Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ostermärsche
  2. Syrien
  3. Trump nennt Nato “nicht länger obsolet”
  4. Michael Lüders nach Talkshow-Aussagen in der Kritik
  5. Jean-Luc Mélenchon – das Geheimnis seines Erfolgs
  6. Armuts- und Reichtumsbericht
  7. Gratiswerbung für die AfD
  8. Dossier “Wachsende Ungleichheit”
  9. Der Bund spart am Nahverkehr
  10. Der Bauer in der technologischen Tretmühle
  11. Europas fatale Abhängigkeit von Microsoft
  12. Die Welt braucht Abrüstung – Mehr Rüstung kann weder aktuelle noch zukünftige Probleme lösen!
  13. Die Neuen Händler des Todes
  14. Saudi-Arabien: 200 Millionen US-Dollar täglich für den Krieg im Jemen
  15. Der junge Karl Marx – Eine Inspiration im Kino
  16. Eine Leserzuschrift zu unserem gestrigen Hinweis #4 (Obama auf dem Kirchentag)

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ostermärsche
    1. Ostermärsche 2017
      Vom 14.-17. April 2017 finden zahlreiche Ostermarschaktionen statt
      Mit Demonstrationen, Kundgebungen, Fahrradtouren, Wanderungen und Friedensfesten wird auch in diesem Jahr die Friedensbewegung in den Ostermarschaktionen ihre Themen in die Öffentlichkeit bringen. Die Ostermärsche finden traditionell in regionaler und lokaler Verantwortung statt.
      Das Netzwerk Friedenskooperative stellt zu den Ostermärschen eine umfangreiche Übersicht zu den Aktionen zur Verfügung:
      Alle Termine der Ostermärsche 2017
      In unserem Kalender findet Ihr alle Termine der Ostermärsche und -aktionen. Bis Mitte April werden nach und nach alle uns bekannten Termine eingestellt. Sollte Euer Termin noch nicht dabei sein, könnt Ihr diesen auf unserer Website auch selber eintragen oder Ihr schreibt uns eine Mail mit allen wichtigen Angaben.
      Quelle: Friedenskooperative
    2. Stell dir vor, es ist Krieg und keiner protestiert
      Kurz vor den Ostermärschen gibt es genug Gründe für Friedensdemonstrationen – doch die Bewegung lahmt / LINKE: Viele haben aufgegeben
      Frankfurt am Main. Der Krieg in Syrien, Aufrüstung an allen Orten und blutige Konflikte in der Welt: Für die Friedensbewegung gibt es 2017 so viele Gründe wie lange nicht, auf die Straße zu gehen. »Der Stellvertreterkrieg in Syrien droht sich zu einem Weltkrieg zu entwickeln«, warnt Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag. »Ich hoffe, dass nun mehr Menschen für den Frieden Position beziehen.« Dutzende Ostermarsch-Aktionen sind in diesem Jahr wieder geplant, mit Schwerpunkten an der Ruhr und in großen Städten wie Frankfurt am Main. Doch die Friedensbewegung schwächelt seit Jahren.
      Quelle: Neues Deutschland
    3. Drei Tage unterwegs: Die ersten Ostermärsche
      “Es war ein ganz scheußlicher Tag, mit Schneematsch und Kälte. Wir standen in Braunschweig mit einer Gruppe von etwas mehr als 20 Leuten zwischen den Pfeilern der Kirche, der Pfarrer gab uns noch gute Worte auf den Weg und dann mussten wir hinaus. Ich wäre damals gern dort stehen geblieben zwischen den Pfeilern. Dann sind wir drei Tage lang marschiert”. So erinnerte sich der 2016 verstorbene Politikwissenschaftler Andreas Buro an den allerersten Ostermarsch in Deutschland im Jahr 1960. Aus Bremen, Hamburg, Braunschweig und Hannover brachen kleine Gruppen von Protestierenden auf. Ziel ihres Sternmarsches: der NATO-Truppenübungsplatz Bergen-Hohne.
      Quelle: NDR
  2. Syrien
    1. Ehemalige Offiziere der US-Geheimdienste an Trump: “Es gab keinen Angriff mit chemischen Waffen”
      Ungefähr zwei Dutzend ehemaliger Mitarbeiter von amerikanischen Geheimdiensten verfassen einen offenen Brief an Donald Trump. Darin bitten sie den Präsidenten eindringlich, seine Anschuldigung zu überdenken, die syrische Regierung Schuld sei verantwortlich für die Giftgasopfern in Idlib. Sie fordern Trump zudem auf, den gefährlichen Konfrontations-Kurs gegenüber Russland zu beenden. […]
      2.Unsere Kontakte bei der US-Armee in der Gegend haben uns gesagt, dass dies nicht der Fall war. Es gab keinen “Angriff mit chemischen Waffen” durch Syrien. Stattdessen bombardierte ein syrisches Flugzeug ein al-Qaida Munitionsdepot in Syrien. Dieses erwies sich voll mit schädlichen Chemikalien. Ein starker Wind wehte diese chemisch beladene Wolke über ein nahes gelegenes Dorf. Viele Leute starben.
      3.Dies bestätigen die russische und die syrische Regierung, was wichtiger ist, als dass, was sie zu glauben scheinen.
      4.Sollen wir noch hinzufügen, dass das Weiße Haus unseren Generälen Vorgaben machte, was diese zu berichten haben?
      Quelle: RT Deutsch

      Anmerkung Jens Berger: Zu den „Veteran Intelligence Professionals for Sanity“ gehören u.a. Ray McGovern, William Binney, Larry Johnson,Elizabeth Murray und Kirk Wiebe. Das Memorandum ist also durchaus ernst zu nehmen.

    2. Trump Withholds Syria-Sarin Evidence
      Despite President Trump’s well-known trouble with the truth, his White House now says “trust us” on its Syrian-sarin charges while withholding the proof that it claims to have, reports Robert Parry.
      After making the provocative and dangerous charge that Russia is covering up Syria’s use of chemical weapons, the Trump administration withheld key evidence to support its core charge that a Syrian warplane dropped sarin on a northern Syrian town on April 4.
      A four-page white paper, prepared by President Trump’s National Security Council staff and released by the White House on Tuesday, claimed that U.S. intelligence has proof that the plane carrying the sarin gas left from the Syrian military airfield that Trump ordered hit by Tomahawk missiles on April 6.
      The paper asserted that “we have signals intelligence and geospatial intelligence,” but then added that “we cannot publicly release all available intelligence on this attack due to the need to protect sources and methods.”
      I’m told that the key evidence was satellite surveillance of the area, a body of material that U.S. intelligence analysts were reviewing late last week even after the Trump-ordered bombardment of 59 Tomahawk missiles that, according to Syrian media reports, killed seven or eight Syrian soldiers and nine civilians, including four children.
      Quelle: Robert Parry auf Consortiumnews
  3. Trump nennt Nato “nicht länger obsolet”
    Bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg hat US-Präsident Trump seine Kritik revidiert, die Nato sei überholt. Die Allianz sei ein “Bollwerk” des Friedens – zugleich ermahnte er die Bündnispartner.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Ein „Bollwerk des Friedens“? Oh jeh. Aber wie schnell sich die Welt doch ändern kann. Noch vor einer Woche war Trump für SPON und Co. der Irre, der Spinner und der Unzuverlässige und nun ist er ein echter US-Präsident von bestem Schrot und Korn: Er bombardiert fremde Länder ohne sich um das Völkerrecht zu kümmern, huldigt der Spannungspolitik des Kalten Krieges und lässt die Europäer „mitspielen“.

  4. Michael Lüders nach Talkshow-Aussagen in der Kritik
    Der Blick in den Nahen Osten wird in der Politik-Berichterstattung regelmäßig und viel geworfen. Regelmäßig und viel sitzt zu diesem Thema auch der Nahost-Experte Michael Lüders auf den deutschen Talkshow-Sesseln. Nun ist der langjährige Beobachter und Berichterstatter über den Nahen Osten in die Kritik geraten und bezieht im Deutschlandfunk Stellung.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Jens Berger: Im Laufe des Tages erscheint auch auf den NachDenkSeiten ein exklusives ausführliches Interview mit Michael Lüders.

  5. Jean-Luc Mélenchon – das Geheimnis seines Erfolgs
    Die französischen Präsidentschaftswahlen haben einen neuen Star: Jean-Luc Mélenchon. Der alte Bekannte der französischen Politik setzt dabei auf neue Methoden – und kommt gerade bei Jungen an. […]
    Das ist Mélenchons Erfolgsrezept:

    • Moderne Technik: Mélenchon fasziniert viele Zuschauer mit High Tech. Bei Kundgebungen zeigt er sich mit Hilfe eines Hologramms, einer 3D-Projektion, an mehreren Orten gleichzeitig. Ausgerechnet das 65-jährige Urgestein unter den Kandidaten nutzt besonders innovative Wahlkampfmethoden.
    • Moderner Stil: Mélenchon hält seine Reden ohne Manuskript, locker läuft er über die Bühne und spricht seine Zuhörer direkt an. Auch das kommt vor allem bei jüngeren Wählern gut an. Bei Auftritten versammelt er Hunderttausende enthusiastische Anhänger, nach TV-Debatten überzeugt der charismatische und humorvolle Redner die Zuschauer mehr als seine Rivalen.
    • Moderne Medien: Mélenchon füttert ausgiebig die sozialen Netzwerke, seinen Blog und einen eigenen YouTube-Kanal, der 270 000 Abonnenten zählt. Für seinen rabiaten Umgang ist er bei Journalisten berühmt-berüchtigt, die er bisweilen als „faschistische Spione“ bezeichnet. Wenn möglich, umgeht er die klassischen Medien.
    • Radikale Positionen: Mélenchon fordert eine radikale Umverteilung von Wohlstand, eine Besteuerung bis zu 100 Prozent und eine Rückkehr zur Rente mit 60 auf Pump. Außerdem will er einen Total-Umbau der Institutionen. Mit einer vom Volk abgesegneten neuen Verfassung verspricht Mélenchon, die „Präsidenten-Monarchie“ abzuschaffen und das Parlament zu stärken. Dank einer „grünen Regel“ soll der Umweltschutz Vorrang bekommen. Außerdem will Mélenchon die „Rolle Frankreichs für den Frieden“ in der Verfassung festschreiben.
    • Kritik an der EU und an Deutschland: Mélenchon, der für seine Partei im EU-Parlament sitzt, steht der Europäischen Union skeptisch gegenüber, er will aus den europäischen Verträgen ebenso aussteigen wie aus der Nato. Sein Hauptgegner ist aber das konservative Deutschland. In seinem Buch „Bismarcks Hering – Deutsches Gift“ kritisierte er 2015 scharf das in seinen Augen übermächtige, unsoziale Nachbarland. „Maul halten, Frau Merkel!“, twitterte er nach einer Ermahnung aus Berlin um mehr Reformbemühungen.
    • Kritik am „System“: Mélenchon sagt, er habe „das französische Volk selten dermaßen orientierungslos gesehen“ – und meint den Wahlkampf, bei dem die traditionellen Volksparteien nur mit Mühe mobilisieren. Es sieht darin eine Chance, mit Kritik am „System“ und an den „Eliten-Kaste“ zu punkten. Er verspricht einen echten Wandel, ja eine Revolution.

    Quelle: Hannoversche Allgemeine

    Anmerkung Jens Berger: Man kann hier deutliche Parallelen zu Jeremy Corbyn und – natürlich ohne die EU-Thematik – auch mit Bernie Sanders feststellen.

    passend dazu: Frankreich: Linker Kandidat Mélenchon auf der Überholspur
    Frankreichs Präsidentschaftswahlen galten als entschieden, zumindest für die Medien schien es sicher, dass die Franzosen den neoliberalen Macron und die neofaschistische Le Pen in die Stichwahl wählen. Nach den letzten Umfragen scheint es, dass ein dritter Kandidat das Rennen um die Präsidentschaft aufmischen könnte, die Rede ist von Jean-Luc Mélenchon, dem Kandidaten der französischen Linken.
    Melenchon, der vor wenigen Wochen noch bei 11 Prozent lag, hat in allen Umfragen der letzten Tage massiv hinzugewonnen. Schuld an seinen starken Werten ist die letzte TV-Debatte aller französischen Präsidentschaftskandidaten, die Mélenchon für sich entscheiden konnte. Aus der Blitzumfrage, die nach der Debatte durchgeführt wurde, ging Mélenchon mit 25 Prozent klar als Sieger hervor und verwies Macron mit 21 Prozent auf Platz 2 und Le Pen auf die unteren Ränge. Sein Sieg in der Debatte sorgte infolgedessen auch für einen Anstieg in anderen Umfragen, nach denen er inzwischen bei 19 Prozent und somit nur 4 Punkte hinter Macron und Le Pen liegt. Wenn es um den beliebtesten französischen Politiker geht, dann liegt er sogar auf Platz 1, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. 38 Prozent der Franzosen kürten ihn zu ihrem Lieblingspolitiker, Le Pen und Macron liegen bei nur 25 Prozent.
    Quelle: Die Freiheitsliebe

  6. Armuts- und Reichtumsbericht
    1. So verharmlost die Bundesregierung die Kinderarmut
      Nun steht endgültig fest, wie die schwarz-rote Bundesregierung die soziale Lage in Deutschland bewertet. Am Mittwoch hat das Kabinett den Armuts- und Reichtumsbericht beschlossen – ohne die umstrittenen Passagen zum Zusammenhang zwischen Einkommensreichtum und politischen Entscheidungen, die im vergangenen Dezember für Aufregung gesorgt hatten.
      Auch ohne sie ist der Bericht durchaus ausführlich: Rund 650 Seiten umfasst allein der eigentliche Hauptteil, gefüllt mit teils bereits bekannten, teils eigens erhobenen Daten und Studienergebnissen. Vorangestellt ist eine 44 Seiten lange Kurzfassung. Hier finden sich die wichtigsten Befunde verdichtet, jeweils ergänzt um die Absätze “Was bereits getan wird” und “Was noch zu tun ist”. In dem Bericht werde nichts verschwiegen oder gekürzt, sagte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD).
      Trotz diesem Anspruch und der Fülle des Textes werfen Experten dem Bericht der Bundesregierung Leerstellen und Beschönigung vor – zumindest, was die Kinderarmut betreffe. Christoph Butterwegge spricht von einer “Verharmlosung der Finanznöte vieler Familien”. Der Armutsforscher steht der Linken nahe und trat vor Kurzem als deren Bundespräsidentschaftskandidat an. Dass er die soziale Lage grundsätzlich anders einschätzt als die Bundesregierung, ist also erst einmal keine Überraschung.
      Gesundheit, Wohnen, Bildung – arme Kinder sind deutlich benachteiligt
      Doch auch Butterwegge lobt durchaus, dass sich der Bericht der schwarz-roten Koalition ausführlich und umfassend mit Kinderarmut befasst. Tatsächlich ist vieles in dem Bericht stimmig und greift den aktuellen Stand der Armutsforschung auf: Auf 75 Seiten wird die existierende Kinderarmut nicht allein am fehlenden Geld, sondern an verschiedenen Dimensionen durchdekliniert, in denen sie den Alltag prägen – Besitz, Gesundheit, Wohnen, Gewalterfahrung, vor allem auch Bildung.
      Die zahlreichen Befunde im Bericht sind eindeutig: Arme Kinder haben nicht nur weniger Geld – sie

      • weisen auch deutlich häufiger psychische Auffälligkeiten auf,
      • sind deutlich häufiger übergewichtig oder gar fettleibig, […]

      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ehre, wem Ehre gebührt: in SPIEGEL-Sprache eine “Abrechnung”, und zwar wohlfundiert und mit Zahlen und Fakten unterlegt. Danke für die klaren Worte. Daß gleich der erste Kommentar die Lage noch stärker leugnet als die Bundesregierung (“Kinderarmut gibt es in Deutschland nicht. Weder müssen Kinder hungern, noch sind Kinder obdachlos. Die ärztliche Versorgung der Kinder ist gesichert, der Schulbesuch auch. Und die meisten Kinder haben sogar ein internetfähiges Handy.”, http://www.spiegel.de/forum/wirtschaft/armuts-und-reichtumsbericht-so-verharmlost-die-bundesregierung-die-kinderarmut-thread-590339-1.html#postbit_53956939 ), ist peinlich, aber zum Glück die Ausnahme.

    2. Zensiert und geschönt
      Kurz vor knapp hat die große Koalition ihren Armutsbericht fertig. Doch viel ist vom Ursprungsentwurf nicht übrig. Das Werk ist an entscheidender Stelle entschärft.
      Jede Regierung soll zur Mitte der Wahlperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen. So hat es 2001 der Bundestag beschlossen. Wie ihre schwarz-gelbe Vorgängerregierung ließ sich die seit Dezember 2013 regierende große Koalition damit aber sehr viel Zeit. Mit einer Rekordverspätung von anderthalb Jahren billigt das Bundeskabinett heute endlich das Dokument über die Lebenslagen in Deutschland.
      Was sich ebenfalls glich: Wieder wurden schon vor der endgültigen Ressortabstimmung zentrale Aussagen im ersten Entwurf des Berichts gestrichen, den das Arbeits- und Sozialministerium hatte erarbeiten lassen. Schon unter Schwarz-Gelb waren im Spätsommer 2012 nach einer Intervention des FDP-Wirtschaftsministers und Vizekanzlers Philipp Rösler mehrere Passagen des Ursprungsentwurfs getilgt oder abgeschwächt worden: Sie betrafen den ausufernden Niedriglohnsektor, die zunehmende Lohnspreizung und die extreme Schieflage der Verteilung des Privatvermögens. Das trug der Bundesregierung den Vorwurf ein, intern Zensur ausgeübt und den Bericht geschönt zu haben.
      Doch diesmal waren die Eingriffe noch gravierender. Auf Initiative des Bundeskanzleramts wurden im Ursprungsentwurf des von der Sozialdemokratin Andrea Nahles geführten Arbeits- und Sozialministeriums gleich mehrere Kernpunkte herausgenommen:

      • Es entfielen die theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Armut, Reichtum und (repräsentativer) Demokratie.
      • Ebenfalls gestrichen wurde das Unterkapitel “Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbyarbeit”.
      • Erheblich kürzer fiel die Darstellung des Ergebnisses einer Untersuchung aus, wonach die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung wesentlich höher ist, wenn diese von vielen Befragten mit höherem Einkommen unterstützt wird.

      Quelle: Christoph Butterwegge in der ZEIT

  7. Gratiswerbung für die AfD
    Mit seiner kontraproduktiven Austeritätspolitik verspielt Wolfgang Schäuble international seinen Ruf. In Deutschland stärkt er die euroskeptische AfD.
    Es ist erstaunlich: Die Union macht den gleichen Fehler zweimal. Wieder stärkt sie kurz vor einer Bundestagswahl die AfD – indem sie die Eurokrise katastrophal managt. Statt diplomatisch hinter den Kulissen zu agieren, wird jeder Konflikt mit den Euro-Krisenländern lustvoll inszeniert. Vor allem Griechenland wird permanent gegängelt.
    Bei den Wählern muss sich der Eindruck aufdrängen, dass der Euro nicht funktioniert, was Gratiswerbung für die AfD ist. Sie hat einst als Anti-Euro-Partei begonnen, und seitdem die „Flüchtlingskrise“ eher undramatisch wirkt, kommt das alte Thema sehr gelegen.
    Besonders schön für die AfD: Das Thema Eurokrise wird garantiert nicht verschwinden, denn Finanzminister Schäuble hat sich in eine Falle manövriert. Er möchte unbedingt, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an den Rettungsprogrammen für Griechenland beteiligt. Gleichzeitig will er aber einen Schuldenschnitt vermeiden, den der IWF schon seit Jahren fordert. Denn für alle Experten ist offensichtlich, dass Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlen kann.
    Quelle: Ulrike Herrmann in der taz
  8. Dossier “Wachsende Ungleichheit”
    Eine der wichtigsten Debatten sollte sich um die Fragen drehen: Warum wächst trotz Wachstum die Schere zwischen Arm und Reich? Warum steigt die Zahl von Kindern, die in Armut aufwachsen, von Senioren, die von Altersarmut bedroht sind, obwohl Deutschland so reich ist?
    Mit dem Dossier “Wachsende Ungleichheit” möchte ich Fakten aufführen, Anstöße geben und mithelfen, das Thema der sozialen Gleich- bzw. Ungleichheit in Deutschland endlich ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung zu befördern.
    Quelle 1: Marco Bülow, MdB/SPD
    Quelle 2: Wachsende Ungleichheit
  9. Der Bund spart am Nahverkehr
    Berlin hatte zusätzliche Millionen für Bus und Bahn in Aussicht gestellt – daraus wird nun doch nichts. Im Gegenteil, trotz zusätzlicher Nutzer sollen die Mittel in den kommenden Jahren gedeckelt werden.
    Das Statistische Bundesamt vermeldete gerade einen neuen Rekord: Fast 11,4 Milliarden Menschen stiegen vergangenes Jahr in öffentliche Verkehrsmittel – so viele wie nie zuvor. Und es könnten noch mehr werden. Fast die Hälfte der Autofahrer, die mit dem Wagen zur Arbeit kommen, kann sich einer aktuellen Studie des Umweltministeriums zufolge vorstellen, auf Busse und Bahnen umzusteigen. In den Städten löst das derzeit allerdings mehr Sorgen als Freude aus. Denn beim Zuzug der Bevölkerung hält die Infrastruktur vielerorts nicht mit. Dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge bräuchten Kommunen etwa vier Milliarden Euro mehr, um ihre Nahverkehrssysteme etwa mit zusätzlichen Linien wieder flott zu bekommen. Die Bundesregierung gestand gravierende Probleme ein und kündigte schon vor Monaten an, Abhilfe zu schaffen. In Zukunft solle mehr Geld aus Berlin in den Nahverkehr fließen. Doch eine erhoffte Finanzspritze bleibt aus. Für Frust bei Stadtplanern und Verkehrsexperten sorgt derzeit ein regelrechtes Wortungetüm: Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Noch im November hatte der zuständige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann, unter Verweis auf die steigenden Nutzerzahlen im Nahverkehr auch höhere GVFG-Zahlungen in Aussicht gestellt. Der Betrag von derzeit etwa 330 Millionen Euro, den der Bund jährlich für Großprojekte im Rahmen des GVFG zur Verfügung stellt, solle aufgestockt werden. Inoffiziell war die Rede von 70 Millionen Euro mehr. Keine Riesensumme und trotzdem eine fast historische Zäsur in der deutschen Verkehrspolitik: Denn seit 1997 hat der Bund diese Zahlungen für den Nahverkehr nicht erhöht.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers J.S.: Skandalös – viele Großstädte stehen vor dem Autokollaps, der Bund gibt Milliarden und Abermilliarden für Autobahnen. Ökonomisch, ökologisch, gesundheitlich etc. sinnvolle Alternativen zum mobilen Individualverkehr werden kaputtgespart. Insofern es auch viele Menschen gibt, die sich gar kein Auto leisten können, ist dies auch ein massives Gerechtigkeitsproblem.

  10. Der Bauer in der technologischen Tretmühle
    Ohne Bauern keine Landwirtschaft – doch die Landwirte befinden sich in der Krise: Der technologische Fortschritt erhöht das Pensum, senkt aber die Umsätze. Das stellt insbesondere kleine Betriebe vor die Existenzfrage.
    In derLandwirtschaft vollzieht sich ein rasanter Strukturwandel. Acker und Stall werden nach und nach zum Hightech-Sektor. Die Bauern jedoch stecken in der “technologischen Tretmühle”. Produktivitätsfortschritte führen zu mehr Produktion, mehr Produktion führt zu sinkenden Preisen, von denen die Verbraucher profitieren. Die Landwirte aber verdienen unterm Strich weniger. Und können ihre Einnahmeverluste nur durch eine Steigerung der Produktion ausgleichen.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  11. Europas fatale Abhängigkeit von Microsoft
    Alle europäischen Staaten nutzen Software von Microsoft für ihre Verwaltungen – und geraten immer tiefer in die Abhängigkeit des US-Konzerns. Warum das technisch und politisch höchst riskant ist.
    Wenn der Münchner Stadtrat tagt, dann interessiert das meist kaum jemanden jenseits der Stadtgrenze. Aber an diesem Tag im Februar ist alles anders. Die Presse- und Zuschauerbänke im großen Saal des prächtigen neogotischen Rathauses sind bis auf den letzten Platz besetzt. Wer keinen Platz findet, steht in den Gängen. Abgeordnete berichten von E-Mails und Medienanfragen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland.
    Der Anlass ist scheinbar rein technisch. Zehn Jahre lang haben Fachleute daran gearbeitet, das EDV-System der Stadt auf freie und offene Software umzustellen. Die teuren Programme des US-Konzerns Microsoft kommen nur noch für Ausnahmen zum Einsatz. Das hat nicht nur einen zweistelligen Millionenbetrag an Lizenzkosten gespart, sondern das System auch sicherer gemacht – „ein großer Erfolg“, wie die Stadtregierung 2014 bekannte. Doch nun wollen Oberbürgermeister Dieter Reiter und seine große Koalition aus SPD und CSU mit allen 24 000 Bürorechnern der Stadt zurück zu Microsoft.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Die Welt braucht Abrüstung – Mehr Rüstung kann weder aktuelle noch zukünftige Probleme lösen!
    Erklärung des Willy-Brandt-Kreises zur aktuellen Diskussion um Aufrüstung in der NATO
    Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde im Februar 2017 wiederholt die Notwendigkeit unterstrichen, dass jedes NATO-Mitglied 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Rüstung und Militär ausgeben sollte. Für Deutschland käme dies fast einer Verdopplung des Verteidigungs- etats gleich.
    Wir halten dieses von der Trump-Administration ultimativ geforderte Ziel für falsch. Neu auf- gelegt wurde dieses Ziel auf dem NATO-Gipfel von Wales 2014 unter dem Eindruck der Uk- raine-Krise und begründet als Reaktion auf und Schutz vor Russland. Als Antwort auf Russland ist eine außerordentliche Erhöhung der westlichen Rüstungsanstrengungen jedoch schwer nachvollziehbar, sieht man sich die aktuellen Zahlen der Rüstungsetats an. Laut SIPRI 2016 gaben die USA 2015 etwa das 10-fache für Militär aus als Russland – und das seit Jahren. Die Verteidigungsetats der drei wichtigsten europäischen NATO-Partner sind allein mehr als dop- pelt so hoch wie der Russlands.
    Quelle: Willy-Brandt-Kreis

    Anmerkung Albrecht Müller: Lektüre empfehlenswert.

  13. Die Neuen Händler des Todes
    Die wenig erzählte Geschichte von privaten Söldnerfirmen ist eine Geschichte über alles durchdringende Korruption, über die Ausnutzung des selbstgeschaffenen Chaos eines unendlichen „Kriegs gegen den Terror.“ Sie handelt von Kriegsverbrechen und der schrittweisen Aushöhlung der Demokratie. Soziale Bewegungen sollten private Söldnerfirmen daher ins Zentrum ihrer breiteren Kritik am autoritären Neoliberalismus und der permanenten amerikanischen Kriegsökonomie stellen.
    Quelle: Die Freiheitsliebe
  14. Saudi-Arabien: 200 Millionen US-Dollar täglich für den Krieg im Jemen
    Das WFP bräuchte etwa das Fünffache für den Rest des Jahres gegen die Hungersnot. Die Spendenbereitschaft der kriegführenden Länder ist gering
    Über die genauen Kosten der 59 Tomahawk-Marschflugkörper, die am 6. April auf den syrischen Militärflughafen abgefeuert wurden, gibt es unterschiedliche Angaben. Manche beziffern die Kosten auf 1 Million Dollar pro Rakete. Im Budget der Navy schlagen die neuesten Versionen mit 1,5 Millionen US-Dollar zu Buche.
    Nimmt man den niedrigeren Preis, obwohl die älteren Raketen wahrscheinlich durch neuere Modelle ersetzt werden, so kommt man bei einer konservativen Schätzung auf materielle Gesamtkosten des Luftangriffs von etwa 60 Millionen Dollar.
    Das liegt rund 7 Millionen Dollar unter der Jemen-Hilfe, wie sie das “Geber-Profil USA” des Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) für das Jahr 2017 ausweist. Die Supermacht stellt demnach in diesem Jahr 66.865.626 Dollar für “sofortige, umfassende und nachhaltige Hungerhilfe” im Jemen zur Verfügung.
    Quelle: Telepolis
  15. Der junge Karl Marx – Eine Inspiration im Kino
    Regisseur Raoul Peck hat sich an das Portrait eines Mannes gewagt, dessen Ideen die Welt verändert haben,die Rede ist von Karl Marx. Marx hat mit dem „Kommunistischen Manifest“ und dem „Kapital“ der Welt Bücher hinterlassen, die bis heute hunderte Millionen inspirieren und den Weg in eine Zukunft zeigen ohne Armut und Ausbeutung.
    Ein junger Mann, der sich nicht nur mit den staatlichen (preußischen) Autoritäten anlegt, sondern auch mit den bewunderten Lichtgestalten der jungen Arbeiterbewegung wie Proudhon oder auch seinen vorsichtigen Journalisten-Kollegen bei der „Rheinischen Zeitung“. Der Film beschäftigt sich mit dem jungen Karl Marx (August Diehl) in den Jahren vor der Revolution von 1848, einem feurigen Revolutionär und damals schon genialen Denker.
    Quelle: Die Freiheitsliebe

    dazu: Die Geschichte eines Trios, das die Welt veränderte – Im Gespräch mit Raoul Peck
    Es hat lange gedauert, aber endlich ist es da: Das Interview mit Raoul Peck, Regisseur und Produzenten von „Der junge Karl Marx„. Wir haben ihm wichtige Fragen gestellt: Sind Marx Analysen heute noch aktuell? Gibt es Klassen? Und wie kommt es, dass Jenny Marx im Film so prominent vertreten ist?
    Quelle: Die Freiheitsliebe

  16. Eine Leserzuschrift zu unseren gestrigen Hinweis #4 (Obama auf dem Kirchentag)
    dazu schreibt uns unser Leser Thomas Konradt: In den Hinweisen des Tages heute unterstellen Sie der evangelischen Kirche in Ihrer Kommentierung des Berichts über den Auftritt des ehemaligen Präsidenten der USA Barack Obama beim Kirchentag im Mai, ein im Rahmen des üblichen liegendes Honorar von 250.000 $ zu zahlen und fordern Kirchenmitglieder wegen einer solchen Verwendung von Kirchensteuergeldern zum Austritt auf.
    Nach der Berichterstattung meiner lokalen Tageszeitung, dem Kölner Stadtanzeiger, aber tritt Barack Obama ohne Gage auf. Haben Sie, lieber Herr Berger, hier wirklich sauber recherchiert oder instinktiv aus der Hüfte geschossen?
    Im Übrigen halte ich – wie der von Ihnen zitierte Leser – die Einladung von Obama in der Tat für skandalös.
    Es ärgert mich, dass Amtsträger der Kirche wie Herr Bedford-Strohm durch ihr Reden und Tun immer wieder Beleg dafür sind, dass die Kirche als Institution Staatskirche ist, die der Stabilisierung bestehender politischer Verhältnisse dient und sich den politisch Mächtigen andient.
    Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass hier wenige Tage nach bedeutenden Landtagswahlen und unmittelbar vor Beginn der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes der Kirchentag der Bundeskanzlerin ein bedeutendes und weit beachtetes Forum bietet. Das angekündigte Thema des Spannungsverhältnisses zwischen aus dem christlichen Glauben geborenen Idealen einerseits und den Notwendigkeiten der Realpolitik andererseits, lässt zudem ein Reinwaschen für die “Realpolitik” der Bundeskanzlerin erahnen wie wir es ja bereits im Zusammenhang mit dem Türkei-Deal durch die Parteinahme für Frau Merkel durch Herrn Bedford-Strohm erleben mussten. Und ein solches ‘Sich gemein machen’ mit den Mächtigen durch einen Kirchenmann ist für mich in der Tat ein Skandal.
    Es ist mir aber auch wichtig zu betonen, dass die evangelische – wie auch natürlich die katholische – Kirche in ihren Gemeinden und Institutionen Herausragendes im diakonischen und seelsorgerlichen Bereich leisten und wichtige Beiträge liefern, was das Wirken des Menschen individuell und in Gemeinschaft in und für die Welt (Polis) ausmacht.
    Ohne dieses Engagement von Menschen in der Kirche wäre unsere Gesellschaft um einiges ärmer und kälter. Und deswegen werde ich, lieber Herr Berger, Ihrer Aufforderung, aus der Kirche auszutreten auch nicht Folge leisten. Stattdessen werde ich mich verstärkt damit beschäftigen, was ich persönlich tun kann, um den Bedford-Strohms in der Kirche nicht das Feld zu überlassen.

    Es grüßt Sie herzlich,
    Thomas Konradt

    PS: Sollte Obama tatsächlich wie vom Kölner Stadtanzeiger berichtet ohne Gage auftreten, wäre die Frage nach seinem Motiv für den Auftritt doch sicher eine eigene Recherche wert, oder ?

    Anmerkung Jens Berger: Herr Konradt hat natürlich Recht.

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