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Agenda 2010

Steigende Verwaltungskosten bei Hartz IV

Ein Hinweis eines Freundes der NDS: Die Regierung klagt über “Kostenexplosion” bei HARTZ IV und begründet diese unter anderem mit “Leistungsmissbrauch”. Tatsächlich hat Hartz IV nur in einem Bereich für neue Arbeitsplätze gesorgt: Mit den sogenannten ARGEN sind neue Bürokratiemonster entstanden. Und tatsächlich sind die Verwaltungskosten pro Hartz-IV-Empfänger trotz gesunkener Zahl der Leistungsbezieher enorm gestiegen. Im Klartext: Die Verwaltungskosten pro Hartz-IV-Empfänger/in sind offenbar höher als die an diese/n ausgezahlte Leistung. Die Regierung klagt also über Kosten, die sie selbst verursacht hat. Vgl. dazu unseren Eintrag vom 19.5.06.

Die Chefs von AWO, Diakonie und Rotem Kreuz und der Kommunalverbände plädieren in einem Brief an die Große Koalition für eine Senkung der „passiven Leistungen“ bei Hartz IV

Die Chefs dieser Verbände fordern – angeblich in „persönlichen Erklärungen“ -, „die gegenwärtigen Anspruchsgrundlagen und –voraussetzungen“ zu überprüfen. Diese verringerten nämlich den „Anreiz zur Arbeitsaufnahme“. Den Chefs der Wohlfahrtsverbände und Kommunen kann es da – angesichts der Arbeitsmarktlage – wohl kaum um eine „Arbeitsaufnahme“ auf dem regulären Arbeitsmarkt gehen, sondern eher darum, den Druck auf die Arbeitslosen zur Annahme von 1-Euro-Jobs gerade auch bei ihren Organisationen zu erhöhen. Schließlich verdienen sie an den ihnen erstatteten Verwaltungskosten für die 1-Euro-Jobber reichlich Geld und können unter dem Mantel der Wohlfahrt billigste Arbeitskräfte ausnutzen. Bei der Nächstenliebe sind sich eben auch die Chefs der Wohlfahrtsindustrie selbst am nächsten.

Union will den Regelsatz für die Sozialhilfe und das Alg II auf 331 Euro senken. Müntefering lehnt diese Kürzung ab. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass die amtliche Berechnung den realen Bedarf nur begrenzt abbildet.

Beim amtlichen Eckregelsatz der Grundsicherung besteht formal nur ein Anpassungsbedarf um wenige Euro. Das ist ein Ergebnis von Berechnungen [PDF – 88 KB], die die Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Irene Becker im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung angestellt hat. Dass die rechnerische Anpassung angesichts der Inflationsraten in den vergangenen Jahren unerwartet gering ausfällt, hängt allerdings wesentlich mit der gesetzlich festgelegten Methode zur Bestimmung des Existenzminimums zusammen. Diese wird dem realen Bedarf der Betroffenen nur begrenzt gerecht. (WL)

Quelle: freiepresse.de

Bundespräsident Köhler will den Älteren „einiges zumuten“: Längeres Arbeitsleben und mehr eigene Vorsorge

Mit Verweis darauf, dass die Rente mit 65 mittlerweile selbst 90 Jahre alt sei, fragte Köhler auf dem 8. Seniorentag in Köln, ob starre Altersgrenzen noch in unsere Zeit passten, er wünsche sich mehr Freiheit für den einzelnen und für die Tarifpartner, länger zu arbeiten. Außerdem mahnte er mal wieder sein Lieblingsthema an: Mehr Eigenvorsorge.
Köhlers „Denkanstöße“ gehen immer in die gleich Richtung: Zurück in die Vergangenheit.

Plasberg, hart aber wohl nicht fair!

„Eine politische Talk-Show ist schnelllebig. Auch in 90 Minuten bleibt oftmals keine Zeit, Aussagen der Gäste auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Deshalb hakt “Hart aber fair” nach und lässt einige Behauptungen von renommierten Experten unter die Lupe nehmen. Sind sie wahr oder entbehren sie jeder Grundlage? Die Antworten gibt es am Tag nach der Sendung, hier im Faktencheck.“ So heißt es auf der Website des wdr zu Frank Plasbergs Sendung vom 10.5.06 zum „Reizthema“ „Arm trotz Arbeit“. War Plasberg bei der Auswahl seiner Experten aber wirklich fair? Wolfgang Lieb/Albrecht Müller.

Hans-Böckler-Stiftung: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Vertretungsmöglichkeit macht Schutz vor Diskriminierung systematischer

Opfern von Diskriminierung im Arbeitsleben kann systematischer und effektiver geholfen werden, wenn sie das Recht haben, sich von sachkundigen und erfahrenen Institutionen unterstützen und vertreten zu lassen. Das zeigen Erfahrungen aus Ländern mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen, etwa Großbritannien und den USA. Ein Klagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften, wie es das geplante Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorsieht, trägt diesen Erfahrungen Rechnungen. Darauf weist Prof. Dr. Heide Pfarr hin, Arbeitsrechtlerin und Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Nach Branchen und Regionen differenzierte Kombilöhne – wie soll das funktionieren?

Der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck will den differenzierten Einsatz von Kombilöhnen. In Branchen und Regionen, die keine höhere Löhne zahlen können, wie z. B. bei Spargelbauern, sollen Kombilöhnen möglich sein, bei anderen nicht. Eine absurde Vorstellung, die vor allem etwas sagt über den ökonomischen „Verstand“ der führenden Personen. Im folgenden finden Sie den einschlägigen und kritischen Böckler Impuls. Vorweg noch einige Anmerkungen.

Mittelmaß und Irreführung bei Steinbrück und SPIEGEL

Den folgenden kurzen Text einer Vorabmeldung des SPIEGEL 19/2006 sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe ihn gelesen, weil ich dachte, ich fände irgend einen Hinweis zur Begründung der Behauptung in der Überschrift: „Steinbrück hält Sozialstaat für nicht zukunftsfähig.“ Nichts davon. Ansonsten an vielen Ecken bar jeder Logik: Was hat die Pflicht zur Arbeit mit dem Sozialstaat zu tun? Hindert der Sozialstaat die Menschen daran zu arbeiten? Es fehlt eher an Arbeitsplätzen, als am Willen zur Arbeit. Vielleicht haben die Redakteure von SpiegelOnline falsch zusammengefasst. Am Montag werden wir sehen. Heute schon mache ich auf unseren Tagebucheintrag vom 5.5. aufmerksam. Das war das Interview in der taz mit dem schwedischen Sozialwissenschaftler Palme. Der Vergleich der beiden Texte belegt einmal mehr: Wir leiden unter der Mittelmäßigkeit unsere Eliten.

Memorandum 2006

„Mehr Beschäftigung braucht eine andere Verteilung.“

Für Interessierte wieder einmal ein wichtiges Dokument zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit, das wir selbst bei kleinen Meinungsdifferenzen gerne weiterverbreiten. Dem habe ich nichts hinzuzufügen außer dem Link:

Quelle: MEMORANDUM 2006 [PDF – 244 KB]

Hinweis für weibliche 1-€-Jobber –auch Alice Schwarzer gibt sich die Ehre

Der FrauenMediaTurm – eine Art Unterorganisation von EMMA und Alice Schwarzer – sucht „qualifizierte Mitarbeiterinnen für “1-Euro-Jobs” und Praktikantinnen“. Sollten Sie Bedenken haben wegen der Frage, ob durch solche 1-Euro-Jobs sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse ersetzt werden, dann sollten Sie immer daran denken, dass Sie die Ehre haben, für eine Unterstützerin unserer Bundeskanzlerin zu arbeiten. Ob diese Form der Ausbeutung von Frauen im Sinne von Jan Philipp Reemtsma ist, der für dieses Frauenarchiv eine Anschubfinanzierung geleistet hat? Ob das im Sinne des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist, das dieses Projekt als Modellversuch gefördert hat? Gilt die Gewährung von 1-Euro-Jobs an Frauen durch emanzipierte Frauen als emanzipativer Akt?

WSI-Tarifhandbuch 2006 – Abschied vom Flächentarifvertrag? Das deutsche Tarifsystem im Umbruch

Die Tarifbindung gehe seit Mitte der 90er Jahre zurück. Die Tariflandschaft und auch die Tarifverträge unterliegen einem starken Wandel. Differenzierung und Dezentralisierung sind die beiden Trends, die das Tarifsystem grundlegend verändern. “Diese Entwicklung stellt die Tarifpolitik der Gewerkschaften vor grundlegende Herausforderungen”, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Reinhard Bispinck, bei der Vorstellung des neuen WSI-Tarifhandbuchs 2006 in Berlin. “Gefordert ist eine neue Verknüpfung von Tarif- und Betriebspolitik, um die sich die Gewerkschaften in vielen Bereichen bemühen. Das Tarifsystem kann und muss aber auch gesetzlich stabilisiert werden”.

Bundesagentur erzielt Überschuss von 1,7 Milliarden Euro – auf Kosten von Langzeitarbeitslosen?

Als Erfolgsmeldung verkündete heute Kanzlerin Merkel am Rande der Eröffnung der Hannover-Messe im heute-Journal des ZDF, dass die Bundesagentur Überschüsse erziele und deswegen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge von 6,5 auf 4,5 Prozent gesenkt werden könnten. Wenn es richtig ist, was ein von heise online zitiertes Gutachten aussagt, geht dieses Plus von 1,7 Milliarden Euro bei der Bundesagentur im Wesentlichen zu Lasten der Langzeitarbeitslosen und auf Kosten des Bundeshaushalts. In der Großen Koalition gibt es offenbar Pläne diese Mehrkosten bei den Ärmsten der Armen, den Langzeitarbeitslosen wieder einzutreiben.

Sind in Deutschland die Löhne zu hoch?

Gebetsmühlenhaft behaupten die Wirtschaftsverbände und die ihr nahe stehenden Wirtschaftsexperten: Deutschland hat die höchsten Löhne! Zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit müssen die Löhne fallen! Nach der Statistik [PDF – 2.5 MB] der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission aus dem Herbst 2005 ergibt sich innerhalb der EU ein ganz anderes Bild: Das Verhältnis von Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer zum nominalen BIP je Beschäftigten, also die realen Lohnstückkosten für Deutschland (und nur sie sind wichtig im internationalen Vergleich) haben sich in den letzten 10 Jahren unterdurchschnittlich entwickelt. Das ist ein Spiegelbild der guten Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Hier die Ziffern: Wenn man die Lohnstückkosten von 1995 gleich 100 setzt, dann liegen sie in Deutschland 2006 bei 95,1, in der Euro-Zone bei 95,5, in der EU der ursprünglichen 15 minus Luxemburg bei 96,8 und bei allen heutigen EU-Ländern insgesamt bei 96,9.

Quelle: Tabelle – Reale Lohnstückkosten Europa [PDF – 54 KB]