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Strategien der Meinungsmache

Wer über viel Geld oder/und publizistische Macht verfügt, versucht die politischen Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen. Durch Lobbyarbeit und durch Meinungsmache. Meinungsmache wird strategisch und professionell geplant. Die NachDenkSeiten beschreiben und analysieren solche Strategien.

Forsa-Umfrage: Mehrheit der Bundesbürger lehnt Kurswechsel der SPD nach links ab. Aber: Die SPD hätte mit einem Kurswechsel deutlich bessere Wahlchancen.

Google meldet in diesem Augenblick weit über 300 Einträge, in denen die Botschaft verkündet wird, dass eine Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen einen Kurswechsel der Sozialdemokraten nach links ablehnt. 37 Prozent sind dafür. Dass das immerhin 9 Prozent mehr sind, als die SPD gegenwärtig wählen würden (nämlich nur noch 28 Prozent), bleibt allerdings in der Berichterstattung unerwähnt. Die Schlagzeilen könnten auch lauten: Die SPD hätte mit einem Kurswechsel nach links deutlich bessere Wahlchancen.

Ein Befreiungsschlag für die neoliberale Ideologie – und für Schröder persönlich

Seit gestern Abend denke ich darüber nach, was die strategischen Überlegungen von Schröder und Müntefering sein könnten, wenn sie für den Herbst Neuwahlen vorschlagen. Auch beim bestem Willen kann ich nicht erkennen, dass dieser Coup unserem Land oder der SPD helfen könnte. Die „geniale Vorwärtsverteidigung” (Politologe Falter) hilft allenfalls Gerhard Schröder, dann aber bestimmt der Union und FDP und vor allem der neoliberalen Bewegung. Sie ist der wahre Gewinner dieses angeblichen Befreiungsschlags; sie muss den fälligen Bankrott ihrer politischen Konzepte nicht erklären, im Gegenteil, für sie besorgt der Gerhard Schröder ein neues Votum für die nächsten vier Jahre. Der Union und der FDP macht er damit das Bett. Und einer kommenden Oppositionspartei SPD nimmt Gerhard Schröder die Chance, die dann von Angela Merkel betriebene konservative Fortsetzung der neoliberalen Reformen grundsätzlich in Frage zu stellen und zu kritisieren.

Mit vorgezogenen Neuwahlen will Schröder davon ablenken, dass er für den historischen Niedergang der SPD verantwortlich ist

Das Wunder blieb aus. Die SPD erzielt mit 37,1 Prozent in NRW ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 50 Jahren; mit 5,7 Prozent ist sie so weit abgestürzt wie noch bei keiner Landtagswahl. Die SPD ist mit ihrem Agenda-Kurs an der Mehrheit der Bevölkerung auf ganzer Linie gescheitert. Schröder hat seine Partei bundesweit an die Wand gefahren. Um zu verhindern, dass seine Person und sein Kurs von seiner Partei in Frage gestellt wird, zwingt er wie ein politischer Hasardeur Rot-Grün in vorgezogene Neuwahlen im Herbst dieses Jahres. So hofft er, bei einer voraussehbaren Niederlage der SPD auch noch im Bund sein persönliches politisches Scheitern auf seiner Partei abladen zu können.

“Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!”

Wenn Neoliberale nicht mehr weiter wissen, wenn man ihnen nachweist, dass ihre Theorie versagt hat und sie unser Land mit ihren Reformen ruinieren, aber sie trotzdem die öffentliche Meinung beherrschen, weil sie mit viel Geld und in bestens geschmierten Netzwerken Meinung machen, dann kommt regelmäßig der Vorwurf: „Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!“ So erging es mir wieder einmal in der Phoenix-Runde vom 10.5.05. Dem Historiker Paul Nolte fiel nur noch dieser Notnagel ein. Mit dem Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ sollen diejenigen, die auf ideologische Zusammenhänge, auf die systematische und geplante Zusammenarbeit und Propaganda neoliberaler Kräfte oder gezielte und koordinierte Strategien zur Durchsetzung ihrer Ideologie hinweisen, als unseriös oder gar als obskur verunglimpft werden.
Glücklicherweise gibt es immer mehr und neue Belege dafür, wie systematisch die Ausbreitung der neoliberalen Ideologie und Politik betrieben wird. Ein aufmerksamer Nutzer der NachDenkSeiten hat uns auf ein weiteres gutes Beispiel aufmerksam gemacht, auf den radikal neoliberalen Vorposten der USA in Europa: die Slowakei.

Bundespräsident Köhlers „Begabung zur Freiheit“ der Vereinfachung

In seiner Rede zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs kehrt Horst Köhler die von Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zurecht gerückte Reihenfolge von Ursachen und Folgen dieses Krieges wieder um. Weil er nicht nach Anfang und Ausgang von Unrecht fragt, ist es für ihn nur „gerecht gegen alle Völker“, wenn wir „um alle Opfer“ gleichermaßen trauern.
Um über den „Ruin der Jahre 1933 bis 1945 hinauszukommen“, müssten wir nur „unser Land in seiner ganzen Geschichte“ sehen und erkennen „an wie viel Gutes wir anknüpfen konnten“. So einfach kann man über den Nationalsozialismus hinweg kommen.
Wie man allerdings am Tag der Befreiung Deutschlands durch andere Völker, den Deutschen eine „eigene Begabung zur Freiheit“ attestieren kann, das grenzt an Hochmut.

Über Methoden, mit denen Neoliberale die Säuberung des DIW von nachfrageorientierten Ökonomen rechtfertigen

Am 16. April 2005 berichtet die Berliner Zeitung über die Evaluation des DIW durch die Leibniz-Gesellschaft. Hohes Lob erfährt der neue Chef des Instituts, Klaus F. Zimmermann. Er hat es geschafft, das früher schon mal vom Mainstream der Wirtschaftsforschungsinstitute abweichende DIW inzwischen in die neoliberale Phalanx einzureihen. Geradezu niedergemacht wird in dem Beitrag der von Zimmermann unter massiver öffentlicher Kritik gefeuerte frühere Chef der Konjunkturabteilung, Gustav Horn, ein eher nachfrageorientierter Wirtschaftsforscher. Erstaunlich ist, dass der Prüfbericht nebst einer Abqualifizierung von Horn durch Zimmermann der Berliner Zeitung offenbar schon vorlag, bevor ihn die Mitarbeiter des DIW einsehen oder gar dazu Stellung nehmen konnten. Die NachDenkSeiten sind diesem Wissenschaftler-Mobbing einmal nachgegangen.

Die neoliberalen Stiftungen sehen eine Chance, ihren politischen Einfluss zu stärken

Die Bertelsmann Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Stiftung Marktwirtschaft und die Friedrich-Naumann-Stiftung haben eine Studie unter dem Titel „Bildungspolitik im föderativen System und internationaler Einfluss“ veröffentlicht. Sie sehen in der „Lagerauseinandersetzung“ zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik ein Einfallstor, um ihren politischen Einfluss weiter zu stärken.

Strategiewechsel der meinungsführenden Reformer

In den letzten Tagen zeichnet sich ein Strategiewechsel bei einigen herausragenden Reformern ab: Um den Jahreswechsel setzten sie noch auf den Erfolg der propagierten Reformen und lobten Gerhard Schröder für dessen Standhaftigkeit. Jetzt wird Rot-Grün als gescheitert dargestellt. So dreht man es hin, um nicht zugeben zu müssen, dass die Reformpolitik keine Erfolge gehabt hat. Nicht Rot-Grün als Idee eines Paktes von sozialem und ökologischem Engagement ist gescheitert; gescheitert ist die Reformagenda und die darin sichtbare Anpassung von Rot-Grün ans konservative Lager.

Unternehmenssteuerreform: „Eine halbe Wahrheit ist häufig eine große Lüge“

Dieses Zitat von Benjamin Franklin trifft die Debatte um die Senkung der Unternehmenssteuer, wie sie im Vorfeld des „Jobgipfels beim Bundeskanzler“ vor allem von Seiten der Unternehmensverbände und der Union geführt wird.
Diese verweisen penetrant auf den nominalen deutschen Steuersatz für Kapitalgesellschaften von rd. 38%, der deutlich über dem EU-15-Durchschnitt von 31% und doppelt so hoch wie im Durchschnitt der 10 neuen EU-Ostländer liegt.
Über die tatsächlich bezahlte (effektive) Steuerbelastung aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in Deutschland von 21% bei einem EU-Durchschnitt von 30% schweigt sich die Steuersenkungslobby aus.
Eine nominale Senkung der Unternehmenssteuersätze bedeutete nur: „Wer bisher viel bezahlt hat, zahlt dann weniger, wer bisher nicht bezahlt hat, zahlt weiterhin nichts.“ (Jarass) D.h. noch höhere Gewinne und noch weniger Steuereinnahmen für öffentliche Investitionen und noch weitere Senkungen der Sozialleistungen.
Einen Vorschlag [PDF – 139 KB], wie ein derart unsinniges Ergebnis vermieden werden könnte, macht der Steuerexperte Lorenz Jarass, der derzeit an der Stanford Universität in den USA lehrt.

„Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs“

Diesen Titel trägt der neueste Essay von John Kenneth Galbraith, in dem er viele Beispiele für den „Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft“ abhandelt. Der 97-jährige Galbraith, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler, kommt zu dem Schluss, „dass die wahren Verhältnisse auf keinem anderen Gebiet durch soziale oder auf Gewohnheit beruhende Präferenzen sowie materielle Individual- und Gruppeninteressen derart verschleiert werden wie in der Ökonomie und der Politik.“

Nutzen Sie den Vorgang DIA zur Aufklärung!!!

Im vor-vorigen Tagebucheintrag („Undercover-Arbeit…“) wies ich daraufhin, wie die Lobby für die Privatvorsorge-Interessen arbeitet. Als ich heute früh meine Regionalzeitung „Die Rheinpfalz“ aufschlug, fand ich bestätigt, was sich bei SPIEGEL ONLINE abzeichnete: Auf der ersten Seite steht die Headline „Die Deutschen werden länger arbeiten müssen – Institut bezeichnet gesetzliche Altersvorsorge als unzureichend ..“ Im Text wird Miegel als „Rentenexperte“ ausführlich zitiert.