Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL)

  1. Das falsche Spiel in der schwarz-gelben Energiepolitik
  2. Atomenergie: Beim Stresstest durchgefallen
  3. Erbschaftssteuer verfassungswidrig?
  4. Die Kanzlerin in Griechenland
  5. Griechenland: Skandal um Steuerdaten-CD
  6. Nur Fiskal- und Geldpolitik reicht nicht zur Beendigung der Krise!
  7. Wie sich die Schweiz am Ausland bereichert
  8. Brüssel will die staatliche Sozialversicherung für private Versicherer öffnen
  9. Menschen mit hohen Einkommen leben länger
  10. OB-Wahlen in Stuttgart: Blind und hilflos
  11. Der fabelhafte Peer Steinbrück
  12. Steinbrücks dubiose PR-Connection
  13. FDP verschwieg Verbindungen zur Glückspiellobby
  14. Sozialdemokraten torpedieren Verbraucherschutz – zugunsten der Banken
  15. Joseph Stiglitz: We have a Democracy based on Money
  16. Italien löst Stadtrat wegen Mafiaverwicklungen auf
  17. Willkommen im Krieg

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das falsche Spiel in der schwarz-gelben Energiepolitik. Ökostromumlage steigt angeblich wegen zu schnellen Ausbaus der alternativen Energie
    Es ist bekannt, dass Energie intensive Industrien in Deutschland einen massiven Nachlass auf ihre Stromrechnung bekommen; weil sie angeblich nur damit im intensiven globalen Wettbewerb bestehen kann. Das großzügige Geschenk bezahlt der private Verbraucher. Vor allem ökonomisch schwächere Menschen, wie viele Rentner, Studenten, Arbeitslose, Niedriglohnempfänger, Hartz 4 Ein Euro Job Sklaven und chronisch Kranke, werden mit den schnell steigenden Stromrechnungen überfordert. Eine neue Form der Armut verbreitet sich rasant: die Energie Armut. Wenn jährlich über 300.000 Menschen nicht mehr zahlen können und ihnen zeitweise der Strom abgestellt wird – übrigens, auch dann, wenn kleine Kinder oder kranke Pflegebedürftige im Haushalt sind – ja dann zeigt dies, wie asozial und Menschen verachtend die Politik unserer wirtschaftshörigen Regierung ist.
    Quelle: humanicum

    Anmerkung Volker Bahl: „Strompreise steigen – eine unseriöse Rechnung“
    Nachdem gestern berichtet wurde, dass durch die Energiewende die Strompreise aufgrund der Energiewende kräftig steigen werden, macht Markus Balser in der Süddeutschen vom 10. Oktober 2012 eine genauere Rechnung auf, die den Stromkonzernen, aber auch der Politik nicht gefallen dürfte, denn beide sind eifrig beteiligt am Treiben der Strompreise – ohne dass daran der “grüne Strom” schuld ist.
    Unter der Überschrift “Steigende Preise für Elektrizität – Nicht der grüne Strom ist schuld” (nicht im Netz verfügbar) schreibt er, indem er die Stromkosten im Einzelnen aufdröselt und damit aufzeigt, wie verlogen diese Geschichte ist, die Energiewende als Misserfolg zu deuten:
    Zwar werden am kommenden Montag die deutschen Stromnetzbetreiber verkünden, wie viele Milliarden Euro die Stromkunden im kommenden Jahr an Subventionen für die grüne Energie zahlen müssen. Für die Gegner der Energie wird dies (und soll es wohl auch) eine Steilvorlage werden: Gut zwanzig Milliarden Euro werden die Deutschen dann 2013 für die Förderung umweltfreundlicher Energien bezahlen…
    Der Ausbau erneuerbarer Energien steht dabei gerade einmal für die Hälfte des Strompreisanstiegs…
    Und zur Wahrheit gehört auch: Der wachsende Grünstromanteil lässt den deutschen Strompreis nicht nur steigen, sondern auch sinken – aber die Stromkonzerne geben dies nicht an den Verbraucher weiter… (vgl. www.tagesschau.de nebst dem dortigen Link zum Gutachten selbst.)
    Während die Energieversorger im Land die steigenden Kosten für Ökostrom fleißig an ihre Kunden weitergaben, galt das für sinkende Börsenpreise nicht.
    Soweit der unseriöse Anteil der Stromkonzerne am Steigen der Strompreise, um so “nebenbei” ihre “Profite” noch zu erhöhen – und dazu kommt noch die Politik, die den privaten Haushalten in Deutschland einfach allein die Kosten aufbürdet, indem sie viele der größten Verbraucher einfach von der Ökostromfinanzierung befreit. Große Industrieunternehmen brauchen sich kaum an der Finanzierung der Energiewende beteiligen. Ihren Anteil müssen die kleinen Unternehmer und vor allem die privaten Haushalte schultern. Auch deshalb steigt die Ökostromumlage nun so sprunghaft an.
    Als Konsequenz daraus müsste nun eine intensive Debatte über die wahren Kosten der Wende angestoßen werden und ihre faire Verteilung.
    Einen guten Hinweis für eine solche Debatte gibt eine Studie, die herausgearbeitet hatte, dass der Atomausstieg (Energiewende) weder dem Klima noch den Preisen schaden muss. Siehe SZ sowie diese Studie selbst [PDF – 310 KB].
    P.S.: Nicht umsonst hat man früher in Deutschland deshalb auch den Weg gewählt, diesen so enorm politischen Preis des Stromes durch eine “Vergesellschaftung” (meist Kommunalisierung) politisch einfacher kontrollieren zu können – bis man in den letzten Jahrzehnten unter der Ägide des Neoliberalismus mit seiner marktradikalen Ideologie darauf kam auch die Elektrizitätswirtschaft weitgehend zu privatisieren.

    Ergänzende Anmerkung WL: Selbst das gewiss wirtschaftsfreundliche Handelsblatt schreibt:

    „Ursprünglich sollten die Kosten der Energiewende – weg von der Kernkraft und hin zum Ökostrom – auf die Schultern aller verteilt werden. Doch dieses Solidaritätsprinzip ist längst Makulatur. Ob Ökostrom-Umlage oder Netzentgelte: Immer mehr Unternehmen nutzen die zahlreichen Ausnahmen, um ihrem Beitrag zu entgehen – auf Kosten der Verbraucher. Die Politik sieht der Kostenverlagerung weitgehend tatenlos zu. Dabei zeigt ein bislang nicht bekannt gewordenes Gutachten aus dem Ministerium von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), dass verschiedene Konstruktionen zur Befreiung von der EEG-Umlage schlichtweg illegal sind…Getrickst wird vor allem beim Stromverbrauch. Manche Unternehmen verbrauchen bewusst mehr als nötig, um zu den energieintensiven Firmen zu gehören. Energiewende absurd. Der Gesetzgeber hat die sogenannte EEG-Härtefallregelung zuletzt sogar aufgeweicht, so dass nun auch Unternehmen mit geringem davon Stromverbrauch profitieren.
    Die Folge: Nahmen 2010 nur 560 Unternehmen die Regelung in Anspruch, waren es in diesem Jahr bereits 2.023. Nach Erhebung des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) und dem Institut für Zukunfts-Energie-Systeme machte das allein im vergangenen Jahr 8,6 Milliarden Euro aus.“

    Zu bezweifeln ist allerdings, dass die Politik der „Kostenverlagerung tatenlos“ zusieht.

  2. Atomenergie: Beim Stresstest durchgefallen
    Nach der Katastrophe von Fukushima wollte der EU-Ministerrat wissen, wie gut die europäischen AKWs «extreme Einwirkungen von außen» ­ aushalten. Keiner der 132 aktiven Reaktoren erfüllt alle Sicherheitskriterien.
    Offenbar hat Oettinger die Empfehlungen der Ensreg (der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit) befolgt, die der Vorsitzende des BeraterInnengremiums, Tero Varjoranta, in einer Stellungnahme veröffentlichte: Die EU-Kommission solle die Mitteilung «so sorgfältig formulieren und präsentieren, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht untergraben wird» und «hervorheben, dass im Ergebnis des Stresstests keines der europäischen AKWs aus Sicherheitsgründen abgeschaltet oder geschlossen werden müsste». Oettinger hielt sich auch an die Empfehlung der Ensreg, die mit der EU-Kommission die «erste umfassende Sicherheitsprüfung» der EU veranstaltet hat, «ins Einzelne gehende Beispiele in der Mitteilung zu vermeiden und den Nachdruck auf die allgemeinen Ergebnisse zu legen».
    Die Stresstestveranstalterin Ensreg setzt sich aus Mitgliedern der nationalen Aufsichtsbehörden sowie ExpertInnen der EU-Kommissar Günther Oettinger zugeordneten Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) zusammen; die Euratom selbst wurde laut EU-Verträgen «für» die Nutzung der Atomenergie eingerichtet. Kein Wunder also, wie Greenpeace aus Schweden berichtet, dass zehn der vierzehn Kontrolleure der schwedischen Atomaufsicht früher für die Atomwirtschaft gearbeitet haben; ähnlich verfilzt sieht es in so gut wie allen EU-Ländern aus – und in der Schweiz. Da stellt sich für Greenpeace «die Frage nach der Loyalität».
    Quelle: WOZ
  3. Erbschaftssteuer verfassungswidrig?
    Der BFH, das höchste deutsche Gericht für Steuerfragen, beanstandete, dass Betriebsvermögen weitgehend oder vollständig von der Erbschaftsteuer verschont werde. Dies sei eine „verfassungswidrige Überprivilegierung“. Zulässig wäre eine so weitgehende Verschonung nur, wenn die Weiterführung von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer sonst in der Regel gefährdet wäre, wofür es aber keine Anhaltspunkte gebe.
    Die beanstandeten Regeln gehen im Wesentlichen auf eine Reform des Erbschaftsteuerrechts durch die große Koalition Ende 2008 zurück. Die SPD hat sich aber gleich nach Verkündung des BFH-Beschlusses von ihrer damaligen Reform distanziert. Sie habe damals nur auf Druck der CDU/CSU zugestimmt, sagte der SPD-Steuerexperte Joachim Poß.
    Die CDU/CSU hatte die Steuerfreiheit mit der Sicherung von Arbeitsplätzen begründet. Steuervorteile erhalte nur ein Erbe, der den geerbten Betrieb fortführe und nicht gleich verkaufe. Das ließen die BFH-Richter nicht gelten. Denn bei Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten – also bei weit mehr als 90 Prozent aller Betriebe – komme es auf die Fortführung des Unternehmens gar nicht an. Und bei größeren Betrieben lasse sich die Arbeitsplatzklausel durch einfache Steuertricks aushebeln.
    Auch private Vermögen lassen sich nach Ansicht der Richter zu einfach an der Steuer vorbei vererben, indem sie einfach zu Betriebsvermögen erklärt werden. Es gebe hier einen „verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang“. Damit ist gemeint: Die Begünstigung von Betriebsvermögen, mit dem immerhin ein gewisses unternehmerisches Risiko verbunden sei, komme auch ganz normalem Vermögen zugute – wenn es der Erblasser nur wolle.
    Quelle: taz

    Dazu auch ausführlich: Finanzhof hält Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig
    Quelle: SZ

    Und hier die Entscheidung des BFH:

    BUNDESFINANZHOF Entscheidung vom 27.9.2012, II R 9/11
    …Der Senat ist von einem Verstoß der Tarifvorschrift des § 19 ErbStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG überzeugt, weil – die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung darstellt, und zwar jedenfalls, soweit die Gewährung der Steuervergünstigungen nicht von der Lohnsummenregelung und somit von der Erhaltung von Arbeitsplätzen abhängt (s. B.II.5.) und – §§ 13a und 13b ErbStG einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufweisen, da sie es Steuerpflichtigen ermöglichen, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfüllt, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben, und die Vorschriften ferner auch hinsichtlich der Lohnsummenregelung dem Folgerichtigkeitsgebot widersprechen.

    §§ 13a und 13b ErbStG lassen es zu, Vermögen jeder Art und in jeder Höhe von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden ohne Anfall von Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer zu erwerben, ohne dass es auf eine Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung des erworbenen Vermögens ankommt. Dies widerspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Danach ist es dem Gesetzgeber zwar unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe mittels Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände –gegebenenfalls auch sehr weitgehend– zu begünstigen. Solche Normen müssen allerdings den allgemein für Regelungen zur außerfiskalischen Lenkung oder Förderung geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Insbesondere müssen die Lenkungszwecke von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen, der Kreis der Begünstigten sachgerecht abgegrenzt und die Lenkungszwecke gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Erforderlich ist deshalb, dass die Begünstigungswirkungen ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter D.I.). Die Begünstigungsregelungen dürfen nicht insgesamt zu einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Überprivilegierung führen.
    Diesen Anforderungen werden §§ 13a und 13b ErbStG nicht gerecht. Sie führen vielmehr zu einer weitgehenden, den Kern des Gesetzes treffenden gleichheitswidrigen Fehlbesteuerung und erfassen im Zusammenspiel mit der Tarifnorm des § 19 ErbStG alle wesentlichen Teilbereiche des ErbStG.

    Überprivilegierung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften
    Der Senat ist der Auffassung, dass die weitgehende oder vollständige Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran jedenfalls insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar ist, als –wie es im Regelfall zutrifft– der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat und daher die Gewährung der Steuervergünstigungen nicht von der Erhaltung von Arbeitsplätzen abhängt (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG).
    …Der Senat hat im Beschluss in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598 (unter B.II.3.a bb und b bb) zu dem seinerzeit geltenden Recht ausgeführt, eine pauschale Begünstigung des Erwerbs von Betriebsvermögen oder von Anteilen an Kapitalgesellschaften im damals vorgesehenen Umfang wäre nur dann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn unterstellt werden könnte, typischerweise gefährde die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Belastung die Betriebsfortführung. Für eine solche Annahme fehle jedoch jeder konkrete Anhaltspunkt. Die Prämisse, die Erbschaftsteuer gefährde generell die Existenz mittelständischer Unternehmen, sei nicht zu verifizieren. Die im Gesetz getroffene Regelung trage auch den Fällen keine Rechnung, in denen neben dem Betriebsvermögen noch weiteres Vermögen übergehe oder sich beim Erwerber befinde, aus dem dieser die Steuer ohne Gefährdung der Betriebsfortführung bezahlen könnte; denn das ErbStG nehme nicht das Unternehmen, sondern den Erwerber des Unternehmens in Anspruch. Auch werde nicht berücksichtigt, dass nach der Stundungsregelung des § 28 ErbStG bereits ein Instrument zur Verfügung stehe, insbesondere in Erbfällen die Erhaltung des Betriebs zu sichern. Insgesamt seien die Begünstigungen für das Betriebsvermögen in ihrer Gesamtwirkung zu weitgehend, um noch von dem verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierungsgrund “Schutz der Betriebe” gedeckt zu sein. Die Regelung treffe zudem nicht “zielgenau” und stelle nicht sicher, dass nur solche Erwerbsvorgänge erfasst würden, bei denen der Begünstigungsgrund vorliege. Auch beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften fehle es für die pauschale Entlastung der Erwerber von der Steuer an einem ausreichenden sachlichen Grund. Der Gesichtspunkt der Gleichstellung der Anteile an Kapitalgesellschaften mit dem Betriebsvermögen bzw. den Anteilen an Personengesellschaften rechtfertige keine derart weitgehende pauschale Privilegierung, die im Ergebnis die Anteilserwerber in großem Umfang von der Umverteilungswirkung des ErbStG ausnehme. Die Belastung mit Erbschaftsteuer treffe beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften in der Regel lediglich die private Vermögenssphäre des Erwerbers…
    Die Frage einer Überprivilegierung stellt sich nunmehr sogar in verstärktem Maße, da die Steuervergünstigungen vielfach noch weit über das frühere Recht hinausgehen und zu einer völligen Freistellung von der Steuer führen können…
    Nach Ansicht des Senats geht es weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, dass die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers gewährt werden, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden sind oder –ggf. im Rahmen einer Stundung der Steuer– ohne weiteres beschafft werden könnten (vgl. Wachter, a.a.O., § 13a Rz 8). Da auch Erwerber großer und größter Unternehmen von den Steuervergünstigungen profitieren, begünstigen die Steuervorteile die Konzentration von Unternehmensvermögen bei vergleichsweise wenigen Personen. Um das vom Gesetzgeber angestrebte Steueraufkommen zu erreichen, werden zugleich die Erwerber von Privatvermögen und sonstigem nicht begünstigten Vermögen mit höheren Steuern belastet. Nach Auffassung des Senats ist diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt…
    Quelle: Bundesfinanzhof

    Anmerkung WL: Der Bundesfinanzhof hält also gerade das im Jahre 2008 unter der Großen Koalition verabschiedete Erbschaftssteuerrecht für verfassungswidrig und legt es dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Dabei geht es vor allem um die weitgehende und teilweise sogar vollständig steuerliche Befreiung von Betriebsvermögen.
    Die Richter haben die schon damals erhobene Kritik an der Unterstellung, dass die Erbschaftssteuer die Betriebsfortführung gefährde, bestätigt.
    Leider wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf sich warten lassen.

  4. Die Kanzlerin in Griechenland
    1. Die Kanzlerin nimmt Abschied von eisernen Prinzipien
      7.000 Polizisten sorgen nicht nur für Merkels Sicherheit, sondern auch dafür, dass der Kontakt zu denjenigen unterbleibt, die am ehesten mit Merkel hätten reden müssen: den griechischen Menschen. Denn sie sind es, die jetzt die Zeche für jahrzehntelanges Missmanagement ihrer Regierungen zahlen – aber gleichwohl für diesen Reform-Opfergang nicht ihre Eliten verantwortlich machen, sondern Deutschland und seine Kanzlerin. Wenigstens einen Auftritt in einer griechischen Talkshow hätte man sich gewünscht, damit sie den Griechen hätte erklären können, warum die Deutschen Athen ein so hartes Programm abverlangen…
      Merkel versucht sich dabei als Kanzlerin des Ungleichzeitigen: Sie bleibt nach außen und für die Deutschen die “eiserne Kanzlerin” und will doch die Griechen im Euro halten – was aber letztlich ohne Abschied von eisernen deutschen Prinzipien nicht geht.
      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung WL: Selbst der Hardliner für die Austeritätspolitik, Gabor Steingart, kommentiert: „Die Kanzlerin fand die richtigen Worte (“Ich komme nicht als Lehrerin”), aber zu einer erfolgversprechenden Griechenland-Politik fand sie auch gestern nicht. Das Land spart sich unter deutscher Anleitung immer tiefer in die Rezession. Merkel ist kein zweiter General Marshall.“

    2. Nur Missverständnisse
      Begleitet von Massenprotesten hat die deutsche Kanzlerin am gestrigen Dienstag in Athen sich um neue Chancen für deutsche Firmen bemüht. Die Privatisierung von Staatsbetrieben und Infrastruktur müsse beschleunigt werden, hieß es bereits vor Merkels Reise in Berlin. Die Kanzlerin habe die Abwicklung der DDR-Unternehmen gut in Erinnerung und wisse seither, wie man die industriellen Filetstücke eines Landes an profitorientierte Investoren veräußere. Begünstigt werden deutsche Interessenten, wie sie gestern im Umfeld der Kanzlerin auftraten, durch die Einrichtung von “Sonderwirtschaftszonen” in Griechenland, die Berlin seit längerer Zeit fordert. Über die Wirkung des deutschen Spardiktats, das zur Verelendung der Bevölkerung führt, erklärt ein Sprecher der Bundesregierung: “Die Senkung der Lohnstückkosten ist prozentual zweistellig gelungen.” Außenpolitik-Experten in der deutschen Hauptstadt führen die gestrigen Massenproteste auf “Missverständnisse” zurück und empfehlen Berlin gezielte PR-Maßnahmen, um für die Zukunft Widerstände gegen die deutsche Dominanzpolitik auszuhebeln. Die griechische Bevölkerung sei zur Zeit “schlecht informiert”, sie habe aber Anrecht auf “verständliche Pressemitteilungen” zur näheren Erläuterung des deutschen Spardiktats.
      Quelle: German Foreign Policy

      Anmerkung WL: Wenn es tatsächlich zuträfe, dass Merkel den „Beutezug Ost“ durch die Treuhand und die Abwicklung der DDR als Modell für eine Privatisierungspolitik in Griechenland vorgeschlagen hat, dann ist der Ausverkauf dieses Landes programmiert und das noch ohne die Milliarden aus einem Solidaritätszuschlag nach innerdeutschem Vorbild.

    3. Reaktionen auf Merkel-Besuch in Athen
      Die Reaktionen der Demonstranten in Athen auf den Besuch von Kanzlerin Merkel waren eindeutig – das Echo in den griechischen Zeitungen am Tag danach ist gemischt. Einigkeit besteht nur in einem Punkt: Die Probleme des Landes können nicht mit einem Besuch gelöst werden.
      Der größte Teil der seriösen griechischen Presse ist sich darüber einig: Der Besuch von Bundekanzlerin Angela Merkel war ein Erfolg. Die Boulevardpresse setzt weiter auf plakative und zum Teil beleidigende Berichte. Die linke Oppositionspresse kündigt das baldige Ende der Regierung Samaras an.
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung WL: Interessant ist eigentlich nur die Wortwahl bei der Unterscheidung der Pressestimmen durch Reinhard Baumgarten vom ARD-Hörfunkstudio Istanbul ( also nicht von Athen): Diejenigen Medien, die Merkels Besuch als einen Erfolg betrachten gelten ihm als „seriös“, die kritischen Stimmen werden als „linke Oppositionspresse“ oder als „Boulevardblätter“ abgestempelt.

  5. Griechenland: Skandal um Steuerdaten-CD
    Im Jahr 2010 leitete die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde eine CD mit Daten von mutmaßlichen Steuerflüchtlingen, die Gelder bei der HSBC in der Schweiz angelegt hatten, an die griechische Regierung weiter. Herve Falciani, ein IT-Angestellter der Bank, hatte die Daten gestohlen. Die CD enthielt detaillierte Daten zu 24.000 Konten und war von den Franzosen für die Verfolgung von Steuersündern genutzt worden. Auf der CD befanden sich u.a. aber auch Kontodaten von 2.000 Griechen sowie Bürgern anderer EU-Staaten. Lagarde ließ diese Daten den italienischen, spanischen und britischen Behörden zukommen sowie auch der damaligen griechischen Regierung, die daraufhin jedoch nicht tätig wurde.
    Erst vor wenigen Tagen gelangte diese Information an die griechische Öffentlichkeit und tagelang war daraufhin in Griechenland spekuliert worden, wo diese Liste wohl abgeblieben sein mochte.
    Jannis Stournaras, der gegenwärtige Finanzminister, sagte am Sonntag, den 30. September, er habe von dieser Daten-CD erstmals in der vorangegangenen Woche erfahren und zwar aus der Presse. Er hatte später eingestehen müssen, die Daten seien in seinem Ministerium nicht mehr auffindbar. Daraufhin hatte Evangelos Venizelos, Chef der PASOK-Partei und aktuelles Regierungsmitglied am Dienstag, den 2. Oktober, eröffnet, er verfüge über eine Kopie und habe sie jetzt an Stournaras weitergegeben…
    Die Existenz der Liste mit den Namen von 2.000 Griechen mit signifikanten Vermögen bei der HSBC in der Schweiz unterstreiche die Entschlossenheit der Staatsgewalt, Steuerflucht nicht mit derselben Strenge zu verfolgen, mit der sie Einschnitte bei den Einkommen und neue Steuerbelastungen durchsetze. Seine Partei habe nichts dazugelernt.
    Quelle: Querschüsse
  6. Nur Fiskal- und Geldpolitik reicht nicht zur Beendigung der Krise!
    Es ist zu begrüßen, wenn die SPD nach den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre sich für eine Re-Regulierung des Banken- und Finanzsektors einsetzt. Aber mit dem größten Teil der Vorschläge wird eine erneute Finanzkrise nicht ausgeschlossen werden können.
    Die Vorschläge der SPD ordnen sich in die bisherigen Regulierungsschritte und die Beschlüsse des Juni 2012-Gipfels ein.
    Die Erwartungen der SPD, der Euro-Raum könne die Krise mit einem großen Wurf zur Bankenregulierung gelöst werden, wird sich nicht erfüllen. Entscheidender ist aber: Die Probleme einer geplatzten Vermögens- und Kreditblase auf den Immobilien- und Hypothekenmärkten etlicher Länder können durch Fiskal- und Geldpolitik nur gelindert, aber nicht wirksam gelöst werden. Nur dadurch, dass die Vermögenstitel mit zweifelhafter Werthaltigkeit und der viel zu große Finanzsektor in eine Ausgleichungspolitik der Leistungsbilanzen eingebunden würden, kann die Krisenkaskade beendet werden. Im Euro-Raum muss endlich eine Alternative zur Politik der finanzpolitischen Disziplin und geldpolitischer Überbrückung entwickelt werden.
    Die Re-Regulierung des Finanzbereiches muss durch eine gemeinsame Fiskal- sowie eine kohärente Wirtschaft- und Sozialpolitik ergänzt werden. Das Ziel dieser Erweiterungen ist die Förderung von Vollbeschäftigung mit guter Arbeit.
    Quelle: Die Linke
  7. Wie sich die Schweiz am Ausland bereichert
    Es geht längst nicht mehr nur um das Bankgeheimnis, um hinterzogene, illegal in der Schweiz angelegte Vermögen, sondern auch um die legale, aber nicht legitime, aggressive Steueroptimierung multinationaler Konzerne – oder wie es Andreas Missbach, Steuerexperte der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern, bereits 2009 in der WOZ beschrieb: um «nicht illegale Steuervermeidung»…
    Denn seit die Schweiz 1998 mit der Unternehmenssteuerreform I günstige Sondertarife für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften einführte, hat sich die Eidgenossenschaft zu einer Steueroase für multinationale Konzerne entwickelt…
    Jetzt hat der sozialkritische Thinktank Denknetz aufgrund von Zahlen der Eidgenössischen Steuerverwaltung Berechnungen angestellt, die erstmals das Ausmaß der Steuervermeidung zeigen: Jedes Jahr entgehen ausländischen Staaten durch die Schweizer Tiefsteuerpolitik bis zu 36,5 Milliarden Franken an Steuereinnahmen…
    Tatsächlich kannten die Steuersätze für Unternehmen in der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren nur eine Richtung: abwärts. Betrugen die effektiven Steuersätze für Unternehmen 1990 noch 19,5 Prozent, sind sie bis zum Jahr 2008 – aus diesem Jahr stammen die letzten Zahlen der Steuerverwaltung – auf 6,9 Prozent gesunken. Das ist, ver­glichen mit anderen OECD-Staaten, rekordverdächtig tief…
    Im Jahr 2004 waren in der Schweiz knapp 240 000  Unternehmen ansässig. Bis 2008 ist diese Zahl auf 280 000  angestiegen. Bemerkenswert daran ist vor allem die Zunahme von Firmen mit großen Gewinnen.
    Quelle: WOZ
  8. Brüssel will die staatliche Sozialversicherung für private Versicherer öffnen
    Brisant-gefährlicher Anhang16 einer von der EU-Kommission vorgelegten Direktive zur „Vervollständigung der öffentlichen Märkte“ – will Brüssel über diesen Anhang16 in der EU die staatlich-gesetzliche Sozialversicherung für private Versicherer öffnen?
    Im Anhang 16 einer vorgelegten Direktive zur “Vervollständigung der öffentlichen Märkte” schlägt die Barroso-EU-Exekutive – natürlich als „Instrument für Wirtschaftswachstum“ – die Einführung des Konkurrenzprinzips auch für obligatorische Sozialversicherungen in den EU-Ländern vor.
    In Abwendung von dem in diesem Sektor bisher allein geltenden Solidarprinzip könnte über diesen Anhang16 privaten Versicherern der Einstieg in die Sozialversicherung der jeweiligen EU-Länder ermöglicht werden. Die Regierungen könnten dann etwa jedes Jahr nach dem Konkurrenzprinzip bzw. unter Kostengesichtspunkten entscheiden, wer als Träger in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungsleistungen anbietet.
    Die bisher vertrauliche Diskussion im EU-Parlamentsausschuss über das Direktive-Kommissionsvorhaben ist inzwischen öffentlich geworden, auch weil der Anhang16-Text von EU-Parlamentariern zunächst als Versehen der Kommission angesehen wurde.
    Der belgische Sozialist Marc Tarabella als EU-Parlamentsberichterstatter bekräftigt „die Sozialversicherung muss eine nicht antastbare staatliche Domäne bleiben“ und hat einen entsprechenden Abänderungsantrag für Beratung und Entscheidung im zuständigen EU-Parlaments-Ausschuss eingebracht.
    Allerdings hat auch die EU-Kommission inzwischen, trotz ausdrücklichen Bezugs des Anhang16-Textes auf „obligatorische Sozialleistungen“ verlauten lassen, im zurzeit bestehenden staatlich-gesetzlichen Sozialversicherungssektor der EU-Staaten würden keine Verträge abgeschlossen und so sei die bestehende Sozialversicherung auch kein öffentlicher Markt auf den der Anhang16 der Direktive anzuwenden sei.
    Kritische Sozialexperten in Brüssel und Straßburg wollen sich jedoch damit nicht zufrieden geben. In Erinnerung an die unselige Dienstleistungsdirektive des Kommissars Frits Bolkestein drängen sie auf die vollständige Streichung des bisher unverändert vorgelegten Anhangs16 der Kommissions-Direktive.
    Quelle: Médiapart (Übertragen von Gerhard Kilper)
  9. Menschen mit hohen Einkommen leben länger
    Personen aus wohlhabenden Haushalten haben in Deutschland im Alter von 65 Jahren eine höhere Lebenserwartung als Personen mit niedrigen Einkommen. Bei Männern macht diese Differenz fünf Jahre, bei Frauen dreieinhalb Jahre aus. Die Analyse auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) legt die Interpretation nahe, dass die geringere Lebenserwartung von Frauen in Haushalten mit niedrigen Einkommen zu Teilen auf die psychische Belastung durch finanzielle Knappheit sowie auf schwächere soziale Netzwerke zurückgeführt werden kann. Bei Männern mit niedrigen Einkommen scheinen sich geringe Bildung und ein physisch belastendes Arbeitsleben negativ auf die fernere Lebenserwartung auszuwirken. Auch bei Berücksichtigung einer Vielzahl weiterer Einflussfaktoren zeigt sich zumindest für Männer ein statistischer nicht unerheblicher verbleibender Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Einkommensgruppen: Ein hohes Einkommen mit 65 Jahren ist bei Männern im Durchschnitt mit einem längeren Leben assoziiert.
    Unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit auf gesundes Altern stellt der deutliche statistische Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung sowohl die Gesundheitspolitik im engeren Sinn als auch die Sozialpolitik im weiteren Sinn vor Herausforderungen. Nach den Befunden dieser Studie würde sich zum Beispiel eine Reform des Arbeitsschutzes und eine Verbesserung der betrieblichen Gesundheitsförderung anbieten, um die Lebenserwartung von Personen mit geringen Einkommen an die Wohlhabender anzugleichen. Auch sinnvoll erscheinen verhaltensbezogene Präventionsmaßnahmen und gesundheitliche Aufklärungskampagnen, die das Gesundheitsbewusstsein von Personen mit geringer Bildung stärker als bisher berücksichtigen.
    Quelle: DIW Wochenbericht 38.2012 [PDF – 350 KB]

    Anmerkung WL: Siehe dazu die Kommentierung „Doppeltes Opfer – Arbeiter Märtyrer: gleiche Rentenbeiträge, kürzeres Leben“.

  10. OB-Wahlen in Stuttgart: Blind und hilflos
    Warum haben CDU und SPD nicht begriffen, fragt Gast-Autor Arno Luik, was in Stuttgart passiert? Und er gibt die Antwort: weil hier eine neue politische Kultur entstanden ist…
    Stuttgarts Bürger und Bürgerinnen strafen einen Kandidaten ab, der eine ganz große Koalition hinter sich hat: Kanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin und vor Ort in Stuttgart die CDU, FDP und die Freien Wähler. Mit dieser geballten Macht im Rücken zu verlieren, das muss man erst mal schaffen. Sebastian Turner schaffte es. Ein Fiasko für das bürgerliche Lager.
    Eine Katastrophe aber auch für die SPD.
    Das Sonderbare ist: warum haben SPD und CDU nicht begriffen, was in Stuttgart passiert? Es ist erstaunlich, wie blind und hilflos sie auf die Dinge reagieren, die sie mit verursacht haben…
    Die OB-Wahl in Stuttgart steht für eine neue politische Kultur. Und macht sie damit bedeutsam weit über die baden-württembergische Landeshauptstadt hinaus…
    S 21 und der EnBW-Deal: sie haben einen Schock bewirkt, der auch in den Villen in Halbhöhenlage selbstverständlich gewesenes Denken in Frage stellt. Aus Notwehr wurden die Stuttgart und Stuttgarterinnen zu Mutbürgern.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  11. Der fabelhafte Peer Steinbrück
    Reden hin, Nebeneinkünfte her – der Kanzlerkandidat treibt die Umfragewerte der SPD auf den höchsten Stand seit sechs Jahren.
    Es ist fast ein demoskopisches Herbstmärchen. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat setzen ihren Höhenflug fort. Im stern-RTL-Wahltrend gewinnen die Sozialdemokraten gegenüber dem Tag der Nominierung Steinbrücks noch einmal einen Prozentpunkt hinzu. Damit erreicht die Partei erstmals seit November 2006 wieder die 30-Prozent-Marke.
    Quelle: stern.de

    Anmerkung WL: Nicht nur der stern und RTL auch die FAZ jubeln den SPD-Kandidaten hoch, weil die Umfragewerte gerade um einen Prozentpunkt – also innerhalb der Fehlermarge – hochgegangen sein sollen. Nun weiß man ja, dass der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner, ein eingefleischter Schröderianer ist und schon immer dafür bekannt war, dass er Umfragen zugunsten des rechten SPD-Flügels „gewichtet“ hat. Aber selbst die Aussage, dass „erstmals seit fast sechs Jahren“ die Sozialdemokraten wieder die 30-Prozent-Marke erreichten ist eine glatte Falschmeldung. Vielleicht nicht bei Forsa aber etwa bei INSA YouGov oder Emnid oder bei der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF Politbarometer) oder bei Infratest dimap (ARD-DeutschlandTREND) [PDF – 1.1 MB] erreichte die SPD mehrfach über 30 Prozent.
    Im Übrigen, was hat die SPD oder was hat Steinbrück davon, wenn Merkels CDU gleichfalls um einen Prozentpunkt zulegt. Liegt das auch an dem „fabelhaften Peer Steinbrück“.
    Zusammen mit den Grünen läge die SPD nach wie vor bei nur 42 Prozent und könnte keine Regierung stellen. Mit der Linken würde es vielleicht zu einer knappen Mehrheit für das „linke“ Lager reichen. Aber eine Zusammenarbeit mit der Linken lehnt ja Steinbrück apodiktisch ab, eine echte Machtoption besteht also nicht, schon gar nicht für Steinbrück als Kanzler.
    Die Schlagzeilen belegen nur eines, nämlich dass einige Medien mit Steinbrück und der SPD ihre Spielchen treiben und im Übrigen ihre Leserinnen und Leser für blöd verkaufen.

  12. Steinbrücks dubiose PR-Connection
    Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat in der Debatte um seine umfangreichen Nebeneinkünfte komplette Aufklärung angekündigt. Ein Vortrag Steinbrücks ist besonders bemerkenswert: Er sprach im Auftrag der PR-Agentur WMP Eurocom, die in der Vergangenheit wegen dubioser Methoden in die Kritik geraten war. Agenturchef ist der frühere Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje. Und ausgerechnet der verteidigte seinen Klienten Steinbrück jetzt in einem flammenden Kommentar in der Bild-Zeitung.
    Bei WMP Eurocom führt Tiedje den Vorstand, weiteres Vorstandsmitglied ist der frühere Berater von Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel, Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Im Aufsichtsrat vom WMP Eurocom sitzen u.a. Hans-Dietrich Genscher, Eichel, Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Unternehmensberater Roland Berger und der umstrittene Klinik-Betreiber Ulrich Marseille.
    Der Öffentlichkeit bekannt wurde das Wirken der WMP Eurocom, als 2003 der damalige Chef der Arbeitsagentur, Florian Gerster, u.a. wegen seiner Kontakte zu der Agentur in die Bredouille geriet und schließlich seinen Hut nehmen musste. Gerster hatte ein Beratungsmandat in Höhe von 1,3 Mio. Euro ohne Ausschreibung freihändig WMP Eurocom zugeschustert….
    Die Verteidigungsrede von Eurocom-Chef Hans-Hermann Tiedje in der Bild für Peer Steinbrück bekommt aufgrund der geschäftlichen Beziehung der beiden und der Vorgeschichte der Agentur zumindest einen komischen Beigeschmack.
    Quelle: MEEDIA
  13. FDP verschwieg Verbindungen zur Glückspiellobby
    Die FDP hat die Öffentlichkeit über ihre Verbindungen zur Glücksspielfirma Gauselmann getäuscht. Das zeigt der Mitschnitt einer Pressekonferenz, auf der die FDP fragwürdige Geschäfte rund um die FDP-Tochter altmann-druck verteidigte. FDP-Generalsekretär Patrick Döring bestritt eine Verbindung zu Gauselmann und behauptete, es gebe bei dem Einstieg eines Gauselmann-Beraters bei altmann-druck nichts Verdecktes. Beides ist nachweislich falsch.
    Die Gauselmann AG hat am 24. September eingeräumt, dass Schlottmann tatsächlich als Treuhänder der Gauselmann-Gruppe bei FDP-Tochterfirmen eingestiegen war. Dieses Treuhandverhältnis war im Handelsregister nicht erkennbar und folglich für die Öffentlichkeit fünf Jahre lang verborgen…
    Der Fall zeigt gravierende Transparenzlücken des Parteienrechts. Parteispenden müssen ab 10.000 Euro offen gelegt werden. Aber über die Parteifirmen können Millionen an Parteien fließen, ohne dass dies für die Öffentlichkeit sichtbar ist. Diese Lücke muss dringend geschlossen werden.
    Quelle: LobbyControl
  14. Sozialdemokraten torpedieren Verbraucherschutz – zugunsten der Banken
    Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben den Verbraucherschutz beim Thema Finanzberatung torpediert. Eigentlich gab es im Wirtschaftsausschuss einen Kompromiss, dass Provisionen für Finanzprodukte in Zukunft an die Kunden weitergeleitet werden müssen. In letzter Minute brachten die Sozialdemokraten einen mündlichen Antrag ein, der diese Neuregelung aushebelte. Konservative und Liberale stimmten diesem Antrag zugunsten der Banken zu. Das Ganze hatte etwas von einer Nacht-und-Nebel-Aktion und man fragt sich, welche Lobbyisten da im letzten Moment ihre Finger im Spiel hatten…
    Wird das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet, kann die durch Provisionen getriebene Fehlberatung durch Banken ungestört weiter laufen.
    Quelle: LobbyControl
  15. Joseph Stiglitz: We have a Democracy based on Money
    Thomas Roth (ARD) im Gespräch mit dem Ökonomie-Nobelpreisträger
    Quelle: Tagesschau
  16. Italien löst Stadtrat wegen Mafiaverwicklungen auf
    Das hat es in Italien noch nicht gegeben: eine Provinzhauptstadt unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung. Im süditalienischen Reggio Calabria ist das ab sofort der Fall. Die Regierung in Rom begründet den drakonischen Schritt mit vielen Problemen des Stadtrats im Umgang mit der Mafia…
    Hintergrund sind Vorwürfe, der Stadtrat der 190.000-Einwohner-Stadt ganz im Süden Italiens habe mit der Mafia zu tun gehabt.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung WL: Vielleicht nicht eine organisierte Mafia, aber Netzwerke der politischen Korruption gibt es auf kommunaler Ebene auch in Deutschland. In Köln nennt man das z.B. „Klüngel“.

  17. Willkommen im Krieg
    Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen beteiligt sich erneut an der Lancierung von Kriegspropaganda. Der Spielfilm “Auslandseinsatz” des Westdeutschen Rundfunks (WDR) soll den Produzenten zufolge das “subjektive Empfinden” der in Afghanistan “Wiederaufbauarbeit” leistenden Bundeswehrsoldaten “in den Mittelpunkt” der Betrachtung rücken. Bevor die ARD den Streifen in der kommenden Woche zur besten Sendezeit ausstrahlt, wird er am heutigen Donnerstag auf der Frankfurter Buchmesse einem internationalen Publikum präsentiert. Staatliche Stellen haben “Auslandseinsatz” mit mehr als einer halben Million Euro gesponsert; Unterstützung erfuhren die Filmemacher zudem von den “Presseoffizieren” der deutschen Streitkräfte. In der Öffentlichkeit hingegen stieß das öffentlich-rechtliche Propagandawerk bereits auf deutliches Missfallen: Eine sogenannte Preview des Films konnte nur unter Protesten stattfinden.
    Dafür, dass auch “Auslandseinsatz” als der deutschen Kriegspropaganda dienlich erachtet wird, spricht die umfangreiche Unterstützung der Produktion durch staatliche Stellen. Die Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen finanzierte die Herstellung des Streifens mit 400.000 Euro; weitere 100.000 Euro kamen von der Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, schließlich stellte aus seinem Etat 30.000 Euro für die Anfertigung des Drehbuchs zur Verfügung. Wie die Produzentin und Drehbuchautorin Nikola Bock erklärt, hätten Presseoffiziere der deutschen Streitkräfte es ihr ermöglicht, mit “vielen Bundeswehrsoldaten” zu sprechen und Interviews über deren Erfahrungen am Hindukusch zu führen. Regisseur Endemann gibt zudem an, “einer Ausbildung beigewohnt” zu haben, “im Rahmen derer die Soldaten, die tatsächlich nach Afghanistan gehen, konkret für diesen Auslandseinsatz vorbereitet wurden”.
    Quelle: German Foreign Policy

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