Mythos Standortschwäche
Von Michael Schlecht, Chefvolkswirt ver.di Bundesvorstand Berlin.
Von Michael Schlecht, Chefvolkswirt ver.di Bundesvorstand Berlin.
Machen Sie einen Test. In der Frankfurter Rundschau vom 30.12.2004 war unter der Überschrift „Chance nutzen“ ein Interview mit dem Präsidenten des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Jürgen Gohde, abgedruckt. In diesem Interview fiel der folgende Satz:
Problematisch wäre es vor allem, wenn Träger keine Ehrenamtlichen mehr haben wollten, sondern nur auf die Verwaltungskosten der Ein-Euro-Jobs schauen, die von der Bundesagentur erstattet werden. Wir in der Diakonie werden das auf keinen Fall tun.
Testen Sie Ihr Umfeld mit den folgenden Fragen:
Der Test in meinem Bekanntenkreis ergab bisher: Rund 80 Prozent haben noch nie etwas von Zahlungen für Verwaltungskosten gehört, nahezu alle finden die Dimensionen erstaunlich.
Davon spricht der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband im Blick auf die neue Berechnung der Regelsätze für die Sozialhilfe/ALGII. Wir dokumentieren zwei Statements und die Pressemitteilung zur heutigen Pressekonferenz.
Statement von Schneider [PDF – 104 KB] »
Statement von Stolterfoht [PDF – 112 KB] »
Zur Pressemitteilung [PDF – 68 KB] »
„Darf ich Ihnen und Ihren Leserinnen/Lesern bei dieser Gelegenheit noch einen Lesetipp geben?”, fragt eine unserer Leserinnen und gibt folgende nützlichen Hinweise:
In den neuen “WSI-Mitteilungen” Heft 11/2004 gibt es zwei ausgezeichnete Aufsätze (einer davon zum Downloaden, www.wsi-mitteilungen.de), die nahtlos an Ihre Ausführungen (gemeint ist „Die Reformlüge“) anschließen und meiner Meinung nach eine wertvolle Ergänzung zu den von Ihnen angeführten Denkfehlern 35 (“Steuersenkungen schaffen Investitionen und Arbeitsplätze”) und 24 (“Der Arbeitsmarkt ist zu unflexibel”) darstellen.
„Unserer“ Wirtschaft geht es schlecht, deshalb müssen „wir“ den Gürtel enger schnallen. Löhne müssen gesenkt, Arbeitszeiten müssen verlängert, der Kündigungsschutz muss aufgehoben werden, Unternehmenssteuern müssen weiter gesenkt werden und so weiter. Wie schlecht es unseren Unternehmen geht zeigt ein Überblick über die Gewinne der 30 Dax-Unternehmen in den ersten neun Monaten dieses Jahres.
Wie passt die Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich mit den Daten zusammen die das Statistische Bundesamt gerade vorlegte. Danach sind die Erlöse in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes um 6,3%, der Auslandsumsatz um nahezu 10% und der Inlandumsatz um immerhin 4,2% gestiegen. Gesunken ist die Zahl der Arbeitskräfte und zwar um 1,5% (das sind 93.600 Beschäftigte) und die Zahl der Arbeitsstunden um 0,6%. Bei einem Gesamtumsatz von 128,5 Milliarden Euro betrug die um ein Prozent nur leicht angestiegene Lohnsumme 17,9 Milliarden Euro, also gerade mal 13,9%. Was brächte also eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich? Vielleicht einen höheren Umsatz (wenn er sich denn steigern ließe), noch höhere Erlöse und jedenfalls noch weniger Arbeitskräfte. (Quelle: FR v.16.11.04)
Und andere Erkenntnisse der ewig gleichen Runden. Einer unserer Leser hat uns Sprüche von Rogowski und Sinn im Bayerischen Rundfunk geschickt. Wir geben sie wieder, weil sie zitieren kann, wer Reden halten muss oder Texte schreiben muss oder einfach zeigen will, was für famose Eliten wir haben. Die Texte zeigen zweierlei: wir leiden unter einer miserablen Qualität unserer Meinungsführer und einer Gleichschaltung, die kritische Stimmen immer seltener zu Wort kommen lässt.
„Unserer“ Wirtschaft geht es schlecht, „wir“ müssen den Gürtel enger schnallen, „wir“ müssen länger arbeiten, „wir“ müssen Nullrunden hinnehmen, so hören wir das alltägliche Tremolo. Um nicht depressiv zu werden, schauen wir heute einfach auch einmal auf die Seite der Gewinner, ins Manager-Magazin.
Wie der Ansehensverlust, das Misstrauen, die Gleichgültigkeit zu erklären sind, die heute den Gewerkschaften von großen Teilen der Gesellschaft entgegen gebracht werden, dazu hat uns unser Leser der NachDenkSeiten, der Ökonom Professor Dr. Siegfried Katterle einen Leserbrief geschrieben, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.
Arbeitgeberverbände und Vertreter der CDU behaupten dieser Tage immer wieder, man müsse in Deutschland zurück zur 40-Stunden-Woche, um mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wie absurd diese Behauptung ist, müssen wir deshalb auf den NachDenkSeiten eben auch immer wieder, belegen und begründen.
Diesmal mit einem Interview des Arbeitsmarktexperten Steffen Lehndorff vom Institut Arbeit und Technik in der Tagesschau.
Täglich wanderten 1000 Arbeitsplätze ins Ausland ab, verkündet Angela Merkel landauf, landab. „Deutschland Exportweltmeister (von Arbeitsplätzen)“ titelt „Der Spiegel“. Eines der weltweit größten Finanzberatungsunternehmen Morgan Stanley analysiert: Verglichen mit anderen europäischen Staaten und den USA sei der Anteil der aus Deutschland ins Ausland verlagerten Stellen relativ klein und die Auswirkungen des „Offshorings“ auf den deutschen Arbeitsmarkt seien gering.
Mit seinem Buch „Die Reformlüge“ kritisiert vorwärts-Kolumnist Albrecht Müller die „Agenda 2010“ der Bundesregierung. Die Reaktionen auf das Buch sind geteilt: Es gibt weitgehende Zustimmung, aber auch heftige Kritik. Wir dokumentieren beide Positionen. vorwärts – Oktober 2004
Die Analyse eines Lesers der NachDenkSeiten.
Eine aktuelle Untersuchung des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) belegt, dass es „keinen Zusammenhang zwischen der Belastung der Arbeitgeber durch Gesundheitsausgaben und der Entwicklung der Beschäftigung (gibt) – weder in Deutschland noch im internationalen Vergleich“. Diese empirische Studie widerspricht einer der Grundannahmen im Katechismus der Systemüberwinder, nämlich dass die hohen Lohnnebenkosten das wichtigste Beschäftigungshemmnis seien und es deshalb „alternativlos“ sei, etwa die Beiträge für die Krankenversicherung durch Streichung von Leistungen oder durch Privatisierung der Kosten zu senken oder gar – wie CDU und auch CSU es vorhaben – die Gesundheitskosten gleich ganz von der paritätischen Finanzierung zu entkoppeln.
Ein Leser macht uns auf die elektronische Suche des Bundespresseamtes (BPA) nach Hartz IV-Begünstigten aufmerksam:
Verehrte Nachdenker, anbei eine weitere Absurdität aus dem Reformhaus. Grüße aus Berlin.“