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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Regierung plant Steuerentlastung für Versicherer; Erste “Bad Bank” startet mit Milliardenverlust; den Banken ist beim Risiko nicht zu trauen; Angst vor der Pest des Protektionismus; »Zunehmende Sozialdemokratisierung« der CDU; neofeudaler Elitedünkel; durchschnittliche Beschäftigungsdauer; bei Vorkasse bleibt der Patient auf den meisten Kosten sitzen; tödliche Falle; Stephanie zu Guttenberg sucht nach Fakten; man wird nie Deutscher; direkter Lobbyismus; Lila-Lula-Land; Seitenwechsel von EU-Kommissaren; Stuttgart 21; Visualisierung der Parteispenden; überarbeitet und gestresst – oder unterfordert und faul; Bachelor nicht so gut wie gedacht; China boykottiert weiterhin japanische Firmen. (KR/WL)

Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Hier die Übersicht, Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Regierung plant Steuerentlastung für Versicherer
  2. Erste “Bad Bank” startet mit Milliardenverlust
  3. Zur Too big to fail-Kommission in der Schweiz: Den Banken ist beim Risiko nicht zu trauen
  4. Angst vor der Pest des Protektionismus
  5. »Zunehmende Sozialdemokratisierung« der CDU
  6. Neofeudaler Elitedünkel
  7. Durchschnittliche Beschäftigungsdauer liegt unverändert bei zehn Jahren
  8. Bei Vorkasse bleibt der Patient auf den meisten Kosten sitzen
  9. Afghanistan: Tödliche Falle
  10. Stephanie zu Guttenberg: ein Königreich für ein paar Fakten
  11. Man wird nie Deutscher
  12. Direkter Lobbyismus: Interview mit Kim Otto über das Wirken von “Leihbeamten” in deutschen Ministerien und der EU
  13. Bericht aus dem neoliberalen Lila-Lula-Land
  14. Seitenwechsel von EU-Kommissaren: EU-Parlament blockt Teile des Haushalts
  15. Stuttgart 21
  16. Visualisierung der Parteispenden über 50.000 €
  17. Studierende: Überarbeitet und gestresst – oder unterfordert und faul?
  18. Bachelor nicht so gut wie gedacht
  19. China boykottiert weiterhin japanische Firmen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Regierung plant Steuerentlastung für Versicherer
    Erst die Hotels, jetzt die Versicherungen: Die Bundesregierung will eine weitere Branche mit Steuererleichterungen beglücken.
    Quelle: WELT

    Anmerkung KR: Erst hat man das Vertrauen in die gesetzliche Rente zerstört und die Leute in die private Altersvorsorge getrieben; nun lässt sich nicht länger verbergen, dass die Finanzdienstleister die gemachten Versprechungen ohne staatliche Hilfe nicht einhalten können. Das wäre ohne Weltwirtschaftskrise nur etwas später geschehen, weil für langfristige Sparanlagen gleich welcher Art grundsätzlich keine höheren Renditen garantiert werden können (und auch in der Vergangenheit nicht erzielt werden konnten). An diesem Schwindel hat eine Generation von Versicherungsvertretern und Politikberatern gut verdient.

  2. Erste “Bad Bank” startet mit Milliardenverlust
    Deutschlands erste “Bad Bank” startet mit einem Milliardenverlust. Die für die Abwicklung ausfallgefährdeter und vom Kerngeschäft ausgegliederter Wertpapiere der WestLB gegründete Erste Abwicklungsanstalt wies in ihrem am Donnerstag (07.10.10) veröffentlichten Jahresabschluss einen Verlust von 1,05 Milliarden Euro aus.
    Quelle: WDR
  3. Zur Too big to fail-Kommission in der Schweiz: Den Banken ist beim Risiko nicht zu trauen
    Die Schweizer Behörden wollen strengere Auflagen für die Banken. Aber die neuen Regeln zielen am Kern der Sache vorbei. Eine Systemreform wird nicht angepackt.  Die neuen Regeln ziehen die Bremsen zwar ein wenig an, aber das Höllengefährt rast weiter.
    Die beste Medizin nützt nichts, wenn die Diagnose falsch ist. Die Expertenkommission hat es nicht geschafft, die ideologischen Scheuklappen abzulegen und aus den gängigen Denkmustern auszubrechen. Von Systemreform kann keine Rede sein. In den Debatten zur Bankenregulierung sind Begriffe wie Transaktionssteuer und Klumpenrisiko oder die Idee, das Bankengeschäft als eine Art Service public zu verstehen, fast vollständig verschwunden. Radikale Lösungen, etwa ein Trennbankensystem, wo systemrelevante Geschäfte wie der Zahlungsverkehr vom Eigenhandel an den Finanzmärkten abgekoppelt wären, wischt die Kommission mit der Bemerkung weg, dass es sich dabei um «erhebliche Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit» handle. Vor allem aber legt die Expertenkommission keine verbindlichen Richtlinien vor, wie das Too-big-to-fail-Problem gelöst werden soll, wie man künftig also verhindern will, dass der Staat eine Bank retten muss, statt sie kontrolliert Konkurs gehen zu lassen. Die Notfallpläne dafür, so der Wunsch der Kommission, sollen die Banken selber gestalten dürfen.
    Quelle: Wochenzeitung
  4. Angst vor der Pest des Protektionismus
    Kritik hagelt es nicht nur an Chinas Währungsmanipulation und seiner Staatswirtschaft insgesamt. Auch die USA werden von liberalen Beobachtern angeprangert. Schliesslich war das Land der angeblich grenzenlosen Freiheit jüngst angesichts von Banken-Bail-outs sowie der staatlichen Übernahme von Autofirmen und eines Grossteils des Immobilienmarktes kein leuchtendes Vorbild in Sachen Kapitalismus. Manche Experten meinen zudem, der Streit gehe am eigentlichen Thema vorbei. Laut American Enterprise Institute wäre der Einfluss einer Änderung der chinesischen Wechselkurspolitik auf die amerikanische Wirtschaft so gering, dass er vermutlich kaum messbar wäre. Ähnlich argumentierte das Development Center der OECD bereits im April. Es sei alles andere als sicher, dass eine Aufwertung des Yuan die amerikanische Leistungsbilanz stark beeinflussen würde. Zudem seien bilaterale Ungleichgewichte zwischen zwei Staaten nicht so wichtig, sondern das Gesamtgefüge. Ferner wird von Kritikern zu Recht argumentiert, wenn die USA weniger Produkte aus China importierten, kauften sie diese als Ersatz nicht automatisch in den USA, sondern vermutlich in anderen asiatischen oder europäischen Ländern. Zudem machten Zölle auf Importe von Textilien, Spielzeugen, Möbeln und zusammengebauten Computern – das sind die überwiegenden Importe der USA aus China – die heimische Industrie in diesen Branchen nicht automatisch wettbewerbsfähiger. Mit Strafzöllen können die USA ohnehin kaum etwaige chinesische Verluste in eigene Gewinne ummünzen. Und nicht zuletzt gibt es für etliche Importe gar keine heimische Alternative.
    Quelle: NZZ.ch

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das Argument, dass andere Staaten an die Stelle Chinas treten würden, ist nicht so stark, wie man zunächst denkt. Denn ein Ziel wäre erreicht: Chinas Exportwirtschaft würde ein wichtiger Markt wegbrechen. Und ist es so undenkbar, dass die USA in bestimmten Branchen eine Reindustrialisierung betreiben könnte und dabei genauso wie China selbst im Aufholprozess gegenüber dem Westen seine ‘infant industry’ protegieren würde?

  5. »Zunehmende Sozialdemokratisierung« der CDU
    Das Prinzip der self-fulfilling prophecy ist nicht nur in esoterischen Kreisen recht populär. Auch der Wirtschaftsrat (WR) der CDU nutzte jetzt diese Kommunikationstechnik. Die Thesen der neoliberalen Gralshüter innerhalb der CDU wurden nun durch das Ergebnis der »größten und repräsentativsten Umfrage in der deutschen Wirtschaft, die es je gab« untermauert, wie es WR-Präsident Kurt J. Lauk am Mittwoch in Berlin formulierte. Beteiligt haben sich demnach knapp 3000 der 12000 Mitglieder des WR, durchgeführt und ausgewertet wurde die Umfrage von Emnid. Als Konsequenz hat der WR jetzt einen »12-Punkte-Plan für Deutschland wider die Resignation« entwickelt, der zunächst die innerparteiliche Debatte um die Ausrichtung der CDU im Hinblick auf den nächsten Bundesparteitag befeuern soll, der Mitte November in Karlsruhe stattfinden wird. Denn die große Mehrheit der Befragten habe die »zunehmende Sozialdemokratisierung« der Partei beklagt und eine »Schärfung des wirtschaftspolitischen Profils« verlangt.
    Quelle1: Jungwelt
    Quelle 2: Presseportal

    Anmerkung WL: Sparpaket, Steuerentlastung für Hoteliers, 5-Euro mehr für Hartz IV-Regelsatz, Einführung der Kopfpauschale bei der Krankenversicherung und Deckelung des Beitrags für die Unternehmen, Umstieg auf die kapitalgedeckte private Pflegeversicherung und und und, all das hält der Wirtschaftsflügel der CDU für eine „zunehmende Sozialdemokratisierung“.

  6. Neofeudaler Elitedünkel
    Brauchen Arbeitslose nur den richtigen Anreiz, um arbeiten zu gehen? Dieser Glaube beruht auf einem zutiefst antiaufklärerischen Menschenbild.
    Wenn wie jetzt über die Höhe der Unterstützung für erwerbslose Menschen gestritten wird, hat sich seit der von Gerhard Schröder verkündeten “Agenda 2010” ein Glaubensdogma etabliert: Arbeitslose brauchten Anreize, so heißt es, damit sie wieder eine Arbeit annähmen.
    Dieses Glaubendogma geht davon aus, dass Arbeitsplätze im Prinzip angeblich genügend vorhanden wären, das eigentliche Problem sei vielmehr die Lustlosigkeit der Arbeitssuchenden. Von sich heraus habe der Mensch, so die Unterstellung, auf gar nichts Lust – außer regungslos auf dem Sofa zu liegen. Erst wenn ein finanziell messbarer Anreiz vorliege, würden Gehirnzellen und Gliedmaße in Bewegung gesetzt.
    Das Menschenbild, das hinter diesem Glaubensdogma steckt, ist mit dem emanzipatorischen Teil unserer europäischen Werte absolut unvereinbar: Gemeint sind die Würde des Menschen, die Freiheit der Person und Werte wie Verantwortung, Selbstverwirklichung, Mündigkeit und demokratische Gemeinschaft. Nichts von alldem ist denkbar, wenn man den Menschen auf einen rein mechanischen Reiz-Reaktions-Organismus reduziert.
    Quelle: taz
  7. Durchschnittliche Beschäftigungsdauer liegt unverändert bei zehn Jahren
    Weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern sind die Erwerbskarrieren generell instabiler geworden. So beträgt die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit von Arbeitnehmern in Deutschland 10,8 Jahre, berichtet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). 1992 lag sie bei 10,3 Jahren. Ein allgemeiner Abwärtstrend sei also nicht erkennbar, betont der IAB-Arbeitsmarktforscher Thomas Rhein.
    Ab 1993 sank zwar die durchschnittliche Beschäftigungsdauer infolge der Arbeitsmarktkrise in den neuen Bundesländern vorübergehend knapp unter zehn Jahre, seit 2001 liegt sie aber wieder über zehn Jahren.
    Auch bei der gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftefluktuation zeichne sich in  Deutschland und den meisten anderen Ländern keine Beschleunigung ab, zeigt Thomas Rhein: „Von einem allgemeinen Trend hin zum Turbo-Arbeitsmarkt kann demnach nicht gesprochen werden“.
    Es gebe jedoch Anzeichen, dass die subjektiv empfundene Beschäftigungssicherheit in den letzten zehn Jahren abgenommen habe, so die IAB-Studie. „Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Beschäftigten durch die Arbeitsmarktreformen verunsichert wurden. Aber auch der Anstieg der Befristungsquote könnte dabei eine Rolle spielen“, schreibt IAB-Forscher Rhein. Der Anteil der befristet Beschäftigten hat sich seit 1992 mehr als verdoppelt, er liegt heute bei knapp zehn Prozent.
    Die IAB-Studie analysiert auch die Entwicklung in anderen europäischen Ländern, darunter Großbritannien, Dänemark, Frankreich und Italien. Mit Ausnahme Dänemarks ist nirgendwo ein Abwärtstrend bei der Beschäftigungsdauer zu erkennen. In den beiden Ländern mit stark dereguliertem Arbeitsmarkt Großbritannien und Dänemark liegt sie mit 8,2 bzw. 7,3 Jahren aber deutlich niedriger als in Deutschland, in Frankreich und Italien mit 11,5 und 11,2 Jahren dagegen höher.
    Quelle: IAB [PDF – 517KB]

    Anmerkung WL: So ist es eben mit einem Durchschnittswert, der eine ist 20 Jahre beschäftigt, der Leiharbeiter noch nicht einmal ein Jahr, gibt im Durchschnitt eben 10 Jahre.

  8. Bei Vorkasse bleibt der Patient auf den meisten Kosten sitzen
    Kassenpatienten, die sich für einen Kostenerstattungstarif entschieden haben, bleiben auf einem Großteil ihrer Arztkosten sitzen. Dies bestätigten die beiden Branchenführer Barmer GEK und Techniker-Krankenkasse (TK) dem Tagesspiegel. Von den privat eingereichten Rechnungen erstattet die Barmer GEK im Schnitt rund ein Drittel der Kosten, bei der TK sind es etwa 36 Prozent. „Wenn Ärzte bei Kassenpatienten mit Kostenerstattung den 2,3-fachen Satz abrechnen, können wir das natürlich nicht eins zu eins erstatten“, sagte Barmer-GEKSprecher Kai Behrens. Außerdem müsse für den höheren Aufwand eine Verwaltungskostenpauschale einbehalten werden. Bei der TK beträgt diese derzeit zehn, bei der Barmer GEK 7,5 Prozent.
    Quelle1: Tagesspiegel
    Quelle 2: Tagesspiegel
  9. Afghanistan: Tödliche Falle
    Nach dem Attentat auf die Bundeswehr in Afghanistan spricht Merkel von einem „feigen Anschlag“
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Seltsamerweise finden Politiker, immer wenn ein Soldatentod in Afghanistan zu beklagen ist, für den Gegner Worte wie barbarisch, hinterhältig, heimtückisch oder eben feige. Die Soldaten vor Ort wissen sicherlich genau, dass ein Guerillakrieg keine offene Feldschlacht ist. Ein Historiker würde vielleicht darauf hinweisen, dass auch eine Drohne keine ritterliche Waffe ist. Bereits der chinesische General und Militärstratege Sunzi 500 v. Chr. hat sich in seinem Buch „Über die Kriegskunst“ darüber Gedanken gemacht, wie man mit unterlegenen Mitteln den Feind empfindlich treffen kann. Terroristische Anschläge bilden eine extreme Variante asymmetrischer Kriegführung gegen einen überlegenen Gegner. – Nein, feige sind unsere Politiker, die diesem nicht zu gewinnenden Krieg weiterhin unsere Soldaten opfern, um sich irgendwie gesichtswahrend zurückziehen zu können. Feige war es und ist es, nicht mit unseren Bündnispartner Tacheles zu reden und vor einem zweiten Vietnam zu warnen. Aber wir müssen ja unsere Verantwortung in der Welt wahrnehmen:
    „Schritt für Schritt hat Deutschland international Verantwortung gemeinsam mit unseren Verbündeten in der NATO, in der europäischen Sicherheitspolitik und im Auftrag der Vereinten Nationen auch außerhalb des Bündnisgebietes übernommen … Zum Einsatz der Bundeswehr im multilateralen Rahmen wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Nato sind wir bereit, wenn er dem Schutz unserer Bevölkerung oder dem unserer Verbündeten dient. Wer deshalb heute den sofortigen, womöglich sogar alleinigen Rückzug Deutschlands unabhängig von seinen Bündnispartnern aus Afghanistan fordert, der handelt unverantwortlich. Nicht nur würde Afghanistan in Chaos und Anarchie versinken, auch die Folgen für die internationale Gemeinschaft und ihre Bündnisse, in denen wir Verantwortung übernommen haben, und für unsere eigene Sicherheit wären unabsehbar. Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hineingegangen; die internationale Gemeinschaft wird auch gemeinsam hinausgehen. Handelte sie anders, wären die Folgen – das ist meine Überzeugung – weit verheerender als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001“ (Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, Do, 22.04.2010)
    Seltsam, eben noch sprach Angela Merkel davon, dass Afghanistan in Chaos und Anarchie versänke, wenn wir abzögen, und jetzt gehen wir plötzlich hinaus, natürlich gemeinsam. Dabei pfeift es jeder Spatz von den Dächern, dass Barak Obama bis zu den Präsidentschaftswahlen rausgegangen sein will – wie im Irak, wo heute Chaos und Anarchie herrschen.

  10. Stephanie zu Guttenberg: ein Königreich für ein paar Fakten
    Wenn die Frau doch einen Minirock trägt, dann ist sie halt selber Schuld. Natürlich meint zu Guttenberg das nicht so, sie denkt halt einfach nicht besonders scharf. Oder lassen Sie es mich freundlicher formulieren: Sie ist erstaunlich unsortiert. Hätte Stephanie zu Guttenberg recht, gäbe es also einen Zusammenhang zwischen Lady Gaga und Kindesmissbrauch, gäbe es eine boomende Kinderpornoindustrie, die zehn Mal so groß wäre wie die gesamte deutsche Filmwirtschaft, dann müssten folgerichtig auch die  Fallzahlen von sexuellem Missbrauch steigen, denn das ist schließlich die Botschaft: Wir leben in einer so schlechten Zeit, die Kinder müssen an unser aller Übersexualisierung leiden. Aber die Zahl der Missbräuche sinkt  bei gleichzeitig größer werdendem Hellfeld (die Anzeigebereitschaft der Kinder ist gestiegen).

    Stephanie zu Guttenberg, die Frau frei von Fakten, hätte genug daran zu tun, in der Partei ihres Mannes für eine gewaltfreie Kindererziehung zu werben. Hinter den Kulissen, ohne Talkshowauftritte. Und ohne ein Buch, das die Welt nicht braucht.
    Quelle: FAZ Blogs
  11. Man wird nie Deutscher
    „Sag mal, Ozan“, schnitt der Kanzler das Thema an. „Warum haben deine Landsleute eigentlich diesen Erdogan gewählt?“
    Der Schock jenes Augenblicks sitzt ihm noch immer in der Seele, seine Gedanken in jenen Sekunden blitzartiger Erkenntnis sind ihm wie in Zeitlupe ins Gedächtnis eingebrannt. Warum haben deine Landsleute eigentlich diesen Erdogan gewählt? Sollte er Duzgenosse „Gerd“ wirklich darüber aufklären, dass er gar kein Türke sei und von türkischer Innenpolitik ebenso wenig verstehe wie er? Sollte er ihm vorhalten, dass er sich für seine Unterstützung bedankt und ihn gleich wieder ausgegrenzt hatte? „Und dann habe ich eine Entscheidung getroffen, ich habe gedacht: nein!“, erzählt Ceyhun. Tausendmal hätte er dem Kanzler wie schon so vielen vor ihm erklären können, dass nicht Erdogan-Wähler seine Landsleute seien, doch es brachte nichts. „Ich habe mir gedacht: Sieh es doch einfach ein, akzeptiere es endlich: Man wird nie Deutscher.“
    Obwohl Familie Ceyhun weiterhin in Rüsselsheim lebt, sitzt Ozan Ceyhun nicht mehr in der Landesverwaltung von Hessen. Er sitzt an der Bosporusküste und sein Smartphone piepst und klingelt pausenlos. Den türkischen Europa-Minister Egemen Bagis berät er und den nordzyprischen Präsidenten Dervis Eroglu. Das Parlament seiner Geburtsstadt Adana hat ihn zum Berater für Europa- Angelegenheiten ernannt. Selbst dem Bürgermeister des Istanbuler Bezirks, in dem Emirgan liegt, weiß Ceyhun ehrenamtlich zu helfen, und dem Bürgermeister des nächsten Stadtbezirks noch dazu. Sie alle schätzen die Erfahrungen und Kontakte, die er aus fast 25-jähriger politischer Praxis mitbringt.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eine schöne Geschichte und solche hat sie eine schöne Moral: Auch ein türkischstämmiger Deutscher ist als Deutscher zu behandeln. Allerdings stellen sich mir auch Fragen. Wann  hat Ozan Ceyhun die Kanzlerworte realisiert? Immerhin war er Abgeordneter des Europäischen Parlaments vom November 1998 bis Juni 2004, Mitglied des Kreistages des Landkreises Groß-Gerau (Hessen) von 2003-2009 und 2008 hat er sich für die Wahl des Europäischen Parlamentes als Kandidat der Hessischen SPD zur Verfügung gestellt. Der Artikel suggeriert, dass die Einsicht, als türkischstämmiger Deutscher nicht ernst genommen zu werden, durch den Kanzler ausgelöst wurde. Sein Engagement in der deutschen Politik legt nahe, dass seine Entscheidung, eventuell in die türkische Politik zu gehen, neueren Datums ist.

  12. Direkter Lobbyismus: Interview mit Kim Otto über das Wirken von “Leihbeamten” in deutschen Ministerien und der EU
    Die Selbstentmachtung des deutschen Parlamentarismus zugunsten der Wirtschaft hat seit der rotgrünen Bundesregierung nahezu kolumbianische Qualitäten angenommen. Seit dem “Austauschprogramm Seitenwechsel” ist es nämlich offiziell erlaubt, dass sich Lobbyisten als “Leihbeamte” direkt in den Bundesministerien einquartieren. Dies ist aber öffentlich wenig bekannt. Sascha Adamek und Kim Otto haben in ihrem Buch “Der gekaufte Staat” mehrere brisante Fälle recherchiert, in denen Vertreter der deutschen Großindustrie als “Experten” an wichtige Gesetzesänderungen maßgeblich mitgewirkt und die Interessen ihrer Arbeitgeber in die Beschlüsse und Gesetzesvorlagen diktiert haben. Im Zuge der Recherchen der beiden investigativen Journalisten sah sich der Bundesrechnungshof veranlasst, die Ministerien dahingehend zu überprüfen. Telepolis sprach mit Kim Otto.

    Das in Deutschland bis dato verbotene Angebot von Hedgefonds sollte auch in Deutschland legalisiert werden. Hier wurde ein Damm gebrochen, den Deutschland wohlweislich gegen die Hedgefonds mit ihren gefährlichen Geschäftsmodellen errichtet hatte – auch angesichts der hochproblematischen Erfahrungen, die man in den USA schon seit Jahrzehnten mit diesem Finanzinstrument gemacht hatte. Das Gesetz wurde schließlich von einer Angestellten des Bundesverband Investment und Asset Management e.V mitformuliert worden. Die Dame hatte – just während der heißen Phase der Gesetzesformulierung, von Januar bis August 2003 – einen eigenen Schreibtisch im Ministerium, und zwar in der Abteilung “Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik”. Die “Leihbeamtin” wurde weiterhin vom BVI bezahlt. Das Finanzministerium übernahm nur Kosten, die ihr Einsatz zusätzlich mit sich brachte: etwa 2000 Euro insgesamt. Die Lobbyarbeit hat sich gelohnt: Die ausländischen Hedgefonds haben sich in Deutschland rasant ausgebreitet, mittlerweile sind sie an rund 1000 deutschen Firmen beteiligt. Das hat vor allem einen Grund: Wenn Anleger ihre Anteile verkaufen, dann müssen sie in Deutschland keine Steuern zahlen – dank der Lobbyistin im Bundesfinanzministerium. Dadurch entgehen dem deutschen Staat Milliarden.
    Quelle: Telepolis
  13. Bericht aus dem neoliberalen Lila-Lula-Land
    Wer kennt sie nicht, die Geschichten aus 1001 Privatisierung? Jene Geschichten, die uns in verkrusteten bürokratischen Strukturen erstarrten Deutschen zeigen, wie das dynamische Volk der Amerikaner es mit life, liberty and pursuit of hapiness immer wieder schafft, ohne Kündigungsschutz den homo oeconomicus zum Vorschein zu bringen? Eine Glanzgeschichte aus dieser Gegend liegt nun aus dem US-Bundesstaat Tennessee vor, wo ein Haus Opfer der Flammen wurde, nachdem der anwesende Enkel Müll verbrannt hat. Gut, möchte man sagen, solcher Mist passiert eben; dafür gibt es ja eine Versicherung und die Feuerwehr. Tja, nicht in dieser Ecke von Tennessee. 
    In dieser Gemeinde fehlt nämlich seit 20 Jahren das Geld für eine Feuerwehr. Deswegen muss jeder Haushalt jährlich 75$ abdrücken, wenn er bei Brand das Haus gelöscht bekommen will. Um es in den Worten des örtlichen Bürgermeisters zu sagen: “If you don’t pay, you’re out of luck.”
    Quelle: Oeffinger Freidenker
  14. Seitenwechsel von EU-Kommissaren: EU-Parlament blockt Teile des Haushalts
    In die Debatte um sechs Ex-EU-Kommissarinnen und –Kommissare, die nach ihrem Abschied aus der Kommission im Februar lukrative Beratungstätigkeiten in der Privatwirtschaft aufgenommen haben, kommt neue Bewegung: Der Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments hat am vergangenen Mittwoch (28.9.) beschlossen, Teile des Haushalts für die EU-Kommission – über den das Parlament die Kontrolle hat – mit einem Vorbehalt zu belegen. Es handelt sich dabei um ein Zentel der Kommissargehälter (460.000 Euro). Dies soll so lange der Fall sein, bis die Kommission ihren Verhaltenskodex überarbeitet hat. Konkret forderten die Ausschussmitglieder eine mindestens zweijährige Abkühlphase für Ex-Kommissarinnen und –Kommissare.
    Quelle: LobbyControl
  15. Stuttgart 21
    1. Mappus und Grube stoppen Geißlers Baustopp
      Das Chaos um Stuttgart 21 ist komplett. Erst verkündet Schlichter Heiner Geißler, er habe mit Bahn-Chef Grube und Ministerpräsident Mappus einen vorläufigen Baustopp ausgehandelt – danach dementieren die beiden: Davon könne keine Rede sein. Nun laviert Geißler herum.
      Quelle: Spiegel Online
    2. Medien und Stuttgart 21: Fahrt auf schwäbischem Filz
      Wo wird im Ländle Politik gemacht? Im Landtag? Wichtiger ist das “Weinberghäuschen”. Die Treffen dort erklären, warum süddeutsche Medien so lange so freundlich über Stuttgart 21 berichteten.
      Quelle: stern
    3. Die Verbindungen der Pro-Stuttgart 21-Initiativen
      Vorfeld-Organisationen, Kunstrasen-Initiativen oder alles echte Graswurzeln? In den letzten Tagen wird heiß darüber diskutiert, welche Verbindungen die Pro-Stuttgart 21-Initiativen zur Bahn oder anderen Projektträgern haben. Auslöser war ein Beitrag des Metronaut-Blogs. Die Süddeutsche Zeitung online hat gestern einen längeren Artikel dazu veröffentlicht – und es gibt weitere interessante Informationen zu den Verbindungen der Pro-Stuttgart 21-Initiativen.
      Wenig beachtet wurde unseres Wissens nach folgende Passage von der Webseite der Intiative “Bürger für Stuttgart 21″.
      Der erste Teil zeigt zunächst die guten Kontakte zur Politik und zur Bahn, im zweiten Teil geht es noch weiter: das dort skizzierte Treffen deutet darauf hin, dass die Pro Stuttgart 21-Initiativen in eine gemeinsame Koordination mit der Politik, der Bahn und weiteren Unterstützern aus der Wirtschaft eingebunden sind. Christian List ist Vertreter der Initiative “Laufen für Stuttgart”, Johannes Bräuchle von “proSIT 21″. Mit der IG “Bürger für Stuttgart 21″ haben sie sich neuerdings zum Bündnis “Wir sind Stuttgart21″ zusammengeschlossen (weitere Details insbesondere zu Christian List siehe den Artikel in der Süddeutschen Zeitung).
      Quelle: LobbyControl
    4. Gesucht: Fachfrau/-mann Öffentlichkeitsarbeit Städtebau
      Leser T.B. schrieb uns: „Die Stadt Stuttgart sucht über eine Stellenanzeige für ihr verkorkstes Projekt mittlerweile einen PR-Profi, der die “Fähigkeit, auch schwierige Sachverhalte zielgruppenorientiert und leicht verständlich aufzubereiten” mitbringt. Die n-tv.de-Redaktion antwortet mit einer satirischen Bewerbung: 
      “Wir sind in der Lage, auch schwierigste Sachverhalte zielgruppenorientiert, leicht verständlich und überzeugend aufzubereiten. Dazu gehört es, mit modernen Kommunikationsstrategien prügelnde Polizisten in gesteinigte Opfer oder unschuldige Demonstranten in aufmüpfige Randalierer zu verwandeln.”
      Quelle: n-tv
  16. Visualisierung der Parteispenden über 50.000 € von Juli 2002 bis September 2010
    …. die wir unseren Lesern zur Benutzung empfehlen: Man kann Parteien und Spender auswählen und sich Detailinformationen anzeigen lassen.
    Quelle: Gregor Aisch
  17. Studierende: Überarbeitet und gestresst – oder unterfordert und faul?
    Die Studierendenproteste der letzten Jahre waren immer auch mit Kritik am neuen Bachelor-Master-Studiensystem verbunden. Vor allem sei die Belastung durch die neuen gestuften Studiengänge so hoch, dass hier dringender Reformbedarf bestünde. Die Mediendarstellung erster Ergebnisse eines Forschungsprojektes behauptet nun jedoch das Gegenteil: Wenn Studierende gestreßt wären, könnten sie es eigentlich nur aufgrund der eigenen Faulheit sein. Was steckt dahinter? Von Jens Wernicke.
    Quelle: Studis online
  18. Bachelor nicht so gut wie gedacht
    Eine Jubel-Studie kann einen Erfolg des neuen Bachelor-Abschlusses nicht schlüssig belegen. Anstatt sie schönzureden, sollten die neuen Studiengänge lieber weiter verbessert werden.
    Quelle: FR

    Anmerkung KR: Wir erinnern außerdem an „Bachelor schöngeschrieben?

  19. China boykottiert weiterhin japanische Firmen
    Chinesische Sanktionen gegen japanische Unternehmen im Zusammenhang mit dem Zwischenfall um die Senkaku-Inseln halten an. Vor allem der Export der Seltenen Erden wird behindert. Laut einer Umfrage des Wirtschafts- und Handelsministeriums (Meti) leiden alle 31 japanischen Unternehmen, die für ihre Produkte aus China sogenannte Seltene Erden importieren, unter Behinderungen der chinesischen Behörden, die den Export dieser Rohstoffe nach Japan erschweren. Seltene Erden sind Minerale mit seltenen Metallen, die für die Produktion vieler High-Tech-Erzeugnisse benötigt werden. Die Lage habe sich nicht grundlegend verbessert, sagte Handelsminister Akihiro Ohata. Das Meti hatte mit der Umfrage japanische Unternehmen gefragt, wie weit sie von Handelshindernissen Chinas infolge des Konflikts um die Senkaku-Insel betroffen seien. Von den insgesamt 424 Firmen, die die Fragen des Ministeriums beantworteten, erklärten 124, sie seien bei der Einfuhr japanischer Waren nach China behindert worden. Vor allem über die Zollbehörden in Schanghai häuften sich die Beschwerden. Bisher kontrolliert die Volksrepublik China etwa 97% der weltweiten Produktion der Seltenerdmetalle. Japans High-Tech-Konzerne importieren etwa die Hälfte davon.
    Quelle: NZZ.ch

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein gefährliches Spiel, das China da treibt. Die alten Industrienationen werden sehr aufmerksam beobachten, dass China bereit ist, mit Boykottmaßnahmen politischen Streitigkeiten zu begegnen. Das ist Wasser auf die Mühlen amerikanischer Protektionisten. Auch in Europa häufen sich Beschwerden von Firmen, dass neben dem mangelnden Schutz geistigen Eigentums immer noch hohe Hürden beim Marktzugang in China bestünden. China muss aufpassen, sein Wachstum ist immer noch in der Hauptsache vom Export getrieben und andererseits selbst abhängig von weit entfernten Rohstofflieferanten.