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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Plädoyers für eine neue politische und soziale Ordnung
  2. Millionen Familien können sich keinen Urlaub leisten
  3. Jeder achte Berliner Haushalt hoch verschuldet
  4. Die Schwächung der Demokratie fängt in der Mitte an
  5. Steuerdebatte
  6. Brasilien – Der letzte Akt im Fall Rousseff
  7. TTIP offenbart tiefen Riss in Regierung
  8. Neues vom schillernden Ökonom
  9. Ein System der Gier
  10. Deutschlands Angst vor dem Volkswillen
  11. Wir leben Aggressivität vor
  12. Eine Million Chilenen protestieren gegen privates Rentensystem
  13. Obama und die Welt als Schachbrett
  14. Emily Thornberry accuses Labour NEC of trying to quash Corbyn
  15. Dubiose Finanzquellen: Die AfD veräppelt die Wähler
  16. Lobbyismus im Klassenzimmer
  17. Das Letzte – Merkel mutet uns viel zu – und das ist gut

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Plädoyers für eine neue politische und soziale Ordnung
    Seit der Occupy-Bewegung, aber spätestens mit dem US-Wahlkampf und dem bemerkenswerten Abschneiden des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders scheint ein Teil der amerikanischen Linken aus einem Dornröschenschlaf erwacht zu sein. Radikale linke Stimmen, die gesellschaftliche Alternativen aufzeigen, werden lauter.
    Am Sozialismus führt kein Weg mehr vorbei – und zwar im Vorzeigeland des Kapitalismus, den Vereinigten Staaten. Dass dies kein schlechter Scherz ist, das finden zumindest einige junge amerikanische Linke. Spätestens der aktuelle Wahlkampf um das Präsidentenamt hat ihnen gezeigt: So wie es ist, kann es nicht weitergehen. Und das nicht nur, weil sich der bekennende Sozialist Bernie Sanders hartnäckig als linker Gegenspieler von Hillary Clinton profiliert hat. Die Journalistin Sarah Leonard schreibt:
    “Das Absurdeste an der US-Präsidentschaftswahl 2016 ist die lächerlich geringe Bandbreite an Lösungsansätzen, die von den Spitzenkandidaten für Probleme von historischer Tragweite vorgeschlagen werden. Im Getöse des Wahlkampfs geht vollkommen unter, dass sich mit keinem der auch nur halbwegs aussichtsreichen Kandidaten die Hoffnung auf eine grundlegend gerechtere Gesellschaft verbindet.”
    Leonard ist leitende Redakteurin des linksliberalen Politikmagazins The Nation. In dem Band “Die Zukunft, die wir wollen. Radikale Ideen für eine neue Zeit” sammeln sie und der Autor Bhaskar Sunkara kluge Beiträge, die sich mit Möglichkeiten und Perspektiven einer linkeren Zukunft für die Vereinigten Staaten befassen. Die Journalisten, Aktivisten und Wissenschaftler, die im Buch zu Wort kommen, fordern tatsächlich nicht weniger als einen sozialistischen Wandel für die Vereinigten Staaten; einen Sozialismus, wie Leonard ausführt, der dem Begriff “Demokratie” wieder essenziellen Wert zuschreibt und zugleich auf einer – Zitat – “massenhaften Umverteilung” basiert. Leonard und ihre Mitstreiter sind sich dabei der Unterstützung eines Großteils ihrer Generation – also der Amerikaner in den Zwanzigern und Dreißigern – sicher.
    Quelle: Deutschlandfunk
  2. Millionen Familien können sich keinen Urlaub leisten
    Nicht mal eine einwöchige Urlaubsreise können sich Millionen von Familien in Deutschland leisten, rund 24 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind betroffen. Allerdings hat sich die Lage gebessert, anders als im Rest der EU.
    Die Ferienzeit geht langsam zu Ende, doch viele Familien dürften die schulfreien Wochen Zuhause verbracht haben. Rund 3,4 Millionen Kinder und Jugendliche leben in Haushalten, die sich nicht einmal eine einwöchige Urlaubsreise leisten können. Das zeigen Zahlen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat, wonach 23,8 Prozent aller unter Achtzehnjährigen in Deutschland betroffen sind – jeder vierte aus der Altersgruppe.
    Insgesamt leben 16,7 Millionen Menschen in Deutschland in Haushalten, die zu arm für Urlaubsreisen sind. Das hatte die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann bei Eurostat erfragt und veröffentlicht. “Kinder und Jugendliche bekommen häufig zu spüren, was Armut bedeutet”, sagt Zimmermann. “Besonders in der Ferienzeit ist es natürlich bitter, wenn sie gerne verreisen würden, es aber nicht geht.”
    Ein genauerer Blick auf die Eurostat-Zahlen zeigt allerdings auch: Die Lage hat sich in den vergangenen Jahren gebessert – jedenfalls in Deutschland. Der Wert schwankte in den vergangenen zehn Jahren, lag aber mit 23,8 Prozent im Jahr 2014 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) deutlich unter den 34,7 Prozent aus dem Jahr 2006. Europaweit hat sich dagegen kaum etwas geändert. Der Wert für die 28 EU-Mitgliedstaaten schwankt seit zehn Jahren um die 40 Prozent.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein Viertel der Jugendlichen unter 18 hat zu wenig Geld für eine Woche Urlaub pro Jahr – aber auch das kann man im reichen Deutschland schön reden. Schließlich ist es im von der deutschen Exportdampfwalze und von Schäuble und Merkel ruinierten Rest der EU noch schlimmer. Na dann!

  3. Jeder achte Berliner Haushalt hoch verschuldet
    Trotz Rekordsteuereinnahmen, mehr Start-up Investitionskapital als in jeder anderen deutschen Stadt und explodierenden Mietpreisen: Berlin ist arm. Mehr als jeder achte Haushalt hat hohe Schulden, vielfach leben Kinder darin.
    Mehr als jeder achte Berliner Haushalt (13 Prozent also rund 200.000) hat einer neuen Senatsstudie zufolge hohe Schulden. In jedem vierten der Haushalte leben auch Kinder, wie aus dem Bericht hervorgeht, der der B.Z. vorliegt. Am Dienstag soll der rot-schwarze Senat diesen Armutsbericht der Zeitung zufolge beschließen.
    Nirgendwo sonst ist der Anteil Alleinerziehender so groß wie in Berlin – und auch in Brandenburg liegt er über dem Bundesdurchschnitt. Laut einer Studie besteht für Kinder aus diesen Familien auch immer ein höheres Armutsrisiko. Für säumige Unterhaltszahler schlägt Bundesfamilienministerin Schwesig im rbb eine ganz neue Lösung vor.
    Jeder fünfte Berliner verdient weniger als 841 Euro im Monat und gilt damit als arm. Diese Quote hatte der Paritätische Gesamtverband im vergangenen Jahr bereits errechnet. In Neukölln ist der Anteil armer Berliner am größten, in Pankow am kleinsten. Demgegenüber gelten 9,6 Prozent der Berliner den Angaben zufolge als reich, sie haben ein Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 2.679 Euro.
    Quelle: rbb

    Anmerkung JK: Wir schaffen das und uns geht es allen gut. Wobei sich in dieser Meldung wieder die in Deutschland, gerade auch von den „Qualitätsmedien“ gezielt betriebene Verschleierung von wirklichen Reichtum wiederspiegelt. Jemanden mit einem Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 2.679 Euro bereits als „reich“ zu bezeichnen ist lächerlich und ein Ablenkungsmanöver. Zumal der entscheidende Faktor, der Vermögensbesitz, völlig unerwähnt bleibt.

  4. Die Schwächung der Demokratie fängt in der Mitte an
    Die offensichtliche Verletzung demokratischer Prozesse im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007 und 2008, die ein echter Epochenbruch war, vergleichbar mit der Großen Depression und allem, was danach kam, durch Institutionen mit fehlender demokratischer Legitimierung, was bis zum Sturz von gewählten Regierungen ging, mitten in Europa – das geht dem Rechtsruck voraus, der den Kontinent in weiten Teilen erfasst hat.
    Die radikale Rechte kam nicht aus dem Nichts, und auch die nicht so radikale Rechte oder alle, die ihre Antwort in autoritären Bewegungen suchen, bis hin zu einem Kandidaten Trump, sind einerseits aus den speziellen Umständen heraus zu verstehen. Dazu gehört auch ein originärer Rassismus, der die Jahre der Demokratie scheinbar unbeschadet überstanden hat. Aber gerade das Beispiel Trump zeigt ja, wie viel komplizierter die Antworten tatsächlich sind.
    Der Widerstand etwa, den viele Trump-Unterstützer gerade aus der Arbeiterschicht demonstrieren, ist ein Widerstand gegen eine neoliberale Globalisierungspolitik, die als alternativlos proklamiert wurde und die Gesellschaft zu krass und zu offensichtlich und eben zu alternativlos in Gewinner und Verlierer unterteilt.
    In manchem sind die Ängste der Trump-Unterstützer linke Ängste, Ängste von Menschen, die sich sozial abgehängt fühlen. In Europa wird das nicht anders sein – und die Parteien, die sich selbst als links sehen, sollten erkennen, dass sie dieses Terrain vor vielen Jahren freiwillig aufgegeben haben: Die linke Ratlosigkeit hat ihren Ursprung in der fehlenden Antwort auf die neoliberale Revolution der Achtzigerjahre und auf den Fall der Mauer.
    Quelle: Georg Diez auf SPON
  5. Steuerdebatte
    1. Die CDU und ihre gebrochenen Wahlkampfversprechen
      Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat der Wahlkampf begonnen. CDU und CSU werben mit dem Versprechen von Steuersenkungen. Nicht zum ersten Mal. Doch bislang hatten die Steuerzahler nie etwas davon.STEUERN18:10 Die CDU und ihre gebrochenen Wahlkampfversprechen Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat der Wahlkampf begonnen. CDU und CSU werben mit dem Versprechen von Steuersenkungen. Nicht zum ersten Mal. Doch bislang hatten die Steuerzahler nie etwas davon. […]
      Der CDU-Politiker ist nicht das einzige hochrangige Unionsmitglied, das derzeit mit dem Versprechen von Steuersenkungen für die Partei Wahlwerbung macht. Jens Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, ist ebenfalls der Meinung, es sei jetzt an der Zeit, die Bürger zu entlasten: Mit Kauders Aussagen sei klar, dass spürbare Steuersenkungen im Wahlprogramm von CDU und CSU stehen würden, sagt er der “Welt”.
      “Wir wollen nach 2017 den Spielraum nutzen, Steuern zu senken, ohne uns dafür verschulden zu müssen.” Die Wirtschaft laufe, die Steuereinnahmen seien gut: “Da sollten wir den Polizisten, Pflegekräften und Arbeitern, also all denen, die den Laden am Laufen halten, auch mehr von ihrem hart erarbeiteten Geld lassen”, so Spahn. […]
      Nach einer aktuellen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der die 34 Mitgliedstaaten verglichen wurden, beträgt das Jahresgehalt eines alleinstehenden Vollzeitarbeitnehmers in Deutschland 47.042 Euro. Davon müssen hierzulande 49,4 Prozent Steuern und Abgaben gezahlt werden. Dieser Wert ist seit 2010 beinahe konstant. Mit dem Prozentsatz belegt Deutschland einen Spitzenplatz, nur in Belgien (55,3 Prozent) und Österreich (49,5 Prozent) muss mehr abgeführt werden. Im OECD-Durchschnitt sind es nur 35,9 Prozent.
      Begonnen hat das Laborieren an der Steuer schon 2005 mit der ersten schwarz-roten Koalition unter Angela Merkel. Steuern senken wollte sie zwar ausdrücklich nicht. Das System aber auf gesunde Beine stellen, die Komplexität reduzieren, das wollte sie schon. “Steuern: einfach, wettbewerbsfähig und gerecht”, hatte die Union in ihrem “Regierungsprogramm” geworben.
      Quelle: WELT

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Viele Lügen, viele Halbwahrheiten, der übliche Unsinn über die angeblich zu hohe Steuerbelastung – und doch der interessante Hinweis auf die hohen staatlichen Haushaltsdefizite aufgrund der unverantwortlichen Steuergeschenke der Schröder-Regierung.
      Ich jedenfalls würde gerne mal wissen, wie die OECD die Abgabenlast des erwähnten “alleinstehenden Vollzeitarbeitnehmers”. Das Durchschnittsgehalt von 47.000 Euro findet man auch z. B. bei statista, aber bspw. nettolohn.de rechnet einem dafür – inklusive Kirchensteuerzahlung! – jeweils etwa 20,5 Prozent Steuern und Abgaben aus, was auf 47.000 Euro Bruttolohn 41 Prozent Steuern und Abgaben ergibt, aber nicht die erschreckenden 49,4 Prozent. Dann hat Schwarz-Rot seit 2005 tatsächlich die ungerechte Mehrwertsteuer stark erhöht, aber auch, was hier verschwiegen wird, den Körperschaftststeuersatz von 25 auf 15 Prozent gesenkt und die Erbschaftsteuer für Unternehmenserben praktisch abgeschafft – halt Umverteilung von unten nach oben in Reinform. Und Jens Spahn könnte man fragen, warum er nicht höhere Löhne für die “Polizisten, Pflegekräften und Arbeiter[.]” fordert, was erheblich zielgerichteter wäre als eine Steuersenkung, die zu 90 Prozent wieder den Beziehern hoher und höchster Einkommen zugute kommt.

    2. Neoliberaler Mythos: Warum hohe Steuern der Wirtschaft nicht schaden müssen
      Hohe Steuern schaden der Wirtschaft – und Steuersenkungen finanzieren sich selbst. Das zumindest behaupten Neoliberale seit Jahrzehnten. Doch was ist wirklich dran an diesem Mythos?
      Der wohl berühmteste Steuermythos lautet: Hohe Steuern schaden der Wirtschaft, sie reduzieren die Leistungsbereitschaft und kosten Wachstum und Arbeitsplätze. Das ist eine neoliberale Plattitüde, die bis heute reflexhaft aus der Wirtschaft oder von wirtschaftsnahen Politikern vorgetragen wird, wenn Unternehmen oder Wohlhabende höhere Steuern zahlen sollen.
      Die FDP hat sich unter ihrem früheren Vorsitzenden Guido Westerwelle sehr stark auf dieses Thema fokussiert und damit 2009 ein sensationelles Wahlergebnis eingefahren, um danach umso tiefer abzustürzen.
      Der Mythos wurde seit den Siebzigerjahren mit der sogenannten Laffer-Kurve popularisiert, benannt nach dem Ökonomen Arthur Laffer. Der Legende nach soll er sie beim Dinner mit den damaligen Nixon-Beratern Donald Rumsfeld und Dick Cheney auf die Serviette gemalt haben. Die Idee: Wenn Steuern ein bestimmtes Niveau übersteigen, weichen ihnen die Steuerzahler immer stärker aus. Bei weiter steigenden Steuersätzen erhöhen sich die Steuereinnahmen kaum noch und sinken ab einem bestimmten Punkt sogar. Umgekehrt gilt demnach: Steuersenkungen bedeuten geringere Steuerausfälle, als es zunächst scheint. […]
      Steuern runter, dann läuft die Wirtschaft besser und die Steuerausfälle halten sich in Grenzen. Das war das Mantra der angebotsökonomischen und neoliberalen Steuerpolitik seit den Achtzigerjahren. Ronald Reagan in den USA und Maggie Thatcher in Großbritannien haben so Politik gemacht. Und die deutsche FDP hat noch bis zuletzt daran geglaubt.
      Der Erfolg dieser Politik war aber durchwachsen. Die Selbstfinanzierung der Steuerausfälle durch mehr Wachstum klappte nur zum kleinen Teil, und die Haushaltsdefizite stiegen. Primär wurden wohlhabende Bürger und Unternehmen bei Einkommensteuerspitzensätzen, Unternehmensteuern, Kapitaleinkommensteuern und Vermögensteuern entlastet.
      Quelle: SPIEGEL
    3. Investitionen wirksamer als Steuersenkung
      Lange Zeit war ein aktiver Eingriff des Staates in die konjunkturelle Entwicklung – die sogenannte diskretionäre Fiskalpolitik – verpönt. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise legten jedoch viele Länder Konjunkturprogramme zur Stabilisierung des Wachstums auf. Und siehe da: Nach tiefen Einbrüchen erholte sich die Konjunktur zumindest in Deutschland und China schneller als erwartet. Gleichwohl schwenkten die USA und viele europäische Staaten noch vor dem Abklingen der Krise auf einen teilweise drastischen Sparkurs um. Die Folge: In den Ländern mit den härtesten Konsolidierungsprogrammen brach die Wirtschaft erneut ein.
      Grund genug, die Wirkung von staatlichen Eingriffen genauer zu untersuchen. Das IMK habt deshalb 104 internationale Studien zum Thema statistisch ausgewertet, deren Datengrundlage von den 1930ern bis heute reicht. Ihr Interesse galt dem so genannten Fiskalmultiplikator, der die Wirkung eines staatlichen Konjunkturpakets oder Sparprogramms auf die wirtschaftliche Entwicklung misst.
      Quelle: Hans Böckler Stiftung
  6. Brasilien – Der letzte Akt im Fall Rousseff
    Im quälend lange, zähen Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff beginnt heute endgültig der letzte Akt. Seit Mai ist die Präsidentin vom Amt suspendiert. Nun findet die entscheidende Sondersitzung des Senats statt. Er muss klären, ob er Rousseff endgültig absetzt oder sie wieder in ihr Amt einsetzt. Aber danach sieht es nicht aus. Die Stimmungslage im Senat ist ziemlich eindeutig.
    Senator Cassio Cunha Lima von den gemäßigten Konservativen beschwert sich: “Wir sitzen jetzt schon seit Monaten hier herum, und außerhalb dieses Saals erleidet Brasilien eine Krise ohne gleichen. Ihretwegen müssen wir jetzt sagen: Schluss, es reicht.”
    Rosseffs Gegner brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also 54 von 81 Stimmen im Senat. 48 Senatoren haben sich schon zum Impeachment bekannt. Und bei einer ersten Abstimmung Anfang August stimmten 59 Senatoren dafür, das Verfahren fortzusetzen. Selbst frühere Anhänger haben sich längst von ihr abgewandt und ihre Gegner haben die Macht längst neu aufgeteilt. Es gibt also kaum Zweifel daran, dass das Verfahren nächste Woche mit der Absetzung der Präsidentin enden wird.
    Die wandte sich vergangene Woche noch einmal an die Senatoren und an das Volk. “Ich bin unschuldig”, betonte Dilma Rousseff. “Politisches Misstrauen genügt nicht, um eine Präsidentin abzusetzen.” Womit sie formell recht hat. Der Senat muss ihr eine konkrete Amtspflichtverletzung nachweisen. Der Vorwurf lautet in ihrem Fall, Haushaltszahlen geschönt zu haben. Was angesichts der grassierenden Korruption in Brasilien ein ziemlich geringes Vergehen scheint.
    “Im Gegensatz zu denen, die diesen ungerechten Prozess eingeleitet haben, habe ich keine geheimen Konten im Ausland, habe ich mich oder Dritte nicht mit einem Centavo persönlich bereichert und ich habe noch nie Schmiergeld kassiert”, sagt Rousseff zu ihrer Verteidigung. Aber mit der formal-juristischen Argumentation, dass die Begründung nicht für eine Amtsenthebung ausreicht, dürfte sie nicht durchkommen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung JK: Die Berichterstattung anderer „Qualitätsmedien“ unterscheidet sich im Tenor nicht wesentlich von diesem Beitrag. Für die „Qualitätsjournalisten“ scheint es eine ausgemachte Sache, dass die Putschisten In Brasilien obsiegen und Dilma Rousseff ihr Amt verliert. Eine objektive Berichterstattung mit Recherche der Hintergründe sucht man vergebens. Stattdessen wird suggeriert, die Mehrheit der Brasilianer stehe hinter dem, durch die alten Eliten des Landes initiierten, Amtsenthebungsverfahren, anstatt darauf hinzuweisen, dass der Massenprotest wesentlich durch die Medienoligarchen Brasiliens inszeniert wurde.

    dazu etwas differenzierter: Kämpfen bis zum Schluss
    Das Problem von Rousseff ist, dass diese Geschichte sich völlig unterschiedlich darstellt – je nachdem, wen man im Lande fragt. Brasilien ist ungefähr 50:50 in zwei Lager gespalten, die jeweils ihre ganz eigene Lesart der vergangenen 15 Jahre in Brasilien haben. Die beiden Seiten stehen sich so erbittert gegenüber, dass die Polizei vor dem Senat in Brasília eine Barriere vorbereitet hatte: links die Anhänger der Rousseff, rechts ihre Gegner.
    Für die Anhänger der sich verteidigenden Präsidentin sieht es ungefähr so aus: Seit ihr politischer Ziehvater Lula da Silva 2003 Präsident wurde und seit er ihr 2011 dieses Amt als gewählter Nachfolgerin übergab, ist Brasilien von einem problemgeschüttelten Schwellenland zu einer Weltmacht aufgestiegen, die spektakuläre Fortschritte in Sachen sozialer Gerechtigkeit gemacht hat. Rousseff war schon unter Lula für die technische Umsetzung der vielen Sozialprogramme zuständig – technokratische Massenprogramme, bei denen Sozialhilfe an Familien mit Kindern verteilt wurde, Stromanschlüsse in Armutsgebiete verlegt wurden, Sozialwohnungen aus dem Boden gestampft wurden. Je nach Berechnung haben 20 bis 40 Millionen Brasilianer es unter Lula da Silva und Dilma Rousseff aus der Armut in den bescheidenen Wohlstand der unteren Mittelschicht geschafft.
    Die Art und das Tempo des Fortschritts erzürnten die konservativen Kräfte des Landes – die traditionellen Eliten und die angestammten Mittelschichten, die ihren Status bedroht sahen. Es war nun schwieriger und teurer, eine Hausangestellte zu beschäftigen, weil diese neue Ansprüche hatte. In Shoppingzentren, an Flughäfen und in Restaurants begegnete man nun diesen aufsteigenden Schichten, den emergentes, was vielen wohlhabenden Brasilianern gegen den Strich ging.
    Lula da Silva hatte in seiner Amtszeit viel Glück, weil die Wirtschaft des Landes außergewöhnlich rund lief: Er konnte den sozialen Frieden wahren, indem er den Armen wie auch den Reichen Zugeständnisse machte. Dilma Rousseff hatte Pech: In ihre Amtszeit fielen die schwersten Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, sodass sie zu harten Entscheidungen gezwungen war. Sie entschied sich überwiegend für die Beibehaltung der Sozialhilfen – und brachte Unternehmer, Reiche, Anhänger der oberen Mittelschichten gegen sich auf.
    Quelle: Zeit

    Dazu nochmals: Brasilien – Der mediale Anschlag auf den Rechtsstaat

    Anmerkung JK: Es ist es nicht ein Armutszeugnis für die “Qualitätsmedien”, dass die NDS hier fundierter und differenzierter berichten?

  7. TTIP offenbart tiefen Riss in Regierung
    Innerhalb der Bundesregierung kommt der Streit über das Freihandelsabkommen TTIP in Fahrt. Nachdem Vizekanzler Sigmar Gabriel dem Projekt schon den Stecker ziehen will, hält Bundeskanzlerin Angela Merkel einen erfolgreichen Abschluss der Gespräche mit den USA trotz großer Meinungsunterschiede noch für möglich. “Noch sind die Verhandlungen nicht zu Ende”, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. “Zwischenbeurteilungen sind das eine”. Am Ende werde es darauf ankommen abzuwägen, ob die Vorteile für die EU die Nachteile überwögen. “Es ist durchaus auch in Gesprächen in der letzten Runde das Entscheidende passiert”, hob der Regierungssprecher hervor.
    Dass es noch Meinungsunterschiede gebe, nannte Seibert “offensichtlich”. Positionen der Verhandlungspartner wichen in wichtigen Fragen durchaus voneinander ab. […] “Anstatt das Abkommen aus parteitaktischen Gründen aufzugeben, gilt es die Anstrengungen für einen guten Abschluss zu verstärken”, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und Vizepräsident des Industrieverbands BDI. Dessen Chef Ulrich Grillo zeigte sich “erstaunt” ob des erklärten Endes von TTIP. “So etwas ist politisch fragwürdig, denn es nimmt unseren Unternehmen wie Bürgerinnen und Bürgern große Vorteile, die solch ein Abkommen ermöglichen würde”, monierte Grillo.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung JK: Vielleicht erklärt uns Herr Grillo einmal, wo genau er für die Bürgerinnen und Bürgern die großen Vorteile der Freihandelsabkommen sieht? Das vehemente eintreten der Industrielobbyisten und Kapitalvertreter für das TTIP zeigt mehr als deutlich wo die großen Profiteure zu verorten sind. Im Übrigen ist Gabriels verbale Beerdigung des TTIP kein Indikator dafür, dass durch die Regierung ein tiefer Riss geht, sondern es scheint das übliche politische Schmierentheater zu sein, welches das Publikum hinters Licht führen soll. Weiß doch jeder, dass Gabriel das Freihandelsabkommen mit Kanada, das Ceta unverhohlen befürwortet. Auch hier muss uns Gabriel erklären was am Ceta so viel anders als am TTIP sein soll?

    Dazu Sahra Wagenknecht: Nun, Herr Gabriel. Schön, dass Sie endlich einsehen, dass das Konzernschutzabkommen TTIP wohl keine Unterstützung verdient. Dann sollten Sie aber endlich auch damit aufhören, CETA zu verteidigen, mit dem TTIP durch die Hintertür durchgesetzt wird. TTIP und CETA gehören beide gleichermaßen gestoppt. Sie sind ein Angriff auf Demokratie, Sozialstaat und klare Standards im Umweltrecht und im Verbraucherschutz. Außer Großkonzernen und Superreichen hat niemand ein Interesse daran. Und genau deshalb, werden wir am 17. September bundesweit gegen diesen gefährlichen Unsinn demonstrieren.
    Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook

    Anmerkung Christian Reimann: Informationen über die Demonstration am 17. September finden Sie hier.

  8. Neues vom schillernden Ökonom
    Yanis Varoufakis ist ein Ökonom mit großen Ideen und noch größerem Selbstbewusstsein. Das neue Buch des ehemaligen griechischen Finanzministers ist suggestiv, forsch und provokant. Und es kennt nur einen Helden: Yanis Varoufakis selbst. Ganz falsch sind seine Thesen aber nicht.
    Yanis Varoufakis schrieb gerade an einem Buch über die europäische Währungskrise, als ihn der Ruf des späteren griechischen Premierministers Alexis Tsipras erreichte. Der schillernde Ökonom Varoufakis legte das halbfertige Manuskript beiseite und wurde zuerst Berater und dann Finanzminister unter Alexis Tsipras.
    Fünf Monate später war der Pop-Star unter den Finanzministern Europas gescheitert; nachdem Tsipras ein Abkommen mit den Brüsseler Institutionen ausgehandelt hatte, das sein Chefökonom ablehnte. Varoufakis kehrte an seinen Schreibtisch zurück und grub das Manuskript wieder aus. Mit einigen Aktualisierungen wurde es im Frühjahr in englischer Sprache publiziert, jetzt ist es auch auf Deutsch erschienen.
    Varoufakis denkt lieber groß. Er beklagt eine weltweite Verschwörung des Kapitals gegen die Schwachen. In Europa sind es für ihn die Deutschen, die ihre wirtschaftlichen Erfolge auf Kosten der Länder des Südens erringen. Eifrige Helfer seien schon immer die französischen Bürokraten gewesen, die sich mit schönen Posten und Präsidenten-Ämtern hätten korrumpieren lassen. Die USA schauten dem Treiben gelassen zu, solange die Wall Street nicht leide. Die Wall Street selbst beschreibt Varoufakis als rasenden Minotaurus, der immer neue Opfer fordert – und sie bekommt.
    So weit die große Geschichte, die Varoufakis entwirft. Gegen viele Teile seiner Analyse würden heute auch Konservative oder Liberale nichts einwenden. Zum Beispiel: Eine gemeinsame Währung kann ohne eine gemeinsame Politik nicht dauerhaft funktionieren. Es war ein Fehler, den Euro einzuführen, ohne die politische Voraussetzungen dafür zu schaffen. Der Euro sollte Europa einen, er hat es aber auseinandergetrieben. Europa leidet an einem Demokratiedefizit. Bei der Griechenland-Rettung wurden viele Fehler gemacht.
    Die meisten, die diese Thesen unterschreiben würden, würden allerdings auch anmerken, dass man immer erst hinterher weiß, dass und warum etwas schief gegangen ist. Varoufakis aber unterstellt Absicht. Griechenland sei das Versuchslabor gewesen, bei dem man beispielsweise fiskalisches Waterboarding und andere Foltermethoden ausprobiert habe, um zu strafen, zu vergelten und die Armen zu zwingen, ihr Los zu ertragen.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

    Anmerkung JK: Was bitte, ist an der These falsch, dass Griechenland das Freiluftlabor des Neoliberalismus ist?

  9. Ein System der Gier
    “Muss ein Hartz-IV-Empfänger am Potsdamer Platz wohnen?”, fragt einer der Protagonisten im Dokumentarfilm “Die Stadt als Beute”. Filmemacher Andreas Wilcke hat vier Jahre lang den Immobilienboom in Berlin beobachtet – und zeigt eindringlich, wie Wohnraum zur Ware verkommt.
    “Die Stadt als Beute” heißt ein neuer Dokumentarfilm, der den Immobilienboom in Berlin schildert. Der Filmemacher Andreas Wilcke hat internationale Makler, Investoren und Kaufinteressenten bei ihrer Schnäppchenjagd begleitet und kontrastiert dies mit der Situation von Mietern, die mehr und mehr aus den attraktiven Innenstadtbezirken verdrängt werden.
    Vor vier Jahren ist Wilcke das erste Mal mit der Kamera losgezogen. Damals sei “noch von einem entspannten Wohnungsmarkt die Rede” gewesen, erzählt der Filmemacher, der seit 20 Jahren in Friedrichshain lebt.
    Auf Immobilienkongressen traf er Makler und Spekulanten, die sich über die Verwertung des Immobilien-Marktes ausgetauscht haben: “Muss ein Hartz-IV-Empfänger am Potsdamer Platz wohnen?”, fragt einer der Protagonisten im Film. “Wir können nicht an den Schwächsten der Gesellschaft ausrichten, wie sich die Stadt entwickeln soll”, lautet eine andere Aussage.
    Für Wilcke spiegeln diese Aussagen letztendlich nur das wieder, “womit wir alle leben”. Denn: “Es ist ein Klassendenken vorhanden, bei jedem von uns. Wir werden ja darauf trainiert, unsere Ellenbogen einzusetzen, uns zu optimieren, rationalisieren. Das finde ich das Haarsträubende.”
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  10. Deutschlands Angst vor dem Volkswillen
    An fast jede Volksabstimmung in Europa schliesst sich in Deutschland eine Diskussion über Sinn, Nutzen und Gefährlichkeit von Volksbefragungen an. Vor allem aus Sicht der Berliner Politik und derer, die über sie tagtäglich schreiben und nachdenken, ist die Bundesrepublik das Musterbeispiel einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Je weniger Sach-, aber auch Personalentscheidungen – auch die Wahl des Bundespräsidenten – direkt vom Volk ausgehen, desto wohler fühlen sie sich. Und jedes Plebiszit und jede Volkswahl im Ausland, die weithin für Kontroversen sorgt, ist für sie die Bestätigung ihrer eigenen Sichtweise.
    Nach Grossbritanniens Volksabstimmung über den Austritt aus der Europäischen Union herrschte in Deutschland vor allem in der Regierung und den im Bundestag vertretenen Parteien Entsetzen darüber, dass die Mehrheit auf der Insel für den Brexit gestimmt hatte. Mindestens so sehr ereiferten sie sich darüber, dass zu einer derart einschneidenden Frage überhaupt das Volk befragt wurde. Realpolitikerin genug, verfiel Bundeskanzlerin Angela Merkel immerhin nie der Hoffnung, die Abstimmung werde einfach wiederholt oder ignoriert. Manche Politiker geben sich diesen Illusionen hin, die einiges darüber aussagen, wie ernst sie Willensbekundungen des Wahlvolks nehmen.
    Zahllose Kommentatoren fühlten sich in ihrer Ablehnung von Plebisziten vollauf bestätigt und schrieben in ermüdenden, sich wiederholenden Beiträgen, wie gross die Gefahr des Populismus und die Tyrannei der Mehrheit sei. Gleichzeitig wurden die Tugenden der repräsentativen Demokratie beschworen – fachkundige Abgeordnete, die akribisch Akten studieren, um danach nach bestem Wissen und Gewissen verantwortungsvolle Entscheidungen für das Land zu treffen. Dass auch deutsche Parlamentarier oft mit mangelhafter Kenntnis der Materie über Gesetzesvorlagen abstimmen und es gewiss kein Ausdruck besten gelebten Parlamentarismus ist, wenn Bundestagssitzungen mitunter bis nach Mitternacht dauern, diese Tatsache wird dabei stets übergangen. Eine beliebte Formulierung ist die Feststellung, Abstimmungen wie jene über den Brexit seien «zu komplex» für die Bürger.
    Quelle: NZZ
  11. Wir leben Aggressivität vor
    Auch in modernen Gesellschaften sei Gewalt allgegenwärtig, meint der Soziologe Harald Welzer. Der “kampfbereite und siegerprobte Einzelkämpfer” werde in der Wirtschaft gefeiert und der “Ego-Shooter” zum Idealtypus erhoben. Bei der Suche nach den Ursachen von Terror und Amok werde das gern übersehen.
    Wenn Terror und Amokläufe Angst und Schrecken verbreiten, erfolgt umstandslos die Suche nach Ursachen und Motiven. Aber man sucht sie in den Personen der Täter, nicht in der Welt, in der sie leben und die sie so ungeheuer destruktiv und mörderisch ablehnen.
    Menschen in modernen Gesellschaften fürchten nichts mehr als diese unberechenbare, ungebundene, erklärungslose Form von Gewalt. Schließlich ist ihr legitimatorisches Fundament Erwartungssicherheit: Die Menschen der Moderne rechnen damit, dass Risiken kalkulierbar sind und ihre Erwartungen an Sicherheit, Wohlstand, Gesundheit, Teilhabe eingelöst werden. Amok und Terror bilden die Antithese zur Erwartungssicherheit – und deshalb wirken sie gerade in modernen Gesellschaften so sehr schnell zersetzend, weit über das Maß ihrer faktischen Bedrohlichkeit hinaus.
    Vielleicht muss man aber nur woanders hinschauen als auf die einzelne Person, die zum Mörder wird. Denn Gewalt ist ja auch in modernen Gesellschaften nicht abgeschafft, sondern findet in vielfältigen Gestalten alltäglich statt, und wie mir scheint, heute intensiver als noch vor wenigen Jahren.
    Eine kleine Phänomenologie der Gegenwart findet jedenfalls ein außerordentliches Maß an Aggression und Gewaltrhetorik in der Normalgesellschaft, zum Beispiel in der Wirtschaft. Wird da nicht ohne Unterlass jemand “angegriffen”, ein Unternehmen “attackiert”, ein anderes “feindlich übernommen”, ein Sektor “zerstört”.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  12. Eine Million Chilenen protestieren gegen privates Rentensystem
    Die Koordination der landesweiten Bewegung gegen das private Rentensystem in Chile “No+AFP” (‘No mas AFP’ – Kein privates Rentensystem mehr) hat Präsidentin Michelle Bachelet in einem offenen Brief zu einem Treffen aufgefordert. Man wolle ihr Vorschläge der Bewegung zur Reform des Rentensystems vorstellen, so der Sprecher der Kampagne, Luis Mesina. Zuvor waren Zusammenkünfte mit Innenminister Mario Fernández und Sozialminister Marcos Barraza ergebnislos geblieben.
    In Chile finden derzeit massive Proteste gegen das private Rentensystem statt. Allein in der Hauptstadt Santiago waren unlängst über 600.000 Demonstranten auf der Straße. In mehr als 50 Städten und vor dem Sitz der Vereinten Nationen in der Schweiz richteten sich Demonstrationen gegen das seit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) bestehende System privater Altersvorsorge, das unter dem Namen AFP (Administradoras de Fondo de Pensiones) bekannt ist. Dieses produziere Reichtum für wenige und Altersarmut für die breite Bevölkerung, so die Kritik. Auf rund eine Millionen Menschen schätzte Mesina die Zahl der Protestierenden, die am 21. August landesweit auf die Straße gingen. Die Bewegung “No+AFP” verbindet breite Sektoren der Bevölkerung von jung bis alt und organisiert die landesweiten Demonstrationen.
    Quelle: amerika 21

    Anmerkung JK: Die Idee, die Bürger zur Einzahlung in eine private Rentenversicherung zu zwingen, geistert ja auch durch die Hirne deutscher Politiker. In Chile war noch blutiger Militärputsch nötig um die neoliberale Agenda durchzusetzen. Da ist man in Europa schon weiter.

  13. Obama und die Welt als Schachbrett
    Der Präsident denkt – das Kapital lenkt: Ist das die Bilanz der Präsidentschaft Barack Obamas?
    Geradezu euphorisch sahen viele Menschen und Medien dem ersten Afroamerikaner im Weißen Haus entgegen. „Yes, we can“ weckte auch in Europa Hoffnungen und wurde durch Obamas Buch „Hoffnung wagen“ bestärkt. Der Politikwissenschaftler Ekkehart Krippendorff schrieb in den Blättern für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 1/2009, Enthusiasmus sei obligatorisch über diesen „ersten politischen Superstar unseres Zeitalters“. Krippendorff rühmte seine menschliche Wärme, seine Demut und Bescheidenheit und hob besonders zwei Gründe für Hoffnung hervor: Obama schärfe „das Bewusstsein für Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheit“ und er besitze die „Fähigkeit zu Empathie, zum Einfühlungsvermögen in den Anderen“.
    Heute, zwei Wahlperioden später, können wir sagen: Für eine Prognose der politischen Entwicklung in den USA und in der ganzen Welt wäre die Lektüre eines anderen Artikels in den Blättern wesentlich treffender und aussagekräftiger gewesen. Schon damals, in Ausgabe 7/2008, konnte man nämlich im Beitrag „Die Welt als Schachbrett“ von Hauke Ritz den geradezu furchterregend genauen Masterplan für die derzeitige katastrophale Weltlage nachlesen. Die Strategie für die Geopolitik der Supermacht hatte der außenpolitische Berater mehrerer US-Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, entworfen und in zwei Büchern öffentlich gemacht. Schon der Titel des ersten war Programm: „The Grand Chessboard. American Primacy And Its Geostrategic Imperatives“ (deutscher Titel: „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“). Es geht um Vorherrschaft und um die Welt als Schachbrett.
    Das Ziel der USA-Politik bedarf nach Brzezinski gar keiner Diskussion, es wird als selbstverständlich vorausgesetzt: Es ist, so fasst Hauke Ritz zusammen, „die unangefochtene Vormachtstellung der USA in Eurasien, um die Welt in eine post-nationalistische Ordnung unter US-amerikanischer Hegemonie zu überführen“. Als notwendig dafür erachte Brzezinski die EU-Erweiterung nach Osten in Verbindung mit der Osterweiterung der NATO, um die ehemaligen Sowjetrepubliken in die westliche Einflusszone zu integrieren. Maßgeblich für die Einverleibung seien die in vielen Ländern bereits erprobten und bewährten Methoden: Öffnung der Länder für ausländisches Kapital, Sicherung der Rohstoffvorkommen für die eigenen Interessen und Einfluss auf die öffentliche Meinung durch die Kontrolle der Medien.
    Quelle: Das Blättchen
  14. Emily Thornberry accuses Labour NEC of trying to quash Corbyn
    Emily Thornberry, the shadow foreign secretary, accused senior Labour figures of trying to “quash” Jeremy Corbyn’s mandate, as she threw her weight behind him in the leadership race.
    My plea to all Labour members: stop this chaos and unite to fight the Tories | Emily Thornberry
    Thornberry, who has remained in Corbyn’s shadow cabinet despite scores of resignations and more than three-quarters of Labour MPs backing a vote of no confidence against him, claimed the party’s national executive committee (NEC) had deliberately set the rules of the leadership race to “put members back in their box”.
    Thornberry, whose Islington South and Finsbury constituency neighbours Corbyn’s, used a post on her Facebook page on Sunday to break her silence on the issue, as the row continues within Labour over what the shadow chancellor, John McDonnell, has called a “rigged purge” of party members by the NEC.
    Boundary changes could affect up to 200 Labour seats, says analysis
    A growing number of Labour members or supporters are coming forward to claim that they have been denied a vote by the NEC’s panel for unspecified comments on social media or for being a member or supporter of another party.
    Thornberry condemned the NEC’s decisions to impose a minimum requirement of six months’ membership to be allowed to vote in the leadership ballot and a £25 fee for registered supporters.
    “Here we are now, less than a year after Jeremy’s overwhelming victory, and the party hierarchy – through decisions of the national executive committee – is attempting to overturn that result, quash Jeremy’s mandate, and put the party’s members back in their box. And they are doing so in the most naked way,” she wrote.
    Thornberry also became embroiled in a public spat with Labour’s deputy leader, Tom Watson. She accused members of the last Labour government, including Watson, of deliberately picking a fight with the membership on issues including terrorism, in a show of strength to impress the rightwing press. She claimed he “growled” at her that she was a traitor in 2005 when she opposed 90-day detention without trial for suspected terrorists.
    “Who exactly was I betraying? Just a party hierarchy and a party leadership who were trying to shore up their relationship with the rightwing press by ‘taking on’ their members, and trying to outflank the Tories on security,” she wrote.
    Quelle: the guardian
  15. Dubiose Finanzquellen: Die AfD veräppelt die Wähler
    Die AfD muss noch vor der Landtagswahl am 4. September den Wählerinnen und Wählern sagen, woher ihre Untergrundgelder stammen und wer in der Bundes- und Landespartei davon wusste.
    Uwe Polkaehn, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord (DGB Nord): „Die AfD betreibt Wählertäuschung, wenn sie sich als Anwalt der „kleinen Leute“ aufspielt, sich aber tatsächlich von den Reichsten der Reichen sponsern lässt. Wer sind die zwölf anonymen Millionäre, die zu den Großspender der Partei zählen? Welcher Funktionär in Berlin und Schwerin wusste von den großflächigen Wahlkampfunterstützung durch den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“, der seinen Sitz im Schwabenland hat? Die Wählerinnen und Wähler in Mecklenburg-Vorpommern lassen sich von der AfD nicht veräppeln. Herr Holm sollte aufhören, sich als Schutzpatron der toten Briefkästen zu aufzuführen.“
    Wenn die Landespartei und ihr Spitzenkandidat mit diesen Fragen nicht klarkommen, dann sollte sie mit staatsanwaltschaftlicher Hilfe zu klären, wer von der dubiosen Finanzierung ihres Wahlkampfes gewusst hat, so der DGB Nord. Gerade für Geringverdiener und Arbeitnehmer sei es interessant, aus welchen Finanzquellen die AfD unterstützt werde. Jüngst war bekannt geworden, dass der Stuttgarter Verein offenbar mit riesigen Summen den Wahlkampf AfD in Mecklenburg-Vorpommern finanziert, darunter große Werbeaufsteller und ein an zahlreiche Haushalte geliefertes „Extrablatt“ mit offener AfD-Reklame.
    Quelle: DGB Bezirk Nord
  16. Lobbyismus im Klassenzimmer
    Bücher, Broschüren, Referenten: Deutsche Unternehmen werden in den Schulen immer aktiver. Eine kostenlose Hilfe für die Lehrer, sagen die einen. Versteckte Werbung, sagen die Kritiker. Wie stark ist der PR-gefärbte Einfluss auf die Schüler inzwischen?
    Was auf dem Lehrplan steht, legen die Kultusministerien fest – zumindest offiziell. Denn längst haben im Klassenzimmer auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände Platz genommen.
    Geschickt engagieren sie sich im Bildungsbereich, um Einfluss auf die Konsumenten von morgen zu nehmen und das eigene Image zu polieren – durch kostenloses Lehrmaterial, Schülerwettbewerbe oder Experten, die den Unterricht besuchen.
    Die Hoffnung der Lobbyisten: Was einmal in den Köpfen der Kinder ist, wirkt ein Leben lang. Viele Schulleitungen gehen gelassen mit dem unternehmerischen Eifer in den Klassenzimmern um, denn der Bildungsbereich ist chronisch klamm und Unterstützung willkommen.
    Organisationen wie LobbyControl und auch viele Lehrer fürchten jedoch, dass die verdeckte Meinungsmache bei den Kindern zu Verzerrungen bei Urteilsbildung und Kritikfähigkeit führt.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  17. Das Letzte – Merkel mutet uns viel zu – und das ist gut
    Was wurde Angela Merkel früher nicht alles vorgeworfen: Sie sei mutlos, immer nur in Trippelschritten unterwegs, sie drehe ihr Fähnchen nach dem Wind. Kalt, pragmatisch – aber irgendwie auch berechenbar und damit für viele angenehm unaufgeregt. Die verlässliche Ruhe selbst eben.
    Das ist Merkel zwar geblieben – eine, die nicht mit den Flügeln schlägt und keinen Schaum vor dem Mund hat. Aber genau vor einem Jahr hat sich – mit den Flüchtlingen – doch eine neue Kanzlerin gezeigt. Eine mit Emotionen; eine, die Humanität dem Chaos vorzieht. “Wir schaffen das!” – das war und ist in erster Linie ein Aufmunterungsruf, der wohl eher gegen Merkels Willen zum Slogan ihrer Kanzlerschaft emporstieg.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung JK: Unsere Leserinnen und Leser mögen die Wortwahl verzeihen, aber hier überfällt einem einfach nur noch der Brechreiz. Welche Art von Journalismus soll das sein? Anders kann es in Nordkorea auch nicht klingen. Vielleicht sollte sich Frau Ulrich bei Kim Jong-un als Regierungssprecherin bewerben.

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