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Agenda 2010

Bahnstreik – Die Bundesregierung legt die Republik lahm

Ab heute weitet sich die nunmehr achte Runde im Arbeitskampf der Eisenbahner auch auf den Personenverkehr aus und man darf getrost davon ausgehen, dass auch in dieser Streikrunde für die allermeisten Medien der „Schuldige“ bereits feststeht: GDL-Chef Claus Weselsky. Doch so einfach ist es nicht. Schaut man ein wenig hinter die Kulissen, entdeckt man schnell, dass es vielmehr die Deutsche Bahn AG ist, die durch ihre Blockadehaltung ein Ende des Arbeitskampfs verhindert. Dabei wird sie ganz maßgeblich vom Bund unterstützt, der die DB AG zu 100% besitzt. Für die Arbeitgeberseite ist dies eine großartige Gelegenheit: Die Bundesregierung will ihr Gesetz zur Tarifeinheit noch in diesem Sommer durchboxen und die Deutsche Bahn spielt auf Zeit, um mithilfe dieses Gesetzes die kämpferische GDL de facto handlungsunfähig zu machen. Dies ist nicht nur ein dreister Eingriff in die Tarifautonomie, sondern auch ein Angriff auf das Grundgesetz. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die unsoziale Lage der Jugend im Land

„Deutschland geht es so gut wie nie zuvor“, lässt die Regierung verlauten. Das Land strotze nur so vor Wirtschaftskraft, Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Auftretende Probleme hätten ihre Ursachen daher niemals „im System“, sondern stets in den Betroffenen selbst. Sie lebten einfach bereits zu lange im Überfluss und litten daher an verfehltem Anspruchsdenken, wiesen individuelle „Vermittlungshemmnisse“, „Passungsprobleme“ oder gar grundsätzliche Defizite in Bezug auf ihre „Ausbildungsreife“ sowie „Disziplin, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft“ auf. Eigentlich sei alles bestens im Land – zumindest, sieht man von dessen furchtbaren Einwohnerinnen und Einwohnern einmal ab. Doch stimmt das auch? Zur sozialen Lage von Jugendlichen jenseits solch würdeverletzend-euphemistischer Verteidigungsrhetorik sprach Jens Wernicke mit Helmut Weick, Mitinitiator verschiedener Bündnisse gegen Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit sowie der Kampagne für ein Grundrecht auf Ausbildung.

“Kanadas Einwanderungsprogramme degradieren Menschen zu Arbeitsrohstoffen”

Lucio Castracani

Migration ist nicht nur mit gesellschaftlicher Ausgrenzung, sondern auch mit Arbeitsausbeutung der Eingewanderten eng verbunden. Extreme Beispiele in diesem Zusammenhang finden sich in der deutschen Fleischindustrie und in der Landwirtschaft Süditaliens und Südspaniens. Die Ausbeutung immigrierter Arbeiter ist allerdings keineswegs nur ein europäisches Phänomen. Dies zeigt das nachfolgende Interview mit Lucio Castracani [*] zur Lebens- und Arbeitssituation temporärer Arbeitsmigranten (Wanderarbeiter) in Kanada. Das Interview führte Patrick Schreiner.

Renzi macht den Schröder: Zu den aktuellen Arbeitsmarktreformen in Italien

Griechenland hat sich eine Regierung gewählt, die nach Jahren der Austeritäts- und Kürzungspolitik um einen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurswechsel streitet. Neben den geradezu dramatischen Ereignissen in Athen und Brüssel vor und nach der Wahl scheint Italien etwas aus dem Blickfeld geraten zu sein. Dabei setzt das größte Land Südeuropas, seit Jahren in der Krise, gerade umfassende neoliberale Reformen am Arbeitsmarkt um. Es bleibt damit bei jener Strategie, die darauf setzt, mit Deregulierung und Deflationsstrategien aus der Krise zu kommen. Aus dem Versagen solcher Rezepte in Griechenland, aber auch in Spanien und Portugal scheint die Regierung unter Ministerpräsident Matteo Renzi ebenso wenig gelernt zu haben wie aus den fatalen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, die diese regelmäßig zeitigen. Von Patrick Schreiner[*].

Sprechen wir doch mal über die Zuwanderung

Die SPD will es wissen. In ihrem neuen Entwurf für ein „Einwanderungsgesetz“ wollen die Sozialdemokraten auf eine Punktesystem und Quoten setzen – eine offensichtliche Anlehnung an das viel zitierte kanadische Modell. Damit will man dem demografischen Wandel trotzen und den vermeintlichen Fachkräftemangel entschärfen. Obgleich ein modernes Einwanderungsgesetz sicherlich notwendig ist, verfolgt die SPD dabei einen mehr als fragwürdigen Ansatz. Nach ihren Vorstellungen soll nicht die Gesellschaft, sondern die Wirtschaft bestimmen wer einwandern darf. Damit spielt man – wahrscheinlich ohne dies zu wollen – jedoch nur den Rechtspopulisten in die Hände. Heute ist es wichtiger denn je, das Thema „Einwanderung“ offen zu diskutieren. Denn wer die Debatte der Wirtschaft und den Rechten überlässt, braucht sich nicht zu wundern, wenn man Ende nichts Gescheites dabei herauskommt. Von Jens Berger.

Rezension des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge

Vor kurzem hörte ich in einem Beitrag des Deutschlandfunks, dass sich die sozialistische Regierung Frankreichs bei ihren Reformbemühungen an der deutschen Agenda 2010 zu orientieren sucht und deshalb mit deutschen Sozialdemokraten in Kontakt steht, vor allem auch bezüglich der Frage, was sie heute anders machen würden. Um sich möglichst umfassend zu informieren, was die sozialen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen des deutschen Reformwerks sind, dessen Kern die Hartz IV-Gesetzgebung darstellt, sei den französischen Sozialisten die Lektüre des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge empfohlen. Doch nicht nur ihnen. Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre jedes an Sozialpolitik interessierten Bürgers unseres Landes und insbesondere jedes Politikers werden, der unsere Sozialgesetzgebung mit zu verantworten hatte, hat oder haben wird. Von Friederike Spiecker.

Die Hartz-IV-Ideologie

Hartz IV hat Geburtstag, doch zu feiern gibt es nichts. Für die Kritiker ist dieser „Jahrestag“ vor allem Symbol für das zehnjährige Bestehen einer neuen Art von Untertanenstaat, welcher für die gegenwärtige Zunahme autoritärer, rechtsextremer und antidemokratischer Tendenzen maßgeblich mitverantwortlich und zudem per se menschenfeindlich organisiert ist. Doch warum gibt es so wenig Widerstand? Warum lassen sich die Betroffenen „so viel“ gefallen? Wie wirkt und organisiert sich die neoliberale Ideologie, auf dass sie sich als „Denkgift“ in den Köpfen und Herzen der Menschen realisiert? Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit Manfred Bartl.

Flexible Arbeitsmärkte senken die Produktivität und verhindern Arbeitsplätze

Angeführt von der deutschen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat die Eurogruppe auf ihrer Position beharrt, auch die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras (SYRIZA) müsse sich zu “Strukturreformen” bekennen und diese weiterführen. Zu solchen “Reformen” gehört regelmäßig auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Die dümmlich-neoliberale Halsstarrigkeit von Schäuble und Co. ist deshalb Anlass genug, auf einen wesentlichen Zusammenhang hinzuweisen: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts erhöht nicht die Produktivität (und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) von Unternehmen und Volkswirtschaften, sondern senkt sie sogar. Und sie verhindert die Schaffung von Arbeitsplätzen. Von Patrick Schreiner.

Streikrecht verteidigen – Politischen Streik erkämpfen

Der Druck wird stärker: Das Tarifeinheit-Gesetz rückt näher. Die Stimmungsmache gegen die Streikenden und deren Recht auf Arbeitsverweigerung wird forciert. Riesige gesundheitliche Folgen und kaum verkraftbare Schäden werden von Sachverständigen zusammenfantsiert. Da muss jedem einleuchten, dass das mit der Streikerei so nicht weitergehen kann. – Jetzt bereitet die CSU einen neuen Angriff vor. Zusammengefasst von Hermann Zoller.

Post will Tausende von Jobs mit niedrigeren Löhnen schaffen

So verkündet die Post ihre „frohe Botschaft“ in der Hoffnung von ihrer skandalösen Vorgehensweise abzulenken: „Die Deutsche Post DHL wird in den kommenden Jahren mehrere tausend neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Bis 2020 rechnet der Konzern aufgrund des nachhaltig anhaltenden Wachstums im Paketgeschäft mit einem Mehrbedarf an Arbeitskräften im Umfang von bis zu 10.000 neuen Stellen im Bereich der Paketzustellung. Bis 2025 könnten es sogar 20.000 neue Arbeitsplätze sein.“ Hinter die Kulissen schaut Hermann Zoller

Hartz von unten

Seit 10 Jahren besteht die sog. Hartz-Gesetzgebung. Verbunden damit sind u.a. neue Strukturen und Prozesse – sie betreffen sowohl die Erwerbslosen als auch das Personal in den ehemaligen Arbeitsämtern, die zu Agenturen für Arbeit umgewandelt worden sind.
Der folgende Text schildert den Umgang mit diesen neuen Strukturen und Prozessen aus Perspektive einer erwerbslosen Person. Erfahrungsbericht eines Betroffenen.

10 Jahre Hartz IV – Die Weihnachtskarte, ein dickes Danke und eine Warenkorb-Studie zu den Regelsätzen

Unlängst versandte die Bundesagentur für Arbeit an Parteien, Fraktionen und Abgeordnete eine Weihnachtskarte mit der Aufschrift „10 Jahre Hartz IV“. Darauf zu lesen waren die Lorbeeren, die Sahnestückchen, ja das Fruchtfleisch, aus dem Hartz IV aus der Sicht seiner Macher zu bestehen scheint.

„10 Jahre Hartz IV- 12.000.000 mal haben Menschen einen Arbeitsplatz gefunden – 200.000.000 mal wurde mit Menschen über ihre Zukunft gesprochen – 1.200.000 Menschen sind weniger in der Grundsicherung …“

… dafür beziehen 4.394.451 Menschen Arbeitslosengeld II und müssen ein Leben am oder gar unter dem Existenzminimum führen. Weiß Gott keine frohe Botschaft zum Weihnachtsfest. Von Jens Berger.

Literatur der Arbeitswelt

Der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt wurde Ende der sechziger Jahre mit dem Ziel ins Leben gerufen, die bis dahin in den Medien weitgehend vernachlässigte industrielle Arbeitswelt zum Gegenstand von Literatur zu machen. Ziel war nicht die abstrakte Darstellung der kapitalistischen Verhältnisse – das gab es zu dieser Zeit zuhauf in den studentischen Zirkeln, die sich mit der Politischen Ökonomie von Marx auseinandersetzten – sondern die Beschreibung der betrieblichen Arbeitsverhältnisse als Mittel der subjektiven Bewusstmachung, als allgemeine Informationsquelle und als Ausgangsanalyse für objektive Veränderung. Die Beschäftigten selbst sollten – als Experten ihrer Arbeitssituation – motiviert werden, über die Zustände in ihren Betrieben zu berichten. Die Arbeitswelt zum Thema zu machen: damit verfolgten die Initiatoren und Teilnehmer der Werkkreise von Anfang an den Zweck, Öffentlichkeit herzustellen über diesen Bereich der unterschlagenen Wirklichkeit (Negt). So gesehen verstanden sie ihr Engagement als einen Beitrag zur Demokratisierung der Literatur hinsichtlich ihrer tradierten Produktions- und Rezeptionsformen und zur Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, weil Themen und Wirklichkeitsausschnitte öffentlich gemacht wurden, die ansonsten kaum thematisiert wurden und in vielen Fällen sogar der Geheimhaltung unterlagen. Von Joke Frerichs.

Ohne Existenzminimum geht nichts – für niemanden!

Dass das Geld zum Leben nicht reicht, ist sowohl Hartz IV-Empfängern als auch Erwerbstätigen unterer Einkommensgruppen bestens bekannt. Die Armut im Lande wächst immer mehr an. Was hiergegen jedoch zu unternehmen ist – darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Vorstellungen der im Bundestag vertretenen Parteien unterscheiden sich dabei in Teilen deutlich von jenen der Betroffenen, denen in den Medien selten das Wort erteilt wird. Jens Wernicke sprach daher mit Edgar Schu vom Aktionsbündnis Sozialproteste über seiner Meinung nach unmittelbar notwendige Maßnahmen gegen Armut und zur Sicherstellung eines wirklichen Existenzminimums für jedermann im Land.