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Ökonomie

Merkel in ihrem Lauf – die Großkoalitionäre wollen an Merkels Krisenpolitik festhalten

Wer im Koalitionsvertrag [PDF – 1 MB] von CDU/CSU und SPD nach den dringend nötigen Impulsen sucht, mit denen Deutschland die ökonomische, soziale und politische Dauerkrise in Europa bekämpfen könnte, sucht vergebens. Die Formulierungen der Themenfelder „Finanzen“ und „Europa“ lesen sich vielmehr wie ein Bekenntnis zur Krisenpolitik Angela Merkels. Kürzungspolitik (also Austeritätspolitik), neoliberale Reformen und die klare Bekenntnis zu einem durch den Fiskalpakt geknebelten und damit handlungsunfähigen Staat ziehen sich wie ein roter Faden durch das 185-seitige Papier. Man kann der SPD hier jedoch noch nicht einmal vorwerfen, dass ihre Handschrift nicht zu erkennen ist – im Gegenteil, die SPD steht vielmehr bereits seit Beginn der Eurokrise treu Seit´ an Seit´ mit der Kanzlerin. Realistisch betrachtet, erfüllt der Koalitionsvertrag bei den genannten zwei Themenfeldern somit die schlimmsten Befürchtungen. Von Jens Berger.

Skandalös, pervers oder nur gedankenlos? Wo bleibt das Interesse am Sozialen Wohnungsbau?

Politik und Medien beschäftigen sich intensiv mit dem Auto, dem Verkehr. Genauer gesagt mit der neu einzuführenden Maut auf deutschen Autobahnen.  Auch über den richtigen Sound beim Porsche  wird nicht nur geschrieben, da gibt es den  richtigen Porsche-Sound im Internet und Veranstaltungen  zu diesem Thema. Da gehen Hunderte, wenn nicht Tausende hin. Dies ist ein Zwischenruf des Städteplaners Dr. Ing. Heinrich Schlüter. Albrecht Müller.

Sprechen wir doch mal über unsere Exportüberschüsse

Deutschland ist stolz. Stolz auf seine Fußballnationalmannschaft und seine Exportüberschüsse. Dieser Stolz versperrt jedoch leider auch sehr oft die Fähigkeit zur Selbstkritik. Immer wenn von innen oder von außen Kritik an den deutschen Exportüberschüssen gibt, reagieren die Wortführer aus Politik und Medien wie angeschossene Pawlowsche Hunde. Es zwingt doch niemand die Ausländer, deutsche Produkte zu kaufen! Man kann ein Land doch nicht für seine wirtschaftliche Stärke bestrafen! Das ist freilich alles richtig, geht jedoch meilenweit am eigentlichen Thema vorbei. Von Jens Berger.

Der Millennium-„Bambi“ an Bill Gates – Eine Polemik

Donnerstagabend vergangener Woche: Eine weißbekleidete junge Frau mit Halbmeterausschnitt und ein tätowierter Sänger mit irrem Blick eröffnen die diesjährige „Bambi“-Verleihung. Schnitt. Wenn mindestens zweimal im Jahr die öffentlich-rechtlichen Vernebelungsmaschinen vollends auf Anschlag gedreht werden, dann legen entweder „Ein Herz für Kinder“ (als dreiste Spitzenvertreterin aller Fernseh-Wohltätigkeits-Galas) oder der „Bambi“ gezielt zur Gehirnwäsche ihrer arglosen Zuschauer an. Namentlich der „Bambi“, von der ARD gehätscheltes Kind des Kunsthistorikers und Druckerkönigs Hubert Burda, sucht in seiner ungeniert-schleimigen, boulevardesken Zelebrierung des in beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten vorherrschenden konservativ-neoliberalen Weltbilds seinen Meister. Von Mende Tegen.

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Manager-Gehälter – SPD und Union wollen FDP-Vorschlag umsetzen

Wie die Süddeutsche gestern meldete, sind sich SPD und Union bei ihren Koalitionsverhandlungen offenbar darüber einig, eine gesetzliche Änderung bei der Festlegung der Managergehälter durchzuführen. Man wolle umsetzen, dass „künftig die Aktionäre über die Managergehälter entscheiden und nicht mehr der Aufsichtsrat“. Was sich auf den ersten Blick wie eine sinnvolle Änderung anhören mag, ist bei genauerer Betrachtung jedoch bereits heute möglich. Unter dem Strich würde eine solche Regelung jedoch die der Rechte der Gewerkschaften beschneiden. Kein Wunder, schließlich greift dieser Entschluss 1:1 auf ein Positionspapier der FDP zurück. Von Jens Berger.

Schwergewicht Deutschland

Ende Oktober löste die Kritik des amerikanischen Finanzministeriums an den deutschen Exportüberschüssen in Berlin Empörung aus.
Doch man sollte dem amerikanischen Finanzministerium dankbar dafür sein, dass es öffentlich zum Ausdruck brachte, was Deutschlands Partner nicht zu sagen wagen: „Deutschland hatte während der ganzen Eurozonen-Finanzkrise große Zahlungsbilanzüberschüsse“. Und genau diese Sachlage „verhinderte die Wiederherstellung gleichgewichtiger Zustände“ in den anderen Euroländern bzw. führte zu einer „Deflationstendenz sowohl für die Eurozone als auch für die Weltwirtschaft“.
Auch der IWF teilt diese Besorgnis. Doch der deutsche Finanzminister wies die amerikanische Kritik zurück und meinte, Zahlungsbilanzüberschüsse seines Landes „seien kein Grund zur Besorgnis – weder für Deutschland noch für die Eurozone noch für die Weltwirtschaft“. Beitrag von Martin Wolf in Le Monde.
Ins Deutsche übertragen von Gerhard Kilper.

Rezension: Ulrike Herrmann, „Der Sieg des Kapitals“

Das Buch ist, anders als sein Titel vermuten lässt, keine Kapitalismuskritik, sondern es will erklären, was Kapitalismus eigentlich ist, wie er entstanden ist und wie er funktioniert. Anders als im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff „Kapitalismus“ bei uns nicht gerne in den Mund genommen, man spricht lieber von „Marktwirtschaft“, das klinge „kuscheliger“. Ulrike Herrmann begründet, warum „Marktwirtschaft“ zur Beschreibung modernen Wirtschaftens unzureichend ist: Märkte gab es schon immer in der Menschheitsgeschichte, schon im Zweistromland, im römischen Reich, im kaiserlichen China, im mittelalterlichen Europa und seit Menschengedenken wurde schwunghafter Handel betrieben. Auch eine Geldwirtschaft existierte schon in der Antike, es gab Banken, schon die Bibel und der Koran beschäftigten sich mit Zinsen, es gab schon vor Jahrhunderten bargeldlosen Zahlungsverkehr und erstaunlich raffinierte „Finanzprodukte“. Und vor allem, es gab auch schon immer Wettbewerb zwischen den Völkern und Kontinenten. Man kannte die Dampfkraft schon bei den Römern und Gewinnstreben sowie Reichtum gab es zu allen Zeiten sowieso. Aber es gab keinen Kapitalismus. Was also ist Kapitalismus? Von Wolfgang Lieb.

Die 1:12 Initiative in der Schweiz: Provokation oder notwendige Korrektur von Machtmissbrauch?

“Die Einkommensverteilung hat sich in Mitteleuropa in den letzten Jahren vor und nach Steuern immer weiter zugunsten der hohen Einkommen verschoben. Gleichzeitig sind positive Ergebnisse dieser Politik bei den Investitionen und bei der Produktivität nicht zu erkennen. Auch in der Schweiz bleiben die Einkommen der großen Mehrheit der Bevölkerung hinter der Produktivitätsentwicklung zurück, was zu weiterer funktionsloser Ungleichheit führt. Das ist fatal: Anstatt die Investitionen in Sachkapital und die Binnenwirtschaft zu stärken, drängen wir die Wirtschaft immer mehr in den Export und in spekulative Anlagen. Damit verstärken wir die Instabilität des Systems und spalten die Gesellschaften Europas. Angesichts dessen geht die 1:12 Initiative in die richtige Richtung und deshalb unterstütze ich sie”, sagt Heiner Flassbeck. Hier eine Stellungnahme von ihm und Friederike Spiecker zu der Schweizer Volksinitiative „1 : 12 – Für gerechte Löhne“ angestoßen von den dortigen Jungsozialisten unterstützt von der SP, den Grünen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Unia. Am 24. November 2013 wird darüber abgestimmt.

Heiße Luft mit unangenehmer Ausdünstung

Da knallten am vergangenen Freitag in Frankfurt die Sektkorken, als der DAX erstmalig in seiner 25-jährigen Geschichte die Marke von 9.000 Punkten knackte. Zwar wird in den gängigen Medien hier und da auf die mögliche Gefahr einer Aktienblase hingewiesen, insgesamt dominieren jedoch Freude und Glückseligkeit angesichts des tollen Aufschwungs unseres Börsenbarometers. Diese Euphorie ist allerdings dumm und kurzsichtig, denn hinter der bejubelten Aktienhausse steckt nichts als heiße Luft. Und die riecht auch noch unangenehm, weil der vermeintliche Erfolg des DAX Ausdruck einer gravierenden Fehljustierung unseres Wirtschafts- und Finanzsystems ist. Von Günther Wierichs[*].

Der Ökonom als Menschenfeind?

Über gesellschaftliche Verrohung und die etablierte ökonomische Theorie
Ein Interview mit dem Volkswirt und Wirtschaftsethiker Sebastian Thieme über Fragen nach der Entsolidarisierung der Gesellschaft etwa durch die Hartz-Reformen, nach dem Menschenbild hinter den vorherrschenden ökonomischen Lehren, nach der Ökonomisierung der Gesellschaft und der ethischen Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Interview für die NachDenkSeiten führte Jens Wernicke.

Austeritätspolitik in Griechenland: Ökonomische Verwüstung statt eines exportgetragenen Wachstums

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt (oder zumindest unkommentiert) hat sich in der Deutung der systemischen Krise der Europäischen Währungsunion durch den Mainstream eine Akzentverschiebung vollzogen. Als vor einigen Jahren die Schwierigkeiten der EWU offensichtlich wurden, herrschte zunächst weitgehend Konsens, dass es eigentlich gar keine Eurokrise gäbe, sondern lediglich ein Problem zu hoher Staatsschulden einiger kleiner Euroländer, ausgelöst durch ein unverantwortliches staatliches Ausgabeverhalten. So behauptete etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Juni 2011: „Die aktuelle Krise ist keine Krise des Euro. Es handelt sich um eine Staatsschuldenkrise einzelner kleiner Länder im Euroraum, die nicht zuletzt durch die Missachtung der Regeln entstanden ist“ (Süddeutsche Zeitung, 14.6.2011). ein Gastartikel von Günther Grunert

Rezension: Thomas Fricke, „Wie viel Bank braucht der Mensch? Raus aus der verrückten Finanzwelt“

Im März dieses Jahres hat der renommierte Wirtschaftsjournalist Thomas Fricke, ehemaliger Chefredakteur der „Financial Times Deutschland“, ein anspruchsvolles und zugleich gut lesbares Buch unter dem Titel „Wie viel Bank braucht der Mensch? Raus aus der verrückten Finanzwelt“ vorgelegt. Diese tiefgreifende Recherche, die durch die Stiftung Mercator ermöglicht wurde, unterscheidet sich wohltuend von den vielen populistischen Schnellschüssen. Die Publikation füllt auch eine Lücke, die die zuständige, jedoch großteils sprachlose Wirtschaftswissenschaft zu verantworten hat. Eine Rezension von Rudolf Hickel.

„Profit statt Patientenwohl?“ und wo bleibt der viel gepriesene Wettbewerb?

Die ARD brachte letzte Nacht einen kritischen Beitrag zur Krankenhausversorgung – nachts um 0:20 Uhr und heute Morgen um 7:00 Uhr. Das ist typisch. Die wenigen kritischen Beiträge werden versteckt. Machen Sie bitte in ihrem Umfeld auf diesen Fernsehbeitrag aufmerksam. Den Ankündigungstext finden Sie in der Anlage.

Es ist wichtig, im Zusammenhang mit der Privatisierung und der Konzentration der Krankenhausversorgung auf im wesentlichen vier private Konzerne jenseits der noch verbliebenen kommunalen und kirchlichen Krankenhäuser auf die Tatsache hinzuweisen, dass Markt und Wettbewerb in vielen Fällen nicht mehr funktioniert – davon abgesehen, dass der Markt bei der Gesundheitsversorgung ohnehin nicht die optimale Regelungstechnik ist. Albrecht Müller.

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Die Kontrahenten werden nicht sichtbar gemacht – Zur Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften

In vielen Berichten werden die drei Nobelpreisträger der Ökonomie unter der Fragestellung „Warum Aktienpreise steigen?“ ohne Blick auf die internen Differenzen vereint vorgestellt. Zudem wird gleichermaßen deren Beitrag zu „praktischen Erkenntnissen“ gelobt. Dabei handelt es sich vor allem bei Fama und Hansen um hoch komplexe mathematische Modelle mit wenig praktisch-instrumenteller Relevanz. Vor allem ist der Verzicht auf eine differenzierte Darlegung der konträren Theoretiker unverständlich. Hier dominiert die hoch offizielle Rechtfertigung des Nobelpreis- Komitees. Die Agenturen und viele deutsche Medien haben den Rechtfertigungstext übernommen. Damit ist die Provokation durch die diesjährige Preisverleihung nicht deutlich geworden. Von Rudolf Hickel.

In Hellas viel Asche, aber kein Phönix – Griechenlands Austertitätskrise

Die jüngsten Meldungen über die gesamtwirtschaftliche und fiskalische Entwicklung Griechenlands klingen auffällig positiv. Vergleichbar dem „Phoenix aus der Asche“ wird das Ende der brutalen Talfahrt der griechischen Wirtschaft beschworen. Sollten sich die Kritiker der Schrumpfpolitik als Gegenleistung für Finanzhilfen zur Abwicklung des Schuldendienstes geirrt haben? Von Rudolf Hickel.