Kategorie:
Ungleichheit, Armut, Reichtum

Manager-Gehälter – SPD und Union wollen FDP-Vorschlag umsetzen

Wie die Süddeutsche gestern meldete, sind sich SPD und Union bei ihren Koalitionsverhandlungen offenbar darüber einig, eine gesetzliche Änderung bei der Festlegung der Managergehälter durchzuführen. Man wolle umsetzen, dass „künftig die Aktionäre über die Managergehälter entscheiden und nicht mehr der Aufsichtsrat“. Was sich auf den ersten Blick wie eine sinnvolle Änderung anhören mag, ist bei genauerer Betrachtung jedoch bereits heute möglich. Unter dem Strich würde eine solche Regelung jedoch die der Rechte der Gewerkschaften beschneiden. Kein Wunder, schließlich greift dieser Entschluss 1:1 auf ein Positionspapier der FDP zurück. Von Jens Berger.

Die 1:12 Initiative in der Schweiz: Provokation oder notwendige Korrektur von Machtmissbrauch?

“Die Einkommensverteilung hat sich in Mitteleuropa in den letzten Jahren vor und nach Steuern immer weiter zugunsten der hohen Einkommen verschoben. Gleichzeitig sind positive Ergebnisse dieser Politik bei den Investitionen und bei der Produktivität nicht zu erkennen. Auch in der Schweiz bleiben die Einkommen der großen Mehrheit der Bevölkerung hinter der Produktivitätsentwicklung zurück, was zu weiterer funktionsloser Ungleichheit führt. Das ist fatal: Anstatt die Investitionen in Sachkapital und die Binnenwirtschaft zu stärken, drängen wir die Wirtschaft immer mehr in den Export und in spekulative Anlagen. Damit verstärken wir die Instabilität des Systems und spalten die Gesellschaften Europas. Angesichts dessen geht die 1:12 Initiative in die richtige Richtung und deshalb unterstütze ich sie”, sagt Heiner Flassbeck. Hier eine Stellungnahme von ihm und Friederike Spiecker zu der Schweizer Volksinitiative „1 : 12 – Für gerechte Löhne“ angestoßen von den dortigen Jungsozialisten unterstützt von der SP, den Grünen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Unia. Am 24. November 2013 wird darüber abgestimmt.

Heiße Luft mit unangenehmer Ausdünstung

Da knallten am vergangenen Freitag in Frankfurt die Sektkorken, als der DAX erstmalig in seiner 25-jährigen Geschichte die Marke von 9.000 Punkten knackte. Zwar wird in den gängigen Medien hier und da auf die mögliche Gefahr einer Aktienblase hingewiesen, insgesamt dominieren jedoch Freude und Glückseligkeit angesichts des tollen Aufschwungs unseres Börsenbarometers. Diese Euphorie ist allerdings dumm und kurzsichtig, denn hinter der bejubelten Aktienhausse steckt nichts als heiße Luft. Und die riecht auch noch unangenehm, weil der vermeintliche Erfolg des DAX Ausdruck einer gravierenden Fehljustierung unseres Wirtschafts- und Finanzsystems ist. Von Günther Wierichs[*].

Der Ökonom als Menschenfeind?

Über gesellschaftliche Verrohung und die etablierte ökonomische Theorie
Ein Interview mit dem Volkswirt und Wirtschaftsethiker Sebastian Thieme über Fragen nach der Entsolidarisierung der Gesellschaft etwa durch die Hartz-Reformen, nach dem Menschenbild hinter den vorherrschenden ökonomischen Lehren, nach der Ökonomisierung der Gesellschaft und der ethischen Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Interview für die NachDenkSeiten führte Jens Wernicke.

Rezension: Thomas Fricke, „Wie viel Bank braucht der Mensch? Raus aus der verrückten Finanzwelt“

Im März dieses Jahres hat der renommierte Wirtschaftsjournalist Thomas Fricke, ehemaliger Chefredakteur der „Financial Times Deutschland“, ein anspruchsvolles und zugleich gut lesbares Buch unter dem Titel „Wie viel Bank braucht der Mensch? Raus aus der verrückten Finanzwelt“ vorgelegt. Diese tiefgreifende Recherche, die durch die Stiftung Mercator ermöglicht wurde, unterscheidet sich wohltuend von den vielen populistischen Schnellschüssen. Die Publikation füllt auch eine Lücke, die die zuständige, jedoch großteils sprachlose Wirtschaftswissenschaft zu verantworten hat. Eine Rezension von Rudolf Hickel.

Uns könnte es besser gehen

Der Wahlkampf hat die Frage hochgespült, ob es „uns“ denn wirklich gut geht. Angela Merkel und ihre Spießgesellen sind davon überzeugt, während die Opposition zu Recht darauf hinweist, dass es Millionen Deutschen, die erwerbslos sind, im Niedriglohnsektor arbeiten oder Minirenten beziehen, sicher nicht gut geht. Doch diese Diskussion lässt einen wichtigen Punkt außen vor. Auch wenn es der Mehrheit der Deutschen wirtschaftlich sicher nicht schlecht geht, sind auch sie Opfer der Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte. Man sollte sich daher auch nicht fragen, ob es „uns“ gut geht, sondern ob es „uns“ mit einer anderen Politik nicht viel besser gehen könnte. Es ist erstaunlich, warum Oppositionspolitiker diese Frage nicht stellen, geht es hierbei doch um die vielzitierte Mitte der Gesellschaft, die angeblich Wahlen entscheidet. Von Jens Berger.

Panik-Attacken

Die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen sind unzumutbar, weil nicht nur Spitzenverdiener zur Kasse gebeten werden, sondern auch der Mittelstand belastet wird! So tönt es inzwischen landauf, landab. Nun hat sich auch die ZEIT in die Phalanx der Panikmacher und auf breitflächige Attacke getrimmten Kritiker eingereiht. Von Günther Wierichs [*]

Low wages in Germany and the European imbalance problem

Germany has been achieving export surpluses year by year, with few exceptions, since the 1950s. Prior to the introduction of the euro there was a regularly recurring need for imbalances in foreign trade to be corrected through upward revaluation of the deutschmark. The introduction of the euro meant exchange-rate adjustments within the eurozone were no longer available as a corrective measure. Also, the German export industry is benefiting in trade outside the eurozone from the lack of serious pressure to revalue the euro upwards, a consequence of the substantial number of eurozone nations recording import surpluses.
Protected thus inside the eurozone from revaluation, Germany’s competitive position has been further enhanced since the late 1990s as a result of below-average wage increases relative to other eurozone countries, which in effect amounts to an internal devaluation. This in turn led to a rise in German export surpluses, which by 2012 were equivalent to about 6.5% of the German gross national product: in other words, over a mere three-year period Germany is forced to invest about 20% of its GNP overseas. German surpluses are matched by corresponding deficits in other eurozone countries. Currently, the German economy finds itself in an exceptional situation in Europe as a result of its highly developed international trade links. The openness of the economy (total of exports and imports as a proportion of GNP) in Germany, France, Spain and Italy was rated in 1995 at about 50%. But in 2008 the figure for Germany reached approx. 90%, against a rise to only 60% in the other countries…

Ein Beitrag von Gerhard Bosch, Geschäftsführender Direktor Institut Arbeit und Qualifikation Universität Duisburg-Essen

Bewährungsproben für die Unterschicht

Bei den Arbeitsmarktreformen ist ja angeblich der Kerngedanke das „Fördern und Fordern“. Das der Hartz-Gesetzgebung zugrunde liegende Leitbild ist, dass Arbeitslosigkeit vor allem der mangelnden Erwerbsorientierung und einer Passivmentalität der Betroffenen geschuldet sei. Über den Druck der Kürzung und der zeitlichen Begrenzung der Leistungsbezüge und durch Sanktionen soll ein Mentalitätswechsel bei den Arbeitslosen herbeigeführt werden. In einer Arbeitsstudie einer Forschungsgruppe um den Jenaer Soziologen Klaus Dörre mit dem Titel „Bewährungsproben für die Unterschicht?“ wird der Blickwinkel gewechselt:
Das neue „aktivierende Arbeitsmarktsystem“ wird zunächst aus der Sicht der Arbeitsverwaltungen und der arbeitsmarktpolitischen Akteure betrachtet. Im zweiten Teil werden die Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bewertungen der Betroffenen selbst zum Gegenstand einer sozialwissenschaftlichen Analyse gemacht. Die Kernfrage ist dabei: „Trifft das Bild von einer Lazarusschicht, die es sich in der Hängematte des Wohlfahrtsstaates auf Kosten anderer bequem macht, tatsächlich zu?“ Von Wolfgang Lieb.

Chronik der Steuererleichterungen für Reiche und Unternehmer

Der Manipulationsapparat gegen Steuererhöhungen läuft auf Hochtouren. Die Wirtschaftsverbände, die wirtschaftsnahen Medien und die CDU sowie die FDP sowieso laufen gegen die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen und schon gar der Linkspartei Sturm. Selbst der wirtschaftsliberale neue Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) reiht sich in die Reihe der Kritiker ein. Der Ansturm gegen Steuererhöhungen bei den obersten 5 Prozent der Einkommensbezieher und bei den Besitzern riesiger Vermögen ist so heftig, dass Ministerpräsident Kretschmann von den Grünen und der SPD-Vorsitzende Gabriel von den in den Wahlprogrammen beschlossenen Steuererhöhungsplänen abrücken.

Bundesfinanzminister Schäuble warnte dieser Tage einmal mehr vor Steuererhöhungen, weil sie das Investitionsklima schädigten. Dabei belegen alle Daten [PDF – 2.4 MB], dass Deutschland (auch im EU-Vergleich) trotz aller Steuersenkungen der letzten Jahre unter einer Investitionsschwäche leidet und sich Deutschland „kaputt spart“ und das Geld ins Ausland fließt. Um die Hysterie vor Steuererhöhungen auf eine reale Basis zurückzuführen und aufzuzeigen welche Steuern für Reiche und Unternehmer in den letzten Jahren gesenkt wurden haben Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff, die Autoren des Buches „Lügen mit Zahlen“, dankenswerterweise eine kleine Chronik der Steuererleichterungen zusammengestellt.

Rezension: Chrystia Freeland, „Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite“

Chrystia Freeland ist ehrgeizig. Sie will etwas verstehen, was kaum noch einer verstehen kann. Sie möchte begreifen, wie sich der amerikanische Kapitalismus und der Kapitalismus auf der ganzen Welt verändert haben. Ihr Ausgangspunkt ist gut gewählt. Sie will sich anschauen, was ganz oben an der Spitze passiert. Eine Buchbesprechung des gerade im Westend Verlag erschienenen Titels „Die Superreichen“. Von Wolfgang Hetzer[*].

Rezension: Stefan Selke, Schamland – Sozialpolitik nach Gutsherrenart

Das Attribut „nach Gutsherrenart“ wird häufig gebraucht, um auszudrücken, dass es sich um gehobene, deftige ländliche Küche handelt, die eben den Gaumen eines „Gutsherren“ besonders erfreuen könnte. Gutsherren werden gern romantisch verklärt, vergessen wird dabei, dass sie in selbstherrlicher Manier über ihre Untergebenen entscheiden konnten. Die im Dienste eines Gutsherren stehenden Mägde und Knechte hatten kaum eigene Rechte, wurden meist nur gering entlohnt und oft nur mit Naturalien abgespeist. Mit der Agenda 2010 hat sich Deutschland vom Anspruch eines Wohlfahrtstaates mit einem eigenständigen Recht auf (monetärem) Schutz gegen soziale Risiken weitgehend verabschiedet und eine Bedürftigenhilfe nach Gutsherrenart eingeführt. Parallel zu diesem Rückbau des Sozialstaates hat sich eine regelrechte Armutsökonomie entwickelt.

Der Soziologiprofessor an der Hochschule Furtwangen mit dem Lehrgebiet “Gesellschaftlicher Wandel” Stefan Selke, hat ein äußerst informatives Buch mit dem Titel „Schamland – Die Armut mitten unter uns“ über die „Vertafelung“ der Gesellschaft geschrieben. Von Christine Wicht.

Bildungschancen und Verteilungsgerechtigkeit

Unter diesem Titel haben Kai Eicker-Wolf, Gunter Quaißer und Ulrich Thöne ein interessantes Buch über die „Grundlagen für eine sachgerechte Bildungs- und Finanzpolitik“ herausgegeben. Der Metropolis-Verlag, Marburg, hat uns freundlicherweise die von Ulrich Thöne für die Herausgeber verfasste Einleitung zu diesem neuen Buch zur Verfügung gestellt. Wolfgang Lieb.

Die Reputation der Tafeln wird von Unternehmen zur Imagepflege und zur Gewinnsteigerung missbraucht

Dank der Sozialgesetzgebung in Deutschland, vor allem seit Gründung der Bundesrepublik schien das Problem der Armut in Deutschland lange Zeit weitgehend überwunden zu sein. Aber aufgrund der „Reformen“ seit den 80er Jahren und verschärft seit der Jahrtausendwende führen Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Rentenkürzungen millionenfach in Armut. Seit der Agenda 2010 zahlt der Staat Sozialhilfeempfängern neben Miete und notdürftiger Gesundheitsversorgung nur eine geringe Alimentation in Höhe von derzeit 382 Euro, darin sind für Nahrungsmittel knapp 140 Euro enthalten. Die Zuwendung ist derart knapp gehalten, dass immer mehr Menschen in unserem Lande auf Tafeln, Suppenküchen und Kleiderkammern angewiesen sind.

Zunächst als kurzzeitige Nothilfe gedacht, sind Tafeln inzwischen geradezu zu einem Konzern herangewachsen, der von Unternehmen alimentiert zu sein scheint. Die Unternehmen nutzen die positive Bewertung ihres Tafel-Engagements, um ihr soziales Image aufzubessern. Vielfach gewinnt man den Eindruck, dass eher die in der Tafelbewegung engagierten Unternehmen die Profiteure sind als die Menschen, die gesellschaftlich an den Rand gedrängt wurden. Von Christine Wicht.

Die „neue“ Regierung Samaras: Pfeifen im Walde, aber aus dem letzten Loch

Die „neue“ Regierung Samaras verbreitet Aufbruchsstimmung. Die Gefahr eines „Grexit“, also eines Ausschlusses aus der Eurozone, sei endgültig gebannt; jetzt sei bereits die „Greekovery“ in vollem Gange. Als endgültigen Beweis für seine These von der griechischen „success story“ wertet er die Entscheidung über das TAP-Projekt, die Ende Juni gefallen ist. Von Niels Kadritzke.