Hinweise des Tages

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(KR/WL)

  1. Studie zu den Auswirkungen von Hartz IV auf die Betroffenen
    Von Ende März bis Ende September 2006 hat die Sozialwissenschaftlerin Anne Ames im Auftrag des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eine Fragebogenerhebung bei Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) durchgeführt:
    „ “Verarmt, verunsichert, ausgegrenzt und ohne Perspektive”, ein anderes Fazit lassen die Angaben und die Erläuterungen der überwältigenden Mehrheit der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kaum zu. Ein anderer Befund, von dem ich mir sehr wünschte, dass er zur Kenntnis genommen würde, ist die erschreckend hohe Zahl von Betroffenen, die ihre Beziehungen zu ihren Kindern, ihren Partnern und Partnerinnen, zu anderen Angehörigen und zu ihren Freunden als schwer belastet und gestört erleben.“
    Quelle: Telepolis
  2. Der Streik der Lokführer
    • Der Streik der Lokführer belegt ein weiteres Mal das Ende eines Sozialmodells.
      Lange Zeit mutete es für deutsche Ohren geradezu seltsam an, wenn von Bahnstreiks in England, Italien oder Frankreich zu hören war. Wer in Deutschland eine Lok fuhr, war Beamter und damit Teil eines Deals: Streiks waren tabu, aber dafür war der Arbeitsplatz so sicher wie kaum irgendwo sonst. In ähnlichem Geist funktionierte die Sache in der Privatwirtschaft: Das Modell des Flächentarifvertrags sowie die eingespielten Verhandlungsmodalitäten zwischen Arbeitgeberverbänden und Einheitsgewerkschaften machten den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit berechenbar. Aus Deutschland machten sie eines der streikärmsten Länder der Welt – nicht zuletzt zum Nutzen der Unternehmen.
      Dieser Arbeitskampf spiegelt genau den Zustand, den die Kostensenker und Belegschaftsspalter an den Unternehmensspitzen gewollt und herbeigeführt haben. Die Macher des neuen Unternehmertums und ihre politischen Vorbeter haben darauf spekuliert, dass Tarifflucht, Outsourcing und vieles andere dem Flächentarifvertrag (oder auch dem einheitlichen Haustarifvertrag in großen Unternehmen wie der Bahn) das Genick brechen würden – und damit auch den Gewerkschaften. Es ist kein Wunder, dass nun gerade die besonders Qualifizierten – Lokführer, Piloten oder auch Ärzte – das doppelte Opfer niedriger Bezahlung und wachsender Unsicherheit nicht mehr bringen wollen.
      Quelle: FR
    • Die Lokführer müssen streiken
      Der Streik geht über die rein finanzielle Frage hinaus. Er weist auf ein Problem der deutschen Gewerkschaften hin. In der Vergangenheit setzten sie, analog zu den Konzentrationsprozessen bei Unternehmen, auf Zusammenschlüsse und Fusionen. Je größer die Gewerkschaft, so die Hoffnung, desto größer ist ihre Macht. Solche Großgewerkschaften bringen dem einzelnen Mitglied aber nicht unbedingt Vorteile. Zwar geben sie den jeweiligen Vorsitzenden in den Verhandlungen mit den Arbeitnehmern ein größeres Druckpotenzial. Wenn sie es aber nicht nutzen, um den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in einer Branche durch differenzierte Abschlüsse Rechnung zu tragen, wird die Größe zum Selbstzweck. Im Falle von Transnet und Deutscher Bahn kommt noch eines hinzu: Die große Nähe zwischen Unternehmenschef und Gewerkschaftsvorsitzenden strapaziert das Vertrauen der Mitarbeiter.
      Quelle: taz
    • Eine Bahn, die an die Börse gehen will, muss schlank sein
      Das heißt, sie darf keine zu hohen Personalkosten haben, sagt die Expertin für Energie, Verkehr und Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Claudia Kemfert. Bei einer Forderung von über sieben Prozent, müssten pro Jahr bis zu 1500 Arbeitsplätze abgebaut werden. Ich vermute, die GDL verfolgt das Ziel, den Börsengang zu gefährden.
      Quelle: FR

      Anmerkung: Ein Beispiel, wie ein „Forschungs“-Institut Partei für den Börsengang der Bahn ergreift.

  3. Air Berlin freundet sich mit Gewerkschaften an
    Die Fluggesellschaft Air Berlin hat ihre strikte Abwehrhaltung gegen Gewerkschaften aufgegeben und erste Tarifverträge ausgehandelt. Außerdem soll über die Bildung eines Betriebsrates verhandelt werden. Für die hinzugekaufte Tochter DBA und den Ferienflieger LTU, deren Übernahme erst noch vom Bundeskartellamt genehmigt werden muss, gelten die Verträge nicht.
    Quelle: FTD
  4. Shoppen rund um die Uhr – Ausbeuten rund um die Uhr
    Seit einer Woche werden in der Bundeshauptstadt auf 17.000 Quadratmetern 20.000 Artikel rund um die Uhr zum Verkauf angeboten. Nur sonntags bleibt die Kasse zu. Von Montagmorgen ab 8 Uhr bis Samstag 23 Uhr verkauft der Berliner Traditionsladen “Reichelt” seine Produkte an nachtschwärmende Kunden. Doch hinter der funkelnden Fassade wird geschuftet. 15 Leiharbeiter bestreiten die Nachtschicht. Die Tagesarbeiter bekommen im Schnitt doppelt so viel an Lohn wie ihre nachtschaffenden Kollegen, denen nur ein Stundenlohn von fünf Euro zusteht. Trotzdem schuften sie ohne Pause.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Ein Beispiel, wie zynisch und teilnahmslos inzwischen über die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter und der Niedriglöhner berichtet wird.

  5. Bund plant gläsernen Steuerzahler
    Die Pläne der Bundesregierung, für die Steuererhebung eine umfangreiche Datenbank über die gesamte Bevölkerung aufzubauen, sind bei Datenschützern und Steuerexperten auf deutliche Bedenken gestoßen. Im Gesetz mit dem unverfänglichen Namen “Jahressteuergesetz 2008”, das morgen vom Kabinett beschlossen werden soll, ist vorgesehen, alle für die Berechnung der Lohnsteuer relevanten Informationen in einer Zentraldatei zu speichern. Das sind Daten zum Ehepartner und zu den Kindern, zur Religionszughörigkeit sowie zu Steuerklassen und Freibeträgen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Heiner Flassbeck: Fünf Milliarden für den Staat
    Finanzminister Steinbrück hat einen schönen Plan. Er will ins Grundgesetz schreiben, dass der Staat in Zukunft nur noch fünf Milliarden Schulden jährlich machen darf. Und, dank Aufschwung, kommt er schon in diesem Jahr dem Ziel ganz nah. Wäre das nicht grandios, fast keine neuen Schulden mehr und die alten wird man dann sicher auch bald los, weil die Steuerquellen ja kräftig sprudeln. Was wird es unseren Kindern gut gehen, wenn ihnen endlich die schreckliche Bürde der Staatsschulden von den Schultern genommen wird.
    Quelle: Flassbeck [PDF – 44 KB]

    Siehe auch:

    Wohin mit der Knete
    Quelle: Flassbeck [PDF – 48 KB]

  7. Integration durch Bildung im 21. Jahrhundert – eine Herausforderung für Public-Private-Partnerships
    Die Rolle des Staates in der OECD-Welt verändert sich im Zuge der Globalisierung. Neben dem Staat gewinnen Wirtschaft und Zivilgesellschaft immer mehr an Bedeutung bei der Bewältigung der mit diesem Wandel einhergehenden Herausforderungen.
    Aus diesem Grund veranstaltet das Bundeskanzleramt gemeinsam mit der Vodafone Stiftung ein internationales Symposium, das sich den Gelingensbedingungen für das gemeinsame Engagement öffentlicher, privater und zivilgesellschaftlicher Akteure auf dem Gebiet von Integration durch Bildung widmet.
    Quelle: Internationales Symposium im Auswärtigen Amt in Berlin [PDF – 2.3 MB]

    Anmerkung: Nun also auch Bildung als Herausforderung für PPP.

  8. Ein Rechtsanspruch auf Ausbildung ist aus Sicht der Bundesregierung rechtlich nicht durchsetzbar
    Eine “rechtliche Verpflichtung der ,Wirtschaft’ würde voraussichtlich an den Vorgaben des Artikels 12 GG (unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitgeber) scheitern”, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/5345) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (16/5187). Eine Selbstverpflichtung des Staates bedeutete wiederum eine Abkehr vom dualen Ausbildungssystem, “die nicht ernsthaft gewollt sein kann”, so die Antwort weiter.
    Quelle: Deutscher Bundestag [PDF 108 KB]

    Anmerkung: Die 236.000 Bewerber, die Ende Juli und damit vier Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch ohne Lehrstelle waren, fallen also in ein politisches und rechtliches Loch, weil eine „rechtliche Verpflichtung der Wirtschaft“ voraussichtlich an Art. 12 GG scheitert und weil die Politik „nicht ernsthaft“ will, dass diesen Bewerbern eine Chance für eine Ausbildung geboten wird, sei es durch Druck auf die ausbildenden Unternehmen im dualen System oder durch alternative Ausbildungsangebote, da das duale System offenbar versagt.

  9. Unbefriedigendes Urteil
    Der Freispruch ist ein Tribut an den Rechtsstaat und mindert nicht die Ermittlungsleistungen der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung. Immerhin haben die Behörden einen gewaltigen Parteienfinanzierungsskandal in der CDU aufgedeckt und Strafen für die Mitangeklagten erwirkt. Das wiegt mehr als die unbefriedigende Tatsache, dass sie jetzt den Politikersohn unbestraft laufen lassen müssen. Wem das von Schreiber längst wieder abgeräumte Maxwell-Millionenvermögen wirklich zusteht, kann nur er selber sagen. Er entzieht sich seinem Prozess aber in Kanada.
    Quelle: taz
  10. Meere haben ein langes Gedächtnis
    Die Umweltsünden der Vergangenheit belasten die europäischen Gewässer. Forscher fordern rasches Gegensteuern.
    Quelle: Berliner Zeitung
  11. Indien stoppt Pharmariesen
    Gericht weist Novartis-Klage zurück: Indien ist weltweiter Hauptlieferant von Aids-Medikamenten und darf uneingeschränkt weiterproduzieren.
    Quelle: TAZ

    Siehe dazu auch:

    “Das Urteil wird Millionen retten”
    Patienten in Entwicklungsländern bekommen einen einfacheren Zugang zu günstigen Medikamenten. Das gilt auch für die teuren Medikamente für HIV-Patienten.
    Quelle: TAZ

  12. Islamismus: Die türkische Reformation
    In der Türkei heißt mehr Demokratie auch immer mehr Einfluss für den Islam. Aber: Der türkische Islam ist in der Moderne angekommen – was vor allem den Frauen zu verdanken ist, die immer präsenter werden.
    Quelle: FR

  13. Peking und die Menschenrechte: „Das IOC hat sich nie wirklich bemüht“
    Ein Jahr vor den Olympischen Spielen kritisiert Amnesty International die chinesische Führung wegen andauernder Menschenrechtsverletzungen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) soll mehr Druck ausüben, fordert Amnesty-Experte Dirk Pleiter im Interview.
    Quelle: FAZ
  14. Schwarzbuch Scientology: Wir gegen die anderen
    Jetzt ist das Buch erschienen, das Scientology verbieten wollte: das „Schwarzbuch“ der langjährigen Scientology-Beobachterin Ursula Caberta. Bis zuletzt hatten die Organisation und die Verlagsgruppe Random House um die Veröffentlichung gestritten.
    Quelle: FAZ

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