Das irische Erfolgsmärchen

Jens Berger
Ein Artikel von:

Die Eurokrise hat ihre erste Erfolgsmeldung: Irland verlässt in diesem Monat den Rettungsschirm der Troika. Die Süddeutsche Zeitung bemerkte dazu in dieser Woche knapp „Sparen lohnt sich“ und ist mit dieser Interpretation nicht alleine. Hat die Schwäbische Hausfrau doch Recht und müssen nun die Lehrbücher der Volkswirtschaftslehre neu geschrieben werden? Nein. Schaut man einmal hinter die Kulissen, entdeckt man jedoch sehr schnell, dass Irland alles andere als ein Erfolgsmodell ist und schon gar nicht als Beweis dafür taugt, dass man sich aus einer schweren Wirtschaftskrise heraussparen kann. Irland verlässt nicht wegen, sondern trotz des „Sparens“ den Rettungsschirm.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dieser Text stammt aus meiner Eurokolumne bei der taz und ist am Freitag in der Printausgabe der taz und mittlerweile auch online erschienen.

Aber was heißt es eigentlich konkret, wenn Irland den Rettungsschirm verlässt? Hat Irland nun etwa sämtliche Rettungsgelder zurückbezahlt? Aber nicht doch, dies ist – wenn alles gut läuft – erst 2042 der Fall. Haben dann die Budgetkürzungen zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt geführt? Im Gegenteil. In diesem Jahr wird Irland ein Haushaltsdefizit von 7,3% hinlegen, mehr als das Doppelte des Maastricht-Grenzwerts. Dann haben die Euroretter es sicherlich geschafft, die irischen Staatsschulden auf ein tragfähiges Niveau zu senken? Schön wär´s, im nächsten Jahr wird die Staatsschuldenquote die 130%-Marke knacken und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Irland sogar Griechenland als höchst verschuldeter Staat der EU überholt hat.

Aber worin ist Irland denn dann so erfolgreich? Boomt vielleicht die Realwirtschaft? Natürlich nicht. Erst in diesem Jahr rutschte Irland zum zweiten Mal während der Krise in eine Rezession. Die privaten Investitionen markieren mit 10% des BIP den niedrigsten Wert in der EU. Die Arbeitslosigkeit hat sich fast verdreifacht, die Menschen verlassen in Scharen das Land, die Verschuldungsquote der Privathaushalte ist die höchste der Welt und es ist keine echte Trendwende in Sicht.

Wenn Irland den Rettungsschirm verlässt, heißt dies lediglich, dass Irland künftig seine Staatsanleihen wieder ganz normal über die Finanzmärkte ausgibt. Seit Mitte letzten Jahres sind die Kurse für irische Staatsanleihen nämlich wieder auf einem Niveau, bei dem es kaum einen Unterschied macht, ob das Land seine Zinsen beim Rettungsschirm oder bei den Banken und Fonds bedient.

Das irische Erfolgsmärchen

Glaubt man den deutschen Politikern und Leitartiklern, ist dies der Beweis dafür, dass die Sparpolitik greift. Warum sonst sollten die Investoren der grünen Insel wieder vertrauen? Nun, die Investoren trauen der grünen Insel nach wie vor nicht über den Weg. Sie wissen aber, dass die EZB alles in ihrer Macht stehende tun wird, um Irland einen Staatsbankrott zu ersparen. Und sie wissen auch, dass Irland nun das Prestigeprojekt der Euroretter ist. Sollte Irland, das buchstabengetreu die Vorgaben der Troika umgesetzt hat, in den Bankrott gehen, wäre dies nämlich der Beweis dafür, dass die Vorgaben der Troika falsch sind. Und das kann doch keiner wollen. Oder?

Wie lange diese „Erfolgsgeschichte“ hält, steht überdies in den Sternen. Da die Realwirtschaft nach wie vor am Boden ist und die irischen Banken bereits im nächsten Jahr neue Geldspritzen brauchen, wird das Land schon bald sehr viel neues Geld brauchen und es ist ungewiss, ob die Zinsen dann auch noch auf einem niedrigen Niveau bleiben. Da Irland das Prestigeprojekt der Euroretter ist, wird man seitens der Troika aber schon Mittel und Wege finden, um eine Rückkehr unter den Rettungsschirm zu verhindern. Beispielsweise könnte der ESM dann direkt die Pleitebanken finanzieren. Die Rechnung dafür wird dann auch dem deutschen Steuerzahler präsentiert. Dies ist jedoch nur fair, da Irlands Staatsschulden zu einem übergroßen Teil aus Geldspritzen für irische Banken bestehen, deren Sinn und Zweck es war, deren Verbindlichkeiten bei deutschen Banken zu begleichen. Und so schließt sich der Kreis. Der deutsche Steuerzahler übernimmt die Verluste deutscher Banken. Wäre da nur nicht noch das irische Volk, das für diesen Irrsinn bestraft wird.