Leserbriefe zu „Wann endlich hören die Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über „Putins Aggressionsverbrechen“ auf!“

Ein Artikel von:

In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, dass „ganz selten“ Artikel und Videos „ohne die Beschwörung der allgemeinen Empörung über Russlands Krieg in der Ukraine“ auskämen. Albrecht Müller meint – auch selbstkritisch – dass viele gute Beiträge „so relativiert, aus meiner Sicht oft auch entwertet“ würden. Hinterfragt wird beispielhaft der von Heribert Prantl verwendete Begriff „Putins Aggressionsverbrechen“, der „so undifferenziert“ sei. Abschließend wird vorgeschlagen, „endlich damit aufzuhören“, solche Formulierungen zu verwenden. Danke für die interessanten Leserbriefe. Hier eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann. Danke für die ausgezeichneten Analysen, die in den Leserbriefen enthalten sind. Albrecht Müller


1. Leserbrief

Werter Herr Müller,

Vielen Dank, für diese ehrlichen und offenen Worte!

Mir geht es ganz genauso!

Ich finde es widerwärtig und abstossend, selbst gute Analysen lesen zu müssen, die erst einmal mit einem Kotau vor dem offiziellen Narrativ der bösen und selbstverständlich völkerrechtswidrigen und überhaupt durch gar nichts entschuldbaren Aggression des völlig unakzeptablen “Machthabers Putin” beginnen.

Dissens sollte ruhig auch von vorneherein klarstellen, dass das offizielle “Narrativ” von Vorne bis Hinten absurd und inakzeptabel ist.

Viele Grüsse
Dr. Rainer Kowallik


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

es handelt sich hier offenbar um das Phänomen, den Gessler-Hut zu grüßen. Soweit ich erinnere, mussten in Schillers Stück “Wilhelm Tell” die Untergebenen einen aufgestellten Hut des Landvogts Gessler grüßen, um selbst bei Abwesenheit des Feudalherrn ihre Ehrerbietung zu zeigen.

Günter Gaus, der Publizist und Leiter der ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin hat in seinen Büchern (u.a. “die Welt der Westdeutschen”) in den 70-er Jahren dies Phänomen für die Bundesrepublik ausgemacht. Heute erfährt man um so mehr, dass selbst langjährige Verdienste, sei es als herausragender gefeierter Künstler, als Bundeskanzler oder auch Journalist in Windeseile nichts mehr zählen, wenn man das verlangte Basisnarrativ (“Wir sind die Guten, Russland der Bösewicht”) nicht ostentativ herbetet. Andernfalls würden die (von Ihnen beschriebenen) Einflussagenten sofort das Feuer eröffnen. Auch ein denkender Journalist wie Herr Prantl scheint sich diesem Ritual unterziehen zu müssen, um seine Stellung zu wahren – so bedauerlich dies für eine auf Wahrheit beruhende öffentliche Meinung auch ist.

Verbindlichen Dank für Ihre Arbeit,
Bernhard Wilde


3. Leserbrief

Herr Müller,

Mit Ihrer Kritik treffen Sie den eigentlichen Punkt meiner Meinung nach nicht voll.
Man mag darüber streiten, ob in einem Artikel die von Ihnen kritisierte Äußerung auftreten sollte. Das ist aber eine Ermessensentscheidung der als Autor fungierenden Person und damit eigentlich nicht kritisierbar.

Was meiner Meinung nach viel schwerer wiegt ist der Umstand, dass zwar permanent behauptet wird, die militärische Operation Russlands in der Ukraine sei völkerrechtswidrig. Es wird aber für gewöhnlich nicht der Nachweis geführt, dass es tatsächlich so ist.

Ich kann mich, genauer gesagt, nicht an einen einzigen Artikel erinnern, in dem dieser Nachweis geführt wurde. Ganz im Gegensatz zu der Argumentation von Scott Ritter, der auf YouTube eine denkbare Argumentation der russischen Föderation dargelegt hat und gemeint hat, dass das eine mglw. Durchhaltbare Argumentation sei.

Völkerrechtswidrigkeit ist (zunächst einmal) ein präziser juristischer Begriff. Wer ihn verwendet ist nachweispflichtig. Die Völkerrechtswidrigkeit zu behaupten, sie aber nicht nachzuweisen ist natürlich im besten Fall Folge eines Fehlers. In vielen Fällen ist sie aber ein Versuch von Autoren im Geschäft zu bleiben oder der Versuch Leser hinters Licht zu führen.

In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass diese Militäroperation gemeinhin als Krieg bezeichnet wird, obwohl auch das mglw. Unzutreffend ist. Russland hat ja der Ukraine nicht den Krieg erklärt und als präziser Begriff fängt der Krieg meines Wissens erst an, wenn er erklärt wird. Auch hier ist das hinter dieser Bezeichnungsweise liegende Motiv offensichtlich: Die tief sitzende Abneigung der meisten Menschen gegen Krieg wird instrumentalisiert, um Russland schlecht aussehen zu lassen. 

Freundliche Grüße, Roland Kaschek.

PS
Ich hatte übrigens in einem früheren, meines Wissens von den Nachdenkseiten nicht veröffentlichten Leserbrief, schon einmal auf die Nachweisproblematik sowie Scott Ritters Beitrag dazu hingewiesen.


4. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

das ist ein sehr wichtiger und guter Beitrag, den Sie hier geschrieben haben. Über die völkerrechtliche Dimension der russischen Militäroperation gibt es auch ganz andere Ansichten als sie in unseren Staatsmedien bis zum Erbrechen geäußert werden. Hier wird genau die Methode der verkürzten Erzählung angewendet.

Ich verweise auf folgenden Link.
seniora.org/wunsch-nach-frieden/demokratie/die-abspaltung-des-donbass-von-der-ukraine-war-kein-verstoss-gegen-das-voelkerrecht

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Liepelt.


5. Leserbrief

Lieber Herr Müller,

Sie schreiben:

„Wann endlich hören die Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über „Putins Aggressionsverbrechen“ auf!“

Das spricht mir aus der Seele! Solche Verneigungen vor dem Zeitgeist gehen mir so auf meinen Geist! Es kommt mir vor, wie das Maskentragen und dahinter über die Corona-Politik Schimpfen. Es ist wie das Grüßen des Gesslerhutes! Feige und unterwürfig.

Wie soll man glaubhaft das Verhalten des Westens mit der NATO kritisieren und die russische Sicht darauf glaubwürdig rüberbringen, wenn man da nicht wenigstens eine neutrale Position zum Ausdruck bringt?

Allerdings kann ich das als Rentner leichter sagen als andere.
Und das bringt mich zur Vermutung, dass Herr Prantl mit seiner Verneigung vermeiden will, dass er auch wie viele andere vor ihm aus der Öffentlichkeit entfernt wird.

Mit herzlichen Grüßen
Bernhard Meyer


6. Leserbrief

Lieber Herr Müller,
 
so wahr, vielen Dank!
Ein ganz kurzes, klares Statement von Ihnen, und es entspricht genau meiner Ansicht und ist so wichtig.
 
Ich selbst komme bei Artikeln, die diese Floskeln benutzen — auch auf den Nachdenkseiten oder Makroskop oder von Sarah Wagenknecht oder Oskar Lafontaine — selten viele Sätze weiter oder gar bis zum Ende. Wer die Realität und die Geschichte so komplett anders sieht als ich und dazu beiträgt, die NATO-Propaganda zu verfestigen, was kann der/die mir noch Wertvolles an Information oder Ansicht geben (was ich nicht schon Dutzende Male gelesen habe)?
 
Es ist keinesfalls so, dass ich den Krieg toll finde oder die russische Politik uneingeschränkt unterstütze, weit gefehlt. Doch sie ist ein nicht aus dem Rahmen fallender Teil eines langen und komplexen Konflikts mit vielen Verbrechen. Wer das negiert oder ausblendet, verhindert eine Lösung des Konflikts, eine Beendigung der Gewalt. Und das ist kontraproduktiv, selbst wenn dann ein kleines produktives Detail vermittelt werden soll. Zugespitzt: Wer von “Putins verbrecherischem Angriffskrieg” spricht oder schreibt, der verlängert den Krieg in der Ukraine.
 
Daher nochmals vielen Dank für die Beleuchtung dieses Aspekts. Liebe Grüße
S.M.


7. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

Wann endlich hören die Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über „Putins Aggressionsverbrechen“ auf!

So etwas veranlasst sicher viele Leser, so wie mich, dann den weiteren Verlauf des betreffenden Artikels mit weniger Sympathie und skeptisch zu beurteilen. Als ehemaliger DDR – Bürger sind mir solche opportunistischen Einleitungsfloskeln noch gut in Erinnerung. Sie dienen der Selbstabsicherung des Autors. Obwohl das gar nicht immer unbedingt notwendig war, betonte ein solcher Opportunist vor seiner mehr als vorsichtigen Kritik zunächst, wie fest verbunden er dem “Arbeiter- und- Bauern- Staat “sei. Zunächst muss für den Ängstlichen zur eigenen Absicherung gesagt werden: “Ich gehöre zu euch. Ich bin ja im Grunde vollkommen der allgemein herrschenden Meinung. Allerdings wären dann doch einige Kleinigkeiten zu verbessern, natürlich in unser aller Interesse”. Die Sanktionen sollen natürlich nicht deshalb aufgehoben werden, weil damit einfache Bürger in Russland beim Reisen gehindert werden, weil Tausende Deutsche, die wie ich in Russland leben, nun seit Februar keine Rente mehr überwiesen bekommen ( SWIFT Sperrung), oder etwa, weil man unlängst in der UdSSR 27 000 000 Menschen umgebracht hat. Nein, nach einleitender Vorabsicherung sollen die Sanktionen nur deshalb abgeschafft werden, weil wir uns selber schaden. Russland zu schaden wäre o.k. Auch deshalb lese ich dann nicht weiter.

Solche Formulierungen werden meiner Meinung auch aus anderen Gründen garantiert nie aufhören, weil sie von interessierter Stelle systematisch als Kriegsvorbereitung in Umlauf gesetzt werden. Wenn im III. Reich über Jahre hinweg täglich in Deutschland in allen Medien Formulierungen wie “Untermenschen” oder “Die Juden sind unser Unglück” stereotyp wiederholt wurden, dann prägte sich das den Menschen eben allmählich als allgemein “bewiesenes” Grundwissen fest in der Psyche ein und bereitete alles Weitere vor.

Mit dem Wort “Putin” wird erneut ein konkretes Hassobjekt geschaffen, was allein mit dem Wort “Russland” nach Gorbatschow und dem freiwilligen Rückzug der Russen nicht so leicht möglich wäre. Solche Personalisierung gibt es bei den zahlreichen US – Kriegen nie. Außerdem wird damit verschleiert, dass es sich um einen Konflikt, ja um einen Stellvertreterkrieg zwischen den NATO Staaten und Russland handelt, der wegen der Osterweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands auch von vielen westlichen Politikern und Militärs seit langem vorausgesagt wurde. Gegen diese Bedrohung setzte sich bereits Jelzin zur Wehr und würde auch ein Nachfolger Putins vorgehen müssen. Mit dem Wort “Putin” werden Ursache und die Reaktion darauf vernebelt und vertauscht, wie auch die Worte “Angriffskrieg” und “Verteidigungskrieg”. Im Donbass lebten schon immer Hunderttausende russische Staatsbürger, die seit 2014 nonstop durch die Ukraine beschossen werden. Natürlich sehen sie sich jetzt verteidigt, was sonst?

Und wegen dieser bewussten Vertauschung muss unbedingt jedesmal das unverzichtbare Halbwort “Angriffs-” vorangestellt werden, damit niemand über die Schuldfrage genauer nachdenkt. Es ist in allgemein in der Propaganda Standard, dass Worte verwendet werden, welche die Tatsachen um 180 Grad verdrehen. Menschen, welche die Arbeitskraft anderer nehmen und sie profitträchtig verwerten, heißen Arbeitgeber.

Sie sind Wohltäter, weil sie anderen etwas schenken. Die anderen, welche ihre Arbeitskraft und wegen der Arbeitsbedingungen ihre Gesundheit geben, die heißen Arbeitnehmer. Sie nehmen etwas und sollten dafür dankbar sein.

100 Milliarden zusätzlicher Staatsverschuldung heißen “Vermögen”, Rezession “Minuswachstum”.

Wenn Putin einen Nawalny sogar entgegen den in Russland geltenden Gesetzen nach Deutschland zur medizinischen Untersuchung ausfliegen lässt, dann ist das nach gleicher Logik ein Beweis dafür, dass er ihn vorher mit Nowitschok vergiften ließ. Wenn Großbritannien Hauptzeugen (die Skripals) spurlos vom Erdboden verschwinden ließ, so dass sie nie vor einem ordentlichen Gericht aussagen konnten, war es ein Beweis für die Rechtsstaatlichkeit des Westens und die mörderischen Untaten Putins. Gleiches “beweist” auch der seit Jahren zu keinem Ergebnis kommende, ja förmlich eingeschlafene Prozess zu MH – 17 in den Niederlanden. Der russische Außenminister Lawrow hat gerade gefragt, wo denn nun die Untersuchungsergebnisse zu Butcha und Kramatorsk verblieben seien. Russland wartet darauf immer noch. Man kann nur zu dem Schluss kommen, dass diese zwei Worte “Putins Aggressionsverbrechen” Teil einer über Jahre hinweg systematisch betriebenen Gehirnwäsche der Bürger dient als Kriegsvorbereitung. 1938 bedankte sich Hitler in einer Geheimrede vor Vertretern der deutschen Presse für diese Hilfestellung.

Fred Buttkewitz, Ulan – Ude, Russland


8. Leserbrief

Hallo Nachdenkseiten-Team,

der Artikel von Albrecht Müller bringt es kurz und bündig auf den Punkt.

Es ist definitiv an der Zeit, Artikel, welche der Analyse und Beschreibung der aktuellen Geschehnisse in der Ukraine gewidmet sind, von den permanenten Statements, welche den Angriffskrieg Putins deutlich oder in aller Schärfe verurteilen, zu befreien.

Ich frage mich beim Lesen jedes Mal, warum eigentlich? Sind Kritik, Analyse und Offenlegung von Geschehnissen, welche nicht absolut dem derzeit gültigen Narrativ entsprechen, wirklich nur gegen einen entsprechenden moralischen Kniefall zu haben?

Bloß damit die Person, welche den Artikel verfasst hat, nicht als Befürworter oder Putin-Versteher dasteht?

Zumal dieser Kniefall ja nicht vor entsprechender Einordnung schützt. Wer Alles und jedes, was nicht ins offizielle Framing und Wording passt, als Russen Propaganda oder Lügen abtut, den wird auch ein solcher Kniefall nicht beeindrucken oder gar zum Nach- bzw. Umdenken bewegen.

Das vor kurzem von Markus Lanz mit Richard David Precht geführte Interview hat dies wieder einmal sehr gut verdeutlicht. Lanz denkt in Schwarz und Weiß, Precht denkt durchaus weiter, beide versichern sich jedoch immer und immer wieder, dass sie Putins Angriffskrieg verurteilen und der Westen moralisch grundsätzlich auf der richtigen Seite steht.

Ist dem so? Kann man dies so derart unreflektiert in den Äther sagen? Am Ende werden alle Beteiligten einander unendliches Leid zugefügt haben. Moralisch rechtfertigen wird man kein einziges davon.

Vor diesem Hintergrund ändern auch moralisch aufgeladenen Kniefälle nichts. Im Gegenteil, wie Albrecht Müller es richtig formulierte, sie relativieren eher den Inhalt des geschriebenen und verhindern am Ende gar das so dringend notwendige Umdenken in Richtung Frieden.

Weiterhin viel Erfolg bei Eurer Arbeit und mit freundlichen Grüßen,

Euer nachdenklicher Leser Jörg Bur


9. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,
 
ich nehme Bezug auf Ihren Beitrag „Wann endlich hören die Verneigungen vor der allgemein üblichen Empörung über „Putins Aggressionsverbrechen“ auf“ (NDS vom 19.7.2022), und ich bringe hiermit meinen Dank an Sie und meine Anerkennung für Ihren Text zum Ausdruck.
 
Von Tucholsky stammt wohl das Zitat: „Denn nichts ist schwerer und nichts fordert mehr Charakter als sich im offenen Widerspruch zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“
 
Folgendes möchte ich noch hinzufügen.
 
Die Entscheidungsalternativen, die m.E. der russischen Führung im Februar 2022 noch übriggeblieben waren, sind knapp so zu beschreiben:

  1. Die zunehmende Bombardierung des Donbass hinnehmen, die Zerstörung und den Tod vieler Menschen im Donbass hinnehmen, bei Beginn der Offensive auf den Donbass einen Genozid im Donbass hinnehmen; mit allen Rückwirkungen eines solchen Zusehens in der russischen Innenpolitik.
  2. Das vom Westen geplante militärische Szenario akzeptieren und erst den Donbass verteidigend eingreifen, wenn die Offensive beginnt; ebenfalls mit allen Rückwirkungen, die ein solches Abwarten in der russischen Innenpolitik gehabt hätte plus der Akzeptanz der nachteiligen militärischen Ausgangslage und Rahmenbedingungen an der Kontaktlinie oder
  3. Vorgehen wie geschehen.

Dem aufmerksamen Bürger und der aufmerksamen Bürgerin sollte bekannt sein, wie außerhalb des kollektiven Westens über die Verantwortung für diesen Konflikt geurteilt wird.
 
Statt der Litanei vom Kriegsverbrecher Putin und vom brutalen Angriffskriegs Russlands würde ich von Autoren wie nicht nur Heribert Prantl, sondern auch Sahra Wagenknecht, Michael Lüders, Antje Vollmer und auch Jens Berger auf den NDS mal eine Analyse lesen oder hören wollen, wie denn ihre Alternative Nr. 4 aussähe, welche aber einen Test bestehen muss:  die Souveränität Russlands erhalten und die Menschenleben im Donbass und wohl auch mindestens der Krim schützen.
 
Auf eine derartige Analyse wäre ich gespannt. Ich fürchte, Sie wäre nicht sehr überzeugend.
 
Abschließend will ich Sie noch auf eine Veranstaltung hinweisen, die am kommenden Wochenende in der Tschechischen Republik stattfindet (s. Bilder im Anhang). Sie lautet „Free Nations of Russia Forum“ und aus den Screenshots, die aus einem Video von Alex Christoforou von The Duran stammen, der darüber berichtet hat, können Sie die Tagesordnung entnehmen und wie nach den Vorstellungen der Veranstalter ein in viele Kleinstaaten zerstückeltes Russland aussehen soll.
 
Wer immer noch die Ansicht vertritt, Russland hätte in diesen Konflikt noch die Alternative 4 Diplomatie zur Verfügung gehabt, verkennt wohl ganz offensichtlich die Realitäten. Leider.
Das meint, sie herzlichst grüßend
 
Thomas Konradt

Anhang:

Albrecht Müller: Der vorletzte Absatz enthält einen wichtigen Hinweis.


10. Leserbrief

Hallo Herr Müller,

ich finde Ihre Beiträge besonders zum Krieg in der Ukraine inzwischen unerträglich und frage mich, wann Sie endlich in den verdienten Ruhestand gehen. An Ihre frauenfeindlichen Diffamierungen deutscher Politikerinnen habe ich mich schon beinahe gewöhnt und siedle sie irgendwo zwischen hilflos und wütend ein. Aber das Sie Ihren Lesern und Gläubigen der NDS permanent weismachen wollen, der russische Überfall auf die Ukraine müsse unbedingt und entschuldigend in seinem “Kontext” gesehen werden, ist schon ein starkes Stück.

Welchen Kontext meinen Sie eigentlich? Dass sich Russland unter Putin zu einem faschistischen Staat entwickelt hat, sollte selbst Ihnen nicht entgangen sein. In der Ostukraine tobte seit 2014 ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung der Ukraine und den aufständischen und von Russland unterstützten “Separatisten”. Jeder Staat der Welt hat das Recht, in seinen Provinzen, die zum Staatsgebiet gehören, militärisch zu intervenieren. So wie Russland in den beiden Kriegen in Tschtschenien.

Ich glaube, wir alle haben aus dem zweiten Weltkrieg eine naheliegende, aber falsche Erkenntnis gezogen, denn das Motto “Nie wieder Krieg” (so edel es erscheinen mag) muß eigentlich lauten: “Nie wieder Faschismus”. Und deshalb ist es gut und richtig, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen und sich dem russischen Faschismus entgegenzustellen.

Falls sie noch immer in naiver Weise glauben, Russland ginge es lediglich nur um seine eigene Sicherheit, sollten Sie mal ihre Anti-NATO, Anti-USA Scheuklappen abnehmen und sich mit ein paar aufklärenden Büchern ins verlängerte Wochenende zurückziehen. Besonders empfehlenswert einige Titel von Timothy Snyder.

Abschließend noch ein Tipp für zwei weitere mögliche Kolumnen von Ihnen:

  • (Fiktive und leider absolut utopische) Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin
  • (Fiktive und leider absolut utopische) Rede des chinesischen Präsidenten Xi.

Denn es sind diese drei Macht-Kartelle, die über das Schicksal der Menschen und des Planeten entscheiden.

Freundlicher Gruß
Robert Born


11. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

Sie schreiben mir “aus der Seele”.

Schon seit Beginn des Ukrainekonfliktes geht mir der von Ihnen kritisierte Kotau vor der antirussischen Propaganda schwer auf die Nerven. Und dies, weil eine solche Aussage kontraproduktiv ist, denn sie klassifiziert alle nachfolgend aufgeführten Gründe für das russische Vorgehen als irrelevant. Besonders schlimm ist, was ich von der Linkspartei höre: “… ist durch nichts zu rechtfertigen”.

Dagegen würde ich eine Darlegung der Gründe für diesen Krieg etwa wie folgt einleiten: “Leider ist Russland gezwungen, zur Wahrung seiner Interessen nun auch völkerechtswidrige Gewalt einzusetzen, wie wir es von den USA bzw. der NATO seit Jahren kennen.”

Der Begriff “gezwungen” beschreibt eine Meinung, und eine Meinung sollte man nicht äußern, ohne die Informationen zu nennen, aufgrund derer sie zustande gekommen ist. Deswegen nenne ich hier mal ein paar wesentliche Punkte:

Aufgrund der Nachrichten von rbb und Dlf weiß ich, dass vor dem Einmarsch einige westeuropäische Regierungschefs dem russischen Präsidenten bei entsprechenden Kontakten folgendes unmissverständlich klargemacht haben:

  • Unter keinen Umständen verzichten wir auf die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO.
  • Unter keinen Umständen verhandeln wir über Sicherheitsgarantien.

Und aufgrund meiner Beschäftigung mit den NDS nehme ich an, dass folgendes zutrifft:

  • Russlands berechtigtes Interesse ist: “Keine NATO-Raketen vor der Haustür”.
  • Wegen der aggressiven Propaganda muss Russland die NATO als Bedrohung wahrnehmen.
  • Die russische Sprache ist in der Ukraine verboten.
  • Die ukrainischen Landesteile mit mehrheitlich russischsprachlicher Bevölkerung werden seit Jahren mit zunehmender Intensität militärisch angegriffen.

Die o.g. geäußerte Meinung gilt, solange die betr. Informationen nicht widerlegt sind, und solange ich nicht weiß, wie Russland unter den genannten Umständen völkerrechtskonform hätte reagieren können.

Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Hoppe


12. Leserbrief

Liebes Nachdenkseiten Team, sehr geehrter Herr Müller,

ich fange am besten mit einem kleinen Disclaimer an: Ich bin gegen jeden Krieg. Ich bin kein Völkerrechtler. Ich bin mir bei den meisten der nun folgenden Aussagen ziemlich sicher, dass sie den Fakten/Wahrheit entsprechen, würde aber nicht bei allem die Hand ins Feuer legen. Zwischen Halbwahrheiten, Unterstellungen, Einseitigkeit, Unterstellungen, Propaganda und plumpen Lügen wird es selbst aufmerksamen Menschen schwer gemacht, ein Faktenbasiertes Bild herauszufiltern. (Man könnte vieles natürlich noch weiter differenzieren, aber ich möchte niemanden langweilen.)

Nun zum Thema:

Auch mich stört die ständige Wiederholung “Putins verachtungswürdiger, völkerrechtswidriger Angriffskrieg!”.
Zum einen die dreifache Tautologie. Welcher (Angriffs)krieg ist nicht verachtungwürdig? Welcher Angriffskrieg ist völkerechtskonform?
Dann die unsägliche Doppelmoral. Ich kann mir leisten solch einen Krieg scharf zu kritisieren. Ich habe mein ganzes erwachsenes Leben Kriege scharf kritisiert. Besonders die Kriege der USA und ihrer Vasallen/Verbündeten. (Als “Westler” hat man nunmal mehr Verantwortung für die Taten des Westens als für die Anderer.) Aber das Gleiche können viele Politiker und Journalisten nicht von sich behaupten. Wer Jugoslawien bombardiert hat, in Afghanistan einmarschiert ist (und vieles mehr), soll hier doch bitte nur gaaaanz leise Töne von sich geben.

Auch das Völkerrecht (und es wäre großartig, wenn sich alle daran hielten) wird nur hervorgekramt, wenn man glaubt, einem nicht-West-Staat dessen Bruch vorwerfen zu können. Wie wichtig dem Westen die Aufklärung von Kriegsverbrechen ist, sieht man sehr deutlich am Umgang mit Assange. Einfach widerlich. Es ist mir ein Rätsel, wie Menschen mit so wenig “Kreditwürdigkeit”, sich auf so einem hohen Ross wähnen können.

“Putins … Krieg”: Nur der naivste “Russlandversteher” käme auf die Idee, Russland von jeder Verantwortung bei der Entwicklung, die dem Krieg voraus ging, freizusprechen. Aber

  1. Ohne massive Intervention des Westens in die inneren Angelegenheiten der Ukraine, wäre es nicht zum Putsch gegen die gewählte Regierung gekommen.
  2. Ohne Putsch hätten “Nazis” nicht so viel Einfluss in der Kiewer Regierung erhalten. Es hätte sich durch normale Wahlen vermutlich nie eine Regierung gebildet, die so feindlich und aggressiv gegenüber den (russischen) Minderheiten in der Ukraine aufgetreten wäre.
  3. Ohne die feindliche Politik Kiews hätte es keine Sezessionsbestrebungen in den Volksrepubliken und der Krim gegeben. (Die Krim hätten sich die Russen nach dem Putsch vermutlich auch ohne “Nazis” in Kiew geholt. Aber so musste wohl nur sehr wenig “überredet” werden.)
  4. Ohne Unterstützung Russlands hätten Krim und die Volksrepubliken sich nicht (erfolgreich) gegen Kiew gewehrt.

D.h., wir hatten 8 Jahre Bürgerkrieg, bei dessen Entstehung Russland sicherlich involviert aber definitiv nicht treibende Kraft war. (Natürlich wird sich diesem Aspekt gerne verweigert, indem die Geschichte erst am 24.02.2022 anfängt…) Dazu kommt dann natürlich noch, dass Putin sicherlich mächtig ist, aber nicht alle Entscheidungen alleine trifft. (Die Personalisierung der Politik ist ein riesiges Problem und dient aus meiner Sicht nur der Verdummung der Menschen.)

Russland hat dann 8 Jahre lang versucht, das ganze diplomatisch beizulegen. Der Westen und Kiew haben sich dem verweigert, den verabredeten Kompromiss (Minsk 2) über den Haufen geworfen und die Roten Linien, die Russland sehr deutlich und transparent mitgeteilt hat, ignoriert. Stattdessen wurde die Ukraine massiv aufgerüstet und das verbale Säbelrasseln immer lauter und lauter. Die ganze Zeit ging das Sterben im Donbass weiter. Kiew benutzte schwere Waffen (, die gem. Minsk 2 eigentlich hätten abgezogen werden sollen.) Beide Seiten beschießen sich mit Artillerie und Heckenschützen und bezichtigen jeweils die andere Seite, angefangen zu haben. Es sterben rund 14000 Menschen, die meisten davon Zivilisten und der größere Teil auf Seiten der Volksrepubliken. Da mir nicht bekannt ist, dass die Volksrepubliken versucht hätten neue Gebiete zu erobern, würde ich trotz der unübersichtlichen Lage die Hauptverantwortung für die Fortführung des Krieges bei Kiew platzieren.

Nach 8 Jahren erfolgloser Diplomatie hat Russland die Volksrepubliken anerkannt und einen militärischen Beistandspakt abgeschlossen. (Hier wird es jetzt richtig schwierig.) Dieses Verhalten wäre theoretisch wohl völkerrechtskonform. Soweit ich das verstanden habe, durften die Volksrepubliken sich völkerrechtlich aber nicht abspalten, da so etwas in der Ukrainischen Verfassung nicht möglich ist. (Ich vermute aber, dass eine Sezession von Gebieten nur in den Verfassungen der wenigsten Länder vorgesehen ist. Damit würde das Völkerrecht an diesem Punkt nicht meinem Gefühl für Demokratie und Realismus entsprechen…) D.h. Russland ist einem bestehenden Krieg beigetreten. Dass das Ganze wohl völkerrechtswidrig ist, scheint sich eher an einer Formalie festzumachen.

Es wurden also 8 Jahre lang eine diplomatische Lösung gesucht und am Ende hat man sogar versucht, sich ans Völkerrecht zu halten… Bei welchem westlichen Krieg wurde Ähnliches versucht? Würde der Westen seine eigenen Kriegsgründe (Massenvernichtungswaffen, Menschenrechte, Demokratie, Völkerrecht, etc) ernst nehmen, müsste er als erstes die USA überfallen…

ABER: Russland hätte nicht in die Ukraine einmarschieren müssen. Die russische Propaganda sagt, dass sie nur einer Offensive Kiews gegen die Volksrepubliken zuvorgekommen seien. Tatsächlich hatte Kiew das Artilleriefeuer kurz vor dem 24.02.2022 sehr verstärkt. Aber Russland hätte entweder diese angebliche Offensive abwarten können, oder sein Militär nur in die Volksrepubliken zur Verteidigung schicken können. Das war zumindest meine erste Reaktion.

Hier stellt sich nämlich die (für mich) interessante Frage: Wie hätte Russland sich verhalten müssen, damit es nicht in Krieg endet? Die Antwort darauf, habe ich noch in keinem unserer vielen Vorwurfs- und Dämonisierungsartikel gesehen.

  1. Naiv: Nichts tun und zusehen, wie
    1. Kiew den Donbass militärisch unterwirft
    2. Kiew die “russischen” Ukrainer diskrimiert, unterdrück, vertreibt (und ggf. Schlimmeres)
    3. die Ukraine der Nato beitritt und Atombomben direkt an der russischen Grenze stationiert werden
    4. die Ukraine so mit Waffen vollgepumpt wird, dass sie sich einen Angriffskrieg gegen Russland zutraut (z.B. die Krim nach Hause holen)

    Aus meiner Sicht müsste das sogar der größte Russenhasser anerkennen…(?)
    a) und b) wären innenpolitisch extrem problematisch geworden. c) akzeptiert kein Land. (Hallo Kubakrise). d) klingt vielleicht unrealistisch, aber bei dem ganzen Säbelrasseln habe ich zumindest Verständnis dafür, das Russland das als möglich eingeschätzt hat.

  2. Nur das Militär in die Volksrepubliken (aber nicht die Rest-Ukraine) schicken.
    Das hätte a) verhindert, aber alles andere vermutlich eher beschleunigt.
  3. Atombomben an den Grenzen des Westens aufstellen (z.B. Kuba, Venezuela, Mexiko…) Im extrem unwahrscheinlichen Fall, dass das geklappt hätte, hätte die USA umgehend den 3. Weltkrieg ausgelöst. Die warten nicht 8 Jahre.
  4. Sich wie damals unter Jelzin dem Westen unterwerfen und ein weiterer Vasallenstaat der USA werden.

Innenpolitisch wohl unmöglich und ich habe Verständnis dafür, wenn das nicht als akzeptable Option angesehen wird. Wäre aber aus meiner Sicht die einzige Option, die zumindest mittelfristig Krieg vermieden hätte…

Vielleicht habe ich ja etwas übersehen oder schätze es vollkommen falsch ein? Ich bin für weitere Optionen offen. Allerdings sollte dabei immer berücksichtigt werden, “wie würde sich die USA verhalten, wenn die Rollen vertauscht wären”.

Entschuldigen Sie diesen Exkurs in meine Gedankenwelt, aber ich hielt es für notwendig, um sinnvoll auf Herrn Müllers Artikel Bezug nehmen zu können.
Für mich ist die oben skizzierte Sichtweise die “logische” (also ohne propagandistische, emotionale Scheuklappen). Aber wenn man sich die veröffentlichte Meinung ansieht, scheint das ja eine extremistische Einzelmeinung zu sein… Bisher habe ich meine Meinung in der Deutlichkeit höchstens in Kommentarspalten auf Telepolis gespiegelt gesehen. Andeutungsweise vielleicht noch bei den NDS und im Ältestenrat der Linken (der daraufhin wohl prompt aufgelöste wurde).
Jetzt stellt sich für mich die Frage, ob ich der Geisterfahrer bin, oder ob der Kaiser doch nackt ist. Sollte der Kaiser nackt sein, wäre das Kind in einer modernen Fassung vermutlich ein Querdenker (= Nazi) und würde mit aussprechen der Wahrheit nur die Regierungsform delegitimieren…

Ich finde nicht, dass die Meinung von Personen, die vieles richtige sagen (nicht nur Prantl sondern z.B. auch Chomski), vollständig entwertet werden, nur weil sie Formulierungen des Mainstream verwenden oder ich Teilen nicht zustimmen kann. Dieser Erwartung von Virtue-Signalling kann und möchte ich mich nicht anschließen. Sollte es aber Journalisten/Publizisten/Politiker geben, die diesen Komplex so sehen wie ich, würde ich mir schon wünschen, dass sie das auch aussprechen. Natürlich riskieren sie damit ggf. ihre Karrieren. (Siehe Ältestenrat) Aber an welche Namen des deutschen Parlaments von 1914 erinnert man sich heute noch? Mir fallen nur zwei ein. Die haben gegen Kriegskredite gestimmt. Ich möchte auch an Niemöller “Habe ich geschwiegen” erinnern.

Ich bitte die Länge des Textes zu entschuldigen, aber Herr Müller hat mit seiner Einlassung bei mir einen Nerv getroffen, der verbalisiert werden wollte. Wir leben in interessanten Zeiten.

Vielen Dank für Ihre unermütliche Arbeit. Ohne sie würde ich mich in unserer Gesellschaft noch fremder fühlen.

Beste Grüße
S.O.


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