Es gibt sie noch – die kritische Presse. Hier zur Riester-Rente

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die Nürnberger Nachrichten haben am vergangenen Samstag auf Seite 2 unter dem Titel „»Riestern« lohnt – auch für Walter Riester – Früherer SPD-Arbeitsminister verdient mit Vorträgen bei der Versicherungswirtschaft“ eine bemerkenswerte Reportage zu einem Auftritt Walter Riesters bei Vermögensberatern in Mittelfranken abgedruckt. Darin wird die Verfilzung Walter Riesters beschrieben und unter anderem darauf hingewiesen, dass wir in den NachDenkSeiten die hohen Honorare Riesters für seine Reden einen „Judaslohn“ genannt haben. Inzwischen sind es übrigens nicht mehr 181.000 €, wie bei uns im letzten Jahr gemeldet, sondern nach Zählung des Redakteurs der Nürnberger Nachrichten 274.000 €.
Zu meiner Kritik an dieser politischen Korruption hat sich Riester auf Abgeordnetenwatch zu Wort gemeldet. Albrecht Müller.

Er antwortete am 25.3. auf eine Mail von Frau Irmgard Resch vom 23.3. Frau Resch hatte sich auf die NachDenkSeiten bezogen und zitiert, ich würde ihm vorwerfen, dass er „die gesetzliche Rente absichtlich zugunsten der privaten Versicherungen geschwächt hätte.“

Walter Riester polemisierte daraufhin gegen die NachDenkSeiten und mich und kündigte an, er werde „unmittelbar nach der Osterpause … eine ausführliche Gegenüberstellung über den Zustand der Rentenversicherung vor der von mir zu verantwortenden Reform und den Wirkungen der Rentenreform 2001 veröffentlichen.“
Auf diese Veröffentlichung warten ich und wahrscheinlich auch Abgeordnetenwatch seit nunmehr drei bis vier Wochen. Auch auf der Webseite des Abgeordneten selbst findet sich keine einschlägige Gegenüberstellung. Auch mein Versuch, per Telefon in seinem Büro zu erfragen, wann mit dieser Dokumentation zu rechnen sei, blieb erfolglos.

Was vermutlich zu erwarten ist, zeigen die „Botschaften“, die Walter Riester bei Abgeordnetenwatch schon mal vorsorglich hinterlassen hat. Die erste „Botschaft“ lautet:

1. Die aktuellen und zukünftigen Anhebungen der Renten wurden durch die durch mich zu verantwortenden Entscheidungen nicht gemindert, sondern erfolgen höher als vor der Reform vorgesehen.

Dies zu behaupten ist wahrlich ein starkes Stück. Ich habe einem früheren Mitarbeiter des Ministeriums, dem Walter Riester vorstand, den Text von Riester in Abgeordnetenwatch lesen lassen. Seine Antwort:

An Riesters Antwort kannst Du sehen, wie weit weg unsere führenden Politiker sind. Da er meint verhindert zu haben, dass die Überlegungen nicht ganz so schlimm umgesetzt wurden, fühlt er sich schon als großer Sozialpolitiker. Riester ist sich gar nicht bewusst, dass er aufgrund einer windigen Demographie-Prognose, Finanzmarkteuphorie und dem Irrglauben, ein oder zwei Prozentpunkte mehr Beitrag in ferner Zukunft würden das Ende Deutschlands bedeuten, die gute alte Rentenversicherung ruiniert hat.

Die zunächst bei Riester befristete Beitragsfreiheit wurde durch Münte verlängert. Also dauerhafte Beitragsausfälle. Geringere Beiträge führen aber auch später zu geringeren Renten. Für Gutverdiener vielleicht nicht so problematisch wie für den Kleinverdiener, der mit relativ hohen Zuschüssen in die Private Altersvorsorge gelockt wurde. Wenn sein Investment nicht hinhaut, fehlt ihm die Margarine auf dem Brot.

Die Förderung der Riesterrente kostet in der Endstufe etwa den Gegenwert eines Beitragssatzpunktes. Sicher dabei ist, das sackt die Finanzindustrie (ein schlimmer Ausdruck) ein, was für die Versicherten bleibt, ist abzuwarten.

Richtig ist, dass der Staatszuschuss erhöht und einigermaßen verlässlich ist. Das ist aber keine soziale Wohltat, die RV (gesetzliche Rentenversicherung) kriegt endlich einigermaßen die versicherungsfremden Leistungen finanziert, die ja gesamtgesellschaftlich verursacht sind. Nur auch das ist wieder relativ, weil das Steueraufkommen nicht gerade zur Gerechtigkeit beiträgt.

Der letzte Absatz bezog sich übrigens auf die dritte „Botschaft“ des ehemaligen Sozialministers („3. Alle qualitativen Veränderungen der Einzelpositionen im Leistungsrecht für die Rentner wurden gegenüber dem Rechtszustand vor der Rentenreform verbessert. Begünstigt wurden davon insbesondere Rentnerinnen.“).

Wie unwahr die Behauptungen (siehe Botschaft 1.) immerhin eines leibhaftigen Bundesministers und Abgeordneten sind, können Sie auch dem Papier von Klaus Ernst und Michael Schlecht entnehmen, auf das wir schon einmal hingewiesen haben: „Riester-Rente ade“. Etwa in der Mitte wird darin insbesondere beschrieben, was Walter Riester zur Minderung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente getan hat. Im übrigen hat er mit der Einführung der Subvention einer Privatvorsorge die Erosion des Vertrauens durch Leistungskürzungen noch getoppt.

Dies alles jetzt zu leugnen, ist das eigentlich Beachtliche. Was geht in diesem Menschen vor?

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