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Meinungsmache

Orwell auch in Holland

Der bisherige Ministerpräsident verliert drei Sitze, seine Koalition hat keine Mehrheit mehr. Aber er erklärt sich zum Sieger, und SpiegelOnline schreibt: „In den Niederlanden ist die Partei von Ministerpräsident Balkenende als Sieger der Parlamentswahlen hervorgegangen.“ – Die Herrschenden können Meinung machen unabhängig von der Realität. Und wenn alle und alle und alle immer wieder das gleiche sagen, dann wird die Lüge zur Wahrheit und geht in die Geschichte ein. (So sinngemäß Orwell in „1984“).

Sie sollten das wirklich lesen, um zu sehen, wie gespielt wird:
SPIEGEL ONLINE 22. November 2006, 21:19

Die Sozialisten haben übrigens ihre Mandate von acht auf 25 verdreifacht und liegen nahe an der sozialdemokratischen Partei (PvdA), die von 42 auf 33 Mandate zurückfiel. Albrecht Müller.

Bürgergeld vom Weihnachtsmann?

Dafür hat der Autor Otto Meyer eine Umarmung der NachDenkSeiten verdient . Er deckt auf, wie es dem thüringischen Ministerpräsidenten Althaus gelingt, sein Modell für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) als Fortschritt zu verkaufen, obwohl es den betroffenen Arbeitslosen in der Regel weniger bringt als Hartz IV. Und den gut Verdienenden wegen der Flatrate von 25% enorm viel. Und gleich auch noch die Kopfpauschale hoffähig macht. Hut ab vor dieser propagandistischen Leistung von Althaus. Er hat clever kalkuliert einen Teil der sogenannten Linken eingefangen. Hier noch ein Hinweis auf einigen bisherige Beiträge der NachDenkSeiten zum Thema Grundeinkommen beziehungsweise Bürgergeld. Albrecht Müller.

Es wird Panik gemacht! Mit Modellrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung, die man als Prognosen interpretiert.

Der Statistiker und Mathematiker Bosbach hat für die NachDenkSeiten zu den Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerungsentwicklung bis 2050, die am 7.11. in Berlin präsentiert worden sind, einen kurzen Kommentar geschrieben. Sie finden ihn in der Rubrik Andere interessante Beiträge. Ich verweise zugleich noch auf meine erste Stellungnahme zum Thema, konkret aufgehängt am Beispiel der Berichterstattung der taz. Die Berichterstattung der taz war nicht singulär. Nahezu alle deutschen Medien haben in ähnlicher Weise berichtet. Albrecht Müller.

Es wird Panik gemacht!

Ein erster ärgerlicher Blick auf die Vorstellung der neuen Bevölkerungs-vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes am 7.11.2006. Gerd Bosbach

Die hohle Welt der Reformer

Am 5.11. berichtete die Berliner Morgenpost unter der Überschrift „Reformtempo bleibt hoch“ von Bekenntnissen der beiden Koalitionsspitzen Merkel und Beck zu den Reformen. (Siehe unten) Man könnte auch von Durchhalteparolen sprechen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, weil man an diesen Äußerungen zeigen kann, dass die Reformer in einer eigenen Welt hohler Phrasen leben und Glaubensbekenntnisse den Bezug zur Realität ersetzen. Sich dessen bewusst zu bleiben ist wichtig, weil man sonst immer wieder zum Opfer der gleichgerichteten Parolen wird. Typisch dafür ist auch die erstaunlich wohlwollende Aufnahme von Gerhard Schröders Buch und damit seines Versuchs, die Reformpolitik als notwendig und erfolgreich darzustellen und ihr und sein Scheitern zu übertünchen. Albrecht Müller.

Mit dem „vorsorgenden Sozialstaat“ wird das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes „entsorgt“.

„Der nachsorgende, überwiegend beitragsorientierte Sozialstaat ist unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts überfordert.“ Das ist der Ausgangspunkt eines Papiers, das der SPD-Vizevorsitzende und sachsen-anhaltische Finanzminister Jens Bullerjahn gemeinsam mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck erarbeitet hat. In der Debatte um die programmatische Modernisierung der SPD kommen beide zu dem Schluss: „Zeitgemäß ist ein vorausschauender Sozialstaat, weil er den Menschen bessere Lebenschancen eröffne.“ Unser Leser Detlef Durry hat für die NachDenkSeiten, das Thesenpapier analysiert.

„Demokratie-Verdruss“ oder unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie bei uns?

In verschiedenen Medien finden sich Meldungen und Kommentare über den angeblichen Demokratie-Verdruss der Deutschen, insbesondere im Osten, den der Deutschlandtrend von Infratest dimap (veröffentlicht am 3.11.) festgestellt habe. Die Aufregung ist groß. Das fordert geradezu heraus zu einer Kommentierung. Denn erstens steckt in Meldungen über einen angeblichen Demokratie-Verdruss eine beachtliche Neigung zur Manipulation oder einfach nur unendlich viel Leichtfertigkeit bei der Interpretation. Zweitens: Dass man sich über die Unzufriedenheit der Menschen mit dem Funktionieren der Demokratie wundert, wundert mich. Die Unzufriedenheit ist leicht zu erklären. Manche üblichen Erklärungsversuche übersehen nahe liegende Ursachen. Albrecht Müller.

Wieder ein Bertelsmann Standort-Ranking. Die Botschaft: Es geht Deutschland dank der „Reformanstrengungen“ nicht mehr ganz so schlecht, aber die „Reform“- Dosis muss noch erhöht werden.

Das neue Standort-Ranking [PDF – 1 MB] ist nur eine neue Variante der früheren: Man nimmt vor allem solche Messgrößen, bei denen Deutschland schlecht da steht, und logischerweise landet man dann im Ländervergleich ziemlich weit hinten. Angesichts der Vielzahl der „Reformen“, die inzwischen durchgesetzt worden sind, durfte Deutschland jetzt natürlich nicht mehr das Schlusslicht abgeben, sonst müsste Bertelsmann ja eingestehen, dass der bisherige „Reform“-Kurs nichts gebracht hat. Also lässt man unser Land in der Tabelle leicht aufrücken, als Ansporn und Hebel für weitergehende „Reformen“. Wolfgang Lieb.

Habermas und der „verschluckte“ Zettel: Die späte Rache der National-Konservativen an der Linken – und der Zeitgeist dreht sich mit.

„Vergesst Habermas!“ steht über dem Konterfei des Sozialphilosophen auf der Titelseite des Zeitgeistmagazins „Cicero“. Der konservative Journalist Jürgen Busche, einer, der überall den Geist der 68er-Generation wittert, darf unter der Überschrift „Hat Habermas die Wahrheit verschluckt?“ den weltweit anerkannten kritischen Aufklärer als jugendlichen Anhänger des NS-Regimes denunzieren. Im Windschatten des Wirbels um die pubertäre SS-Mitgliedschaft von Günter Grass versuchen die National-Konservativen, die in den 80er Jahren den Deutschen „die Schamröte über Auschwitz“ ausreden wollten, nun auch an Jürgen Habermas späte Rache zu üben. Kritische Geister sollen als Glashausbewohner angeprangert werden, die mit Steinen geworfen haben (Markus Schwering).

Anmerkung zur FTD-Studie „Alle Bürger werden bei Abgaben entlastet“. Richtig ist: Es wird weiter umverteilt und zwar von unten nach oben.

In den Hinweisen vom 27.10.06 berichteten wir über eine Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts (FiFo) der Kölner Universität für die Financial Times Deutschland. Darin wird errechnet, dass die höheren Beiträge für Renten- und Krankenversicherung durch die geplante Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags mehr als ausgeglichen werden. Dem widerspricht einer unserer Leser mit guten Argumenten.

Gerhard S. Mittelmaß

Ich habe mir jetzt die Mühe gemacht, den Auszug aus Schröders Buch im „Spiegel“ zu lesen. Es geht dabei vor allem um die Entstehungsgeschichte der Agenda 2010 und um die Gründe für Schröders Neuwahlbegehren. Wenn ich diesem Rechtfertigungsstück glaube, dann muss ich feststellen, dass wir einen Bundeskanzler hatten, der keine Ahnung von den einfachsten gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen hatte und den Bezug zur Wirklichkeit verloren hatte. Es folgen Anmerkungen zu einzelnen Textteilen.

Althaus und taz in Symbiose für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

In der taz erscheinen auffällig viele freundliche Artikel und Interviews zum Grundeinkommen. Jetzt wieder einmal ein Interview mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Dessen Vorschlag für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das er werbewirksam „solidarisches Bürgergeld“ nennt, betrachte ich als Spielmaterial und als Mittel zur Profilierung auf einem Feld, das einen linken, fortschrittlichen Eindruck macht, aber den Ministerpräsidenten nichts kostet. Er wird seine schönen, aus meiner Sicht obskuren, Vorschläge nie realisieren müssen, aber er bleibt im Gespräch. Und die taz-Redakteure stellen unkritische harmlose Fragen. Zunächst zum vollen Text des Interviews.

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wirbt mit Merkel und Beck

Dass Guido Westerwelle sein Konterfei für die INSM hergibt, wundert einen nicht, dass Angela Merkel als Inhaberin eines Staatsamtes sich als Reklameträgerin für diese (sich selbst so nennende) „neoliberale“ Propagandaagentur hergibt, ist schon bemerkenswert, dass noch nicht einmal Kurt Beck etwas dagegen unternimmt, in Anzeigen für die von den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie mit 8,8 Millionen Euro finanzierte Kampagne für einen marktradikalen Abbau des Sozialstaats platziert zu werden, beweist nur wie sich FDP, CDU und inzwischen auch die SPD vor den Karren der von dieser Initiative vorangetriebenen Ideologie spannen lassen [PDF – 855 KB].
Die SPD kann sich noch nicht mal herausreden, dass Kurt Beck ohne ihre Zustimmung für die INSM wirbt, denn das Foto stammt (laut Quellenangabe) von der sozialdemokratischen Werbeschrift „Schwerpunkte sozialdemokratischer Politik in der Bundesregierung 2006“.
Es gab einmal Zeiten in der SPD, da wurde Werbung für den politischen Gegner parteischädigend genannt – aber vielleicht ist die INSM ja gar kein politischer Gegner mehr.