs wurde an den weiterführenden Schulen an Rhein und Ruhr flächendeckend das Schulfach „Wirtschaft/Politik“ eingeführt, wobei die namentliche Reihenfolge kein Zufall ist. Inhaltlich hat „Wirtschaft“ eindeutig Vorrang vor „Politik“. Und das nicht nur in den entsprechenden Konzeptpapieren, sondern längst auch in der Praxis.
    Das Bildungsministerium streitet das gar nicht ab. Das neue Fach berücksichtige auch weiterhin die drei Teildisziplinen Wirtschaft, Politik und Soziologie, die „Schwerpunktsetzung“ sei aber eine andere. Das kommt nicht von ungefähr. Seit vielen Jahren treiben Unternehmer- und Handwerksverbände, arbeitgebernahe Wirtschaftsinstitute, Vertreter von Banken und Versicherungen viel Aufwand, um „Wirtschaft“ als ein eigenständiges Schulfach zu etablieren.
    Und sie haben zunehmend Erfolg damit, nicht nur in NRW, auch in Bayern und Niedersachsen ist „Wirtschaft“ namentlicher Bestandteil der Lehrpläne.
    Quelle: Studis Online
  9. Forscher entdecken Standort-Tracker in 450 von 450 untersuchten Android-Apps
    In einer neuen Studie unter der Regie des VPN-Anbieters Express VPN zeichnen Sicherheitsexperten ein Bild der globalen Standortüberwachung, das die meisten wohl nicht erwartet hätten. Alle 450 untersuchten Smartphone-Apps aus Googles Playstore enthielten Location-Tracker. (…)
    Die betroffenen Apps kommen weltweit auf mindestens 1,7 Milliarden Downloads. Selbst in Apps, die sich gezielt an ein europäisches Publikum richten und die damit originär den Regelungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung DSGVO unterliegen, wurden die Forscher fündig.
    Dabei wurden sogar Tracker wie X-Mode gefunden, die sowohl Google als auch Apple für Apps, die über die App-Stores vertrieben werden, verboten hatten. Dabei ist die Verwendung von X-Mode nicht einmal eine Randerscheinung. In 199 der untersuchten Apps (44 Prozent) fanden die Forscher eines oder mehrere Elemente der verschiedenen Software-Entwicklungskits (SDK), die X-Mode zur Verfügung stellt.
    Quelle: digital pioneers
  10. Campact in Nöten
    Als die Kampagnen-Maschine „Campact“ ihr demokratisches Mäntelchen im letzten Jahr in den Regierungswind hängte und sich dem offiziellen Corona-Kurs anschloss, geriet die einstige Bürgerbewegung unter Druck: Immer mehr Unterstützer kündigten ihr die Freundschaft und vor allem die Spenden. Statt zu überlegen, ob man als Passagier auf dem Regierungsdampfer nicht den falschen Kurs fährt, setzte Dr. Felix Kolb vom Vorstand der Organisation noch eins drauf. In seinem jüngsten Newsletter entdeckte er eine Verschwörung: „Mit Bestürzung und Sorge beobachten wir seit einigen Monaten, wie weit sich viele Menschen von der Realität lösen“, schreibt er und der Beweis: „Tausende Spender*innen und Förder*innen kehrten uns den Rücken“. Weil „Campact“ vor Verschwörungstheoretikern warne, so die sonderbare Logik des Dr.Felix Kolb, würden die jetzt den Spendensammlern das Wasser abgraben. Dass der einstige Oppositions-Verein die Ideologie der Merkel & Co schon mit dem Propagandawort „Verschwörungstheoretiker“ bedient, mag ihm nicht auffallen. Auch die primitive Gleichsetzung von Regierungskritik mit „Verschwörungsmythen“ kennt der Leser längst aus all den Medien, die sich als Merkel-Meinungs-Organe begreifen.
    Doch angesichts der finanziellen Nöte, in die Campact nach dem Einschwenken auf den Merkel-Kurs geraten ist, kann den Zeugen Coronas der Dreck gar nicht dreckig genug sein, mit denen die Freunde der Grundrechte beworfen werden: „So werden Menschen, die das Virus leugnen, selbst zu Pandemiebeschleunigern“, schreibt der furchtbare Vorstand Kolb. Zwar kann man Viren nicht leugnen, und die Demokratiebewegung tut das natürlich auch nicht, aber wenn es um Geld geht, werden die Gegner der Regierungslegenden flugs zum Gesundheitsrisiko erklärt, als Virenschleudern gebrandmarkt und dem Scheiterhaufen des gesunden Hygiene-Empfindens ausgeliefert. Doch weil immer mehr dem neuen „Campact“-Kurs den Rücken kehren, muss dringend Verstärkung her. Deshalb macht Dr. Kolb in seiner Offenbarungs-Mail Reklame für die „Initiative DetektivKollektiv“. Diese Gruppierung versteht sich als Gesinnungspolizei im Netz und tarnt diese Gestapo-Funktion nur mühsam mit geschraubten Sätzen wie „Das DetektivKollektiv ist Online-Plattform basierend auf einer virtuellen Gemeinschaft, auf der Detektiv*innen zusammenkommen, um die Glaubwürdigkeit von Inhalten im Internet zu überprüfen“.
    Quelle: Rationalgalerie

    dazu: Die Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!
    Nach Attac verliert auch Campact den Status der Gemeinnützigkeit. Es zeigt sich: Das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofes ist auch ein Maulkorb für die gesamte kritische Zivilgesellschaft. Denn die Richter erklärten, die Teilnahme an der politischen Debatte sei unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit. Jetzt muss die Bundesregierung ran – und klarstellen: Die Arbeit der Zivilgesellschaft ist gemeinnützig.
    Quelle: campact

    Anmerkung JK: Na, da hat die ganze Apologetik der Regierungspolitik aber nicht viel gebracht.

  11. Absage an die Friedenspolitik
    Der Entwurf zum Wahlprogramm der Partei Die Linke 2021 muss grundlegend geändert werden
    Sprache kann verräterisch sein. Im Programmentwurf zur Bundestagswahl, den die beiden scheidenden Linke-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zu verantworten haben, werden zentrale friedenspolitische Positionen der Partei relativiert. Im Text heißt es etwa bezogen auf den EU-Haushalt, man wolle »weniger Ausgaben für militärische Aufrüstung«. Von der einstigen Ablehnung der Militarisierung der EU keine Spur, Aufrüstung als Ziel wird nicht abgelehnt, es sollen lediglich weniger finanzielle Mittel in Rüstungsprojekte und Militär der EU fließen. Der Entwurf bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen der klaren Forderung »Eine Beteiligung der Bundeswehr an NATO-Kriegseinsätzen lehnen wir ab« und der Forderung »Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden«. Damit bleibt programmatisch Spielraum, die Bundeswehr in neue Auslandseinsätze, die UN-mandatiert sind wie der UNIFIL-Einsatz vor der Küste Libanons oder die sich wie beim Mali-Einsatz auf eine EU-Rechtsgrundlage berufen, zu schicken. Selbst der NATO-Einsatz im Irak wird von den Forderungen im Wahlprogramm der Linken nicht tangiert. Und nicht zuletzt: Die Absage an Rüstungsexporte wird auf die lange Bank geschoben: »Perspektivisch wollen wir alle Rüstungsexporte aus Deutschland einstellen«, wird formuliert.
    Da keine politischen Begründungen im Entwurf für diesen friedenspolitischen Paradigmenwechsel geliefert werden, liegt die Interpretation nahe, dass mit diesem Programmentwurf eine Regierungsoption für eine »rot-rot-grüne« Bundesregierung mit Beteiligung der Linken eröffnet werden soll, die die Militarisierung der EU weiter mitbetreibt, neue Auslandseinsätze mit UN- und EU-Mandat auflegen kann und zugleich weiter Rüstungsexporte genehmigt. Damit aber werden zentrale friedenspolitische Grundpositionen der Linken zur Disposition gestellt. (…)
    Der Kipping-Riexinger-Entwurf will eine andere Partei und zielt auf eine Relativierung der friedenspolitischen Positionen. Wenn sich dies durchsetzen würde, wäre dies verheerend auch für Die Linke selbst. Alle diejenigen, denen die Existenz einer friedenspolitisch klar profilierten Linken nicht gleichgültig ist, sind aufgerufen, sich dieser Entkernung der Linken entgegenzustellen und auf grundlegende Änderungen des Wahlprogramms zu drängen.
    Quelle: Sevim Dagdelen und Ulla Jelpke in junge Welt
  12. Solidarität ist jetzt gefragt
    Eine Kältewelle durchzieht weite Teile Deutschlands und verschärft die Lage von Obdachlosen. Jörg Richert, der für eine Hilfsorganisation in Berlin arbeitet, rät dazu, hinzuschauen und nötigenfalls Hilfe zu holen.
    Bei Temperaturen deutlich unter null Grad Celsius, wächst die Sorge um Menschen, die sich im Freien aufhalten müssen, weil sie kein Obdach haben. Jörg Richert arbeitet in der Geschäftsleitung von Karuna e.V, einem sozialen Träger in Berlin.
    Richert sagt angesichts der Kältewelle: „Solidarität ist jetzt gefragt: Alle Menschen sollten ein Auge auf hilflose oder obdachlose Menschen haben. Bitte sprechen sie diejenigen Personen an.“
    Wenn man den Eindruck habe, die Person benötige Hilfe, rät er dazu, entweder einen Krankenwagen zu rufen, wenn es arg sei, oder bei den Hotlines für Obdachlose anzurufen, die Hilfe organisieren würden. Dann könnten Helfer zu der Person fahren und vor Ort unterstützen.
    Allerdings sollte alles auf freiwilliger Basis geschehen, betont er. „Aber es gibt natürlich auch Menschen, wo wir mit Hilfe der der Psychiatrie und Ärzten gegen den Willen arbeiten müssen, damit jemand nicht erfriert.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

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