Hinweise des Tages

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  1. Höhere Steuereinnahmen lassen das Defizit der öffentlichen Haushalte von 75,1 auf 36,6 Milliarden Euro schrumpfen.
    Die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Sozialversicherung legten im ersten Dreivierteljahr 2006 um 5,8 Prozent auf 290,5 Milliarden Euro zu, bei einem Anstieg der Gesamteinnahmen von 4,5 Prozent.
    Quelle: Yahoo Nachrichten

    Anmerkung: Der Rückgang des Defizits der öffentlichen Haushalte und die gestiegenen Beitragseinnahmen der gesetzlichen Sozialversicherung sind ein Beleg für die im Beitrag von Albrecht Müller vom 29.12.06 dargelegte These, dass der Abbau öffentlicher Schulden in vergleichbaren Ländern in der Regel immer nur dann funktioniert hat, wenn es gelungen ist, einen wirklichen Aufschwung, der diesen Namen verdient, über mehrere Jahre durchzuhalten.

  2. Die Krankenkassen haben die Pharmaindustrie in Verdacht den gesetzlichen Herstellerrabatt auszuhebeln.
    “Es ist die Geschäftemacherei mit der Gesundheit, es sind die hohen Preise, es sind die Marketingkampagnen und die Bestechung von Ärzten”, so urteilt der renommierte Gesundheitsexperte Gerd Glaeske über die deutsche Pharmaindustrie.
    Quelle: Berliner Zeitung
  3. Hartz IV-Nachbarn als Grund für eine Mietminderung
    Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat in einem Urteil vom 21.12.2006 entschieden, dass Qualität und Quantität des Besucherverkehrs von Mitmietern als Mangel im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses bewertet werden können. Eine Mietsache sei mängelbehaftet, wenn der Besucherverkehr in „qualitativer Hinsicht“ durchschnittlichen Anforderungen nicht gerecht werde.
    Quelle: Oberlandesgerichts Stuttgart

    Anmerkung: Vielleicht sollte man künftig nicht mehr von Unterschicht, sondern bei Langzeitarbeitslosen oder Drogensüchtigen von Parias, also den Unberührbaren sprechen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind.

  4. Jean-Claude Juncker: Wir sehen untätig zu, wie sich die Arbeitnehmer von der Europäischen Union abwenden.
    Daher brauchen wir nicht nur eine Währungs-, sondern auch eine Sozialunion. Wir müssen uns auf Mindeststandards im Arbeitsrecht verständigen. Auf eine Grenze, die kein Staat nach unten durchbrechen darf.
    Wir brauchen zum Beispiel Mindestregeln beim Kündigungsschutz. Wir müssen festlegen, unter welchen Umständen befristete Arbeitsverträge entstehen können und unter welchen nicht. Mich ärgert zunehmend, dass man denkt, der typische Arbeitsvertrag wäre ein befristeter. Wenn mein Vater nur einen befristeten Arbeitsvertrag gehabt hätte, dann hätte ich nicht auf die Universität gehen können. Das hire and fire-System schränkt das Recht der Arbeitnehmer auf Grundsicherheit massiv ein.
    Wir brauchen Mindestlöhne und ein Grundeinkommen für alle sowie auch eine Harmonisierung in vielen steuerlichen Bereichen.
    Quelle: taz
  5. Tom Schimmeck: Spiegel-Aust, FAZ-Schirrmacher, Springer-Döpfner sind sich einig. Man feiert sich gegenseitig.
    Den Schwachen ordentlich Druck machen und den Mächtigen devot den Bauch kraulen. Warum macht der Spiegel einen auf neoliberal?
    “Ehrlich gesagt”, sagt Aust, “das ist so ein bisschen wie früher der Satz ´Geh doch nach drüben’. Neoliberal? Ich weiß gar nicht, was das eigentlich heißt. Realistisch zu sein, zwei und zwei zusammenzählen zu können? Was ist daran neoliberal?”
    Quelle: taz

    Anmerkung: Ein lesenswerter Beitrag über den Niedergang des einstigen „Sturmgeschützes der Demokratie“.

  6. Verfassungsrichter Udo di Fabio: Marktliberale Umdeutung des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes
    Das Grundgesetz darf nicht im Sinn einer axiomatischen Prämisse so verstanden werden, als habe der einzelne a priori gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf Existenzsicherung. Es gebe eine „eigene Pflicht zum Erfolg“. Der Sozialstaat stehe auch in der ausgeprägten Pflicht, „die Kraft einer wettbewerblichen Leistungsgesellschaft erhalten, und das heißt auch, die Wirtschaft zu fördern.“
    Quelle: FAZ.Net

    Anmerkung: In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 21. November 2006 hat Deutschlands höchster Richter, CSU-Mitglied Hans-Jürgen Papier, argumentierte, dass der Begriff „Sozialstaat“ gar nicht im Grundgesetz vorkomme und deshalb das Adjektiv „sozial“ im Sinne eines Freiheitsrechtes, d.h. als ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat verstanden werden müsse. Hat nun auch der Richter des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Udo di Fabio, seine marktliberale Interpretation des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes dargelegt:
    Am Persönlichkeits- und Freiheitsbild des Grundgesetzes gemessen, ist deshalb eine Politik dann sozial gerecht, wenn sie soziale Existenzsicherung so ausgestaltet, dass der Wiedereintritt in Arbeitsverhältnisse möglich, notwendig und attraktiv wird.“
    Staatlich vermittelte Transfereinkommen dürften kein Einkommensniveau erreichen, das einen Anreiz dafür biete, „die Aufnahme von Arbeit auszuschlagen“. G
    Wenn staatlich vermittelte Transfereinkommen das Einkommensniveau regelmäßiger Arbeit erreichen oder überschreiten, entsteht ein unerwünschtes, ein negatives Anreizsystem, ein Anreiz dafür, die Aufnahme von Arbeit auszuschlagen.
    Man möchte hinzufügen: Gleichgültig wie hoch das Einkommensniveau regelmäßiger Arbeit auch immer sein mag. Sozialtransfers müssen immer deutlich niedriger sein als ein Hungerlohn.
    Sozialstaat als existenzieller Arbeitszwang – verhungern oder arbeiten, egal was und egal zu welchem Lohn.
    Vor möglichen künftigen Entscheidungen über die Vereinbarkeit von weiteren Kürzungen von Sozialleistungen mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes kann einem nur noch grauen.

  7. Studie der Uni Frankfurt: Bei der Armut gibt es eine erhebliche Dunkelziffer. Es gibt ein Potential von 10 Millionen Bürgern mit Anspruch auf Alg II bzw. Sozialgeld.
    Die Zahl der bedürftigen Bedarfsgemeinschaften übersteigt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit tatsächlichem Leistungsbezug erheblich – bei Bezugnahme auf 2005 um 1,2 Mio., bei Bezugnahme auf 2006 um 0,9 Mio. Einheiten. Hier deutet sich eine erhebliche Dunkelziffer der Armut – also der Nicht-Inanspruchnahme zustehender Leistungen – an.
    Quelle: Armut in Deutschland. Bevölkerungsgruppen unterhalb der Alg II – Grenze
  8. Nicht einmal 41 Prozent der Bundesbürger finanzieren ihren Lebensunterhalt noch selbst.
    Das Volk murrt, die Kritik am Steuer- und Abgabenstaat wird lauter. Denn schon jetzt arbeiten die Deutschen die Hälfte des Jahres für den Staat, für die anderen. Jeder zweite verdiente Euro geht durch die Umverteilungsmaschinerie.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung: Die Demagogie der FAZ gegen den Sozialstaat geht auch im Neuen Jahr weiter. Die Aussage, dass nicht einmal 41 Prozent der Bundesbürger ihren Lebensunterhalt noch selbst finanzieren ist schlicht falsch. Siehe dazu NachDenkSeiten: „41% der Deutschen leben vom Staat“
    Auch die Aussage, dass die Deutschen die Hälfte des Jahres für den Staat arbeiten ist eine Irreführung. Müssten die Menschen weniger für ihre Krankenversicherung oder ihre Rente bezahlen, wenn sie nicht in die gesetzliche Rente, sondern in eine private Versicherung zahlen müssten?
    Deutschland liegt bei der gesamten Staatsquote unterhalb des EU-Durschnitts [PDF – 12 KB]. Bei der Quote bei Steuern plus Abgaben liegt Deutschland mit 39,7 Prozent [PDF 1.2 MB] im hinteren Mittelfeld, nur noch Spanien, GB, die Schweiz und die USA liegen darunter.

  9. Heiner Flassbeck über Journalistische Verantwortung und moderne Wirtschaftspolitik
    Er zitiert dazu J.A. Schumpeter: „Nur in wirtschaftlichen Dingen hält sich jeder für einen berufenen Fachmann und berechtigt, arglos jahrhundertealte Holzwege zu wandeln und mit Unbefangenheit sein allerpersönlichstes – wirtschaftliches oder ideelles – Interesse für aller Weisheit höchsten Schluss zu erklären“.
    Quelle: Heiner Flassbeck [PDF – 48 KB]
  10. Mega-Stiftungen gewinnen immer mehr Einfluss und gefährden den Staat
    Stiftungskritiker Rob Reich über das “Versagen der Philanthropie”: “Wir müssen uns politisch engagieren und die Leute wählen, die unsere Werte vertreten. Ein Milliardär dagegen gründet eine Stiftung und finanziert genau das, was ihn interessiert. Je mehr Geld Du hast, desto mehr Einfluss hast Du mit Deinen Programmen. Und Du kannst das ganze demokratische System umgehen, um Deine Vorstellungen sofort umzusetzen.”
    Quelle: 3sat.Online

    Anmerkung: Auf diesem Weg, in dem die Reichen über Stiftungen den Staat und die Demokratie unterlaufen können und ihre politischen Vorstellungen „bürgergesellschaftlich“ durchsetzen, befinden wir uns auch in Deutschland. Statt 5 bis 10 Prozent sollen künftig Spenden an gemeinnützige Einrichtungen (als auch Bertelsmann Stiftung, INSM etc.) bis zu einer Höhe von 20 Prozent des Einkommens abgezogen werden können.