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Ökonomie

Die herrschende neoliberale Ideologie ist nicht nur ungerecht, sie ist ineffizient

Wir haben schon mehrmals auf das Gerangel zwischen der neoliberalen Meinungsmehrheit und ihren Kritikern hingewiesen, das wir zur Zeit erleben. Dazugehört auch ein Artikel von Dr. Ursula Weidenfeld. (Siehe Hinweise von heute.) Sie beklagt, dass „unter der Flagge der Gerechtigkeit Fehler gemacht werden. Fehler, die einmal und endlich durchgesetzte Reformen korrumpieren, die das wenige Erreichte fundamental infrage stellen.“ – Darin steckt ein cleverer Trick: Indem die Existenz einer Gerechtigkeitslücke vordergründig anerkannt wird, transportiert die Journalistin zugleich ihre Hauptbotschaft: Wir haben „spektakuläre Erfolge auf dem Arbeitsmarkt“ und diese verdanken wir den Reformen, die nun leider wegen des Drangs des Volkes nach Gerechtigkeit wieder zur Disposition gestellt würden. – Das ist clever und zeigt die Schwäche einer einseitig auf die mangelnde Gerechtigkeit abhebenden Kritik an der Reformpolitik. Albrecht Müller.

Abgehoben im siebten Stock

Wer einmal Gelegenheit hatte in den siebten Stock im Kanzleramt vorzudringen, der dürfte ein beklemmendes Gefühl bekommen haben, wie abgeschottet und abgehoben von der Wirklichkeit man dort arbeiten muss. Dorthin gelangen nur noch abgestimmte Vermerke und Sprachregelungen auf Sprechzetteln. Zu welcher abgekapselten und von der Wirklichkeit losgelösten Gedankenwelt das führen muss, kann man beispielhaft nachlesen, wenn man in der Welt am Sonntag ein Gespräch mit Angela Merkel, der Bewohnerin dieser Etage, nachliest. Wolfgang Lieb.

Der Höhenflug des Euros gilt als weitgehend unschädlich, aber die sog. Lohnnebenkosten schaden der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

Der Kurs des Euro hat ein neues Rekordhoch erreicht. In der Spitze sprang die Gemeinschaftswährung bis auf 1,45 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro, so die letzten Meldungen. Die Belastungen dieses Höhenflugs des Euro für die internationale Wettbewerbsfähigkeit spielen seltsamerweise in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle, dafür wird etwa im Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute um so mehr über die Belastungen durch Löhne und sog. Lohnebenkosten geklagt und deren weitere Senkung gefordert. Wolfgang Lieb

Zumutungen ohne Ende

Wir haben eine ernste ökonomische Situation. Die Binnenkonjunktur schwächelt deutlich. Schon im August war beim Vergleich von Juli 2007 zu Juli 2006 festgestellt worden, dass die Einzelhandelsumsätze real um 1,5% gesunken waren. Das ist alles andere als ein Zeichen von Boom. Jetzt deuten die Daten für September auf eine Verschärfung hin: -2,2%. Die Sparquote steigt. Siehe unten. Würde bei uns eine von Vernunft geleitete Wirtschaftspolitik betrieben, wüsste man, dass man umschalten muss. Nichts davon und auch die Wissenschaft beharrt auf der Richtigkeit des Kurses. Albrecht Müller.

Ein „cleverer“ Herr Clever oder wie die Bundesagentur für Arbeit die Öffentlichkeit manipuliert

In einem Interview vom 25.10.2007 („Mitteldeutsche Zeitung“) erklärt der Arbeitsmarkt-Experte Herr Clever, Vize im Bundesvorstand der BfA, dass er für die Jahre 2009 bis 2011 nur mit einem BIP-Wachstum von 1,4 % rechne – daher könne das ALG I nicht wieder verlängert werden. Bei jedoch nur 1,4 % nomineller BIP-Wachstumsrate wäre mit wieder steigender Arbeitslosigkeit in den Jahren 2009 bis 2011 in Deutschland zu rechnen, und dafür gilt es also schon jetzt zu sparen. Karl Mai

Unbeantwortete Fragen an die Gegner des Mindestlohns

Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum ist Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Das Institut war dieses Jahr neu am Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute beteiligt. Dieses Gutachten spricht sich vehement gegen die Einführung von Mindestlöhnen aus. Blum hat in einem Editorial zu einer von seinem Institut herausgegebenen Broschüre „Wirtschaft im Wandel“ [PDF – 544 KB] seine ablehnende Haltung mit den in der vorherrschenden ökonomischen Lehre üblichen Behauptungen begründet.
Unser Leser Karl Mai stellt in einem Brief zu den dort aufgestellten Hypothesen ein paar kritische Fragen, die belegen, wie hohl bzw. ideologiebehaftet die „Begründungen“ des ökonomischen Mainstreams für die Ablehnung von Mindestlöhnen sind.

WSI-Herbstforum: Armut, Reichtum und Sozialstaat. Ist die soziale Spaltung noch lösbar?

Vom 29. November 2007 bis 30. November 2007 veranstaltet die Hans-Böckler-Stiftung in Berlin, Hotel Maritim pro Arte, ein WSI-Herbstforum.
Die private Armut wächst – und der private Reichtum auch. Doch Öffentlichkeit und Politik scheinen sich damit abzufinden. Weil offizielle Armuts- und Reichtumsberichte immer dasselbe Ergebnis dokumentieren? Und weil eine politische Reaktion darauf ausbleibt bzw. wegen ebenfalls gestiegener öffentlicher Armut unterbleiben muss?
Das WSI-Herbstforum will das Ausmaß der sozialen Spaltung kritisch in Erinnerung rufen – und trotz der behaupteten Hindernisse nach sozialstaatlichen Lösungswegen suchen.
Interessierte können sich noch anmelden. Tagungsgebühren werden nicht erhoben.
Quelle 1: Einladung [PDF – 272 KB]
Quelle 2: Antwortkarte [PDF – 176 KB]

Die Einigung auf den Reformvertrag wird in Lissabon von massiven Protesten der Bevölkerung gegen das Konzept einer “Flexicurity” begleitet

In Lissabon verständigten sich am 19. Oktober die anwesenden Staats- und Regierungschefs auf einen neuen Reformvertrag. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Einigung auf den neuen Reformvertrag als „großen Erfolg“, des Weiteren sei die sechsjährige Vertragsdebatte zu einem guten Abschluss gebracht worden. Der Grundlagenvertrag soll am 13. Dezember in Lissabon unterzeichnet werden. Nach der Ratifizierung wird der Vertrag voraussichtlich am 1. Januar 2009 in Kraft treten. De facto ist jedoch dieser Reformvertrag fast der gleiche wie der abgelehnte EU-Verfassungsvertrag, da die inhaltliche Substanz größtenteils erhalten bleibt und in die bestehenden Verträge einfließt. Von den Medien weitgehend totgeschwiegen wurde, dass die Verhandlungen von massiven Protesten in Lissabon begleitet wurden. Die Gewerkschaftsführung von CGTP-Intersindical spricht von der größten Demonstration in Lissabon seit Jahrzehnten. Ein Beitrag von Christine Wicht.

IAB-Studie: Was wurde aus den Arbeitslosenhilfeempfängern nach Hartz?

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) legte eine Auswertung von Daten und Modellrechnungen zum Übergang und zum Verbleib von Arbeitslosenhilfeempfängern nach der Hartz-IV-Reform vor.
Nach Auswertung methodisch unterschiedlicher Studien brachte Hartz bei der weit überwiegenden Zahl der Arbeitslosenhilfeempfängern Einkommensverluste, darüber hinaus hätten 15 – 25 % der früheren Arbeitslosenhilfebezieher, nach der Hartzreform überhaupt keinen Anspruch auf weitere Leistungen mehr. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen habe sich nur geringfügig geändert, allerdings seien Umverteilungswirkungen zwischen ehemaligen Sozialhilfeempfängern zu Lasten der früheren Arbeitslosenhilfeempfänger festzustellen. Wolfgang Lieb

„David gegen Goliath“ – das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten soll den reichen Ländern neue Märkte eröffnen

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit laufen die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP-Staaten) zu den Economic Partnership Agreements (EPAs). Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird mit wohlklingenden Begründungen wie etwa der “Beseitigung der Armut”, der „Förderung nachhaltiger Entwicklung“, der „Förderung der Menschenrechte“ und der „Förderung der Demokratie” propagiert. Ein Beitrag von Christine Wicht.

„Das Ende der Massenarbeitslosigkeit – Mit richtiger Wirtschaftspolitik die Zukunft gewinnen.“

So heißt das neue Buch von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. Dass mir dieses Buch sehr sympathisch ist, werden Kenner der wirtschaftspolitischen Debatte verstehen. Flassbeck und Spiecker führen die neoliberalen Ideologen vor. Sie beschreiben das Scheitern dieser wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Theorie in der Praxis seit den siebziger Jahren. Und sie formulieren eine Gegenposition zum herrschenden Denken und geben der Hoffnung, die Massenarbeitslosigkeit überwinden zu können, die notwendigen wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. Das Buch hilft, sich aus den Stricken der herrschenden Debatte um diese oder jene Reform zu lösen und zu begreifen, dass es vor allem an der richtigen gesamtwirtschaftlichen Analyse und Therapie, an einer guten Makropolitik, fehlt. Albrecht Müller.

Perfekte Demagogie von fachlich perfekten Stümpern – Anmerkungen zu einem Propagandafilm des Bundesministers der Finanzen

Sehen Sie sich zunächst diesen Film an: Hamster der Film Das ist perfekt gemacht von einer der großen politischen Propaganda-Agenturen, von fischerAppelt Kommunikation. Von gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen hat diese Agentur offensichtlich genauso wenig wie der Bundesminister der Finanzen die notwendige Ahnung. Die Macher glauben, man könne Schulden abbauen (was wir auch wollen), wenn man spart. Das alleine reicht aber nicht. Dazu kommen muss eine gute konjunkturelle Entwicklung. Wenn man diese mit Spar-Aktionen stört, dann hat man am Ende weniger gespart als beabsichtigt. In diese Falle drohen die perfekten Demagogen wieder zu laufen, obwohl sie aus ihren eigenen Grafiken eigentlich schlau werden müssten.