Hinweise des Tages

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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute unter anderem zu folgenden Themen: Krise in Griechenland; Grüne an der Regierung; Kanzlerin empfiehlt Unternehmen höhere Löhne; Honorare für Mediziner: Ärztegeschenk beschädigt FDP; Krebsmittel gegen Augenleiden – Streit um Zulassung; Wir betreuen auch Kinder: Kommerzielle Anbieter entdecken den Kita-Markt für sich; Atomenergie; Die andere Brückentechnologie; Rabiate Therapie; Wulff muss Gesamtschule loben; Die Bilderberg-Konferenzen: “Notwendig wäre aus meiner Sicht hier ein sauberer investigativer Journalismus”; Verleihung der Lead Awards 2011: Hauptsache, die Verpackung stimmt; Völkermordkonvention: Raus aus der Naziecke; Kinderarbeit: Verstümmelt und verbrüht; Bürger fordern direkte Beteiligung; Alt und Jung; Bestnote für Steinbrück; Erdogans Wahlsieg: Volkstribun mit gestutzten Flügeln; Berlusconi: Ein schlechter Verlierer; Das rechte Israel; Frühling für Palästina?; Gräueltaten fraglich; Eine merkwürdige Methode, um libysche Zivilisten zu schützen; Autorin in Bahrain muss ein Jahr ins Gefängnis; Jemenitische Wirren. (KR/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Krise in Griechenland
  2. Grüne an der Regierung
  3. Kanzlerin empfiehlt Unternehmen höhere Löhne
  4. Honorare für Mediziner: Ärztegeschenk beschädigt FDP
  5. Krebsmittel gegen Augenleiden – Streit um Zulassung
  6. Wir betreuen auch Kinder: Kommerzielle Anbieter entdecken den Kita-Markt für sich
  7. Atomenergie
  8. Rabiate Therapie
  9. Wulff muss Gesamtschule loben
  10. Die Bilderberg-Konferenzen: “Notwendig wäre aus meiner Sicht hier ein sauberer investigativer Journalismus”
  11. Verleihung der Lead Awards 2011: Hauptsache, die Verpackung stimmt
  12. Völkermordkonvention: Raus aus der Naziecke
  13. Kinderarbeit: Verstümmelt und verbrüht
  14. Bürger fordern direkte Beteiligung
  15. Alt und Jung
  16. Bestnote für Steinbrück
  17. Erdogans Wahlsieg: Volkstribun mit gestutzten Flügeln
  18. Das rechte Israel
  19. Frühling für Palästina?
  20. Gräueltaten fraglich
  21. Eine merkwürdige Methode, um libysche Zivilisten zu schützen
  22. Autorin in Bahrain muss ein Jahr ins Gefängnis
  23. Jemenitische Wirren

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Krise in Griechanland
    1. Vizeexportweltmeister Deutschland braucht den Euro dringender als Griechenland
      Gregor Gysi in der Debatte über die Regierungserklärung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur Stabilität der Eurozone: „Was Sie sagen, wirkt altruistisch, als ob es Ihnen immer nur darum ginge, wie viel Geld man für Griechenland ausgibt. Seien Sie von der Regierung doch einmal ehrlich und sagen Sie: Es geht letztlich um Deutschland, und zwar aus folgendem Grund: Den Euro brauchen wir dringender als Griechenland. Wir sind doch die Exportnation. Wir sind Vizeweltmeister beim Export, gleich hinter China. Stellen Sie sich einmal vor, Griechenland, Spanien, Portugal und Irland hätten eigene Währungen. Dann würden sie sie abwerten, bis wir so gut wie nichts mehr dort verkaufen könnten. Also: Wenn Sie den Euro retten, retten Sie die deutsche Exportwirtschaft. Sagen Sie das doch einmal in dieser Klarheit, damit die Bürgerinnen und Bürger Bescheid wissen!“
      Quelle: Linksfraktion
    2. Freiwillige Griechen-Retter verzweifelt gesucht
      Athen braucht neue Milliardenhilfen. Am zweiten Rettungspaket sollen sich private Investoren beteiligen. Nur: Wer rückt schon freiwillig Geld raus?
      Quelle: FTD

      Anmerkung Orlando Pascheit: Die Forderung, private Investoren zu beteiligen, ist lächerlich – reine Symbolpolitik. Wenn das Tempo anhält, mit dem nicht nur deutsche Banken und Versicherungen griechische Anleihen abstoßen, dürften diese, bis auf die griechischen Finanzinstitute, nach den angedachten 6 Jahren kaum mehr griechische Staatsanleihen halten. Selbst heute dürften über die EZB, die Landesbanken, die HRE und die Commerzbank vor allem der Steuerbürger betroffen sein. Die offene Frage ist, wie sich eine an und für sich sinnvolle Laufzeitverlängerung auf die Bewertung Portugals oder Spaniens durch die Märkte auswirkt.

  2. Grüne an der Regierung
    1. Politikwechsel: Die Grünen und ihr blinder Fleck
      Energiefragen beherrscht die Ökopartei, bei Sozialthemen kupfert sie nur ab. Eigene Antworten haben die Grünen nicht. Das wird künftig nicht reichen. Sollen sich doch SPD und Linke an diesem Problem abarbeiten, ob sie es können oder nicht, wir beherrschen dafür ein anderes Thema. Schließlich hat genau diese Rezeptur in Baden-Württemberg zum Erfolg geführt. Sie können das so machen. Nur ist das die gleiche Partei, die auf Bundesebene mit Rot-Grün Hartz IV zugestimmt, ja gepuscht hat – die Grünen haben damals so wenig wie die SPD auch nur gezuckt, als die Hilfen auf Sozialhilfeniveau gesenkt wurden. Danach haben die stillen Gebete der Grünen Erfolg gehabt – während die SPD für Hartz IV über Jahre in Wahlen verprügelt wurde, rutschten die Grünen unbeschadet durch. Sie wurden nie als verantwortliche Hartz-IV-Partei deklariert. Sie sind es aber.
      Stattdessen mutierten sie still zur Hartz-IV-Retter-Partei, die während der erneuten Verhandlungen über das Bildungspaket dieses Jahr laut brüllend in den Kampf zog. Und sich dann schimpfend über das schlechte Verhandlungsergebnis kurz vor der Abstimmung zurückzog – wohl wissend, dass dieser Rückzug keine Konsequenzen für das Paket haben wird. Dieser Zickzackkurs irritiert – wie wichtig ist den Grünen nun wirklich die soziale Frage? Was wollen sie? Wo sind die anderen, innovativen, besseren, bezahlbaren, durchgerechneten Ideen? Darauf werden sie wohl noch eine Antwort geben müssen. Spätestens mit der Wahl in Berlin im September: In der Hauptstadt liegt die Arbeitslosigkeit bei satten 14 Prozent, die Stadt hat über 800.000 Hartz-IV-Empfänger. Daran ist nichts sexy und schon gar nichts grün.
      Quelle: FTD

      Anmerkung Orlando Pascheit: Jenseits der Frage, warum sich ein Wirtschaftsblatt für Hartz-IV Bezieher interessiert, ist der Analyse zuzustimmen. Die NachDenkSeiten weisen schon seit vielen Jahren darauf hin, dass die Grünen in der Wirtschaftspolitik, insbesondere in der Arbeitsmarkt und Sozialpolitik eine Lücke aufweisen. Es ist in der Tat schon erstaunlich, wie wenig vom Skandal des Hartz-Pakets an den Grünen im Bewusstsein der Öffentlichkeit hängen geblieben ist. Sie überlässt, ähnlich wie die FDP, solche Fragen häufig und gerne dem Koalitionspartner. Im Bewusstsein der Bevölkerung dürften nach der Merkelschen Wende Umweltfragen wie gehabt nicht mehr an erster Stelle stehen. Somit müssen die Grünen, vor allem wenn sie Regierungsverantwortung anstreben, nicht nur in der Sozialpolitik, hier aber vor allem, endlich Farbe bekennen.

    2. Schwarz-grüne Gedankenspiele: Kretschmann turtelt mit der Union
      “Großer Respekt” für die Kanzlerin: Während die Grünen mit der Energiewende der Regierung hadern, denkt Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann laut über ein Bündnis mit der Union nach. Im selben Atemzug kritisiert er den Partner SPD.
      Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kokettiert mit dem politischen Gegner. Denn mit dem Atomausstieg hält der Grünen-Politiker “eine wesentliche Hürde” für ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene für beseitigt. “Die Verlängerung der Laufzeiten hat unüberbrückbare Gräben aufgerissen, die werden nun wieder eingeebnet”, sagte der 63-Jährige dem Tagesspiegel am Sonntag. Eine Koalition von Union und Grünen werde dadurch aber nicht zu einer zwingenden Option für die Bundestagswahl 2013.
      Quelle: SZ
  3. Kritik an Fachkräftestrategie: Kanzlerin empfiehlt Unternehmen höhere Löhne
    Weil Deutschland die Fachkräfte fehlen, werben Arbeitgeber um ausländische Arbeitnehmer. Aussagen der Bundeskanzlerin dürften der Wirtschaft sauer aufstoßen. Sie will eine bessere Bezahlung, um auch deutsches Fachpersonal zu motivieren.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wirtschaft aufgefordert, Arbeitsbedingungen und Löhne zu verbessern, um Fachkräfte im Land zu halten. “Wer langfristig sein Fachpersonal halten will, der muss auch bereit sein, jungen Menschen eine Perspektive zu geben, ordentlich zu bezahlen und nicht immer wieder befristete Verträge anzubieten”, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Es dürfe nicht sein, “dass wir unsere Fachkräfte von außen holen, nur um das Lohnniveau zu drücken”.
    Die Kritik dürfte bei Arbeitgeberverbänden schlecht ankommen. Denn sie setzen sich bei der Politik besonders für den raschen Zuzug ausländischer Fachkräfte ein. Ohne diesen Zuzug, heißt es bei den Verbänden immer wieder, sei der Fachkräftemangel hierzulande auch mit größten Anstrengungen nicht zu bekämpfen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Wo die Kanzlerin mal Recht hat, da hat sie Recht.

  4. Honorare für Mediziner: Ärztegeschenk beschädigt FDP
    Mit dem Ende der Honorardeckelung für Mediziner haben die Liberalen vor allem eines verloren: Glaubwürdigkeit. Es ist schwer, in der Regelung etwas anderes zu erkennen als ein üppiges Wahlgeschenk.
    Quelle: FTD
  5. Krebsmittel gegen Augenleiden – Streit um Zulassung
    Ein preiswertes Krebsmittel hilft auch gegen Erblindung – aber der Hersteller erschwert die Behandlung. Die Apotheker sind durch widersprüchliche Gerichtsurteile verunsichert.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung KR: Sieh dazu auch die Hinweise des Tages vom 18.9.2007 (Nr.11).

  6. Wir betreuen auch Kinder: Kommerzielle Anbieter entdecken den Kita-Markt für sich
    Ab dem Jahr 2013 hat jedes einjährige Kind das Recht auf einen Betreuungsplatz. Zwölf Milliarden Euro soll der Kita-Ausbau kosten. Wo soviel Geld bewegt wird, entsteht auch ein Markt für kommerzielle Anbieter, die versprechen, den wachsenden Bedarf schneller zu decken als die gemeinnützigen Träger.
    Quelle 1: Deutschlandradio
    Quelle 2: Deutschlandradio (Audio-Podcast) [mp3]
  7. Atomenergie
    1. Italien entscheidet sich gegen Atomkraft
      Eben machte er noch Bunga-Bunga-Witzchen, jetzt muss er seine Niederlage eingestehen: Die Italiener schmettern in einem Referendum den Plan von Ministerpräsident Silvio Berlusconi ab, in ihrem Land wieder Atomkraftwerke bauen zu lassen. Abgestimmt wurde auch über ein Gesetz, das Politikern wie Berlusconi Auftritte vor Gericht ersparen soll.
      Quelle: SZ
    2. Leck im Kühlsystem – wie gefährlich ist Berlins Forschungsreaktor?
      Das “Aus” für die deutschen Atomkraftwerke ist beschlossene Sache. Ausgenommen davon sind jedoch bislang die deutschen Forschungsreaktoren. Jetzt ergaben KONTRASTE-Recherchen, dass es beim Forschungsreaktor des Berliner Helmholtz-Zentrums gravierende Sicherheitsmängel geben soll. 
      Quelle: RBB-online
    3. Die andere Brückentechnologie
      Tatsächlich muss eine solche alternative Brückentechnologie nicht erst erfunden werden, es gibt sie bereits seit langem: die Blockheizkraft-Technik, die oft auch als Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bezeichnet wird. Diese Technik dürfte nicht nur die kürzeste und preiswerteste Brücke mit den geringsten klimaschädlichen Auswirkungen sein, sie stellt auch eine Schlüsseltechnologie für die dezentrale Energieversorgung und Entmachtung der Energiekonzerne dar.
      Durch den flächendeckenden Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) könnten alle deutschen AKWs innerhalb von drei Jahren abgeschaltet werden. Was aber verbirgt sich hinter dieser Technologie?
      Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2011
  8. Rabiate Therapie
    Vor zehn Jahren kaufte der Helios-Konzern das Klinikum Buch. Über 1000 Mitarbeiter verloren seither ihren Job…
    In keinem anderen europäischen Land ist der Anteil von Kliniken in privater Trägerschaft größer als in Deutschland. Etwa 30 Prozent der Häuser und 16 Prozent der Betten befinden sich in privater Trägerschaft – Tendenz steigend. Die privaten Träger erzielen mit den ehemals defizitären Häusern Gewinne. Laut Bundesverband Deutscher Privatkliniken zeichnen sich Kliniken in privater Trägerschaft durch effizientere Organisations- und Managementstrukturen aus – ohne dass dieses zu negativen Konsequenzen für die Mitarbeiter und Patienten führe.
    … Denn für die im Kaufvertrag festgeschriebene „Beschäftigungssicherung“ und den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2005, der nach dem Verkauf der Kliniken als Verhandlungserfolg gefeiert worden war, muss das Land Berlin teuer bezahlen: Mehr als 18 Millionen Euro stehen dem Klinikkonzern laut Kaufvertrag für die „Beschäftigungssicherung“ zu – trotzdem wird massiv Personal abgebaut. Möglich macht das ein schlecht formuliertes Vertragswerk, dem das Land zugestimmt hat. Im Kaufvertrag sei „Stillschweigen“ vereinbart worden, so eine Helios-Sprecherin…
    Parallel werden Betriebsteile in Tochterunternehmen ausgegliedert. Zuerst EDV, Logistik, Technik, später Küche, Catering, Service, Stationshilfen, Patientenaufnahme, interner Patiententransport, 2009 der medizinische Schreibdienst und die Zentralsterilisation. Für Stein ein „Dilemma“, meist schließen die Töchter keine Tarifverträge mit Verdi, sondern mit der IG Bau oder NGG. Mitarbeiter müssten „deutliche Absenkungen“ der Einkommen hinnehmen.
    Quelle: Tagesspiegel
  9. Wulff muss Gesamtschule loben
    Eine Gesamtschule aus Göttingen hat den mit 100.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis 2011 gewonnen. Für die Bewertung zieht die Jury sechs Kriterien heran, unter anderem Leistung, Unterrichtsqualität und Schulleben. An der seit 1975 bestehenden Integrierten Gesamtschule (IGS) hat die Juroren nach eigenen Abgaben nahezu alles überzeugt, das Votum des 14köpfigen Gremiums fiel einstimmig aus.
    Als die Kameras zu Bundespräsident Christian Wulff schwenkten, mischten sich in das Jubelgeschrei vor der Leinwand in Göttingen laute Pfiffe und Buh-Rufe. Der CDU-Politiker war 2003 als Ministerpräsident in Niedersachsen mit dem Versprechen angetreten, den Gesamtschulen den Garaus zu machen. Die Landesregierung verbot die Neugründung von IGS und setzte dafür ganz auf das traditionelle dreigliedrige Schulsystem. Am Freitag kam Wulff nicht umhin, die IGS etwas schmallippig als erfolgreiche Schule zu bezeichnen.
    Quelle: junge Welt
  10. Die Bilderberg-Konferenzen: “Notwendig wäre aus meiner Sicht hier ein sauberer investigativer Journalismus”
    Wie bewerten Vertreter aus dem Journalismus und Wissenschaft die unter großer Geheimnistuerei veranstalteten Bilderberg-Konferenzen, zu denen sich irgendwie (aus)erwählte internationale Spitzenkräfte aus Politik, Wirtschaft, Medien und Finanzwelt versammeln und entsprechende Verschwörungstheorien hervorrufen? Telepolis fragte nach.
    Quelle 1: Telepolis
    Quelle 2: Telepolis

    Anmerkung KR: Angenehm unaufgeregt.

    Ergänzung WL: Die geladenen Deutschen: Steinbrück, Peer; Nass, Matthias, Chief International Correspondent, Die Zeit; Löscher, Peter President and CEO, Siemens AG; Enders, Thomas CEO, Airbus SAS; Ackermann, Josef Chairman of the Management Board and the Group Executive Committee, Deutsche Bank AG.

  11. Verleihung der Lead Awards 2011: Hauptsache, die Verpackung stimmt
    In diesem Sinne hat der Journalismus am Mittwochabend in den Hamburger Deichtorhallen eine weitere, wenn auch vielleicht nicht “entscheidende” Niederlage erlitten. Denn bei der Verleihung der Lead Awards, dem wichtigsten deutschen Zeitschriften- und Onlinepreis, bekam Veronika Illmer, die Artdirectorin von Bild und Bild am Sonntag, die silberne Auszeichnung in der Kategorie “Visual Leader”. Oder, um es mit der Schlagzeile zu sagen, mit der das prämierte Blatt seinen Erfolg heute morgen feierte: “Und der Medien-Oscar geht an … BILD!” Unabhängig davon, ob Illmer nun eine visuelle Führerin ist und ob die tägliche Bild als Zeitung überhaupt etwas zu suchen hat bei den Lead Awards, stellt sich die Frage, ob den Juroren der Inhalt, den Illmer seit zehn Jahren auf vermeintlich leader-mäßige Weise verpackt, eigentlich vollkommen egal ist. Angesichts der aktuellen Entwicklung an der Journalistenpreisfront klingt die Vorstellung, dass Kai Diekmann in absehbarer Zeit für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, leider nicht mehr völlig abwegig.
    Quelle: TAZ
  12. Völkermordkonvention: Raus aus der Naziecke
    Der Fall Mladic rückt die Völkermordkonvention wieder ins Rampenlicht – eine Chance, sie zu reformieren. Weitere gesellschaftliche Gruppen müssen von ihr geschützt werden. Sich zu einer rechtlichen Bewertung in den Medien zu äußern ist eine klassische Richterfalle. Wer da hineintappt, muss sich am nächsten Tag im Gerichtssaal mit der Anschuldigung beschäftigen, dass er offensichtlich befangen sei. Christoph Flügge, einer der drei Richter im Mladic-Fall, wusste das und hat sofort klargestellt, dass er zu Srebrenica keine Angaben mache. Nur: Was er stattdessen tat, ist fast ebenso gefährlich. Er hat laut über die Zukunft des Völkerstrafrechts nachgedacht. Der Begriff “Völkermord” stimmte ihn nicht glücklich. Vielleicht sollte man sich einen neuen Tatbestand überlegen, zum Beispiel “Massenmord”? Und dann entwischt ihm noch ein besonders unglücklicher Satz: “Der Begriff Völkermord passt streng genommen nur auf den Holocaust.” Das geht natürlich nicht. Völkermord ist nicht nur ein historisches Ereignis. Was Flügge meinte, ist aber vermutlich etwas anderes: dass der Begriff des Völkermords (“genocide”) sehr unter dem Eindruck der Naziverbrechen entstanden ist. Das ist auch heute noch an seinen Eigenschaften abzulesen. So sind nur bestimmte Gruppen von der Völkermordkonvention geschützt (nationale, ethnische, rassische und religiöse), die unter der Naziherrschaft schon bedroht wurden. Aber selbst ihrem historischen Auftrag wird die Konvention nicht gerecht. Sozialdemokraten und Kommunisten waren unter den ersten Opfern des Hitler-Regimes – doch die Konvention schützt keine politischen Gruppen. Das geht auf ihre unglückliche Entstehungsgeschichte zurück. Als der Text in den späten 40er-Jahren debattiert wurde, wehrte sich die Sowjetunion gegen eine Erwähnung politischer Gruppen. Es war die Sowjetunion unter Stalin – dem Meister der politischen Säuberungen. Homosexuelle, die mit die schrecklichste Behandlung in den Konzentrationslagern erfuhren, tauchen in der Konvention nicht auf. Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen sind ebenfalls nicht erwähnt – obwohl Hitlers Euthanasieprogramm bis zu 250.000 Opfer gefordert hat. Mit anderen Worten: Die Konvention tut, was sie eigentlich verhindern soll. Sie setzt Diskriminierungen fort und gibt ihnen gesetzliche Autorität. In seinem Interview hat sich Flügge ausdrücklich gegen diese Beschränkungen gerichtet – und es ist schwer, ihm darin zu widersprechen. – Die Lösung dieses Problems kann nur in einer Reform liegen, an der alle Mitgliedsstaaten beteiligt sind – eine Reform, die den Schutz der Konvention auf jene Gruppen ausweitet, für deren Leiden sie sich bisher taub gezeigt hat.
    Quelle: FTD
  13. Kinderarbeit: Verstümmelt und verbrüht
    Es muss nicht immer der Steinbruch sein. Egal, ob beim Bewässern von Pflanzen, beim Umgang mit Pestiziden und scharfem Farmwerkzeug oder bei der Ernte auf Feldern oder auf Bäumen: Auch Kinder, die in der Landwirtschaft arbeiten müssen, machen einen gesundheitsgefährdenden, oft lebensgefährlichen Job. Sie können sich Muskeln und Knochen verletzen, ganze Gliedmaßen verlieren, Wirbelsäulenprobleme bekommen und sich vergiften oder infizieren. Das zeigt der Report “Children in hazardous work”, den die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am Freitag veröffentlicht hat. “Kinder und Jugendliche verletzen sich deutlich häufiger als Erwachsene, wenn sie gefährliche Arbeiten verrichten”, heißt es dort. Zudem seien sie in der Entwicklungsphase anfälliger für Gifte, Allergene und krebsauslösende Stoffe. Trotzdem: Mehr als die Hälfte der weltweit rund 215 Millionen arbeitenden Jungen und Mädchen – rund 115 Millionen – sind mit solchen Tätigkeiten beschäftigt, rund 68 Millionen davon in der Landwirtschaft.
    Aus solchen Beispielen muss gelernt werden, fordert die ILO. Überwunden werde erzwungene Kinderarbeit aber erst, wenn man sich “ihren Wurzeln zuwendet” – der Armut und dem fehlenden Zugang zu Bildung: “Erwachsene müssen die Chance haben, einer guten Arbeit nachzugehen, die Schwächsten brauchen staatliche Sicherungssysteme.”
    Quelle: taz
  14. Bürger fordern direkte Beteiligung
    Die Bundesbürger würden sich deutlich stärker politisch engagieren und bei politischen Entscheidungen einbringen, wenn sie in politischen Fragen tatsächlich mitentscheiden könnten. Deshalb favorisieren die Bürger allen voraus direktdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten, wie Volksbegehren oder Bürgerentscheide. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung.
    Bei der Frage nach den wünschenswerten Beteiligungsverfahren geben 78 Prozent direkte Verfahren, wie Volksentscheide oder Bürgerbegehren, an. Jeder Zehnte erklärt, bereits an solchen direkten Verfahren teilgenommen zu haben. Nur 21 Prozent zeigen sich an Möglichkeiten der direkten Demokratie nicht interessiert.
    Groß ist das Interesse auch an direkten Bürgerbefragungen zu bedeutsamen Infrastrukturmaßnahmen, wie etwa Bauprojekten. 68 Prozent der Bundesbürger würden bei derartigen Projekten gern unmittelbar mitentscheiden, nur 29 Prozent sind desinteressiert.
    Quelle: Bertelsmann Stiftung
  15. Alt und Jung
    Was alles für Phrasen im Zusammenhang mit der Demografie gedroschen werden. Ein paar Beispiele: “Die Menschheit vermehrt sich hemmungslos.” Falsch, die Geburtenraten nehmen seit Jahrzehnten überall deutlich ab, und zwar im Zuge des sogenannten demografischen Übergangs – der Phase, in der zunächst sehr hohe Geburten- und Sterberaten wieder rückläufig sind.
    “Wir stehen vor einer regelrechten Bevölkerungsexplosion.” Keine Angst, die Bombe wird nicht explodieren. Das Hauptproblem des 21. Jahrhunderts wird nicht das rapide Wachstum der Bevölkerung sein, sondern ihre Alterung.
    “Wir werden in einer hoffnungslos überbevölkerten Welt leben.” Auch das werden wir nicht, weil die Zusammenballung auf relativ engen Räumen, als Folge der Verstädterung, in anderen Regionen zu Entvölkerung führt.
    “Die Migrationsströme aus dem Süden werden uns überfluten.” Dabei wird übersehen, dass die neuen Migrationsbewegungen in alle Richtungen gehen – insbesondere auch von Süden nach Süden.
    “Die Weltbevölkerung” gibt es eben nicht. Wer das behauptet, konstruiert eine sinnlose Gesamtmenge und addiert Wirklichkeiten, die so verschieden sind wie Kraut und Rüben. Guinea und Portugal haben praktisch die gleiche Bevölkerungszahl (10,8 beziehungsweise 10,7 Millionen).(1) Sind sie deshalb demografisch vergleichbar? Nicht unbedingt. Die Indikatoren gehen allesamt auseinander: die natürliche Wachstumsrate – die Differenz von Geburten und Sterbefällen – von Guinea ist eindeutig positiv (+ 3 Prozent), während sie in Portugal rückläufig ist (- 0,1 Prozent).
    Wer die Entwicklung der Weltbevölkerung anhand demografischer Indikatoren darzustellen versucht, verschleiert die tatsächlichen Entwicklungstendenzen – etwa von Ländern mit hoher Geburtenrate und niedriger Lebenserwartung (wie Niger und Mali) oder von Ländern mit einer unter der Sterberate liegenden Geburtenrate (wie Russland oder Japan). Im Falle Japans ist der deutliche Anstieg der Mortalität in den nuller Jahren nicht durch ungesunde Lebensweisen oder schlechtere Gesundheitsfürsorge bedingt, sondern einzig und allein durch die Alterung. In Russland sieht es ganz anders aus…
    Innerhalb von fünfzig Jahren hat die Weltbevölkerung damit um 142 Prozent zugenommen – von 2,5 Milliarden 1950 auf 6,1 Milliarden im Jahr 2000. Nach der mittleren Projektion der Vereinten Nationen dürfte sie bis 2050 auf 9,1 Milliarden anwachsen. Müssen wir deshalb von Übervölkerung sprechen? Wenn diese 9,1 Milliarden geschlossen in die Vereinigten Staaten einwandern würden und der Rest der Welt völlig menschenleer bliebe, wären die USA immer noch dünner besiedelt als heute die Region Île-de-France.
    Quelle: Le Monde diplomatique
  16. ZDF-Politbarometer: Bestnote für Steinbrück
    Quelle: ZDF Politbarometer Seite 9

    Anmerkung E.H.: In der offenkundigen aktuellen Schwächephase des konservativ-liberalen Lagers fällt den zdf-Politbarometer-Machern nichts Besseres ein, als mit drei Gegenschlägen gegen den politischen Trend in der Bevölkerung anzukämpfen – um somit eine neue Manipulationswelle einzuleiten.

    1. Unter den 10 Spitzenpolitikern findet sich trotz des momentanen Höhenflugs kein grüner Politiker, was in der Logik gänzlich unmöglich ist.
    2. Wie Phoenix aus der Asche taucht auf einmal, ohne dass er sich in den letzten Monaten in der (konstruierten) zdf-Rangliste “hochkämpfen” musste, Peer Steinbrück auf. Wenn er in den letzten Wochen durch irgendetwas Außergewöhnliches, z.B. Sieger in “Deutschland sucht den Superstar” oder “Germanys Next Topmodel” aufgefallen wäre, dann könnte man nachvollziehen, warum er von den Machern des Politbarometers gleich an die 1. Stelle gesetzt worden ist. Aber nur, dass er in zwei oder drei ebenfalls abhängigen Zeitschriften und Zeitungen als SPD-Kanditat erwähnt und hochgeschrieben wurde, sollte kein Auswahlkriterium sein.
    3. Während die SPD immer noch und zwar zurecht vom Wahlvolk abgewatscht wird, findet man beim zdf an zweiter Stelle sogar einen weiteren SPDler, Herrn Steinmeier – bevor Vertreter der z.Zt. stärksten Partei folgen, nämlich de Maizière und Merkel, also all diejenigen, die in den USA sehr nett empfangen werden.

    Fazit: Es gehört schon eine Portion Frechheit dazu, wenn man zwei Politiker, die eine dahinsiechende Partei repräsentieren, auf das Siegertreppchen hievt und dies mit des Volkes Meinung gleichsetzt. So dumm ist das Volk nun auch wieder nicht.
    Generell drängt sich die Frage auf, wie beim zdf-Politbarometer die Stimmabgabe vonstatten geht: werden nur 10 Politiker zur Auswahl gestellt oder sind es 15 oder 20 oder kann jeder Befragte frei, also ohne Vorgabe bestimmter Namen entscheiden. Jedes Auswahlkriterium beeinflusst das Ergebnis, nicht nur die Einzelbewertung von -5 bis +5.
    Bei einer Auswahl von mindestens 20 Politikern hätte es Steinbrück bestimmt schwer gehabt, überhaupt unter die ersten 10 zu kommen.
    Manipulation frei nach Shakespeare: Wie es ‘den zdf-Politmachern’ gefällt.

    Weitere Anmerkung eines unserer Leser: Interessanterweise macht das ZDF auf seiner Webseite nur Angaben zum “Fehlerbereich” beim “Parteianteil”, hingegen keinerlei Angaben zum Fehlerbereich bei den Umfrageergebnissen für die sogenannten Spitzenpolitiker, so dass hier meines Erachtens Manipulationen und Einflussnahmen jeglicher Art Tür und Tor geöffnet sind!

  17. Erdogans Wahlsieg: Volkstribun mit gestutzten Flügeln
    Tayyip Erdogan hat mit seinem Wahlsieg einen Rekord gebrochen. Doch die Türken haben ihm diesen Sieg nicht geschenkt, weil er frommer Muslim ist, sondern weil er ihnen ein besseres Leben beschert. Das Paradoxe dabei: Es ist ein Triumph, der Erdogan gleichzeitig die Flügel stutzt. Die Türken haben ihm die Zweidrittel-Mehrheit versagt, die er sich erhoffte. Jene Mehrheit, mit der seine AKP im Alleingang eine neue Verfassung hätte verabschieden können, mit der Erdogan sich ein Präsidialsystem auf den Leib hätte schneidern können. Angesichts seiner zunehmenden Selbstherrlichkeit ist das ein Segen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die in dem Artikel angesprochene Furcht vor einem Gottesstaat dürfte in der Tat in Europa recht übertrieben sein. Der Weg nach Europa ist laut jüngstem EU-Fortschrittsbericht durch ganz andere Problem belastet: die Reform des Justizsystems komme nicht voran, das Land sperre sich im Zypern-Streit, Verfolgung von Journalisten, Folter, Zwangsheiraten, „Ehrenmorde”, Terror gegen religiöse Minderheiten, deren Verhältnisse sich eher verschlechtern. Aber wünscht sich die Türkei überhaupt noch den EU-Beitritt? Die Bevölkerung mehrheitlich (60 Prozent) nicht. Und die Politik? Die Türkei versucht sich neuerdings bei den Turkvölkern  in Zentral- und Westasien als Führungsmacht zu etablieren sowie als islamischer Staat in der islamischen Welt, und sogar in den einstigen Balkanprovinzen des einstigen Osmanischen Reiches. Wogegen ein für unser Verständnis des Türkentums wesentlicher Schritt, die Normalisierung mit Armenien, die Aufarbeitung des Völkermordes an den Armeniern ausbleibt. 

    Anmerkung KR: Letzteres wurde zuletzt wieder durch den von Erdogan angeordneten Abriss eines Mahnmals deutlich.

  18. Das rechte Israel
    Der Gaza-Krieg und die Marineaktion gegen die Free-Gaza-Flottille haben das innenpolitische Klima Israels verändert: Das ohnehin schon ausgeprägte Freund-Feind-Schema findet seitdem fast täglich Anwendung. Auf die knapp 1,6 Millionen arabischen Israelis kommt eine neue rechtsnationale Sanktionswoge zu.
    Quelle: Deutschlandfunk
  19. Frühling für Palästina?
    Der arabische Aufbruch zwingt Hamas und Fatah zur Versöhnung und eröffnet neue Perspektiven nach außen.
    Die Bilder von demonstrierenden Palästinensern, die am 15. Mai an den Grenzen Israels aufmarschierten, waren für die einen ein Traum und für die anderen ein Albtraum. Am 63. Gründungstag des jüdischen Staats – der für die Palästinenser die nakba (“Katastrophe”) brachte, weil sie zu Hunderttausenden vertrieben wurden – zogen palästinensische Demonstranten aus Syrien1 und dem Libanon, aus Jordanien und Gaza in Richtung des gelobten Landes.
    Sie waren nur ein paar tausend, doch angesichts dieser Bilder fragte sich die ganze Welt: Was wird passieren, wenn demnächst Millionen von Flüchtlingen friedlich anrücken, um Grenzen und Mauern niederzureißen. Haben diese Flüchtlinge, die noch in den 1960er Jahren die Keimzelle des palästinensischen Erwachens waren, dann allerdings seit dem Oslo-Abkommen von 1993 von der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vergessen wurden, sich jetzt entschlossen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen?
    Quelle: Le Monde diplomatique
  20. Gräueltaten fraglich
    Der Wahrheitsgehalt von Nachrichten, wonach der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi seine Soldaten zu Massenvergewaltigungen angestiftet hat, wird von namhaften Fachleuten stark angezweifelt.
    Quelle: FR
  21. Abgereichertes Uran: Eine merkwürdige Methode, um libysche Zivilisten zu schützen
    Die westliche Streitmacht hat beim Krieg gegen Libyen von Anfang an Munition mit abgereichertem Uran eingesetzt. Aus den Kriegen gegen Jugoslawien und Irak ist bekannt, dass in den Gebieten, in denen diese Uranmunition eingesetzt worden war, Krebserkrankungen sprunghaft angestiegen sind. Ein Bericht der britischen Antikriegsbewegung.
    Quelle: Friedenskooperative
  22. Autorin in Bahrain muss ein Jahr ins Gefängnis
    Die bahrainische Jung-Dichterin Ajat al-Karmesi ist von einem Staatssicherheitsgericht zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ihr «Verbrechen»: sie hatte während der Pro-Demokratie-Proteste im Februar ein Gedicht verlesen. Darin rief sie zur «Verwerfung der Unterdrückung / Mit Frieden als unserem Mittel» auf. Das Sondergericht in Manama erblickte darin ein «Schüren des Hasses gegen das herrschende System», berichtete die staatliche Nachrichtenagentur BNA. Nach eigenen Angaben wurde die 20-jährige al-Karmesi in der Untersuchungshaft geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert. Sie war am 30. März festgenommen worden, als sie sich den Behörden gestellt hatte. Zuvor hatten vermummte Einsatzpolizisten das Haus ihrer Eltern gestürmt und mit der Ermordung ihres Bruders gedroht, falls sie nicht bei der Polizei erscheine.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es wäre interessant zu erfahren, ob Angela Merkel bei ihrem Besuch in den USA mit dem US-Präsidenten nicht nur über ihren Dissens in Sachen Libyen, sondern auch über Bahrain gesprochen hat. Immerhin haben die USA in Bahrein einen Stützpunkt (Kommando der 5. US-Flotte) und dürften doch einigen Einfluss auf die dortige Regierung haben. Für eine Politikerin, die gerade mit der  “Medal of Freedom” ausgezeichnet wurde, müsste es eigentlich selbstverständlich sein, auf die ambivalente Haltung der USA zu Freiheitsrechten im Nahen Osten einzugehen. Barack Obama hatte unsere Kanzlerin als “eloquente Stimme für Menschenrechte und Würde weltweit” gelobt.

  23. Jemenitische Wirren
    Nachdem Präsident Ali Abdullah Saleh nach Saudi-Arabien ausgeflogen wurde, glaubt niemand, dass er in sein Amt zurückkehren wird. Die Menschen jubeln, aber der Machtkampf zwischen Stammesrebellen und Überläufern, Separatisten und Islamisten hat jetzt vielleicht erst richtig begonnen.
    Vier Monate nach Beginn der Proteste im Jemen ist die “internationale Gemeinschaft” von der Furcht gepackt, das Land könnte ins Chaos abgleiten. Diese Angst lähmt auch die Opposition im Lande selbst. Zwar erklärte Frankreichs Außenminister Alain Juppé am 21. März 2011, der Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Saleh sei “unumgänglich”. Doch solche Erklärungen ändern so wenig wie die regionale Mediation durch den Golf-Kooperationsrat: Jemens Verbündete wollen den Fortbestand des Systems – und zwar besser ohne den diskreditierten Präsidenten.
    Die Situation ist umso paradoxer, als das Regime seit dem Anschlag gegen das US-Kriegsschiff “USS Cole” in Aden im Jahr 2000 bei seinen Verbündeten in Misskredit ist, auch und vor allem in Washington. Der Machtapparat Salehs, der die eigenen Staatsbürger unterdrückt(1) und den Kampf gegen al-Qaida instrumentalisiert (ohne deren Anschläge verhindern zu können), hat eine Spirale der Gewalt ausgelöst.
    Quelle: Le Monde diplomatique

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